Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 06.06.2018, Az. 4 StR 144/18

4. Strafsenat | REWIS RS 2018, 8252

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

[X.]:[X.]:[X.]:2018:060618B4STR144.18.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 [X.]/18

vom
6. Juni 2018

[X.]St:
nein
[X.]R:
ja
Nachschlagewerk:
ja
Veröffentlichung:
ja

StGB § 46a Nr. 1

im Sinne von § 46a Nr. 1 StGB.

[X.], Beschluss vom 6. Juni 2018

4 [X.]/18

LG Passau

in der Strafsache
gegen

wegen versuchten Mordes u.a.

-
2
-
Der 4.
Strafsenat des [X.] hat auf Antrag des Generalbundes-anwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 6.
Juni 2018
gemäß §
349 Abs.
2 [X.] beschlossen:

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 12.
Dezember 2017 wird als unbegründet verwor-fen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die den [X.] im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen fahrlässiger Tötung und wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit unerlaubtem Entfernen vom [X.] zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verur-teilt. Ferner hat es Maßnahmen nach §§
69, 69a StGB angeordnet.
Die hierge-gen gerichtete Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung sachlichen Rechts rügt, ist unbegründet. Die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revi-sionsrechtfertigung hat, wie der [X.] in seiner Antragsschrift vom 4.
April 2018 im Einzelnen zutreffend ausgeführt hat, keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
1
-
3
-
Der näheren Erörterung bedarf nur die Ablehnung einer Strafrahmenver-schiebung nach §
46a Nr.
1, §
49 Abs.
1 StGB:
I.
1.
Nach den Feststellungen des [X.]s kollidierte
der infolge der Beschäftigung mit seinem Mobiltelefon abgelenkte Angeklagte, der in den [X.] Abendstunden des
31.
August 2016 mit seinem Klein-Lkw eine Kreisstraße
befuhr, mit dem beleuchteten Pedelec des
82
Jahre alten

F.

, der ebenfalls auf dieser Straße unterwegs war.
Obwohl er die Kollision
wahrgenommen hatte und annahm, dass er einen Menschen erfasst und nicht unerheblich verletzt hatte, setzte er seine Fahrt ohne anzuhalten fort und rief auch keine Hilfe herbei. Damit wollte er vermeiden, für den von ihm schuldhaft herbeigeführten Unfall strafrechtlich zur Verantwortung gezogen zu werden.
Er handelte dabei
in dem Bewusstsein, dass

F.

mög-
licherweise schwer verletzt überlebt haben und bei unverzüglicher medizini-scher Versorgung gerettet werden könnte, nahm aber dessen Versterben als Folge seiner Untätigkeit zumindest billigend in Kauf. Tatsächlich verstarb

F.

unmittelbar nach der Kollision ohne Rettungsmöglichkeit
an seinen Verletzungen.
2.
Wegen der Unfallfolgen hat der Angeklagte einen Betrag in Höhe von 25.000

Hälfte auf eigene und geerbte Ansprüche der beiden Nebenklä-gerinnen, der
Ehefrau und der Tochter des [X.], auf das Kanzleikonto des [X.] gezahlt.
2
3
4
-
4
-
Das [X.] hat eine Anwendbarkeit der §
46a Nr.
1, §
49 Abs.
1 StGB abgelehnt
und
die Zahlung des Geldbetrages an die [X.] nur bei der Strafzumessung im engeren Sinne zu Gunsten des Angeklagten berücksichtigt. Verletzter bzw. Opfer im Sinne von §
46a Nr.
1 StGB könne, so die [X.], nur die durch die Straftat unmittelbar betroffene Person sein, also nur der Träger des den Schutzbereich der verletzten Norm bestimmenden Rechtsguts. Komme das Opfer durch die Tat zu Tode, sei ein Ausgleich im [X.] von §
46a Nr.
1 StGB nicht mehr möglich.
II.
Dass das [X.] die Voraussetzungen von §
46a Nr.
1 StGB im vor-liegenden Fall eines vollendeten Tötungsdelikts
verneint hat, ist aus [X.] nicht zu beanstanden.
Eine Einbeziehung der [X.], hier der Ehefrau und der Tochter des [X.], als Hinterbliebene
in den Anwen-dungsbereich der Vorschrift
kommt in einem derartigen Fall nicht in Betracht.

1.
Gemäß §
46a Nr.
1 StGB kann die Strafe gemildert werden, wenn der Täter in dem Bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen, seine Tat ganz oder zum überwiegenden Teil wiedergutgemacht oder deren Wieder-gutmachung ernsthaft erstrebt hat. Schon der Wortlaut der Vorschrift legt ein Verständnis dahin, dass auch die Hinterbliebenen
eines durch ein fahrlässiges
oder vorsätzliches Tötungsdelikt zu Tode gekommenen [X.] in ihren An-wendungsbereich einbezogen sein könnten, nicht nahe.
Das ergibt sich zwar nicht allein aus der Verwendung
der ohne nähere Eingrenzung
und erkennbar

(zum Wortlaut vgl. 5
6
7
-
5
-
SSW-StGB/[X.], 3.
Aufl., §
46a Rn.
9). Die nach §
46a Nr.
1, §
49 Abs.
1 StGB im Ermessen des Tatrichters liegende Strafmilderung kann aber mit

Wiedergutmachung leistet oder ernsthaft erstrebt. Der strafzu-messungsrelevante Ausgleich knüpft danach schon dem Wortlaut nach an die als Folge der jeweiligen Straftat entstandene Beziehung zwischen dem Täter und dem Träger des verletzten Rechtsguts an.
2.
Eine Beschränkung der Anwendbarkeit des [X.] auf den unmittelbar durch die Straftat Verletzten

mit der Folge der [X.]
46a Nr.
1 StGB bei einem vollendeten Tötungsdelikt

ergibt sich zudem
aus dem
Willen des Gesetzgebers.
a)
Bei der Verankerung des [X.] in §
46a Nr.
1 StGB hat sich der Gesetzgeber inhaltlich an die Definition des §
10 Abs.
1 Nr.
7 [X.] angelehnt, wonach die Erfüllung einer entsprechenden
jugendrichterlichen Wei-sung
einen förmlichen, tatsächlich praktizierten Ausgleich in direkter Konfronta-tion des [X.] mit der Situation des Opfers voraussetzt (vgl. Gesetzentwurf zum [X.], BT-Drucks. 12/6853, S.
21; Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 12/8588, S.
4; vgl. [X.]/[X.],
[X.], 1, 2; [X.],
NStZ 1996, 312; [X.] in [X.]/Schoreit/Sonnen, [X.], 7.
Aufl., §
10 Rn.
43). Schon das gesetzgeberische Konzept
von §
10 Abs.
1 Nr.
7 [X.]
für einen
befriedenden Ausgleich setzte danach das Vorhandensein des [X.] geschädigten Opfers

([X.], aaO, Rn.
49) notwendig voraus.
Angesichts der ausdrücklichen Be-zugnahme auf §
10 [X.] in den Materialien ist auszuschließen, dass der Ge-setzgeber bei der Übernahme
des [X.] in das Erwachse-nenstrafrecht von diesem Konzept des Ausgleichs zwischen Täter und unmit-8
9
-
6
-
telbar Verletztem abgehen wollte.
Für die Annahme, der Gesetzgeber hätte im Fall eines vollendeten Tötungsdelikts den Übergang der Opferstellung auf [X.] in Betracht gezogen, bieten die Gesetzesmaterialien danach [X.] wenig einen Anhalt wie für die Annahme, in einem solchen Fall seien die Hinterbliebenen

neben dem Getöteten

als zusätzliche Verletzte anzusehen.
b)
Zu Unrecht beruft sich die Revision für ihre Auffassung, Hinterbliebene seien bei vollendeten Tötungsdelikten in den Täter-Opfer-Ausgleich einzube-ziehen, auf
§
395 Abs.
2 [X.]. Durch diese Bestimmung hat der Gesetzgeber den Hinterbliebenen lediglich anstelle des Getöteten eine prozessuale Befugnis (zur Nebenklage) eingeräumt. Die Möglichkeiten eines [X.], eine Strafmilde-rung nach §
46a Nr.
1, §
49 Abs.
1 StGB zu erlangen, sollten dadurch erkenn-bar nicht erweitert werden (vgl. dazu [X.], Täter-Opfer-Ausgleich und Scha-denswiedergutmachung im Rahmen von §
46a StGB, 2014, S.
211).
Hierfür spricht auch, dass in §
395 Abs.

die Rede ist,
während in Absatz
2 weiteren Personen in abschließender Aufzählung nur en wird (vgl. dazu SSW-[X.]/[X.], 3.
Aufl., §
395 Rn.
5).
c)
Aus der mit Gesetz zur Einführung eines Hinterbliebenengeldes vom 17.
Juli 2017 ([X.]l.
I, S.
2421) vorgenommenen Erweiterung der Ersatzan-sprüche Dritter bei Tötung durch §
844 Abs.
3 [X.] ergibt sich nichts anderes. Diese Neuregelung ist ersichtlich auf die bürgerlich-rechtlichen Ansprüche im Recht der unerlaubten Handlungen beschränkt
und billigt dem Hinterbliebenen unter näher bestimmten Voraussetzungen unabhängig vom Nachweis einer medizinisch fassbaren Gesundheitsbeschädigung
für dessen seelisches Leid eine Geldentschädigung zu (BT-Drucks. 18/11397, S.
8; vgl. dazu [X.]/
[X.], [X.], 15.
Aufl., §
844 Rn.
20).
10
11
-
7
-
3.
Schließlich stehen auch Sinn und Zweck
von §
46a Nr.
1 StGB einer erweiternden Auslegung entgegen. [X.] der
gesetzgeberischen Intention setzt §
46a Nr.
1 StGB nach ständiger Rechtsprechung des [X.] einen kommunikativen Prozess zwischen Täter und Opfer voraus, der auf einen umfassenden Ausgleich der durch die Straftat verursachten Folgen gerichtet sein muss. Unverzichtbar ist
nach Sinn und Zweck der Vorschrift, dass das
Opfer die Leistungen des [X.] als friedensstiftenden Ausgleich akzeptiert
(st. Rspr.; vgl. nur [X.], Beschluss vom 25.
Juli 1995

1
StR
205/95, [X.], 492; Urteil vom 31.
Mai 2002

2
StR
73/02, NJW 2002, 3264; [X.],
NStZ 2003, 410, 412
f. [X.]). Dieser Zweck würde bei einer Einbeziehung mit-telbar von der Tat Betroffener nach dem Tod des Opfers schon
mit Blick auf die Unbestimmtheit des im Einzelfall in Betracht kommenden Personenkreises und die daraus für den kommunikativen Prozess folgenden praktischen Schwierig-keiten regelmäßig verfehlt.
Der Fall des von einer Sexualstraftat betroffenen Kleinkindes, bei dem der [X.] hinsichtlich der Strafmilderung nach §
46a Nr.
1, §
49 Abs.
1 StGB tatrichterliche Feststellungen zu einem kommunikativen Prozess mit dessen Eltern als Inhabern der Personensorge (§
1627 [X.]) und Vertreter (§
1629 [X.]) des

überlebenden

Opfers verlangt hat
([X.], Beschluss vom
12
13
-
8
-
31.
Juli 2002

1
StR
184/02, [X.]R StGB §
46a Begründung
1),
ist insoweit anders gelagert.
Sost-Scheible
[X.]
Ri[X.] [X.] ist im Urlaub und daher gehindert zu un-terschreiben.
Sost-Scheible
Quentin
Feilcke

Meta

4 StR 144/18

06.06.2018

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 06.06.2018, Az. 4 StR 144/18 (REWIS RS 2018, 8252)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 8252

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

4 StR 144/18 (Bundesgerichtshof)

Täter-Opfer-Ausgleich bei vollendetem Tötungsdelikt


3 StR 233/17 (Bundesgerichtshof)


3 StR 233/17 (Bundesgerichtshof)

Strafzumessung: Voraussetzungen für die Annahme eines Täter-Opfer-Ausgleichs


1 StR 405/02 (Bundesgerichtshof)


2 StR 412/19 (Bundesgerichtshof)

Strafzumessung: Notwendige Urteilsfeststellungen zu einem Täter-Opfer-Ausgleich


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

4 StR 144/18

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.