Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.11.2016, Az. 1 StR 325/16

1. Strafsenat | REWIS RS 2016, 2777

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[X.]:[X.]:[X.]:2016:081116U1STR325.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL
1
StR
325/16

vom
8. November 2016
in der Strafsache
gegen

wegen
unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer

Menge

-
2
-
Der 1.
Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 8.
November
2016, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender
Richter am [X.]
Dr. Raum,

[X.] am [X.]
Prof. Dr. Graf,
[X.]in
am [X.]
Cirener
und [X.] am [X.]
Prof. [X.],
[X.],

Oberstaatsanwältin beim [X.]

als Vertreterin
der Bundesanwaltschaft,

Rechtsanwalt

als Verteidiger,

Justizangestellte

-
in der Verhandlung -,
Justizobersekretärin

-
bei der Verkündung -

als Urkundsbeamtinnen
der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:

-
3
-
1.
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 12.
Februar 2016 im gesam-ten Strafausspruch und soweit eine Einziehung angeord-net wurde, aufgehoben.
2.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer [X.] und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des [X.]s zurückverwiesen.
3.
Die weitergehende Revision wird verworfen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltrei-bens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 16 tatmehrheitlichen Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und zwei Monaten verur-teilt und den bei der Tatbegehung verwendeten Pkw [X.] eingezogen. Die Revision des Angeklagten, welcher die Nichtanwendung des §
64 StGB von seinem Angriff ausgenommen hat, hat mit der Sachrüge den aus dem Tenor ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie offensichtlich unbegründet.
I.
Nach den Feststellungen
des [X.]s hat der in [X.]
nicht vorbestrafte Angeklagte für die anderweitig Verfolgten [X.]

, K.

,

1
2
-
4
-
B.

und S.

, welche sich im Raum D.

zusammengeschlossen hatten, um mit erheblichen Mengen Betäubungsmitteln (Marihuana) Handel zu treiben, bei insgesamt 16 Gelegenheiten Marihuana in [X.] von je-weils 1
kg bis 4,3
kg zu einem Grammpreis von vier Euro verschafft, indem er von ihnen jeweils
zunächst das Geld für den Ankauf der Betäubungsmittel er-hielt und sodann am darauffolgenden Tag mit dem Pkw [X.], amtliches [X.]

, nach [X.] fuhr und sich dort mit dem anderweitig verfolgten Sa.

traf, das erforderliche Rauschgift erhielt und zugleich als Lohn für seine Handlungen zusätzlich nicht näher bekannte Mengen an Marihuana zum eigenen Gebrauch ausgehändigt bekam.
II.
Die materiell-rechtliche Überprüfung des Urteils hat zum Schuldspruch
keinen
Rechtsfehler
zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
Die vom [X.] getroffenen Feststellungen tragen den Schuldspruch wegen
täterschaftli-chen unerlaubten
Handeltreibens
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Men-ge.
Der Begriff des
Handeltreibens
mit Betäubungsmitteln ist nach ständiger Rechtsprechung weit auszulegen. Er erfasst alle Tätigkeiten, die auf den Um-satz von Betäubungsmitteln gerichtet sind und schließt damit dem Grundsatz nach auch unterstützende Tätigkeiten als tatbestandliche Handlungen ein ([X.], Beschluss vom 26.
Oktober 2005

GSSt
1/05, [X.]St 50, 252). Die [X.] zwischen täterschaftlichen
Handlungen und
Beihilfehandlungen
hat nach allgemeinen Regeln zu erfolgen (st. Rspr.; vgl. etwa
[X.], Beschluss vom 8.
Januar 2013
-
5
StR
606/12, [X.], 549; Urteil vom 28.
Februar 2007 -
2
StR
516/06, [X.]St 51, 219). Dabei stellt der [X.] in seiner jüngeren Rechtsprechung vor allem darauf ab, welche Bedeutung dem konkre-3
4
-
5
-
ten Tatbeitrag für das Umsatzgeschäft insgesamt zukommt ([X.], Beschluss vom 30.
August 2016 -
4
StR
297/16).
Ein Kurier ist danach als Gehilfe einzuordnen, wenn sich die Tathandlung auf den Transport von Betäubungsmitteln zwischen selbstständig handelnden Lieferanten und Abnehmern beschränkt und der Beteiligte nicht in der Lage ist, das Geschäft insgesamt maßgeblich mitzugestalten. Als mittäterschaftliches Handeltreiben
kann eine Kuriertätigkeit demgegenüber einzuordnen sein, wenn der Beteiligte über den reinen Transport hinaus erhebliche Tätigkeiten entfaltet ([X.], Urteil vom 28.
Februar 2007 -
2
StR
516/06, [X.]St 51, 219). Solche Tätigkeiten können beispielsweise bei der Einbindung des Kuriers in den An-
oder Verkauf der Betäubungsmittel ([X.], Beschluss vom 9.
November 2011
-
1
StR
508/11), bei einer weiterreichenden Einflussmöglichkeit des Kuriers auf Art und Menge der transportierten Betäubungsmittel ([X.], Beschluss vom 30.
März 2007 -
2
StR 81/07, [X.], 246) oder wenn der Kurier die transportierten Drogen am Zielort aufzubewahren, zu portionieren, chemisch umzuwandeln oder zu verpacken hat (Körner/[X.]/[X.], BtMG, 8.
Aufl., §
29 Rn.
221 unter Verweis auf
[X.], Beschluss vom 7.
März 2001 -
2
StR
23/01), anzunehmen sein.
Nach diesen Maßgaben hat der Angeklagte in den vorliegenden Fällen als unmittelbarer Täter gehandelt und dabei in eigener Person alle Merkmale des Handeltreibens verwirklicht. Der Angeklagte nahm jeweils vor seinen Fahr-ten nach [X.] in D.

das Geld für die Beschaffung des Marihua-nas entgegen, fuhr dann nach [X.] und traf sich dort mit seinem Liefe-ranten, dem anderweitig verfolgten Sa.

, brachte anschließend die [X.] in die Nähe des [X.] zwischen [X.] und [X.] und händigte die bestellte Ware dort an die Käufer aus, welche sie 5
6
-
6
-
sodann selbst nach [X.] einführten.
Der Angeklagte erhielt von den Käufern die Benzin-
und Fahrtkosten nach [X.] erstattet und von dem anderweitig verfolgten Sa.

nicht näher bekannte Mengen an Marihuana zum Eigengebrauch als Lohn für seine Tätigkeit.
Für den Angeklagten hatten die auf
dort lebenden Kinder regelmäßig besuchen konnte und sich entsprechende
eigene Aufwendungen ersparte.
Auch wenn der Angeklagte am An-
und Verkauf der Betäubungsmittel nicht unmittelbar verdiente, hatte er die Stellung eines Zwischenhändlers, der sowohl den Ankauf wie auch die Weitergabe der Marihuanalieferungen umfas-send organisierte und jeweils als Erlös die Besuchsfahrten zu seinen Kindern finanziert und Betäubungsmittel zum Eigengebrauch ausgehändigt erhielt. Sein Interesse an dem Betäubungsmittelhandel betraf somit nicht nur die Erlangung des Kurierlohns, sondern auch die Ermöglichung von Besuchsfahrten sowie die für seinen [X.] erforderlichen Mengen an Marihuana (vgl. hierzu [X.], [X.] vom 9.
November 2011 -
1
StR
508/11). Seine Tathandlung war damit nicht allein auf den Transport von Betäubungsmitteln zwischen selbstständig handelnden Lieferanten und Abnehmern beschränkt; vielmehr hat der Ange-klagte aufgrund seiner eigenen Interessen die Geschäfte insgesamt maßgeblich mitgestaltet ([X.], Urteil vom 28.
Februar 2007 -
2
StR
516/06, [X.]St 51, 219).
III.
Dagegen hat der Strafausspruch
keinen
Bestand; dies führt auch zur Aufhebung der Entscheidung über die
Einziehung.
7
8
-
7
-

1.
Die
Einziehung
des zur Beschaffung der Betäubungsmittel in [X.] genutzten Pkw´s des Angeklagten hat das [X.] auf
§
74 Abs.
1 StGB
gestützt. Indes ist eine hierauf bezogene Einziehung nur zulässig, wenn der Gegenstand zur [X.] dem Täter gehört oder zusteht (§
74 Abs.
2 Nr.
1 StGB), also der Angeklagte selbst oder ein Teilnehmer zum Zeit-punkt der letzten tatrichterlichen Entscheidung Eigentümer des Fahrzeuges war ([X.], Beschluss vom 28.
September 1971 -
1
StR
261/71, [X.]St 24,
222, [226
f.]; Urteil vom 27.
August 1998 -
4
StR
307/98, [X.], 11). Dazu verhält sich das angefochtene Urteil nur unzulänglich: Nach den Feststellungen hatte der Angeklagte Schulden aus einem Autokauf in Höhe von 5.000

er den zu diesem Zweck aufgenommenen Kredit in monatlichen Raten von 117

. Die -
nicht näher begründete
-
Annahme des [X.]s,
sein Fahrzeug, wird durch diese Feststellungen nicht belegt. Vielmehr entspricht es den
Gepflogen-heiten im Kraftfahrzeughandel, dass sich die finanzierende Bank Sicherungs-eigentum übertragen lässt und dies bis zur vollständigen Zahlung des [X.] in Anspruch nimmt. Solange das Sicherungseigentum fortbesteht, kann der Rückübertragungsanspruch
des
Täters
nach
§
74
Abs.
1,
2 Nr.
1 StGB einge-zogen werden (vgl. hierzu für den der Sache nach vergleichbaren Fall der An-wartschaft [X.], Urteil vom 24.
August 1972 -
4
StR
308/72, [X.]St 25,
10).
2.
Im Übrigen hätte das [X.] berücksichtigen müssen, dass eine Einziehung gemäß §
74 Abs.
1 StGB den Charakter einer Nebenstrafe hat und damit eine [X.] darstellt ([X.], Beschluss vom 17.
August 2016 -
2
StR
123/16). Wird nämlich dem Täter auf diese Weise eine Sache von nicht unerheblichem Wert entzogen, ist dies deshalb ein bestim-9
10
-
8
-
mender Gesichtspunkt für die Bemessung der daneben zu verhängenden Stra-fe und insoweit im Wege einer Gesamtbetrachtung der den Täter betreffenden Rechtsfolgen angemessen zu berücksichtigen ([X.], Beschluss vom 12.
März 2013 -
2
StR
43/13,
StV 2013, 565). Dies hat das [X.] nicht bedacht. Nachdem der Wert des Pkw´s nicht mitgeteilt wird, könnte der [X.] nicht aus-schließen, dass das [X.] bei Beachtung der oben dargelegten Grund-sätze eine andere [X.] getroffen hätte.
3.
Die dem Strafausspruch zu Grunde liegenden Feststellungen werden von dem Rechtsfehler nicht berührt und können bestehen bleiben. Der neue Tatrichter wird ergänzende Feststellungen zum Wert des Kraftfahrzeugs zu tref-fen haben. Ebenfalls wird es auch das Vorliegen eines minder schweren Falles neu zu prüfen haben.
Raum
Graf
Cirener

Radtke
Bär
11

Meta

1 StR 325/16

08.11.2016

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.11.2016, Az. 1 StR 325/16 (REWIS RS 2016, 2777)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 2777

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