Bundesgerichtshof, Beschluss vom 14.09.2017, Az. 4 StR 274/16

4. Strafsenat | REWIS RS 2017, 5363

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Gegenstand

Rechtsbeugung: Nichtbetreiben von anklagereifen Ermittlungsverfahren durch einen Staatsanwalt


Leitsatz

Zu den Voraussetzungen der Rechtsbeugung durch einen Staatsanwalt bei bewusstem Nichtbetreiben von anklagereifen Ermittlungsverfahren.

Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 25. Februar 2016 wird

a) die Strafverfolgung gemäß § 154a Abs. 2 StPO im Fall II.2. der Urteilsgründe mit Zustimmung des [X.] auf den Vorwurf der Rechtsbeugung in Tateinheit mit Strafvereitelung im Amt in zwei tateinheitlichen Fällen (Ermittlungsverfahren gegen die Beschuldigten [X.]und [X.]) beschränkt;

b) das vorbezeichnete Urteil mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,

aa) soweit der Angeklagte in den Fällen II.3. bis 6. der Urteilsgründe verurteilt ist; jedoch bleiben insoweit die Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen aufrechterhalten;

bb) in den Fällen II.1. und 2. der Urteilsgründe im Strafausspruch;

cc) im Ausspruch über die Gesamtstrafe.

2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine Strafkammer des [X.] verwiesen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen Rechtsbeugung in Tateinheit mit Strafvereitelung im Amt in sechs Fällen, davon in einem Fall (Fall [X.]2. der Urteilsgründe) in drei tateinheitlichen Fällen, zu der Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Mit seiner auf die Sach- und eine Verfahrensrüge gestützten Revision wendet sich der Angeklagte gegen seine Verurteilung. Das Rechtsmittel hat in dem aus der [X.] ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 [X.].

I.

2

Der Angeklagte ist - seit Juli 2012 vom Dienst [X.] - Staatsanwalt bei der Staatsanwaltschaft [X.]. Seiner Verurteilung liegen Ermittlungsverfahren zugrunde, in denen er es trotz von ihm jeweils zutreffend beurteilter [X.] und bestehender [X.] unterließ, gegen die Beschuldigten der betroffenen Verfahren die öffentliche Klage - gegebenenfalls durch Beantragung eines Strafbefehls (vgl. § 407 Abs. 1 Satz 4 [X.]) - zu erheben. In sämtlichen Fällen wusste der Angeklagte darum, dass die Beschuldigten bei Erhebung der öffentlichen Klage der von ihnen verwirkten Strafe zugeführt werden würden. Im Fall [X.]2. unterließ er es zudem, das staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren auf eine polizeilich zunächst als Zeugin und später als Tatverdächtige vernommene Beschuldigte zu erstrecken, die ihre Tatbeteiligung eingeräumt hatte.

3

[X.] durch den Angeklagten führte in den Fällen [X.] und 2., im letztgenannten Fall gegenüber zwei Beschuldigten, zum Eintritt der [X.]. In den Fällen [X.]3. bis 6. schloss der Dezernatsnachfolger des Angeklagten die Ermittlungen nach dessen Suspendierung ab. Die Amtsgerichte [X.], [X.] und [X.] verhängten in diesen Fällen sodann gegen die Beschuldigten - in den Fällen [X.]3. und 4. durch Strafbefehl - jeweils zur Bewährung ausgesetzte Freiheitsstrafen. Im Fall [X.]3. berücksichtigte das Amtsgericht [X.] die „ungewöhnlich lange [...] Verfahrensverzögerung“, im Fall [X.] das Amtsgericht [X.] den Umstand, „dass der Beschuldigte durch die lange Verfahrensdauer [...] erheblich beeinträchtigt“ wurde, als strafmildernde Umstände. Im Fall [X.] erklärte das Amtsgericht [X.] drei Monate der gegen den Beschuldigten verhängten Gesamtfreiheitsstrafe wegen einer „überlangen Verfahrensdauer“ für vollstreckt. Gegen die nach der Suspendierung des Angeklagten im Fall [X.]2. nacherfasste Beschuldigte stellte die Staatsanwaltschaft das Verfahren „aufgrund der lange zurückliegenden Tatzeit, des Geständnisses und der rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung“ gemäß § 153 Abs. 1 [X.] ein.

4

Im Einzelnen hat das [X.] folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

5

Die Erlasslage des [X.] verpflichtete die Staatsanwälte, dem zuständigen Generalstaatsanwalt über alle Ermittlungsverfahren zu berichten, die länger als ein Jahr unerledigt in ihrem Dezernat anhängig waren. Anfang 2011 verfügte der Leitende Oberstaatsanwalt in [X.], dass ihm die [X.] vorzulegen waren. Um seiner Berichtspflicht in den überjährigen Verfahren nicht nachkommen zu müssen, verfügte der Angeklagte in den den verfahrensgegenständlichen Fällen zugrunde liegenden Akten den Abschluss der Ermittlungen durch angeblich diktierte Anklagen oder [X.] oder stellte die Verfahren entgegen der von ihm zutreffend gewürdigten Sach- und Rechtslage ein, ohne die Beschuldigten hiervon zu benachrichtigen oder Anzeigenerstatter zu bescheiden. Den sachbearbeitenden Polizeistellen teilte er die Einstellungen ebenfalls nicht mit. Mit den [X.]einverfügungen veranlasste der Angeklagte seine Geschäftsstelle, die Ermittlungsverfahren aus dem Register als erledigt auszutragen und damit der Dienstaufsicht des Generalstaatsanwalts und seines eigenen [X.] zu entziehen. Anschließend nahm er die Akten mit dem Vorhaben wieder an sich, die Verfahren zu einem späteren [X.]punkt dem von ihm zutreffend als allein sachgerecht erkannten Abschluss durch Erhebung der öffentlichen Klage zuzuführen. Ohne dieses Vorhaben aufzugeben, bewahrte der Angeklagte die Akten bis zum 27. Juni 2012 in seinem Dienstzimmer und schließlich bis zur Entdeckung seines Vorgehens am 29. Juni 2012 kurzzeitig im [X.] seiner Mutter auf. In der gesamten [X.] nach den [X.]einverfügungen verlor er die Verfahren nicht aus dem Blick. In den Fällen [X.] und 2. wusste der Angeklagte durchgehend darum, wann im Hinblick auf die Tat des jeweiligen Beschuldigten Verjährung eintreten würde. Ebenso war sich der Angeklagte bewusst, dass die Akten seit seinen [X.]einverfügungen keiner behördlichen Kontrolle mehr unterlagen. Seine anfangs hohe Arbeitsbelastung stand einer Erhebung der öffentlichen Klage jedenfalls ab Anfang 2009 nicht entgegen.

6

Zu den einzelnen Fällen hat das [X.] folgende weitere Feststellungen getroffen:

7

1. Das seit August 2005 gegen die Beschuldigte    [X.].  geführte Verfahren 330 Js     , dem 13 sicher nachzuweisende betrügerische Warenbestellungen zugrunde lagen, stellte der Angeklagte im Juli 2006 gemäß § 154 Abs. 1 [X.] ein. Das für die Einstellung herangezogene Bezugsverfahren 330 Js     , das zu einer Verurteilung wegen Betrugs in mindestens 32 Fällen geführt hätte, war seit dem 6. Dezember 2006 [X.]. Zum 15. September 2007 wurde es berichtspflichtig. Am 30. Oktober 2007 verfügte der Angeklagte dessen Abschluss durch eine angeblich diktierte Anklage. Spätestens ab Beginn des Jahres 2009 war das Unterlassen der Anklageerhebung nach Auffassung des [X.]s „unter keinem rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt mehr zu vertreten“. Im Laufe des Jahres 2011 trat [X.] ein. Eine rechtzeitige Anklageerhebung hätte zur Verurteilung der Beschuldigten geführt.

8

2. Der Angeklagte führte unter dem Aktenzeichen 330 Js      seit Juni 2006 ein Ermittlungsverfahren gegen die Beschuldigten [X.], [X.]und [X.]u.a. wegen des Vorwurfs, im März 2006 ein Leasingfahrzeug im Wert von rund 48.000 Euro in die [X.] verschoben zu haben. Auf seinen Antrag erließ das Amtsgericht [X.] am 1. Dezember 2006 Haftbefehl gegen [X.], der vom 23. Dezember 2006 bis zum 18. [X.]i 2007 vollzogen und seitdem, auf Antrag des Angeklagten, gegen Auflagen außer Vollzug gesetzt wurde. Kurz nach Eintritt der Berichtspflicht stellte der Angeklagte das Verfahren am 29. Juni 2007 gegen die Beschuldigten gemäß § 170 Abs. 2 [X.] ein, wovon weder die Beschuldigten noch die sachbearbeitende Polizei Kenntnis erhielten. In einer polizeilichen Vernehmung Ende 2008 räumte die bislang lediglich als Zeugin in das Verfahren einbezogene      [X.]    ihre Beteiligung an der Fahrzeugverschiebung ein. Im [X.]i 2009 erörterte der Angeklagte mit den verantwortlichen Kriminalbeamten das Ergebnis der von ihnen durchgeführten Ermittlungen, auf dessen Grundlage gegen [X.]und [X.]sowie gegen die im [X.] als Beschuldigte nachzuerfassende [X.]    Anklage zu erheben gewesen wäre. Spätestens ab September 2009 war das Unterlassen der Anklageerhebung nach Auffassung des [X.]s nicht mehr zu vertreten. Bezüglich der Beschuldigten [X.]und [X.]trat am 1. Dezember 2011 bzw. am 14. [X.]i 2012 Verfolgungsverjährung ein. Gegen die später als Beschuldigte nacherfasste [X.]    stellte der Dezernatsnachfolger des Angeklagten das Verfahren im [X.]i 2013 gemäß § 153 Abs. 1 [X.] ein. Zumindest hinsichtlich der Beschuldigten [X.]und [X.]wäre bei rechtzeitiger Anklageerhebung mit der Verurteilung zu Freiheitsstrafen zu rechnen gewesen.

9

3. Unter dem Aktenzeichen 330 Js      ermittelte der Angeklagte seit April 2008 gegen den Krankenpfleger       S.     wegen des Verdachts der gefährlichen Körperverletzung. S.     war seit Oktober 2008 geständig, einer Arbeitskollegin im Februar 2008 Medikamente ins Essen gemischt zu haben, so dass sie nach dessen Verzehr eine Woche auf der Intensivstation behandelt werden musste und mindestens ein halbes Jahr lang krankgeschrieben war. Kurz nach Eintritt der Berichtspflicht verfügte der Angeklagte am 30. April 2009 den Abschluss der Ermittlungen durch einen angeblich diktierten [X.]. Spätestens ab Beginn des Jahres 2010 hätte nach Auffassung des [X.]s Anklage erhoben werden müssen. Nach der Suspendierung verhängte das Amtsgericht [X.] gegen S.     wegen gefährlicher Körperverletzung durch unangefochten gebliebenen Strafbefehl vom 10. September 2012 eine zur Bewährung ausgesetzte Freiheitsstrafe von sieben Monaten.

4. Ab Dezember 2008 führte der Angeklagte unter dem Aktenzeichen 330 Js      ein Ermittlungsverfahren gegen den Beschuldigten [X.].     wegen des Vorwurfs des versuchten Totschlags bzw. der gefährlichen Körperverletzung. Bei seiner verantwortlichen Vernehmung am 19. Dezember 2008 räumte [X.].     das objektive Tatgeschehen weitgehend ein, bestritt aber einen Tötungsvorsatz. Ende Januar 2009 regte sein Verteidiger an, das Verfahren durch Antrag auf Erlass eines Strafbefehls wegen gefährlicher Körperverletzung abzuschließen. Kurz vor Eintritt der Berichtspflicht verfügte der Angeklagte am 30. November 2009 hinsichtlich des Beschuldigten [X.].     den Abschluss der Ermittlungen durch einen angeblich diktierten [X.]. Spätestens ab [X.]i 2010 war das Unterlassen der Anklageerhebung nach Auffassung des [X.]s nicht mehr zu vertreten. Nach der Suspendierung des Angeklagten und der Wiederaufnahme des Verfahrens verhängte das Amtsgericht [X.] gegen [X.].     am 10. September 2012 durch unangefochten gebliebenen Strafbefehl wegen gefährlicher Körperverletzung eine zur Bewährung ausgesetzte Freiheitsstrafe von neun Monaten.

5. Das ab [X.]i 2009 gegen       [X.]    geführte Verfahren 330 Js     , dem mindestens 43 betrügerische Verkaufsfälle bei „[X.]“ sowie eine durch Betrug erlangte Reise im Wert von rund 2.100 Euro zugrunde lagen, stellte der Angeklagte am 18. [X.]i 2010 kurz vor Eintritt der Berichtspflicht im Hinblick auf das ebenfalls wegen betrügerischer „[X.]“-Verkäufe geführte Verfahren 330 Js      ein, das seit November 2009 bei ihm anhängig war. Als dieses Anfang November 2010 berichtspflichtig wurde, stellte der Angeklagte es am selben Tag gemäß § 170 Abs. 2 [X.] ein. Weder der Beschuldigte noch die zahlreichen Anzeigenerstatter erhielten davon Kenntnis. Die mit Bezug auf dieses Verfahren eingestellten Ermittlungen im Verfahren 330 Js      nahm der Angeklagte nicht wieder auf. Spätestens ab April 2011 war das Unterlassen der Anklageerhebung nach Auffassung des [X.]s „unter keinem rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt“ mehr zu vertreten. Nach dessen Suspendierung nahm der Dezernatsnachfolger des Angeklagten zunächst das Verfahren 330 Js      wieder auf und erhob wegen der dortigen Taten im Dezember 2012 Anklage zum Amtsgericht [X.]. Ende [X.]i 2013 erfolgte - nach Verbindung mit weiteren Verfahren - die Anklageerhebung im Verfahren 330 Js     . Bei ihrer gemeinsamen Verhandlung verurteilte das Amtsgericht den Beschuldigten [X.]    im April 2014 wegen Betrugs in 75 Fällen sowie versuchten Betrugs zu einer zur Bewährung ausgesetzten Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten, von denen es drei Monate für vollstreckt erklärte.

6. Ab dem 5. März 2011 ermittelte der Angeklagte unter dem Aktenzeichen 330 Js      gegen den Beschuldigten [X.]i.    wegen des Verdachts des (schweren) sexuellen Missbrauchs einer widerstandsunfähigen Person und erwirkte am selben Tag einen Haftbefehl gegen ihn. Im Rahmen seiner richterlichen Vernehmung im [X.] vom 19. April 2011 gestand [X.]i.    die Tat in vollem Umfang. Am selben Tag setzte das Amtsgericht den Haftbefehl gegen Auflagen außer Vollzug. Mit Eingang weiterer polizeilicher Ermittlungen war das Verfahren ab dem 10. Juni 2011 [X.]. Kurz bevor es berichtspflichtig wurde, stellte der Angeklagte es am 2. März 2012 gemäß § 170 Abs. 2 [X.] mit einer bewusst unzutreffenden Begründung ein. Spätestens ab diesem [X.]punkt war die Sache vielmehr [X.]. Der Beschuldigte wurde durch die Verfahrensverzögerung einerseits begünstigt, andererseits bedeutete die Verzögerung für ihn in Anbetracht des bestehenden Haftbefehls und der bestehenden Auflagen zugleich eine Belastung. Nach der Suspendierung des Angeklagten erhob der Dezernatsnachfolger des Angeklagten Anklage zum Amtsgericht [X.], das den Beschuldigten [X.]i.    am 28. November 2012 wegen sexuellen Missbrauchs einer widerstandsunfähigen Person zu einer zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten verurteilte.

[X.]

Der [X.] hat im Fall [X.]2. der Urteilsgründe die Strafverfolgung mit Zustimmung des [X.] auf den Vorwurf der Rechtsbeugung in Tateinheit mit Strafvereitelung im Amt in zwei tateinheitlichen Fällen (unterbliebene Anklageerhebung im Verfahren 330 Js      gegen die Beschuldigten [X.]und [X.]) beschränkt.

I[X.]

1. Die Verfahrensrüge, dass bestimmte Urkunden mangels Zustimmung des Verteidigers und des Angeklagten nach § 251 Abs. 1 Nr. 1 [X.] nicht im Selbstleseverfahren nach § 249 Abs. 2 Satz 1 [X.] hätten eingeführt werden dürfen, ist bereits unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 [X.]), weil der Inhalt dieser Urkunden nicht bzw. nicht vollständig mitgeteilt wird. Dem [X.] ist deshalb die Prüfung verwehrt, ob es sich - wofür schon das [X.] spricht - bei den beanstandeten Urkunden um Erklärungen von Polizeibeamten über das Ergebnis von [X.] handelt, die nach § 256 Abs. 1 Nr. 5 [X.] ohne Zustimmung der Verfahrensbeteiligten verlesbar waren.

2. Die Revision dringt jedoch mit der Sachrüge teilweise durch.

Die Verurteilung wegen Rechtsbeugung hält sachlich-rechtlicher Überprüfung nur in den Fällen stand, in denen es der Angeklagte unterließ, durch eine rechtzeitige Anklageerhebung oder eine Antragstellung nach § 407 Abs. 1 [X.] den Eintritt der Verfolgungsverjährung zu verhindern (betr. die Fälle [X.] 1. und - nach Verfahrensbeschränkung - [X.] 2. der Urteilsgründe). Allerdings ist zu besorgen, dass das [X.] insoweit von einem zu großen [X.]uldumfang ausgegangen ist, so dass die Strafaussprüche aufzuheben waren. Soweit durch die Untätigkeit des Angeklagten ein [X.] lediglich verzögert wurde, wird der [X.]uldspruch wegen Rechtsbeugung von den Feststellungen nicht getragen (Fälle [X.] 3. bis [X.] 6. der Urteilsgründe).

a) Für die sachlich-rechtliche Beurteilung von Fällen der vorliegenden Art gilt hinsichtlich des Tatbestands der Rechtsbeugung grundsätzlich das Folgende:

aa) Ein Staatsanwalt kann Täter einer Rechtsbeugung im Sinne des § 339 StGB sein, wenn er wie ein [X.] in einem rechtlich vollständig geregelten Verfahren zu entscheiden hat und dabei einen gewissen Grad sachlicher Unabhängigkeit genießt. Diese Voraussetzungen hat der [X.] sowohl für staatsanwaltschaftliche Einstellungsverfügungen als auch für [X.] bereits bejaht (vgl. [X.], Urteil vom 15. September 1995 - 5 StR 713/94, [X.]St 41, 247, 249; Uebele in [X.], 2. Aufl., § 339 Rn. 12; [X.] in [X.], 12. Aufl., § 339 Rn. 20, 36 mwN). Für die Entscheidung, die Erhebung der öffentlichen Klage durch einen Antrag auf Erlass eines Strafbefehls zu bewirken (§ 407 Abs. 1 Satz 4 [X.]), kann nichts anderes gelten.

bb) Als eine Beugung des Rechts im Sinne von § 339 StGB kommen nur elementare Rechtsverstöße in Betracht. Dabei indizieren die Einordnung der Rechtsbeugung als Verbrechen und die gemäß § 24 Nr. 1 DRiG, § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BeamtStG im Fall einer Verurteilung kraft Gesetzes eintretende Beendigung des [X.]- oder Beamtenverhältnisses die [X.]were des Unwerturteils (vgl. [X.], Urteil vom 13. [X.]i 2015 - 3 StR 498/14, [X.], 651, 652; Urteil vom 18. Juli 2013 - 4 StR 84/13, [X.], 655, 656; Urteil vom 29. Oktober 2009 - 4 StR 97/09, [X.], 310; Urteil vom 29. Oktober 1992 - 4 StR 353/92, [X.]St 38, 381, 383). § 339 StGB erfasst deshalb nur Rechtsbrüche, bei denen sich der [X.] oder Amtsträger bei der Leitung oder Entscheidung einer Rechtssache bewusst in schwerwiegender Weise zugunsten oder zum Nachteil einer Partei von Recht und Gesetz entfernt und sein Handeln als Organ des Staates statt an Recht und Gesetz an eigenen [X.]ßstäben ausrichtet (st. Rspr., vgl. [X.], Urteile vom 9. [X.]i 1994 - 5 StR 354/93, [X.]St 40, 169, 178; vom 6. Oktober 1994 - 4 StR 23/94, [X.]St 40, 272, 283; vom 5. Dezember 1996 - 1 [X.], [X.]St 42, 343, 345; vom 4. September 2001 - 5 [X.], [X.]St 47, 105, 109; vom 13. [X.]i 2015 - 3 StR 498/14, [X.], 651, 652; Beschluss vom 7. Juli 2010 - 5 [X.], [X.], 463, 466). Eine unrichtige Rechtsanwendung reicht daher für die Annahme einer Rechtsbeugung selbst dann nicht aus, wenn sich die getroffene Entscheidung als unvertretbar darstellt (st. Rspr., vgl. [X.], Urteil vom 4. September 2001 - 5 [X.], [X.]St 47, 105, 109; Urteil vom 15. September 1995 - 5 StR 713/94, [X.]St 41, 247, 251). Insoweit enthält das Merkmal der Beugung des Rechts ein normatives Element, dem die Funktion eines wesentlichen Regulativs zukommt. Ob ein elementarer Rechtsverstoß vorliegt, ist auf der Grundlage einer wertenden Gesamtbetrachtung aller objektiven und subjektiven Umstände zu entscheiden (vgl. [X.], Urteil vom 13. [X.]i 2015 - 3 StR 498/14, [X.], 651, 652; Urteil vom 23. [X.]i 1984 - 3 [X.], [X.]St 32, 357, 364).

cc) Eine Rechtsbeugung kann grundsätzlich auch durch einen Verstoß gegen Verfahrensrecht begangen werden (st. Rspr., vgl. [X.], Urteil vom 27. [X.]i 1987 - 3 [X.], [X.], 218; Urteil vom 29. Oktober 1992 - 4 StR 353/92, [X.]St 38, 381, 383; Urteil vom 5. Dezember 1996 - 1 [X.], [X.]St 42, 343, 344 f.; Urteil vom 4. September 2001 - 5 [X.], [X.]St 47, 105, 109; Beschluss vom 24. Juni 2009 - 1 [X.], [X.], 92; Beschluss vom 7. Juli 2010 - 5 [X.], [X.], 463, 466). In diesem Fall ist es jedoch erforderlich, dass durch die Verfahrensverletzung die konkrete Gefahr einer falschen Entscheidung zum Vor- oder Nachteil einer Partei begründet wurde, ohne dass allerdings ein Vor- oder Nachteil tatsächlich eingetreten sein muss (vgl. [X.], Urteil vom 11. April 2013 - 5 StR 261/12, [X.], 648, 651 mwN). Daneben kann auch Bedeutung erlangen, welche Folgen der Verstoß für eine Partei hatte, inwieweit die Entscheidung materiell rechtskonform blieb und von welchen Motiven sich der [X.] oder Amtsträger bei der Entscheidung leiten ließ (vgl. [X.], Urteile vom 5. Dezember 1996 - 1 [X.], [X.]St 42, 343, 351; vom 20. September 2000 - 2 StR 276/00, [X.], 243, 244; vom 18. Juli 2013 - 4 StR 84/13, [X.], 655, 656; vom 13. [X.]i 2015 - 3 StR 498/14, [X.], 651, 652).

dd) Hat der Täter Verfahrensrecht durch ein Unterlassen (§ 13 Abs. 1 StGB) verletzt (vgl. [X.], Urteile vom 19. Dezember 1996 - 5 [X.], NJW 1997, 1455; vom 4. September 2001 - 5 [X.], [X.]St 47, 105; [X.], aaO, § 339 Rn. 39 und 70; zur Abgrenzung von [X.] und Unterlassen bei durch [X.]nipulationen bewirktem „verschleppten“ Abschluss einer Anklage vgl. [X.], Urteil vom 6. November 2007 - 1 [X.], Rn. 44), wird das Tatbestandsmerkmal der Rechtsbeugung in der Regel nur dann als erfüllt angesehen werden können, wenn eine rechtlich eindeutig gebotene Handlung unterblieben ist. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn der [X.] oder Staatsanwalt bewusst gegen eine Vorschrift verstoßen hat, die ein bestimmtes Handeln unabweislich zur Pflicht macht oder wenn er untätig bleibt, obwohl besondere Umstände sofortiges Handeln zwingend gebieten (vgl. [X.], Urteil vom 11. April 2013 - 5 StR 261/12, [X.], 648, 654; Urteil vom 4. September 2001 - 5 [X.], [X.]St 47, 105, 111).

b) Danach ist unter den hier gegebenen Umständen ein die Verurteilung wegen Rechtsbeugung tragender elementarer Rechtsverstoß nur in den Fällen belegt, in denen es der Angeklagte bewusst unterließ, den Eintritt der Verfolgungsverjährung durch die Erhebung der öffentlichen Klage zu verhindern (Fall [X.] sowie Fall [X.]2. der Urteilsgründe, dort bezüglich der Beschuldigten [X.]und [X.]).

aa) Die bewusste Nichterhebung der öffentlichen Klage in einem [X.]en Ermittlungsverfahren mit der Folge, dass es im Falle des Unterlassens zum Eintritt der Verfolgungsverjährung kommt, ist für sich genommen grundsätzlich eine schwerwiegende Verletzung des Verfahrensrechts und verstößt gegen ein eindeutiges gesetzliches Handlungsgebot.

Nach § 170 Abs. 1 [X.] hat ein Staatsanwalt Anklage zu erheben, wenn die Ermittlungen genügenden Anlass dazu bieten. Ein Ermessen steht ihm insoweit nicht zu. Die Vorschrift ist - ebenso wie § 152 Abs. 2 und § 160 [X.] - eine Ausprägung des Legalitätsgrundsatzes, der zu den wesentlichen Grundprinzipien des Strafverfahrensrechts zählt (vgl. [X.], Urteil vom 23. September 1960 - 3 StR 28/60, [X.]St 15, 155, 159; Urteil vom 21. April 1988 - [X.], NJW 1989, 96, 97; Urteil vom 18. Juni 1970 - [X.], NJW 1970, 1543, 1544; [X.] in [X.], § 160 Rn. 29 ff.; siehe auch [X.], Beschluss vom 23. Juli 1982 - 2 BvR 8/82, [X.], 430 [zu § 152 Abs. 2 [X.]]). Der Grundsatz der Legalität und der in § 170 Abs. 1 [X.] festgeschriebene Anklagezwang gewinnen ihre Konturen aus ihrer überragenden Bedeutung für die verfassungsrechtlichen Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit (Art. 20 Abs. 3 GG) und der Gleichheit vor dem Gesetz (Art. 3 Abs. 1 GG) sowie der Pflicht des Staates, die Sicherheit der Bürger (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) und deren Vertrauen in die Funktionsfähigkeit der staatlichen Institutionen zu schützen. Auf die zu ihrer Verwirklichung gerichtete Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs darf weder nach Belieben noch aus vermeidbaren Gründen generell oder im Einzelfall verzichtet werden. Der Rechtsstaat kann sich nur verwirklichen, wenn sichergestellt ist, dass Straftäter im Rahmen der geltenden Gesetze verfolgt, abgeurteilt und einer gerechten Bestrafung zugeführt werden (vgl. [X.], Beschluss vom 3. März 2005 - [X.], [X.]St 50, 40, 53 mwN). Andernfalls droht die Legitimität staatlichen Strafens [X.]aden zu nehmen.

Zwar kann § 170 Abs. 1 [X.] in zeitlicher Hinsicht keine eindeutige Handlungsvorgabe entnommen werden. Die Vorschrift verpflichtet aber den Staatsanwalt jedenfalls dann unabweisbar zu einer Anklageerhebung, wenn es andernfalls zum Eintritt der Verfolgungsverjährung käme und der staatliche Strafanspruch deshalb nicht mehr durchsetzbar wäre. Diesem mit dem Herannahen des Verjährungszeitpunkts, der nach dem Gesetz eindeutig zu bestimmen ist, zwingend gewordenen Handlungsgebot ist der Angeklagte bewusst nicht nachgekommen.

bb) Ob allein oder gegebenenfalls unter welchen weiter gehenden Voraussetzungen im Einzelfall die bewusste Nichterhebung einer öffentlichen Klage in Ansehung der konkreten Gefahr der endgültigen Verfahrensbeendigung eines [X.]en Strafverfahrens durch den Eintritt der Verfolgungsverjährung die strengen Anforderungen an das Vorliegen eines elementaren Rechtsverstoßes im Sinne des § 339 StGB erfüllt, braucht der [X.] nicht zu entscheiden. Denn vorliegend treten jedenfalls noch weitere Gesichtspunkte hinzu, die bei der gebotenen Gesamtbetrachtung den [X.] des Angeklagten letztlich als eine Rechtsbeugung im Sinne des § 339 StGB kennzeichnen.

(1) So zeigt sich die [X.]were des Rechtsverstoßes auch darin, dass der Angeklagte durch sein Verhalten - wie vom [X.] zu Recht angenommen - zugleich auch eine Strafvereitelung im Amt gemäß § 258a StGB beging (vgl. [X.], Urteil vom 13. [X.]i 2015 - 3 StR 498/14, [X.], 651, 652; Urteil vom 18. Juli 2013 - 4 StR 84/13, [X.], 655, 657 [zu § 267 Abs. 3 StGB]). Dabei kommt dem Umstand besondere Bedeutung zu, dass der Tatbestand der Strafvereitelung im Amt ebenfalls der Durchsetzung des Legalitätsprinzips dient (vgl. [X.] in Löwe/[X.], [X.], 26. Aufl., § 152 Rn. 37; [X.] in KK-[X.], 7. Aufl., § 152 Rn. 1).

(2) Bei der gebotenen Gesamtbetrachtung war auch zu berücksichtigen, dass der Angeklagte die Verfahren zuvor durch [X.]einverfügungen der Dienstaufsicht seines [X.] sowie des Generalstaatsanwalts in [X.] entzogen hatte. Zwar kann hierin kein eigenständiger Rechtsverstoß im Sinne einer Beugung des Rechts gesehen werden. Auch wollte der Angeklagte nach den Urteilsfeststellungen durch dieses Vorgehen den Eintritt der Verjährung nicht begünstigen oder gar ermöglichen (...). Er beabsichtigte vielmehr unverändert, die Verfahren - wenn auch erst zu einem späteren [X.]punkt - ihrem sachgerechten Abschluss durch Anklageerhebung oder [X.] zuzuführen. Er übertrug sich aber mit diesem Vorgehen doch faktisch die alleinige Verantwortung für ihren weiteren Fort- und Ausgang. Die Möglichkeiten der ihm übergeordneten Justizverwaltung, die ihr obliegende Pflicht, die Einhaltung angemessener [X.]räume bei der Bearbeitung von Strafverfahren zu sichern und nicht nur vermeidbaren (rechtsstaatswidrigen) Verzögerungen, sondern erst Recht einer drohenden Verjährung von Straftaten - gegebenenfalls durch Übertragung der Verfahren auf andere Dezernenten - entgegenzuwirken, beeinträchtigte der Angeklagte mit seinem Vorgehen nachhaltig. Den Verpflichtungen des Legalitätsprinzips konnte nach den Austragungen der Verfahren aus dem Register faktisch nur noch der Angeklagte selbst gerecht werden, was ihm durchgehend bewusst war. Die Einhaltung bestimmter Erledigungsfristen richtete der Angeklagte durch die Herausnahme der Verfahren aus der behördlichen Kontrolle nicht mehr an seinen Dienstvorgaben aus, deren Missachtung zwar als selbständiger Anknüpfungspunkt für die Rechtsbeugung nicht herangezogen werden kann, die aber - wovon das [X.] zutreffend ausgegangen ist - ein Beleg dafür ist, dass der Angeklagte die Sachbehandlung ausschließlich an eigenen [X.]ßstäben ausrichtete (vgl. [X.], Urteil vom 13. [X.]i 2015 - 3 StR 498/14, [X.], 651, 652).

(3) [X.]ließlich war der Angeklagte auch nicht nur kurzfristig mit den Verfahren befasst. Der [X.]raum zwischen [X.] und dem Eintritt der Verjährung umfasste im Fall [X.]2. immerhin einen [X.]raum von zwei bzw. drei, im Fall [X.] sogar von rund vier Jahren.

c) In den Fällen, in denen ein [X.] lediglich verzögert wurde, hat das [X.] auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen einen elementaren Rechtsverstoß im Sinne des § 339 StGB nicht aufzuzeigen vermocht. Die fallbezogene Benennung von [X.]punkten, zu denen die Untätigkeit des Angeklagten „im Hinblick auf das [...] in Art. 6 Abs. 1 [X.] allgemein normierte Verbot rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerungen unter keinem rechtlichen wie tatsächlichen Gesichtspunkt mehr zu vertreten“ war, reicht dafür nicht aus. Die [X.] ist vielmehr in diesen Fällen bei der Prüfung, ob ein elementarer [X.] vorliegt, von einem rechtsfehlerhaften, weil zu weiten [X.]ßstab ausgegangen.

Zwar gehört zu den Normen des Verfahrensrechts, durch deren Verletzung Rechtsbeugung begangen werden kann, auch das aus dem Rechtsstaatsprinzip und der allgemeinen prozessualen Fürsorgepflicht abzuleitende, in Art. 6 Abs. 1 [X.] allgemein normierte Verbot rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerungen. Bei der Entscheidung der Frage, ob in der verzögerten Bearbeitung einer Rechtssache ein Rechtsbruch im Sinne des § 339 StGB liegt, ist aber davon auszugehen, dass es grundsätzlich dem [X.] oder Staatsanwalt überlassen bleibt, welchen der von ihm zu erledigenden vielfältigen Dienstgeschäften er den Vorrang vor anderen einräumt (vgl. [X.], Urteil vom 4. September 2001 - 5 [X.], [X.]St 47, 105, 111). Im Sinne des § 339 StGB strafrechtlich relevante Verstöße gegen den [X.] werden deshalb nur dann in Betracht kommen, wenn gegen zwingende Vorschriften verstoßen wird, in denen der Gesetzgeber das Beschleunigungsgebot konkretisiert hat (wie etwa in § 115 [X.]), wenn der [X.] oder Staatsanwalt untätig bleibt, obwohl besondere Umstände sofortiges Handeln zwingend gebieten, oder wenn die zögerliche Bearbeitung auf sachfremden Erwägungen zum Vorteil oder Nachteil einer Partei beruht (vgl. [X.], Urteil vom 4. September 2001 - 5 [X.], [X.]St 47, 105, 111; Urteil vom 5. Dezember 1996 - 1 [X.], [X.]St 42, 343, 350 f.). Allein eine verzögerte, den [X.]ßstäben des Art. 6 [X.] widersprechende Sachbehandlung durch den Staatsanwalt oder [X.] wird daher regelmäßig nicht die strengen Anforderungen an einen elementaren Rechtsverstoß im Sinne des § 339 StGB erfüllen.

So ist zwar in dem [X.]raum zwischen [X.] und dem Eintritt der Verjährung die in § 170 Abs. 1 [X.] normierte Pflicht des Staatsanwalts, die öffentliche Klage zu erheben, im Lichte des [X.]es zu betrachten, der in jedem Abschnitt des Verfahrens gilt (vgl. [X.] in Löwe/[X.], [X.], 26. Aufl., [X.] Art. 6 Rn. 310). Die Staatsanwaltschaft ist gehalten, in [X.]en Fällen auch alsbald anzuklagen (vgl. [X.], aaO, § 170 Rn. 9). Indes kann weder aus § 170 Abs. 1 [X.] noch allein aus dem Beschleunigungsgebot ohne weiteres ein konkreter [X.]punkt abgeleitet werden, zu dem eine Anklageerhebung zwingend geboten ist. Soweit in Art. 6 Abs. 1 [X.] davon die Rede ist, dass jede Person eine Verhandlung innerhalb „angemessener Frist“ verlangen kann, handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff mit nur geringer Aussagekraft (vgl. [X.], Urteil vom 4. September 2001 - 5 [X.], [X.]St 47, 105, 110 [„wenig konkreter [X.]ßstab“]; [X.], aaO, [X.] Art. 6 Rn. 314). Soweit die [X.] in diesem Zusammenhang darauf abgehoben hat, dass zu den von ihr für jeden Fall bestimmten [X.]punkten eine weitere Untätigkeit „unter keinem rechtlichen wie tatsächlichen Gesichtspunkt mehr zu vertreten“ war, hat sie daher verkannt, dass die bloße Unvertretbarkeit einer richterlichen oder staatsanwaltlichen Sachbehandlung für sich genommen noch nicht in eine Rechtsbeugung führt.

IV.

Danach können der [X.]uldspruch wegen Rechtsbeugung in Tateinheit mit Strafvereitelung im Amt im Fall [X.] 1. der Urteilsgründe und der nach der Verfolgungsbeschränkung verbleibende [X.]uldspruch wegen Rechtsbeugung in Tateinheit mit Strafvereitelung im Amt in zwei tateinheitlichen Fällen im Fall [X.] 2. der Urteilsgründe bestehen bleiben. Allerdings kann nicht ausgeschlossen werden, dass die [X.] bei der Prüfung und Versagung der Strafrahmenmilderung nach § 13 Abs. 2 StGB in beiden Fällen von einem zu großen [X.]uldumfang ausgegangen ist, weil sie dem Angeklagten seine Untätigkeit bereits ab dem [X.]punkt angelastet hat, in dem dies aus ihrer Sicht „unter keinem rechtlichen wie tatsächlichen Gesichtspunkt mehr zu vertreten“ war. Zudem verstößt nach der dargelegten Rechtsauffassung des [X.]s die strafschärfende Berücksichtigung des Eintritts der Verjährung gegen § 46 Abs. 3 StGB, was sich auch bei der [X.] zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt haben kann. Dies führt zur Aufhebung der Einzelstrafen. Im Fall [X.]2. der Urteilsgründe kommt hinzu, dass das [X.] straferschwerend berücksichtigt hat, dass sich die Tat zugunsten von drei Beschuldigten auswirkte.

In den Fällen [X.] 3. bis [X.] 6. der Urteilsgründe bedarf die Sache insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung. Der [X.] kann nicht ausschließen, dass die [X.] noch Feststellungen, insbesondere zu den Beweggründen der Untätigkeit des Angeklagten, zu treffen vermag, die auch in diesen Fällen die Annahme einer Rechtsbeugung etwa auf der Grundlage sachfremder Erwägungen rechtfertigen könnten. Dabei wird insbesondere zu erwägen sein, ob der Angeklagte von einer Anklageerhebung absah, um seine vorhergehenden [X.] nicht aufdecken zu müssen. Die Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen (Feststellungen zu den den betreffenden Ermittlungsverfahren zugrunde liegenden Straftaten, zu [X.]ßnahmen und Verfügungen des Angeklagten und zum Ausgang der betreffenden Verfahren) sind rechtsfehlerfrei getroffen und können bestehen bleiben.

V.

Der [X.] macht von der Möglichkeit des § 354 Abs. 2 Satz 1 [X.] Gebrauch und verweist die Sache an das [X.] [X.].

Sost-[X.]eible      

        

Roggenbuck      

        

[X.]

        

Quentin      

        

Feilcke      

        

Meta

4 StR 274/16

14.09.2017

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Freiburg (Breisgau), 25. Februar 2016, Az: 2 KLs 24/14

§ 339 StGB, § 170 Abs 1 StPO, Art 6 MRK

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 14.09.2017, Az. 4 StR 274/16 (REWIS RS 2017, 5363)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 5363

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