Bundesfinanzhof, Beschluss vom 23.12.2013, Az. IX R 6/13

9. Senat | REWIS RS 2013, 14

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Gegenstand

Beschwer des Beklagten - Feststellung von Besteuerungsgrundlagen


Leitsatz

NV: Hat das Finanzamt bei einem Gesamtobjekt die Höhe der Schuldzinsen nach § 1 Abs. 3 der Verordnung über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 180 Abs. 2 der Abgabenordnung festgestellt und auf die Feststellungsbeteiligten verteilt und hat das Finanzgericht den Feststellungsbescheid lediglich hinsichtlich der Verteilung der Schuldzinsen geändert, so fehlt dem Finanzamt die Beschwer für eine Revision, mit der es eine andere Verteilung der Schuldzinsen herbeizuführen sucht.

Tatbestand

1

I. Die Kläger und [X.] zu 1. und 2. ([X.]) erwarben von einem Bauträger acht noch zu errichtende Eigentumswohnungen zu hälftigem Miteigentum. Der Kläger und Revisionsbeklagte zu 3. ([X.]) erwarb von demselben Bauträger vier andere noch zu errichtende Eigentumswohnungen zu Alleineigentum. Die Wohnungen bilden zusammen ein separates Gebäude innerhalb eines größeren Ensembles. Für die Wohnungen vereinbarten die Kläger mit dem Bauträger einen Gesamtpreis. Davon hatten die [X.] für die von ihnen erworbenen acht Wohnungen 64,2 % und der [X.] für die von ihm erworbenen vier Wohnungen 35,8 % zu tragen. Die Kaufverträge wurden in einer Urkunde gemeinsam beurkundet.

2

Nach Fertigstellung des Bauwerks vermieteten die [X.] und der [X.] die von ihnen erworbenen Wohnungen jeweils auf eigene Rechnung. Die Mieten vereinnahmten sie auf einem gemeinsamen Konto.

3

Zur Finanzierung ihrer jeweiligen Anschaffungen nahmen die Kläger bei verschiedenen Kreditinstituten als Gesamtschuldner Darlehen auf. In den Darlehensverträgen sind die Kläger als Gesellschaft bürgerlichen Rechts bezeichnet. Zins- und Tilgungsleistungen erbrachten sie für jedes Darlehen zunächst in dem für die Aufteilung des Gesamtkaufpreises vereinbarten Verhältnis. Nachdem die [X.] in Zahlungsschwierigkeiten geraten waren, pfändete die [X.] die Mieteinnahmen der [X.] und zog sie in voller Höhe ein. Der [X.] leistete in den Streitjahren 2004 und 2005 über seinen bisherigen Anteil hinaus Zahlungen an die [X.] und die [X.].

4

2005 einigte sich der [X.] mit der [X.] gegen Zahlung eines Einmalbetrags darauf, aus der gesamtschuldnerischen Haftung für das von der [X.] gewährte Darlehen entlassen zu werden. Hieraus leiten die [X.] eine Überzahlung zu ihren Gunsten in Höhe von 21.286 € her.

5

Der [X.] nahm die [X.] wegen der von ihm überobligationsmäßig geleisteten Zahlungen auf Ausgleich in Anspruch. Das [X.] verurteilte die [X.], an den [X.] 30.423,09 € zu zahlen. Auf die Berufung der dortigen Beklagten hat das [X.] das Urteil aufgehoben, soweit die Beklagten zur Zahlung von mehr als 16.546,05 € verurteilt worden sind. Die Vollstreckung des [X.] gegen die [X.] war erfolglos. Der [X.] hat am 25. Juni 2010 seine Vermögenslosigkeit an Eides Statt versichert.

6

Der Beklagte und Revisionskläger (Finanzamt --[X.]--) stellte die dem Gebäude zuzurechnenden Schuldzinsen gemäß § 180 Abs. 2 der Abgabenordnung [X.]) i.V.m. § 1 Abs. 3 der Verordnung zu § 180 AO gesondert und einheitlich fest und rechnete sie den Klägern nach dem für die Aufteilung des Kaufpreises vereinbarten Schlüssel zu. Dagegen erhoben die [X.] und der [X.] Einsprüche. Das [X.] zog den jeweils anderen zum Einspruchsverfahren hinzu und wies die Einsprüche als unbegründet zurück.

7

Dagegen haben die [X.] und der [X.] gesondert Klage erhoben. Während des Klageverfahrens hat das [X.] geänderte Feststellungsbescheide erlassen. Das Finanzgericht ([X.]) hat die Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden. Es hat die Feststellung höherer als der bisher festgestellten Schuldzinsen abgelehnt und die Verteilung mit der Maßgabe geändert, dass die von dem [X.] geleisteten Zahlungen allein ihm zuzurechnen seien.

8

Das [X.] beantragt sinngemäß,
unter Aufhebung des Urteils, die Klage der [X.] für das [X.] als unzulässig zu verwerfen und die Klagen im Übrigen abzuweisen, hilfsweise, die Kostenentscheidung mit der Maßgabe zu berichtigen, dass die Kosten des Verfahrens den [X.] auferlegt werden.

9

Die Kläger haben sich nicht geäußert.

Entscheidungsgründe

II. Die Revision des [X.] ist unzulässig und durch Beschluss zu verwerfen (§ 126 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Für die Revision fehlt die Beschwer.

1. Keine Beschwer liegt vor, soweit sich das [X.] dagegen wehrt, dass die Kostenentscheidung des [X.] offensichtlich unrichtig ist. Da gegen eine (isolierte) Kostenentscheidung die Revision nicht statthaft wäre (§ 145 [X.]O), ergibt sich die Beschwer für eine Revision gegen ein Urteil (mit Kostenentscheidung) auch nicht aus der Unrichtigkeit der Kostenentscheidung (vgl. nur Gräber/Stapperfend, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 145 Rz 4, m.w.N.).

2. Ebenfalls nicht beschwert ist das [X.], soweit es geltend macht, über die Klage hätte durch Prozessurteil anstatt durch Sachurteil entschieden werden müssen, denn die Rechtskraft des [X.] reicht weiter (vgl. Urteil des [X.] --[X.]-- vom 6. Oktober 2010 II R 29/09, [X.], 603). Durch die begehrte Änderung kann eine Verbesserung nicht erreicht werden.

3. Aber auch soweit das [X.] die Entscheidung des [X.] in der Sache angreift, fehlt ihm die Beschwer.

a) In der Rechtsprechung ist geklärt, dass es beim Beklagten auf die materielle Beschwer ankommt (ständige Rechtsprechung seit Beschluss des Großen Senats des [X.] vom 15. November 1971 GrS 7/70, [X.]E 103, 456, [X.] 1972, 120). Sie liegt vor, wenn das Urteil für ihn "nachteilig" ist und er durch sein Rechtsmittel eine für ihn günstigere Entscheidung herbeiführen kann (z.B. Lange in [X.]/[X.]/[X.], Vor §§ 115 bis 134 [X.]O Rz 19, m.w.N.). Eine materielle Beschwer liegt für das [X.] danach nur vor, wenn das [X.] den angefochtenen Verwaltungsakt ganz oder zum Teil aufgehoben hat, wenn es die Steuer zu niedrig festgesetzt, oder wenn es zwar nicht die Höhe der vom [X.] festgesetzten Steuer geändert, aber im Urteilsausspruch (Tenor) von der Rechtsauffassung des [X.] abweichende Bilanzansätze angesetzt hat (vgl. [X.]-Beschluss vom 23. Dezember 2003 IV R 7/99, [X.]/NV 2004, 789, m.w.N.). Sie kann auch vorliegen, wenn das [X.] Besteuerungsgrundlagen ausnahmsweise mit bindender Wirkung für künftige Veranlagungszeiträume festgestellt hat und wenn dadurch unter Einbeziehung künftiger Steuerfestsetzungen insgesamt eine geringere Steuer anfallen könnte (Senatsbeschluss vom 11. Dezember 1990 IX R 158/86, [X.]/NV 1991, 391). All dies ist vorliegend nicht der Fall.

b) Gegenstand der einheitlichen und gesonderten Feststellung ist im Streitfall (a) die Höhe der dem Objekt (Mehrfamilienhaus) zurechenbaren Schuldzinsen und (b) deren Verteilung auf die Wohnungseigentümer. Hinsichtlich der Summe der Schuldzinsen hat das [X.] den Inhalt der angegriffenen Bescheide bestätigt, sodass sich hieraus eine Beschwer des Beklagten nicht ergeben kann.

c) Aber auch hinsichtlich der vom [X.] geänderten Verteilung der Schuldzinsen auf die Wohnungseigentümer ist eine Beschwer des Beklagten zu verneinen.

aa) Die Entscheidung über die Verteilung der festgestellten Schuldzinsen dient dazu, eine mögliche mehrfache Inanspruchnahme der tatsächlich angefallenen Schuldzinsen in den [X.] der Wohnungseigentümer auszuschließen. An der materiellen Frage, welcher Eigentümer Zinsen in welcher Höhe geltend machen kann, besteht hingegen kein schützenswertes rechtliches Interesse des Beklagten.

bb) Von (wirtschaftlichem) Interesse ist die Frage im vorliegenden Fall allein deshalb, weil ein Eigentümer zahlungsunfähig ist, sodass sich bei ihm im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung die Zinsen möglicherweise nicht auswirken. Darauf kommt es jedoch nicht an. Die Frage, wie sich die Zurechnung der Schuldzinsen bei der Einkommensteuer der Wohnungseigentümer letztlich auswirkt, hat auf die Frage der Zurechnung ersichtlich keinen Einfluss. Dafür spricht auch die Selbständigkeit des Feststellungsverfahrens. Für die im Feststellungsverfahren zu beurteilenden Rechtsfragen kommt es grundsätzlich auf ihre konkreten Auswirkungen in etwaigen Folgebescheiden nicht an.

cc) Es kann insofern auch nicht allein darauf abgestellt werden, dass das [X.] inhaltlich in den Bescheid eingegriffen und ihn geändert hat, denn dies würde von der ständige Rechtsprechung abweichen und auf eine bloß formelle Beschwer des Beklagten hinauslaufen.

Meta

IX R 6/13

23.12.2013

Bundesfinanzhof 9. Senat

Beschluss

vorgehend FG Düsseldorf, 29. August 2012, Az: 7 K 3012/09 F, Urteil

§ 126 Abs 1 FGO, § 145 FGO, § 1 Abs 3 AO1977§180Abs2V

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 23.12.2013, Az. IX R 6/13 (REWIS RS 2013, 14)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 14

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