Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 26.03.2014, Az. XII ZB 256/13

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 6772

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 256/13

vom

26. März 2014

in der [X.]

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
[X.] §
5
Eine Untersuchungshaft begründet regelmäßig keinen gewöhnlichen Aufenthalt des Betroffenen in einem Heim i.S.d. §
5 Abs.
2 Satz
2 [X.] (Abgrenzung zum [X.] vom 14.
Dezember 2011
XII
ZB
521/10
-
NJW-RR 2012, 451).
[X.], Beschluss vom 26. März 2014 -
XII ZB 256/13 -
LG [X.]

[X.]

-
2
-
Der XII.
Zivilsenat des [X.] hat am 26.
März 2014 durch
den
Vorsitzenden Richter Dose
und [X.]
Klinkhammer, Schilling, Dr.
Günter und
Dr.
[X.]
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 3.
Zivilkammer des [X.]s [X.]
vom 22.
April 2013 wird zurückgewiesen.
[X.]: 185

Gründe:
I.
Die den Rechtsbeschwerdeführer vertretende St[X.]tskasse begehrt die Herabsetzung einer Betreuervergütung.
Der Betroffene steht seit Oktober
2006 unter Betreuung.
Er wurde Ende 2009 rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten verurteilt; zudem wurde seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt ange-ordnet. Die Vollstreckung der Strafe und der Unterbringung wurden zur [X.] ausgesetzt. Nachdem er über einen längeren Zeitraum mit seiner Lebens-gefährtin in einer eigenen
Wohnung zusammen gelebt hatte, verließ er die Wohnung Mitte des Jahres 2012, war zunächst für geraume
Zeit nicht erreich-bar und kam,
noch bevor er eine von ihm neu angemietete Wohnung bezogen hatte, am 31.
Juli 2012 in Untersuchungshaft, weil er seine Lebensgefährtin misshandelt hatte. Aus der Haft heraus kündigte der Betroffene diese
Woh-nung. Mit Beschluss vom 30.
November 2012 widerrief das Amtsgericht die 1
2
-
3
-
Aussetzung der Strafe und der Unterbringung
zur Bewährung, so dass der Be-troffene Anfang 2013 in einer Klinik untergebracht wurde.
Dem
Antrag des Betreuers, seine Vergütung für den Zeitraum vom 26.
Juli 2012 bis zum 25.
Oktober 2012 auf Grundlage des
Vermögensstatus eines mittellosen,
in eigener Wohnung lebenden Betreuten festzusetzen, hat das Amtsgericht stattgegeben
und ihm einen Betrag von 462

. Das [X.] hat die zugelassene Beschwerde zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die St[X.]tskasse mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde.

II.
Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet.
1. Das Beschwerdegericht hat seine Entscheidung damit begründet, dass der Betroffene im fraglichen Vergütungszeitraum nicht in einem Heim im vergütungsrechtlichen Sinne gelebt habe. Ein solches könne zwar auch eine Justizvollzugsanstalt sein. Entscheidend sei
aber, ob der Betroffene dort seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort, also seinen Lebensmittelpunkt habe. Dies sei [X.] anzunehmen, wenn sich der Betroffene dort in Strafhaft von langer Dauer aufhalte. Der Betroffene habe sich indes nicht in Strafhaft bzw. dauerhaf-ter Unterbringung befunden. Im Vergütungszeitraum seien die zeitliche Aus-dehnung der Untersuchungshaft ungewiss sowie über die Frage des Anschlus-ses einer Strafhaft aufgrund zu erwartender Verurteilung bzw. Widerrufs der
Strafaussetzung zur Bewährung noch nicht entschieden gewesen. Anders als bei einer Strafhaft müsse bei der Untersuchungshaft jederzeit mit einer Beendi-gung der Haft gerechnet werden. [X.] die Haftgründe weg, sei auch bei
einer zu erwartenden
Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe die Untersuchungshaft so-3
4
5
-
4
-
fort zu beenden. Deshalb könne der Aufenthalt eines Untersuchungshäftlings in der Justizvollzugsanstalt in der Regel nicht als dauerhaft, sondern nur als vo-rübergehend angesehen werden. Ob der Betroffene während des Zeitraums der Untersuchungshaft einen anderen Wohnraum aufrechterhalte, spiele höchstens eine untergeordnete Rolle. Entscheidend sei vielmehr, dass jederzeit mit der Beendigung der
Untersuchungshaft gerechnet werden könne und müsse.
2. Dies hält rechtlicher Überprüfung stand.
Im Streit ist vorliegend allein der dem Betreuer zu vergütende [X.] nach §
5 [X.]. Dabei ist es entgegen der Auffassung der Rechtsbe-schwerde nicht zu beanstanden, dass die Instanzgerichte zugunsten des Be-treuers
gemäß §
5 Abs.
2 Satz
2 Nr.
4
[X.] von einem Stundensatz von 3,5
Stunden im Monat für die Betreuung eines
mittellosen Betreuten ausgegan-gen sind, der seinen gewöhnlichen Aufenthalt nicht in einem Heim hat. Bei dem -
von der Rechtsbeschwerde insoweit nicht
angegriffenen und auch ansonsten nicht zu beanstandenden

festgestellten Zeitraum von drei Monaten und der der Entscheidung zugrunde gelegten Vergütung von 44

§
4 Abs.
1 Nr.
2 [X.] ergibt sich mithin der zugesprochene Betrag von 462

(3,5
Stunden x
3
x
44

Zwar erfüllt auch eine Justizvollzugsanstalt nach der Rechtsprechung des Senats die Voraussetzungen für eine Einrichtung im Sinne des §
5 Abs.
3 [X.] (Senatsbeschluss vom 14.
Dezember 2011 -
XII
ZB
521/10
-
NJW-RR 2012, 451 Rn.
9
ff.
mwN). Jedoch hat der Betroffene im hier maßgeblichen [X.] seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne des §
5 Abs.
2 Satz
2 [X.] nicht in der Justizvollzugsanstalt gehabt.
a) Den gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne des Vormünder-
und Betreu-ungsvergütungsgesetzes
hat jemand dort, wo er sich unter Umständen aufhält, 6
7
8
9
-
5
-
die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. Es handelt sich um den Ort, an dem eine Person sozial integriert ist und ihren auf längere Zeit angelegten tatsächlichen Lebensmittel-punkt hat. Auf den Willen, den Aufenthaltsort zum Mittelpunkt oder Schwerpunkt der Lebensverhältnisse zu machen, kommt es nicht an. Entscheidend sind vielmehr die tatsächlichen Verhältnisse (Senatsbeschluss vom 14.
Dezember 2011 -
XII
ZB
521/10
-
NJW-RR 2012, 451 Rn.
12). Die für einen gewöhnlichen Aufenthalt erforderliche Dauer ist unter Berücksichtigung des jeweiligen Norm-zwecks nach den Umständen des Einzelfalls zu bestimmen. Dabei ist der Zweck der Vorschrift, nämlich die Gewährung einer geringeren Vergütung für einen geringeren Betreuungsaufwand bei einem Aufenthalt des Betreuten in einer Einrichtung, mit zu berücksichtigen (Senatsbeschluss vom 14.
Dezember 2011 -
XII
ZB
521/10
-
NJW-RR 2012, 451 Rn.
13
f.).
[X.]) Für eine mehrjährige Strafhaft (rund drei Jahre) hat der Senat die Begründung des gewöhnlichen Aufenthalts
in der Haftanstalt im Sinne des §
5 [X.] bejaht (Senatsbeschluss vom 14.
Dezember 2011 -
XII
ZB
521/10
-
NJW-RR 2012, 451 Rn.
15
ff.).
bb) [X.] noch nicht entschieden ist die Frage, ob auch die Untersuchungshaft einen gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne des §
5 [X.] zu begründen vermag. Die überwiegende Auffassung in Rechtsprechung und Literatur
lehnt dies ab ([X.] FamRZ 2007, 1913, 1914; [X.] NJW-RR 2007, 517, 518
[für den Regelfall]; [X.] 2007, 83; [X.] Be-schluss vom 7.
Januar 2013

1
T
398/12

juris Rn.
18 [im Regelfall]; [X.] Betreuungsrecht 4.
Aufl. §
5 [X.] Rn.
12; [X.]/Dodegge 4.
Aufl.
Teil
F Rn.
167; vgl. auch Jurgeleit/[X.] Betreuungsrecht 3.
Aufl. §
5 [X.] Rn.
31, wonach der gewöhnliche Aufenthalt eine dauerhafte Aufnahme in dem "Heim" voraussetzt; a.A.

jedenfalls bei einem Aufenthalt von sechs Monaten in einem 10
11
-
6
-
forensischen Krankenhaus

LG [X.] Beschluss vom 21.
August 2006

2
T
619/06

juris Rn.
7).
Der
Senat
hält die überwiegend vertretene Auffassung für zutreffend.
Maßgeblich für den gewöhnlichen Aufenthalt
ist, dass der Betroffene nach den Umständen erkennbar an diesem Ort nicht nur vorübergehend
verweilt bzw. einen auf längere Zeit tatsächlichen Lebensmittelpunkt angelegt hat.
Dies ist bei
Untersuchungshaft nicht der Fall, da sie -
wie das Beschwer-degericht zu Recht ausgeführt hat
-
jederzeit beendet werden kann. So hat der
Beschuldigte gemäß §
117 Abs.
1 StPO das Recht jederzeit die gerichtliche Prüfung zu beantragen, ob der Haftbefehl aufzuheben oder dessen Vollzug auszusetzen ist.
Nach §
120 Abs.
1 StPO ist der Haftbefehl aufzuheben, soweit die Voraussetzungen der Untersuchungshaft nicht mehr vorliegen oder sich ergibt, dass die weitere Untersuchungshaft zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe oder Maßregelung der Besserung und Sicherung außer Verhältnis stehen würde.
Mithin kann jederzeit der Aufenthalt des Be-schuldigten in der Haftanstalt beendet werden, sei es, dass ein Haftgrund ent-fallen ist oder dass ein dringender Tatverdacht nicht (mehr) festgestellt werden kann. Dass die Untersuchungshaft schließlich nicht auf Dauer angelegt ist, ergibt sich auch aus §
121 Abs.
1 StPO. Danach darf der Vollzug der Untersu-chungshaft wegen derselben Tat über sechs Monate hinaus nur aufrechterhal-ten werden, wenn die besondere Schwierigkeit oder der besondere Umfang der Ermittlungen
oder ein anderer wichtiger Grund das Urteil noch nicht zulassen oder die Fortdauer der Haft rechtfertigen.
b) Gemessen hieran fehlt es vorliegend an einem gewöhnlichen Aufent-halt des Betroffenen in der Justizvollzugsanstalt für den hier streitbefangenen Vergütungszeitraum vom 26.
Juli bis zum 25.
Oktober 2012. Dabei kann dahin-12
13
14
-
7
-
stehen, ob etwas anderes bei einer lang andauernden Untersuchungshaft (etwa von einem halben Jahr oder länger)
zu gelten hat. Denn der Betroffene hat sich bis zum Ende des beantragten Vergütungszeitraums
am 25.
Oktober 2012 nicht einmal drei Monate in der am 31.
Juli 2012 angetretenen Untersuchungshaft befunden.
Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ändert an dem gefun-denen Ergebnis auch ihr Vortrag nichts, wonach
gegen den Betroffenen bereits am 22.
Juni 2012 im Hinblick auf einen etwaigen Widerruf seiner Bewährung ein Sicherungshaftbefehl erlassen worden ist.
Dieser Vortrag betrifft neue, im instanzgerichtlichen Verfahren nicht festgestellte Tatsachen, die vom Senat mangels Verfahrensrüge nicht zu berücksichtigen sind.
15
-
8
-
Dass die Strafaussetzung zur Bewährung schließlich am 30.
November 2012 widerrufen worden und der Betroffene fortan untergebracht ist, hat auf den streitbefangenen, am 25.
Oktober 2012 endenden Vergütungszeitraum keinen Einfluss. Denn die Frage des gewöhnlichen Aufenthalts ist nicht aus einer Rückschau, sondern von dem Zeitpunkt aus zu betrachten, zu dem die Vergü-tung begehrt wird ([X.] FamRZ 2007, 1913, 1914).

Dose

Klinkhammer

Schilling

Günter

[X.]
Vorinstanzen:
[X.],
Entscheidung vom 09.01.2013 -
785 [X.]/09 -

LG [X.], Entscheidung vom 22.04.2013 -
3 T 108/13 -

16

Meta

XII ZB 256/13

26.03.2014

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 26.03.2014, Az. XII ZB 256/13 (REWIS RS 2014, 6772)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 6772

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XII ZB 256/13

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