Bundesgerichtshof, Beschluss vom 22.10.2015, Az. V ZB 126/14

5. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 3547

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Gegenstand

Grundbucheintragung: Erwerb der Erbteile einer Erbengemeinschaft durch mehrere Erwerber


Leitsatz

Übertragen Miterben ihre Anteile am Nachlass jeweils zu gleichen Bruchteilen auf mehrere Erwerber, entsteht eine Bruchteilsgemeinschaft nur an den Erbteilen. Hinsichtlich des Nachlasses bleiben die Inhaber der Erbteile gesamthänderisch verbunden.

Befindet sich im Nachlass ein Grundstück, werden die Erwerber deshalb mit dem Zusatz „in Erbengemeinschaft“ als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen. Ihre Eintragung als Miteigentümer ist nur nach entsprechender Auflassung möglich.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 3. Zivilsenats des [X.] in [X.] vom 16. Juni 2014 wird zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert des [X.] beträgt 5.000 €.

Gründe

I.

1

Der 1948 verstorbene [X.] wurde von [X.] und [X.] beerbt, die in das Grundbuch als Eigentümer des zum Nachlass gehörenden Grundstücks „in Erbengemeinschaft“ eingetragen wurden. Mit notarieller Urkunde vom 25. Februar 2013 übertrug jeder der beiden Miterben seinen Erbanteil jeweils zur Hälfte auf die Beteiligten zu 1 und 2. Diese wurden ebenfalls mit dem Zusatz „in Erbengemeinschaft“ in das Grundbuch eingetragen. Sie haben beantragt, das Grundbuch dahin zu berichtigen, dass sie unter Wegfall des Zusatzes „in Erbengemeinschaft“ als Miteigentümer zu je 1/2 eingetragen werden.

2

Das Grundbuchamt hat den [X.] zurückgewiesen mit der Begründung, zur Entstehung einer Miteigentümergemeinschaft bedürfe es einer Erbauseinan[X.]etzung nebst Auflassung. Die dagegen gerichtete Beschwerde hat das [X.] zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgen die Beteiligten zu 1 und 2 ihren Antrag auf Grundbuchberichtigung weiter.

II.

3

Das Beschwerdegericht, dessen Entscheidung u.a. in [X.] 2015, 323 veröffentlicht ist, meint, die Veräußerung sämtlicher Miteigentumsanteile an die Beteiligten habe die gesamthänderische Bindung des Eigentums nicht entfallen lassen, so dass es zur Begründung von [X.] an dem zum Nachlass gehörenden Grundstück einer Auflassung bedürfe. Ein derartiger Erwerb führe zur Entstehung einer Bruchteilsgemeinschaft an den erworbenen Erbanteilen innerhalb der bestehenden Gesamthandsgemeinschaft, die auch bei vollständiger Auswechslung ihrer Mitglieder fortgesetzt werde.

III.

4

Der nach § 78 GBO statthaften und auch im Übrigen zulässigen Rechtsbeschwerde bleibt in der Sache der Erfolg versagt. Die Erwägungen des [X.] halten einer rechtlichen Überprüfung stand.

5

1. Zutreffend legt das Beschwerdegericht zugrunde, dass über einen Erbteil auch in Bruchteilen verfügt werden kann (ganz [X.], vgl. nur Senat, Urteil vom 28. Juni 1963 - [X.], NJW 1963, 1610, 1611; [X.]/[X.], [X.] [2010], § 2033 Rn. 7; [X.], Erbrecht, 2011, § 56 Rn. 23; jeweils mwN; skeptisch [X.], [X.] 2015, 26, 27 mwN) und dass die Überführung eines im Gesamthandseigentum stehenden Nachlassgrundstücks in [X.] der Auflassung bedarf (vgl. Senat, Beschluss vom 9. Juli 1956 - [X.], [X.], 229, 231; [X.], [X.], 154 f. mwN).

6

2. Mit Recht geht das Beschwerdegericht auch davon aus, dass die gesamthänderische Bindung vorliegend nicht mit der Folge erloschen ist, dass die Beteiligten an dem Grundstück [X.] erworben haben.

7

a) Allerdings ist umstritten, ob bei Übertragung aller [X.] zu gleichen Bruchteilen auf mehrere Erwerber die Erbengemeinschaft fortbesteht (so BayObLG, NJW 1968, 505; [X.] 46, 181, 184 ff.; KG, NJW-RR 1999, 880, 882; [X.]/[X.], [X.], 74. Aufl., § 2033 Rn. 2; [X.]/Kuchinke, Erbrecht, 5. Aufl., S. 1090; [X.], [X.], 158, 160 f; [X.], NJW 1976, 263, 264; Haegele, Rpfleger 1968, 173, 177; vgl. auch [X.], Rpfleger 1974, 109 f.; zumindest der Sache nach nunmehr auch [X.], 270, 271 f.) oder ob sie erlischt mit der Folge, dass die Erwerber ohne vorherige Auflassung als Bruchteilseigentümer des zum Nachlass gehörenden Grundstücks eingetragen werden können (so [X.]/[X.], [X.] [2010], § 2033 Rn. 7; [X.]., [X.] 2014, 604 f.; Soergel/Wolf, [X.], 13. Aufl., § 2033 Rn. 15; [X.], [X.], 149, 150 ff.; [X.], [X.] 2014, 604; wohl auch MüKo[X.]/[X.], 6. Aufl., § 1008 Rn. 11).

8

b) Der Senat teilt die zuerst genannte Auffassung.

9

aa) Der Gesetzgeber hat die Miterbengemeinschaft als Gesamthandsverhältnis mit der Folge ausgestaltet, dass ein Miterbe nach § 2033 Abs. 2 [X.] über „seinen Anteil“ an einzelnen Nachlassgegenständen nicht verfügen kann (vgl. Prot. [X.], 1899, S. 835 f. u. 838); das gilt selbst dann, wenn der Nachlass nur (noch) aus einem einzigen Vermögensgegenstand besteht (vgl. [X.], Urteil vom 14. Oktober 1969 - [X.], NJW 1969, 92). Um die daraus resultierenden Härten abzumildern, hat er dem Miterben allerdings gemäß § 2033 Abs. 1 [X.] die Befugnis eingeräumt, über seinen Anteil am Nachlass zu verfügen, um auf diese Weise eine alsbaldige Verwertbarkeit des Erbteils sicherzustellen (vgl. Prot. [X.], 1899, S. 835 f. u. 838). Wird ein Erbteil veräußert, führt dies dazu, dass der Veräußerer aus der mit dem Erbfall kraft Gesetzes zwischen ihm und den übrigen Miterben entstandenen Gesamthandsgemeinschaft ausscheidet und die [X.] mit dem Erwerber fortgeführt wird (vgl. nur Senat, Beschluss vom 9. Juli 1956 - [X.], [X.], 229, 231; Urteil vom 28. Juni 1963 - [X.], NJW 1963, 1610, 1611; BayObLG, NJW 1968, 505; KG, NJW-RR 1999, 880, 882). Das gilt nach der Wertung des § 2037 [X.] zumindest grundsätzlich selbst dann, wenn keine Miterben mehr beteiligt sind, sondern nur noch Dritte [X.] halten. Ansonsten litte die Verkehrsfähigkeit des Erbteils, weil ein Erwerber in Rechnung stellen müsste, dass der Anteil von dem Ausscheiden des letzten Miterben an nicht mehr als solcher übertragen werden könnte. Dass die durch den Erbfall begründete Gesamthandsgemeinschaft im Grundsatz auf Auseinan[X.]etzung und damit auf Beendigung angelegt ist, ändert daran nichts.

bb) Der Fortbestand der durch den Erbfall begründeten Gesamthandsgemeinschaft kann nur ausnahmsweise verneint werden, weil nicht nur die erbrechtliche, sondern auch die sachenrechtliche Zuordnung in Rede steht, die mit Blick auf die Erfordernisse des Rechtsverkehrs in erhöhtem Maße der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit bedarf. Vor diesem Hintergrund kann eine teleologische Reduktion nur in zweifelsfreien Fällen und bei typisierender Betrachtung zum Tragen kommen, praktische Gründe allein rechtfertigen sie nicht (aA MüKo[X.]/[X.], aaO, § 1008 Rn. 11, der trotz rechtsdogmatischer Bedenken das Vorliegen „rechtspraktischer“ Gründe für ausreichend hält).

(1) So ist es anerkannt, dass die Gesamthandsgemeinschaft erlischt, wenn ein Miterbe oder ein Dritter sämtliche Erbanteile erwirbt und sich damit sämtliche [X.] in ein und [X.]elben (natürlichen oder juristischen) Person vereinigen. Die Rechtslage ist dann keine andere als bei dem Erwerb des Nachlasses durch einen Alleinerben (vgl. nur [X.], Urteil vom 19. März 1992- IX ZR 14/91, NJW-RR 1992, 733 mwN). Der rechtsgeschäftlich Erwerbende ist so zu stellen, wie er als Alleinerbe stünde. Ein Bedürfnis, über den Nachlass als Ganzes zu verfügen, besteht in beiden Fällen nicht (mehr). Eine Auseinan[X.]etzung mit [X.] findet nicht statt. Sowohl der Alleinerbe als auch der Erwerber sämtlicher [X.] kann ohne weiteres die rechtlichen Voraussetzungen für eine Verfügung über Einzelgegenstände schaffen; der Abstimmung mit [X.] bedarf es hierzu von vornherein nicht. Der Grund für die Einräumung der Möglichkeit, über den Erbteil zu verfügen, besteht in solchen Fällen nicht oder nicht mehr. Der mit dem Modell der gesamthänderischen Bindung verbundene Nachteil, wonach der [X.] nicht über seinen Anteil an einzelnen Nachlassgegenständen verfügen kann (§ 2033 Abs. 2 [X.]), braucht nicht (mehr) durch die Möglichkeit der Verfügung über den Erbteil abgefedert zu werden.

(2) Hier hat kein Erwerb sämtlicher Erbanteile durch einen Erwerber stattgefunden. Wird der Erbteil anteilig auf mehrere Erwerber übertragen, bilden die Erwerber eine [X.] nach Bruchteilen (§ 741 [X.]). Die Bruchteilsgemeinschaft gibt es aber nicht als solche, sondern nur bezogen auf das Recht, das den Mitgliedern der [X.] gemeinschaftlich zusteht. Handelt es sich um mehrere [X.], besteht an diesen jeweils eine Bruchteilsgemeinschaft. Hinsichtlich des Nachlasses bleiben die Inhaber der [X.] gesamthänderisch verbunden; eine Vereinigung der [X.] zu einer Bruchteilsgemeinschaft am Nachlass tritt nicht ein (vgl. [X.], [X.] 2015, 324).

(3) Für den Fortbestand der Erbengemeinschaft gibt es darüber hinaus gute Gründe: Bei dem anteilsmäßigen Erwerb sämtlicher [X.] durch eine Mehrzahl von Erwerbern wird diesen bei der gebotenen typisierenden Betrachtung mit Blick auf die ansonsten eintretende verschärfte Miterbenhaftung (vgl. § 2059 Abs. 1 Satz 1, § 2060 [X.]) regelmäßig daran gelegen sein, vor einer Aufteilung des Nachlasses zunächst die Nachlassverbindlichkeiten zu berichtigen ([X.], [X.], 158, 161). In aller Regel kann auch erst nach Klärung der Passivseite des Nachlasses eine sachgerechte Entscheidung darüber getroffen werden, ob und ggf. hinsichtlich welcher Nachlassgegenstände eine Auseinan[X.]etzung stattfindet, ob sie in Allein- oder [X.] überführt werden sollen oder ob es zweckmäßig erscheint, die Gesamthandsbindung bis auf weiteres aufrechtzuerhalten. Das gilt auch dann, wenn ein Grundstück der einzige Nachlassgegenstand ist. Es steht weiterhin im Gesamthandseigentum.

Es kommt daher nicht mehr darauf an, ob die Beendigung der gesamthänderischen Bindung zudem zu einer Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen der Nachlassgläubiger führte (bejahend [X.], aaO; aA [X.], [X.], 149, 151 f.), die über dasjenige Maß hinausgehen, welches die Gläubiger bei Vereinigung aller Anteile in einer Hand hinzunehmen hätten.

c) Die Voraussetzungen für eine Vorlage an den Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des [X.] nach § 2 Abs. 1 [X.] liegen nicht vor. Zwar weicht der Senat von der in dem Urteil des [X.]finanzhofs vom 11. Juni 1975 (NJW 1975, 2119) zugrunde gelegten Rechtsauffassung ab, wonach die durch den Erbfall begründete Gesamthandsgemeinschaft bei Erbteilsübertragungen der vorliegenden Art ihr Ende findet. Jedoch entfällt die Vorlagepflicht, wenn die frühere Entscheidung überholt ist (vgl. nur [X.]/[X.], [X.], 7. Aufl., zu § 132 [X.] Rn. 20). Davon ist hier schon deshalb auszugehen, weil der [X.]finanzhof nunmehr in ständiger Rechtsprechung davon ausgeht, dass schon die Übertragung eines Erbteils den Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 3 [X.] verwirklicht, sofern zu dem Nachlass ein Grundstück gehört (vgl. nur [X.], 270, 271 ff.; [X.], 468; [X.], 222 Rn. 9 f. mwN). Davon abgesehen liegt eine zur Vorlage führende Abweichung auch dann nicht (mehr) vor, wenn die zur Divergenz führende Rechtsauffassung mittlerweile aufgegeben worden ist (vgl. nur [X.], Beschluss vom 22. Juli 2014 - [X.]/14, juris Rn. 11 mwN, zu § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO; [X.]/[X.], aaO). So liegt es hier. In der Entscheidung vom 17. Juli 1975 ([X.], 270) hat der [X.]finanzhof nicht nur seine steuerliche Rechtsauffassung geändert. Er ist zudem von der früheren zivilrechtlichen Beurteilung zur Beendigung der Gesamthandsgemeinschaft durch Erwerb sämtlicher [X.] abgerückt, indem er ausführt, dass nach der Erbteilsübertragung Eigentum zur gesamten Hand bestehe (aaO, S. 271), dass die Erbengemeinschaft nicht erloschen sei, weil die Erbanteile niemals in einer Hand zusammengefasst worden seien (aaO, S. 271) und dass die Überführung gesamthänderisch gebundenen Eigentums in [X.] der (rechtsgeschäftlichen) Übertragung bedürfe (aaO, S. 272).

IV.

Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 36 Abs. 3 GNotKG.

Stresemann     

        

Rin[X.] Prof. Dr. [X.]-Räntsch
 ist infolge einer Dienstreise an der Unterschrift
gehindert.

        

Brückner

                 

[X.], den 12. November 2015
Die Vorsitzende
Stresemann

                 
        

Göbel     

        

Haberkamp     

        

Meta

V ZB 126/14

22.10.2015

Bundesgerichtshof 5. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend Thüringer Oberlandesgericht, 16. Juni 2014, Az: 3 W 184/14, Beschluss

§ 741 BGB, § 1008 BGB, § 2033 Abs 1 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 22.10.2015, Az. V ZB 126/14 (REWIS RS 2015, 3547)

Papier­fundstellen: NJW 2016, 493 WM 2016, 528 REWIS RS 2015, 3547

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Referenzen
Wird zitiert von

V ZB 228/17

V ZB 126/14

Zitiert

XI B 29/14

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