Bundesgerichtshof, Urteil vom 22.01.2019, Az. II ZR 59/18

2. Zivilsenat | REWIS RS 2019, 11227

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Gegenstand

Feststellungsinteresse für einen Antrag auf Feststellung einer Gewinnbeteiligung an einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts nach deren Auflösung


Leitsatz

Ein auf Feststellung einer Gewinnbeteiligung an einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts gerichteter Antrag betrifft ein Rechtsverhältnis im Sinne von § 256 Abs. 1 ZPO, an dessen Feststellung nach der Auflösung der Gesellschaft ein schutzwürdiges Interesse besteht, wenn die Voraussetzungen für die Geltendmachung eines Zahlungsanspruchs mangels Auseinandersetzung und Erstellung einer Schlussabrechnung nicht vorliegen.

Tenor

Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des 3. Zivilsenats des [X.] vom 24. Januar 2018 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil des [X.] entschieden worden ist.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger und der Beklagte zu 1 sind Wirtschaftsprüfer und Steuerberater. Beide Beklagten sind Rechtsanwälte und waren Anfang 2009 mit einem weiteren Gesellschafter in einer Sozietät verbunden. Nach dessen Ausscheiden kam es nach einem Gespräch zwischen den Parteien am 10. März 2009 zu einer Zusammenarbeit, deren Einzelheiten streitig sind. In der Folgezeit traten die Parteien unter der Bezeichnung "B.     G.     H.    Rechtsanwälte Steuerberater Wirtschaftsprüfer" auf. Es wurde ein Briefkopf verwandt, in dessen Fußzeile die Parteien sowie der Zeuge B.      als Gesellschafter der GbR bezeichnet werden. Am 14. Dezember 2010 erhielt der Kläger von dem Beklagten zu 1 eine Überweisung in Höhe von 15.000 € mit der Bezeichnung "Entnahme".

2

Im Frühjahr 2011 kam es zu Streitigkeiten zwischen den Parteien. Der Kläger verlangte die Vorlage der Gewinnermittlungen für die [X.] und 2010, welche er für das [X.] erhielt. Der Beklagte zu 1 lud zu einer Gesellschafterversammlung am 19. August 2011 u.a. mit dem Tagesordnungspunkt "Ausschluss des ([X.]    ", d.h. des [X.], ein. Mit Schreiben vom 22. August 2011 teilten die Beklagten dem Kläger mit, sein Ausschluss aus der Sozietät sei auf der Gesellschafterversammlung einstimmig beschlossen worden. Danach traten die Beklagten unter der Bezeichnung "B.    und H.    Rechtsanwälte" auf.

3

Mit Schreiben vom 29. Dezember 2011 kündigte der Kläger den [X.] mit sofortiger Wirkung, um die Auflösung der Sozietät herbeizuführen. Zugleich forderte er die Beklagten auf, an der Ermittlung des ihm zustehenden Auseinandersetzungsguthabens mitzuwirken.

4

Das [X.] hat festgestellt, dass der in der außerordentlichen Gesellschafterversammlung der Sozietät vom 19. August 2011 gefasste Beschluss, den Kläger aus der Gesellschaft auszuschließen, nichtig ist, sowie, dass die Sozietät infolge der Kündigung des [X.] vom 29. Dezember 2011 mit sofortiger Wirkung aufgelöst worden ist. Den Antrag, festzustellen, dass der Kläger an dem bis zur Auflösung der Gesellschaft erzielten Gewinn der Sozietät neben den Beklagten zu gleichen Teilen beteiligt ist, hat es als unbegründet abgewiesen. Auf die Berufung des [X.] und die Anschlussberufung der Beklagten hat das Berufungsgericht das landgerichtliche Urteil teilweise abgeändert und die Klage hinsichtlich der Anträge auf Feststellung der Auflösung der Sozietät und der Gewinnbeteiligung zu gleichen Teilen als unzulässig abgewiesen. Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger diese Klageanträge weiter.

Entscheidungsgründe

5

Die Revision des [X.] hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

6

I. Das Berufungsgericht hat - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

7

Der auf Feststellung der Gewinnbeteiligung gerichtete Klageantrag sei mangels Feststellungsinteresses des [X.] unzulässig. Es gelte der Vorrang der Leistungsklage. Der Kläger sei nach seiner Kündigung vom 29. Dezember 2011 in der Lage, von den [X.]n die Liquidation der [X.] nebst Erstellung einer Auseinandersetzungsbilanz sowie Auszahlung eines Überschusses zu verlangen. Er verfolge gegen die beiden [X.]n auch ein entsprechendes Leistungsbegehren in einem beim [X.] noch an-dauernden Rechtsstreit, in dem er seinen Anteil am Abrechnungsüberschuss im Sinne von § 734 BGB ohne weiteres klären lassen könne. Es sprächen auch keine Gründe der Prozesswirtschaftlichkeit dafür, dem Kläger ausnahmsweise ein schutzwürdiges Feststellungsinteresse zuzubilligen.

8

Auch für den Antrag auf Feststellung der Sozietätsauflösung fehle dem Kläger das Feststellungsinteresse. Ihm drohe keine gegenwärtige Gefahr oder Unsicherheit. Er habe sich für sein Feststellungsinteresse auf das anwaltliche Schreiben der [X.]n vom 4. Januar 2012 gestützt, mit dem er zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung aufgefordert worden sei. Das Schreiben habe sich nach seinem eindeutigen Wortlaut aber nicht auf die Behauptung bezogen, die gemeinsame Sozietät sei aufgelöst, sondern auf die Behauptung, die aus beiden [X.]n bestehende Sozietät sei aufgelöst. Zudem fehle es an einem "ernstlichen Bestreiten" der Auflösung. Die [X.]n hätten von Beginn an vorgetragen, dass zwischen ihnen und dem Kläger keine Sozietät im Sinne einer GbR begründet worden sei, und die Auflösung der [X.] aufgrund der Kündigung des [X.] unstreitig gestellt. Es sei nicht ersichtlich, dass sich die [X.]n über den 29. Dezember 2011 hinaus der Fortsetzung der gemeinsamen Sozietät berühmt hätten.

9

II. Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Klage ist zulässig. Insbesondere sind die Voraussetzungen des § 256 Abs. 1 ZPO erfüllt. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung lässt sich ein Feststellungsinteresse des [X.] für seine Klageanträge nicht verneinen.

1. Der auf die Feststellung der Gewinnbeteiligung zu gleichen Teilen gerichtete Antrag betrifft ein Rechtsverhältnis der Parteien [X.]. § 256 Abs. 1 ZPO. An dessen Feststellung ist dem Kläger schon deshalb ein schutzwürdiges Interesse zuzubilligen, weil die Voraussetzungen für die Geltendmachung eines Zahlungsanspruchs mangels Auseinandersetzung der [X.] und Erstellung einer Schlussabrechnung (§ 734 BGB) nicht vorliegen (vgl. [X.], Urteil vom 7. April 2008 - [X.], [X.], 1276 Rn. 14). Des Weiteren ist das vom Kläger hier verfolgte Feststellungsbegehren auch nicht deckungsgleich mit dem in einem weiteren, später rechtshängig gewordenen Rechtsstreit vor dem [X.] gegen die [X.]n im Wege der Stufenklage verfolgten Leistungsbegehren auf Gewinnermittlung und Liquiditätsabschlussrechnung zum 29. Dezember 2011.

2. Ebenfalls rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht dem Kläger das gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse für die begehrte Feststellung der Auflösung der Sozietät abgesprochen. Der Kläger hat entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ein rechtliches Interesse an der Feststellung, dass die Sozietät infolge seiner Kündigung vom 29. Dezember 2011 mit sofortiger Wirkung aufgelöst worden ist.

a) Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] ist ein rechtliches Interesse an einer alsbaldigen Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses gegeben, wenn dem Recht oder der Rechtsposition des [X.] eine gegenwärtige Gefahr oder Unsicherheit droht und das erstrebte Urteil geeignet ist, diese Gefahr zu beseitigen ([X.], Urteil vom 25. Juli 2017 - [X.], [X.], 1902 Rn. 16; Urteil vom 28. April 2015 - [X.], [X.], 1220 Rn. 20). Eine solche Gefahr besteht in der Regel schon dann, wenn der [X.] das Recht des [X.] ernstlich bestreitet ([X.], Urteil vom 25. Juli 2017 - [X.], [X.], 1902 Rn. 16; Urteil vom 25. Oktober 2004 - [X.], [X.], 42, 44).

b) Die [X.]n haben das Recht des [X.] bestritten, weil sie den Abschluss eines [X.]svertrags in Abrede gestellt haben und ihre Pflicht zur Erstellung der Liquidationsbilanz damit nicht zweifelsfrei feststeht. Mit der vom Kläger begehrten Feststellung wäre geklärt, dass die Sozietät zu einem bestimmten Zeitpunkt aufgelöst worden ist. Zwar haben die Parteien in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht unstreitig gestellt, dass die "Sozietät mittlerweile beendet ist". Nach den tatbestandlichen Feststellungen des Berufungsgerichts und dem in Bezug genommenen Tatbestand des landgerichtlichen Urteils haben die [X.]n aber eine Auflösung der [X.] nicht unstreitig gestellt, sondern vielmehr streitig vorgetragen, eine [X.] zwischen den Parteien liege nicht vor, weshalb auch ihre Auflösung nicht in Betracht komme, hilfsweise einen wirksamen Ausschluss des [X.] aus der Sozietät behauptet und nur weiter hilfsweise die Auflösung der [X.] aufgrund der Kündigung des [X.] unstreitig gestellt.

III. Das Berufungsurteil ist danach, soweit es angefochten ist, aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist in diesem Umfang, da sie noch nicht zur Endentscheidung reif ist, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:

Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann der Antrag auf Feststellung der Gewinnbeteiligung zu gleichen Teilen nicht zurückgewiesen werden. Einer anderen Bemessung als mit der vom Kläger beantragten [X.] von 1/3 steht § 308 Abs. 1 ZPO nicht per se entgegen. Sollte das Berufungsgericht eine Gewinnbeteiligung des [X.] zu einem Bruchteil nicht feststellen können und sieht es sich wegen § 308 Abs. 1 ZPO an einer anderen Feststellung der Höhe der Gewinnbeteiligung gehindert, hat es auf eine sachdienliche Antragstellung hinzuwirken. Es entspricht erkennbar dem Interesse des [X.], seine ihm am Gewinn der Sozietät zustehende Beteiligung feststellen zu lassen.

[X.]     

      

Wöstmann     

      

Born   

      

Bernau     

      

V. Sander     

      

Meta

II ZR 59/18

22.01.2019

Bundesgerichtshof 2. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, 24. Januar 2018, Az: 3 U 88/14

§ 256 Abs 1 ZPO, § 734 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 22.01.2019, Az. II ZR 59/18 (REWIS RS 2019, 11227)

Papier­fundstellen: MDR 2019, 429-430 WM2019,402 NJW 2019, 1002 REWIS RS 2019, 11227

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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