Bundesfinanzhof, Beschluss vom 12.12.2014, Az. VII B 112/14

7. Senat | REWIS RS 2014, 390

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Gegenstand

Verjährungsbeginn für die Anfechtung einer widerruflichen Bezugsberechtigung durch Duldungsbescheid - Umfang der Vertretungsvollmacht für "Steuerangelegenheiten" - Divergenz wegen abweichender Rechtsauffassung des FG im AdV-Verfahren


Leitsatz

1. NV: Der in einem Lebensversicherungsvertrag widerruflich als bezugsberechtigt Bezeichnete erlangt erst mit dem Eintritt des Versicherungsfalls den Anspruch auf die Versicherungssumme. Dementsprechend beginnt auch erst mit diesem Zeitpunkt der Lauf der Verjährungsfrist für die Schenkungsanfechtung .

2. NV: Eine Vollmacht für "Steuerangelegenheiten" umfasst auch die Vertretung in dem Verfahren betreffend den Erlass des Duldungsbescheides nach § 191 AO, mit dem das zivilrechtliche Anfechtungsrecht nach § 4 AnfG geltend gemacht wird .

3. NV: Hat das FG in der Hauptsache eine andere Rechtsmeinung vertreten als in einer vorangegangenen AdV-Entscheidung, so begründet das keine Divergenz i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO .

Tatbestand

1

I. Mit dem angefochtenen Urteil hat das Finanzgericht ([X.]) die Klage des [X.] und Beschwerdeführers (Kläger) gegen einen [X.] abgewiesen, mit dem der Beklagte und Beschwerdeführer (das Finanzamt --[X.]--) die Auszahlung von Versicherungssummen aus [X.] gemäß § 4 des Anfechtungsgesetzes ([X.]) angefochten hat, die der verstorbene Vater des [X.] mit widerruflichen Bezugsberechtigungen für den Kläger abgeschlossen hatte. Das [X.] hielt die nach Ablauf der vierjährigen Verjährungsfrist erlassenen [X.]e für rechtzeitig, weil es die vor Ablauf der Verjährungsfrist an den für "Steuerangelegenheiten" Bevollmächtigten adressierte Anfechtungsankündigung des [X.] als wirksam zugestellt ansah. Die Unentgeltlichkeit der Zuwendung bejahte es, weil der Kläger zum maßgeblichen Zeitpunkt der Auszahlung keine Gegenleistung zu erbringen hatte und es unerheblich sei, ob mit den erlangten Geldmitteln später Schulden des [X.] getilgt worden seien.

2

Der Kläger hält die Zulassung der Revision wegen des Erfordernisses einer Entscheidung des [X.] ([X.]) zur Fortbildung des Rechts bzw. zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--) und wegen eines Verfahrensfehlers des [X.] (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 [X.]O) für geboten.

3

Im Interesse der Sicherung der Rechtseinheit müsse die --vermeintlich falsche-- Auffassung des [X.] korrigiert werden, dass die Zustellung der rein zivilrechtlichen Anfechtungsankündigung an den ausdrücklich nur in "Steuerangelegenheiten" Bevollmächtigten wirksam sei und damit die Verjährung des Anfechtungsanspruchs unterbrochen habe. Eine Entscheidung diene auch der Rechtsfortbildung, da das [X.] im Rahmen eines dem Hauptverfahren vorangegangenen Verfahrens wegen Aussetzung der Vollziehung (AdV) noch gegenteilig entschieden habe.

4

Überprüft werden müsse im Hinblick auf den Verjährungsbeginn auch die Auffassung des [X.], dass erst die Auszahlung der Versicherungssumme aus den Lebensversicherungen --und nicht die Einräumung des Bezugsrechts aus den Lebensversicherungsverträgen-- eine Leistung i.S. des § 4 Abs. 1 [X.] sei.

5

Schließlich habe das [X.] verfahrensfehlerhaft den Sachverhalt bezüglich der Unentgeltlichkeit der Zuwendung nicht aufgeklärt. Die Feststellungen hätten ergeben, dass er (der Kläger) das Geld für Schulden des [X.] ausgegeben habe und im Übrigen Unterhaltsansprüche gegen den Vater gehabt habe, die durch die Versicherungsleistungen hätten befriedigt werden sollen.

Entscheidungsgründe

6

II. Die Beschwerde ist bei Zweifeln an der nach § 116 Abs. 3 Satz 3 [X.]O gebotenen substantiierten Darlegung eines Zulassungsgrundes jedenfalls unbegründet.

7

1. Die Einwände des [X.] gegen die nach Ansicht des [X.] wirksame und damit verjährungsunterbrechende Zustellung der Anfechtungsankündigung rechtfertigen eine Zulassung der Revision nicht. Abgesehen davon, ob mit diesem Vorbringen ein Zulassungsgrund i.S. des § 115 Abs. 2 [X.]O dargelegt wird und nicht vielmehr ein bloßer angeblicher Rechtsanwendungsfehler des [X.], erübrigt sich eine revisionsrechtliche Überprüfung schon deshalb, weil die Rechtsauffassung des [X.] zutrifft. Denn die dem [X.] vorliegende Vollmacht für "Steuerangelegenheiten" umfasst auch die Vertretung des [X.] in dem Verfahren betreffend den Erlass des [X.]es. Der [X.] hat keinen Zweifel daran, dass der Erlass eines [X.]es nach § 191 der Abgabenordnung ([X.]) zu den "Steuerangelegenheiten" gehört, auch wenn damit das zivilrechtliche Anfechtungsrecht nach § 4 [X.] geltend gemacht wird. Den unter Bezugnahme auf das [X.]-Urteil vom 14. Oktober 1999 VI R 63/98 ([X.], 37, [X.] 2001, 329) dazu gemachten Ausführungen des [X.], wonach auch derjenige, der aufgrund privatrechtlicher Duldungspflichten durch Steuerverwaltungsakt ([X.]) als Schuldner einer Leistung in Anspruch genommen wird, Steuerpflichtiger i.S. des § 33 Abs. 1 letzte Alternative [X.] ist, ist nichts hinzuzufügen. Dass auch eine Vorbereitungshandlung wie die Anfechtungsankündigung, wenn sie im Hinblick auf die Verjährungsunterbrechung notwendige Voraussetzung für den wirksamen Erlass des [X.]es ist, zu den Steuerangelegenheiten zu rechnen ist, versteht sich von selbst und bedarf deshalb keiner näheren Begründung.

8

Allein der Umstand, dass im Streitfall das [X.] in einer vorangegangenen AdV-Entscheidung eine abweichende Rechtsauffassung vertreten hat, begründet keine Divergenz. Dies hat der [X.] wiederholt entschieden (z.B. Beschluss vom 20. Oktober 2010 II B 23/10, [X.]/NV 2011, 63, m.w.N.).

9

2. Entgegen der Auffassung des [X.] bedürfen auch die Ausführungen des [X.] zum Beginn der Anfechtungsfrist keiner höchstrichterlichen Klärung. Der Kläger verkennt hier möglicherweise die Bedeutung der widerruflichen Bezeichnung des Bezugsberechtigten in einem Lebensversicherungsvertrag. Nach der vom [X.] zutreffend herangezogenen Rechtsprechung des [X.] ([X.]) erlangt der widerruflich Bezeichnete zunächst weder einen Rechtsanspruch noch eine gesicherte Rechtsposition, sondern nur eine tatsächliche Aussicht auf den Erwerb eines zukünftigen Anspruchs. Erst mit dem Eintritt des Versicherungsfalls erwirbt der als [X.] Bezeichnete den Anspruch aus dem Versicherungsvertrag, erst jetzt tritt also die gläubigerbenachteiligende Wirkung seiner Bezeichnung ein. Auf diesen Zeitpunkt ist deshalb auch für die Beurteilung der Anfechtbarkeit abzustellen ([X.]-Urteil vom 26. Januar 2012 IX ZR 99/11, Zeitschrift für Wirtschaftsrecht --ZIP-- 2012, 636). Dementsprechend beginnt auch erst mit diesem Zeitpunkt der Lauf der Verjährungsfrist.

3. Schließlich hat das [X.] auch keine Ermittlungspflichten verletzt, indem es unaufgeklärt ließ, ob der Kläger mit den Versicherungssummen Schulden seines [X.] beglichen hat. Denn darauf kam es für die Entscheidung des Streitfalls nicht an. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Unentgeltlichkeit ist derjenige der Vollendung des [X.] ([X.]-Urteil in [X.], 636). Nach den Feststellungen des [X.] hatte der Kläger zu diesem Zeitpunkt keine ausgleichenden Leistungen zu erbringen. Die vom Kläger benannten späteren Zahlungen sind deshalb ebenso unbeachtlich wie ein vom Kläger bloß behaupteter, vor dem Tod nicht geltend gemachter Unterhaltsanspruch gegen den Vater.

4. [X.] beruht auf § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

VII B 112/14

12.12.2014

Bundesfinanzhof 7. Senat

Beschluss

vorgehend Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht, 21. Mai 2014, Az: 5 K 248/12, Urteil

§ 191 AO, § 4 AnfG, § 7 AnfG, § 115 Abs 2 Nr 2 Alt 2 FGO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 12.12.2014, Az. VII B 112/14 (REWIS RS 2014, 390)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 390

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