20. Zivilsenat | REWIS RS 2018, 13386
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Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"
Das Urteil des Senats vom 23.11.2017 wird gemäß § 321 Abs. 1 ZPO dahin ergänzt, dass die Klage auch abgewiesen wird, soweit sie hilfsweise auf wettbewerbsrechtliche Ansprüche gestützt ist.
Hinsichtlich der Kosten und der vorläufigen Vollstreckbarkeit verbleibt es beim Ausspruch im Urteil vom 23.11.2017.
I.
Die tatsächlichen Feststellungen im Urteil des Senats vom 23.11.2017, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird, werden dahingehend ergänzt, dass die Klägerin ihr Begehren primär auf eine Markenverletzung stützt und hilfsweise Ansprüche aus § 4 Nr. 9 UWG a.F., jetzt § 4 Nr. 3 UWG geltend macht.
In Bezug auf letztere trägt sie unter anderem vor, durch die nachfolgende Merkmalskombination rage ihre Bewässerungsspritze noch heute aus dem wettbewerblichen Umfeld deutlich heraus:
Die X.-Bewässerungsspritze bestehe im Wesentlichen aus drei Teilen, nämlich einem Verbindungsstück, einem Handlauf und einer Spritze, wobei
- das Verbindungsstück drei Rillen und einen Dichtungsring aufweist,
- der Handlauf dunkelgrau und kegelförmig ist und über eine fein gerippte Oberfläche verfügt und
- die Spitze, die schmaler und länger als der Handlauf ist, ebenfalls kegelförmig und nach vorne hin verjüngend ausgestaltet ist, über leichte Vertiefungen verfügt und in einer orangenen/hellroten Farbe gehalten ist.
Die Beklagte meint demgegenüber unter anderem, die Gartenschlauchspritze der Klägerin verfüge über keine wettbewerbliche Eigenart mehr. Ihre Form sei nicht mehr unterscheidungskräftig. Vielmehr sei die Gestaltung für derartige Produkte üblich und werde von vielen Herstellern verwendet.
Das Landgericht hat der Klage unter Bejahung einer Markenverletzung stattgegeben und die Widerklage abgewiesen.
Auf die Berufung der Beklagten hat der Senat mit Urteil vom 23.11.2017, der Klägerin zugestellt am 01.12.2017, das landgerichtliche Urteil abgeändert, der Widerklage stattgegeben und die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Klagemarke sei nicht rechtserhaltend benutzt worden. Eine der Klagemarke entsprechende Bewässerungsspritze habe die Klägerin mit der Spritze Art.-Nr. 941 nur bis Mai 2012 vertrieben. Die weiterhin vertriebene Bewässerungsspritze Art.-Nr. 2818 weiche, was die Farbe anbelange, von der eingetragenen Marke ab. Diese Abweichung sei in rechtlicher Hinsicht nicht als so gering zu bewerten, dass die Unterscheidungskraft der Klagemarke nicht beeinflusst werde. Die durch die Klagemarke geschützte Bewässerungsspritze entspreche hinsichtlich ihrer Form der Norm und Üblichkeit. Von entscheidender Bedeutung sei daher die mit der Form verbundene Farbe, was gleichzeitig bedeute, dass eine Abweichung hier erhebliche Auswirkungen auf den Gesamteindruck und damit die Unterscheidungskraft habe.
Daraufhin hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 14.12.2017, bei Gericht per Fax noch an demselben Tag eingegangen, die Ergänzung des Urteils vom 23.11.2017 gemäß § 321 ZPO wegen Übergehens des hilfsweise geltend gemachten wettbewerbsrechtlichen Anspruchs begehrt. Dieser sei begründet, da aus der Sicht der angesprochenen Verkehrskreise, die aus ihrem unvollständigen Erinnerungsbild heraus keine maßgeblichen Unterschiede (auch nicht in den Farbtönen) erkennen würden, durch den Vertrieb der Bewässerungsspritze Nr. 2818 eine ununterbrochene Benutzung der eingangs beschriebenen Bewässerungspritze vorliege. Die vom Senat bei Prüfung der Benutzung vorgenommene zergliedernde Betrachtung könne und werde der Verbraucher in der konkreten Angebotssituation nicht vornehmen, da ihm gar nicht bewusst sei, welche Farbtöne die Klägerin genau verwende. Hinzu komme, dass das gesamte Produktsortiment der Klägerin seit Jahrzehnten die Kombination orange/grau aufweise. Aufgrund dieser langjährigen Übung der Klägerin sei den angesprochenen Verkehrskreisen bekannt, dass die klägerischen Produkte mit den Farben orange und grau (hell oder dunkel) gekennzeichnet würden.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des hiesigen Senats vom 23.11.2017 dahingehend zu ergänzen, als über die geltend gemachten wettbewerbsrechtlichen Ansprüche entschieden wird, und die Berufung insoweit zurückzuweisen, als die Beklagte beantragt hat, das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 05.10.2016 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
den Antrag auf Urteilsergänzung zurückzuweisen,
hilfsweise
die Unbegründetheit der geltend gemachten wettbewerbsrechtlichen Ansprüche festzustellen.
Sie vertritt die Auffassung, der Senat habe den wettbewerbsrechtlichen Anspruch im Urteil vom 23.11.2017 zwar nicht ausdrücklich zurückgewiesen. Aus den dortigen Ausführungen ergebe sich aber, dass er eine zu Gunsten der Klägerin streitende wettbewerbliche Eigenart als fernliegend angesehen habe.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Der zulässige, insbesondere fristgerecht angebrachte Antrag auf Urteilsergänzung ist gem. § 321 Abs. 1 ZPO begründet, da der Senat den hilfsweise geltend gemachten wettbewerbsrechtlichen Anspruch versehentlich nicht beachtet hat. Das Urteil vom 23.11.2017 war daher zu ergänzen, dies allerdings entgegen der Ansicht der Klägerin nicht in Form der Zurückweisung der Berufung. Vielmehr bleibt es bei der durch Urteil vom 23.11.2017 ausgesprochenen Abweisung der Klage. Letztere war lediglich dahingehend zu ergänzen, dass sie auch den wettbewerbsrechtlichen Anspruch umfasst.
Auf den in die Zukunft gerichteten Unterlassungsanspruch findet das UWG in seiner seit dem 10.12.2015 geltenden Fassung Anwendung; der Anspruch ist aber nur begründet, wenn er auch nach der Rechtslage zum Zeitpunkt der die Wiederholungsgefahr begründenden Handlung bestand. Für den in Rede stehenden Anspruch aus § 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 § 3 Abs. 1, § 4 Nr. 3 UWG erfordert dies letztlich keine gesonderte Prüfung, da § 4 Nr. 3 UWG an die Stelle von § 4 Nr. 9 UWG 2008 getreten sind und sich materiell an der Rechtslage nichts geändert hat.
Nach § 4 Nr. 9 UWG a.F. und § 4 Nr. 3 UWG handelt unlauter, wer Waren oder Dienstleistungen anbietet, die eine Nachahmung der Waren oder Dienstleistungen eines Mitbewerbers sind, wenn er a) eine vermeidbare Täuschung der Abnehmer über die betriebliche Herkunft herbeiführt, b) die Wertschätzung der nachgeahmten Ware oder Dienstleistung unangemessen ausnutzt oder beeinträchtigt oder c) die für die Nachahmung erforderlichen Kenntnisse oder Unterlagen unredlich erlangt hat. In Betracht kommt vorliegend nur ein Anspruch aus § 4 Nr. 3 lit. a) UWG. Aber auch dessen Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Nur Leistungsergebnisse mit wettbewerblicher Eigenart genießen Nachahmungsschutz (vgl. Köhler in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 36. Auflage 2018, § 3 Rdnr. 3.24 m.w.N.). Wettbewerbliche Eigenart liegt vor, wenn die konkrete Ausgestaltung oder bestimmte Merkmale des Erzeugnisses geeignet sind, die angesprochenen Verkehrskreise auf seine betriebliche Herkunft oder seine Besonderheiten hinzuweisen (st. Rspr.; vgl. BGH GRUR 2010, 80 Rdnr. 23 – LIKEaBIKE; BGH GRUR 2010, 1125 Rdnr. 21 – Femur-Teil; BGH GRUR 2012, 58 Rdnr. 43 – Seilzirkus; BGH WRP 2013, 1189 Rdnr. 19 – Regalsystem; BGH GRUR 2013, 1052 Rdnr. 18 – Einkaufswagen III; BGH WRP 2015, 1090 Rdnr. 10 – Exzenterzähne; BGH WRP 2016, 854 Rdnr. 16 – Hot Sox; BGH GRUR 2016, 730 Rdnr. 33 – Herrnhuter Stern). Demgemäß liegt auch eine Nachahmung nur vor, wenn die übernommenen Gestaltungsmerkmale geeignet sind, die wettbewerbliche Eigenart zu begründen (siehe zuletzt: BGH WRP 2017, 792 Rdnr. 45 – Bodendübel). Die wettbewerbliche Eigenart muss grundsätzlich im Zeitpunkt des Anbietens der Nachahmung auf dem Markt noch fortbestanden haben (vgl. BGH GRUR 1985, 876 (878) – Tchibo/Rolex I).
Bei Zugrundelegung dieser Grundsätze stellt die Bewässerungsspritze der Beklagten keine unlautere Nachahmung dar.
Dies gilt zunächst im Hinblick auf die klägerische Bewässerungsspritze Art.-Nr. 941. Diese ist zwar nur bis Mai 2012 vertrieben worden. Gleichwohl dauerte der aufgrund ihrer wettbewerblichen Eigenart entstandene Schutz fort, da sie – jedenfalls zum Zeitpunkt des Vertriebs der angegriffenen Bewässerungsspritze im Juli 2014 – noch in der Erinnerung der Verbraucher vorhanden war. Wettbewerbliche Eigenart kam ihr aber nur im Hinblick auf ihre Farbgebung, nicht im Hinblick auf ihre Form zu. In Bezug auf letztere unterschied sie sich nicht, jedenfalls nicht deutlich von den auf dem Markt befindlichen Konkurrenzerzeugnissen. Dies hat auch die Klägerin eingeräumt, indem sie auf Seite18 der Klageschrift zum wettbewerblichen Umfeld ausgeführt hat:
„Betrachtet man nur diejenigen Bewässerungsspritzen, die – wie der „Klassiker“ der Klägerin – länglich gestaltet sind und im Wesentlichen aus drei Elementen, nämlich Verbindungsstück, Handlauf und Spitze bestehen, fällt auf, dass die Mitbewerber der Klägerin zwar Spritzen anbieten, die dem klägerischen Modell von der Form her sehr ähnlich sind. Keines dieser Wettbewerbsmodelle verfügt indes auch noch über die charakteristische Farbkombination von dunklem Verbindungsstück und Handlauf einerseits und hellroter Spitze andererseits.“
Wie sich aus der von der Klägerin in diesem Zusammenhang vorgelegten Anlage K 14, die von der Klägerin am 15.11.2014 erworbene Konkurrenzprodukte zeigt, und der von der Beklagten eingereichten Anlage B 1 ergibt, gab es darüber hinaus im wettbewerblichen Umfeld diverse rot/schwarze Bewässerungsspritzen, die aus einem Verbindungsstück, einem Handlauf und einer Spitze bestanden. Die wettbewerbliche Eigenart der klägerischen Spritze Art. Nr. 941 ergab sich daher im Juli 2014 allein aus der konkreten Farbkombination orange/grau, die der Verbraucher zudem als für die Klägerin „typisch“ kannte. Eben dieses Merkmal weist die Bewässerungsspritze der Beklagten nicht auf, sondern macht im Gegenteil „seitenverkehrt“ von der Farbkombination einer in der Anlage K 14 abgebildeten Bewässerungsspritzen der Fa. Z. GmbH Gebrauch. Aus dem Gesagten folgt, dass die Frage, ob die wettbewerbliche Eigenart der klägerischen Bewässerungsspritze Art.-Nr. 941 durch eine große Bekanntheit deutlich erhöht war mit der Folge, dass sie gemäß § 4 Nr. 3 UWG (§ 4 Nr. 9 UWG a.) auch im Hinblick auf nicht identische Nachahmungen geschützt war, vorliegend keine Rolle spielt. Denn auch eine solche nicht identische Nachahmung muss Gestaltungsmerkmale übernommen haben, die wettbewerbliche Eigenart begründen. Gerade das ist hier aber nicht der Fall.
Was die Bewässerungsspritze der Klägerin Art.-Nr. 2818 und die dort vorhandene rot/schwarze Farbkombination anbelangt, misst die Klägerin ihr selber keine eigenständige wettbewerbliche Eigenart bei, so dass eine Nachahmung dieser Spritze als solcher durch die Beklagte nicht zu prüfen ist.
Folgeansprüche sind demgemäß ebenfalls nicht gegeben.
III.
Die Nebenentscheidungen zur Kostentragung und der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruhen - wie die entsprechenden Entscheidungen zu den markenrechtlichen Ansprüchen im Urteil vom 23.11.2017 - auf § 97 Abs. 1 ZPO und § 708 Nr. 10, § 711 ZPO. Beides ist daher vom dortigen Tenor umfasst, so dass keine gesonderten Aussprüche veranlasst waren.
Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht. Vorliegend stellen sich keine entscheidungserheblichen Rechtsfragen, deren Beantwortung durch den Bundesgerichtshof zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich wäre.
Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird unter Abänderung der Festsetzung im Urteil vom 23.11.2017 auf 350.000,- € festgesetzt (Klage: 300.000,- € (250.000,- € für die markenrechtlichen Ansprüche + 50.000,- € für die wettbewerbsrechtlichen, § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG); Widerklage: 50.000,- €).
Meta
22.02.2018
Oberlandesgericht Düsseldorf 20. Zivilsenat
Urteil
Sachgebiet: U
Nachgehend: Bundesgerichtshof, I ZR 45/18
Zitiervorschlag: Oberlandesgericht Düsseldorf, Urteil vom 22.02.2018, Az. 20 U 137/16 (REWIS RS 2018, 13386)
Papierfundstellen: REWIS RS 2018, 13386
Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.
Bundesgerichtshof, I ZR 212/17, 22.07.2021.
Bundesgerichtshof, I ZR 212/17, 06.06.2019.
Oberlandesgericht Düsseldorf, 20 U 137/16, 22.02.2018.
Oberlandesgericht Düsseldorf, 20 U 137/16, 23.11.2017.
Oberlandesgericht Hamm, 20 U 137/16, 30.08.2017.
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
20 U 137/16 (Oberlandesgericht Düsseldorf)
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