Bundesgerichtshof, Beschluss vom 08.06.2011, Az. 4 StR 111/11

4. Strafsenat | REWIS RS 2011, 5968

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Revision im Strafverfahren: Protokollrüge der unterbliebenen Beratung


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten A.    wird das Urteil des [X.] vom 28. September 2010, soweit es den Angeklagten A.     betrifft, im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des schweren Bandendiebstahls in 17 Fällen, des versuchten schweren Bandendiebstahls in sechs Fällen, des Diebstahls und des versuchten Diebstahls schuldig ist.

2. Auf die Revisionen der Angeklagten [X.].     und [X.]     wird das vorgenannte Urteil aufgehoben

a) hinsichtlich des Angeklagten [X.].     im Ausspruch über die Gesamtstrafe;

b) soweit dem Angeklagten [X.]     die Strafaussetzung zur Bewährung versagt worden ist.

3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel der Angeklagten [X.] .    und [X.]     , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

4. Die weiter gehenden Revisionen der Angeklagten werden verworfen.

5. [X.]     trägt die Kosten seines Rechtsmittels.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten A.      wegen schweren [X.]s in 15 Fällen, wobei es in sechs Fällen beim Versuch blieb, wegen schweren [X.]s in neun Fällen, wobei es in einem Fall beim Versuch blieb, und wegen eines „besonders schweren Falls des Diebstahls“ zu der Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und neun Monaten verurteilt, von der ein Jahr als verbüßt gilt. Den Angeklagten [X.].    hat es des schweren [X.]s in acht Fällen schuldig gesprochen und gegen ihn - unter Auflösung der durch Urteil des [X.] vom 7. Dezember 2009 gebildeten Gesamtstrafe und Einbeziehung der in diesem Urteil festgesetzten Einzelstrafen - auf die Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und neun Monaten erkannt, von welcher ein Jahr als verbüßt gilt. Der Angeklagte [X.]     wurde wegen Beihilfe zum schweren [X.] in sechs Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt. Hiergegen richten sich die jeweils auf die Sachrüge - bei dem Angeklagten [X.]     auch auf eine Verfahrensbeanstandung - gestützten Revisionen der Angeklagten. Die Rechtsmittel haben den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 [X.].

I.

2

Die Verfahrensrüge des Angeklagten [X.]     , mit welcher geltend gemacht wird, das Urteil sei nach Wiedereintritt in die Verhandlung und Erteilung eines Hinweises nach § 265 [X.] unter Verletzung des § 260 Abs. 1 [X.] ergangen, ist nicht zulässig erhoben (§ 344 Abs. 2 Satz 2 [X.]).

3

Nach der Rechtsprechung des [X.] darf die erneute Beratung nach Wiedereintritt in die Verhandlung in Form einer kurzen, für alle Verfahrensbeteiligten erkennbaren Verständigung des Gerichts im Sitzungssaal erfolgen, wenn bei der Entscheidung einfacher Fragen rascheste Verständigung möglich ist (vgl. [X.], Urteil vom 14. Juli 1971 - 3 StR 73/71, [X.]St 24, 170, 171; Beschlüsse vom 31. Juli 1992 - 3 StR 200/92, [X.]R [X.] § 260 Abs. 1 Beratung 5; vom 25. November 1997 - 5 StR 458/97, [X.], 142). Die Revision trägt nicht vor, dass eine solche Nachberatung durch Verständigung im Sitzungssaal unterblieben ist, sondern führt lediglich aus, dass sich der Protokollvermerk "nach Beratung" nicht dazu verhält, in welcher Weise die Beratung erfolgt sei. Das [X.] erschöpft sich damit in der Beanstandung der Protokollierung, ohne einen konkreten Verfahrensfehler bestimmt zu behaupten. Abgesehen davon, dass die Urteilsberatung nicht zu den protokollierungspflichtigen Förmlichkeiten gehört (vgl. [X.], Beschluss vom 14. Oktober 2008 - 4 [X.], [X.], 105), vermögen Fehler des Protokolls die Revision nicht zu begründen, weil das Urteil hierauf nicht beruhen kann (vgl. [X.], Urteil vom 20. April 2006 - 4 [X.], [X.], 52, 53).

II.

4

Die materiell-rechtliche Prüfung des angefochtenen Urteils auf die Sachrügen führt bei dem Angeklagten A.     zu einer Änderung des Schuldspruchs, zur Aufhebung der gegen den Angeklagten [X.].      verhängten Gesamtstrafe sowie zur Aufhebung des Strafausspruchs gegen den Angeklagten [X.]     , soweit diesem Angeklagten die Strafaussetzung zur Bewährung versagt worden ist.

5

1. [X.]     im Fall II. 2 (1) der Urteilsgründe hat die [X.] - was ihr bei der Abfassung des schriftlichen Urteils selbst aufgefallen ist - fälschlicherweise als versuchten schweren [X.] gewertet, obwohl die Feststellungen nicht belegen, dass der Einbruch in die Sparkasse vom Angeklagten A.     unter Mitwirkung eines anderen [X.] begangen wurde. Der Angeklagte A.     hat sich daher in diesem Fall lediglich des versuchten Diebstahls nach §§ 242, 22 StGB schuldig gemacht. Der [X.] ändert den Schuldspruch entsprechend ab und fasst ihn zur Klarstellung neu, wobei der - nicht in die Urteilsformel gehörende (vgl.  [X.], [X.], 53. Aufl., § 260 Rn. 25) - Hinweis auf die Verwirklichung des Regelbeispiels des § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 StGB im Fall II. 2 (10) der Urteilsgründe zu entfallen hat. § 265 [X.] steht der Schuldspruchänderung nicht entgegen, da sich der geständige Angeklagte nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.

6

Die Einzelstrafe von einem Jahr für die Tat II. 2 (1) der Urteilsgründe kann trotz der Änderung des Schuldspruchs bestehen bleiben. Der [X.] kann angesichts der vom [X.] berücksichtigten Strafschärfungsgründe, namentlich der einschlägigen Vorstrafen und der hohen Rückfallgeschwindigkeit, ausschließen, dass die [X.] bei Zugrundelegung des nach § 23 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmens des § 243 Abs. 1 StGB, der gegenüber der wegen Versuchs gemilderten Strafandrohung des § 244a Abs. 1 StGB eine niedrigere Strafuntergrenze - ein Monat statt drei Monate - vorsieht, auf eine mildere Einzelfreiheitsstrafe erkannt hätte.

7

2. Die gegen den Angeklagten [X.].     verhängte Gesamtfreiheitsstrafe kann nicht bestehen bleiben, weil es das [X.] unterlassen hat, die gemäß § 55 Abs. 1 StGB in die Gesamtstrafe einbezogenen Einzelstrafen aus dem Urteil des [X.] vom 7. Dezember 2009 mitzuteilen (vgl. [X.], Beschlüsse vom 12. Dezember 1986 - 3 [X.], [X.]R § 55 Abs. 1 Satz 1 Strafen, einbezogene 1; vom 20. November 1997 - 4 StR 538/97, [X.], 103; [X.], StGB, 58. Aufl., § 55 Rn. 17). Dies hat zur Folge, dass das Revisionsgericht anhand der Urteilsgründe nicht prüfen kann, ob die Gesamtfreiheitsstrafe rechtsfehlerfrei bemessen wurde.

8

3. Hinsichtlich des Angeklagten [X.]     unterliegt das angefochtene Urteil der Aufhebung im Strafausspruch, soweit dem Angeklagten die Strafaussetzung zur Bewährung versagt worden ist.

9

Die [X.] hat sich in den Urteilsgründen mit der Frage, ob die gegen den Angeklagten [X.]     verhängte Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten gemäß § 56 Abs. 2 StGB zur Bewährung ausgesetzt werden kann, nicht befasst. Unabhängig von der verfahrensrechtlichen Vorschrift des § 267 Abs. 3 Satz 4 [X.] sind aus materiell-rechtlichen Gründen Ausführungen im Urteil zur Strafaussetzung zur Bewährung erforderlich, wenn eine Erörterung dieser Frage als Grundlage für die revisionsgerichtliche Nachprüfung geboten ist ([X.], Beschluss vom 5. März 1997 - 2 StR 63/97; vgl. auch [X.], Beschluss vom 18. Oktober 1985 - 4 StR 559/85, [X.] 1986, 58; Urteile vom 21. April 1986 - 2 StR 62/86, [X.], 374; vom 29. April 1954 - 3 StR 898/53, [X.]St 6, 167, 172). Dies ist hier der Fall, weil angesichts der konkreten Umstände des Falles eine Strafaussetzung zur Bewährung nicht so fern liegt, dass eine ausdrückliche Erörterung der [X.] entbehrlich erscheint. Der Angeklagte [X.]      ist zwar einschlägig vorbestraft, hatte jedoch die ihm hinsichtlich der im November 2002 verhängten Freiheitsstrafe von zwei Jahren und elf Monaten gewährte [X.] durchgestanden, so dass die Reststrafe mit Wirkung vom 16. Februar 2007 erlassen wurde. An den abgeurteilten Taten im September 2009 beteiligte er sich als Fahrer, weil er auf dem Arbeitsmarkt nach seiner Verurteilung im November 2002 keine Möglichkeiten mehr sah. Ausweislich der Strafzumessungserwägungen der [X.] war der Angeklagte als erster der Bandenmitglieder geständig und benannte hierbei Taten, welche der Tätergruppe vorher noch nicht zugeordnet werden konnten.

4. Die zur Teilaufhebung des angefochtenen Urteils hinsichtlich der Angeklagten [X.].    und [X.]     führenden Mängel erfordern keine Aufhebung tatsächlicher Feststellungen. Neue, zu den bisherigen nicht in Widerspruch stehende Feststellungen sind möglich.

[X.]                                 Mutzbauer

                        Bender                                           [X.]

Meta

4 StR 111/11

08.06.2011

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Bielefeld, 28. September 2010, Az: 2 KLs 46 Js 94/07 - 22/09, Urteil

§ 260 StPO, § 344 Abs 2 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 08.06.2011, Az. 4 StR 111/11 (REWIS RS 2011, 5968)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 5968

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

4 StR 111/11 (Bundesgerichtshof)


4 StR 22/12 (Bundesgerichtshof)

Nachträgliche Gesamtstrafenbildung bei Teilrechtskraft des Strafausspruchs durch Teilaufhebung und -zurückverweisung


4 StR 571/10 (Bundesgerichtshof)

Befangenheitsablehnung der Strafkammermitglieder: Besorgnis der Voreingenommenheit bei Äußerungen zu einer gescheiterten Verständigung über Strafobergrenzen im …


2 StR 264/20 (Bundesgerichtshof)

Schwerer Bandendiebstahl: Tatbegehung aus eigennützigen Motiven


5 StR 462/20 (Bundesgerichtshof)

Strafzumessung: Aufklärungshilfe bei Teilgeständnis


Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.