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PDF anzeigenECLI:DE:BGH:2020:080420UXIIZR120.18.0
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XII ZR 120/18
Verkündet am:
8. April 2020
Fahrner,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
BGB §§ 133
B, C, 157
C, 556 Abs. 1 Satz 2 und 3; BetrKV § 2
a)
Wie jede schuldrechtliche Vereinbarung muss diejenige über eine Betriebs-kostenumlage bestimmt oder zumindest bestimmbar sein, um wirksam zu sein. Weitergehende Anforderungen an die Transparenz einer individualver-traglichen Betriebskostenvereinbarung bestehen hingegen anders als bei Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht (Abgrenzung zu Senatsurteil vom 2.
Mai 2012 -
XII
ZR
88/10 -
NJW-RR 2012, 1034).
b)
Der in einem Gewerberaummietvertrag verwendete Begriff "Betriebskosten" erfasst dann, wenn sich kein übereinstimmendes abweichendes Begriffsver-ständnis der Vertragsparteien feststellen lässt, auch ohne weitere Erläute-rungen alle zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses in die gesetzliche Definition nach §
556 Abs.
1 Satz
2 und
3
BGB iVm §
2 BetrKV einbezogenen Kosten-arten (Fortführung von BGH Urteil vom 10.
Februar 2016 -
VIII
ZR
137/15
-
NJW 2016, 1308).
c)
Einer einzelvertraglichen Vereinbarung, wonach der Mieter sämtliche Be-triebskosten zu tragen hat, fehlt es im Bereich der Gewerberaummiete nicht an der für eine Vertragsauslegung erforderlichen Bestimmtheit bzw. Be-stimmbarkeit.
-
2
-
d)
Eine solche Regelung erfasst auch dann alle von der Betriebskostenverord-nung zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses aufgelisteten Kostenarten, wenn sich ihr eine mit "insbesondere" eingeleitete Aufzählung einzelner Kostenar-ten aus dem Katalog anschließt.
BGH, Urteil vom 8. April 2020 -
XII ZR 120/18 -
OLG Celle
LG Hannover
-
3
-
Der XII.
Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 8.
April 2020
durch den
Vorsitzenden
Richter
Dose
und
die Richter
Schil-ling, Dr.
Günter, Dr.
Nedden-Boeger
und
Guhling
für Recht erkannt:
Auf die Revision des
Klägers wird das Urteil des
2.
Zivilsenats
des Oberlandesgerichts Celle
vom 9.
November 2018
aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Oberlan-desgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte als Gewerberaummieterin verpflichtet ist, dem Kläger -
ihrem Vermieter -
die Grundsteuer für das Mietob-jekt als Betriebskosten zu erstatten.
Mit Vertrag vom 13.
August
1990 mietete die Beklagte vom Kläger ein bebautes Grundstück zum Betrieb eines Supermarkts mit Getränkehandel und Parkplätzen. Zu den Betriebskosten enthält der Vertrag folgende Regelung:
"Sämtliche Betriebskosten werden von dem Mieter getragen. Hierunter fallen insbesondere die Kosten der Be-
und Entwässe-rung sowie der Heizungs-
einschließlich Zählermiete und War-tungskosten.
"
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2
-
4
-
In den jährlichen Betriebskostenabrechnungen bis einschließlich 2011 ließ der Kläger die für das Mietobjekt anfallende Grundsteuer unberücksichtigt. Im Jahr 2016
machte er erstmals für die Jahre 2012 und 2013 wegen der
Grundsteuer eine Nachforderung von jeweils 5.116,92
geltend, die die Be-klagte nicht beglich.
Das Landgericht hat der Klage auf Zahlung der beiden Grundsteuerbe-träge nebst Zinsen stattgegeben und die auf Feststellung, nicht zur Tragung der Grundsteuer als Betriebskosten verpflichtet zu sein, gerichtete Widerklage ab-gewiesen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht das erst-instanzliche Urteil abgeändert, die Klage abgewiesen und die mit der Widerkla-ge begehrte Feststellung ausgesprochen.
Dagegen wendet sich der Kläger mit der vom Oberlandesgericht zuge-lassenen Revision.
Entscheidungsgründe:
Die Revision hat Erfolg.
Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Ent-scheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
Dieses hat seine in ZMR 2019, 263
veröffentlichte Entscheidung
wie folgt begründet:
Einem Antrag auf Nachzahlung von anteiliger Grundsteuer stehe zwar weder der Einwand der Verwirkung entgegen, weil das Umstandsmoment nicht erfüllt sei, noch greife die Einrede der Verjährung
durch. Auf der Grundlage der 3
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5
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mietvertraglichen Regelung sei der Kläger aber nicht berechtigt, die Grundsteu-er auf die Beklagte umzulegen. Denn der streitgegenständlichen Klausel fehle es an der inhaltlichen Bestimmtheit. Sie enthalte weder eine abschließende Aufzählung der umzulegenden Betriebskosten noch einen konkreten Hinweis auf die Betriebskostenverordnung. Es könne auch nicht unbesehen auf den Be-triebskostenbegriff des §
556 BGB zurückgegriffen werden, weil diese Vorschrift für Gewerberaummietverhältnisse nicht zur Anwendung komme. Gegen die Anwendung spreche, dass bei Gewerberaum formularvertraglich auch die Um-lage von Betriebskosten möglich sei, die nicht im Betriebskostenkatalog des §
2 BetrKV genannt seien.
Die Formulierung "sämtliche Betriebskosten"
sei in-transparent, weil sie die von der Mieterseite zu tragende Kostenlast -
mit Aus-nahme der aufgezählten Einzelpositionen -
nicht
ansatzweise in einer dem Be-stimmtheitsgebot genügenden Weise erkennen lasse. Selbst wenn man den Betriebskostenbegriff als Hilfsmittel heranziehe, verblieben wegen der durch das Wort "insbesondere"
eingeleiteten Aufzählung nicht behebbare Zweifel. Für dieses Vertragsverständnis spreche
auch signifikant das Verhalten des Klägers, der in der Zeit zwischen 1990 und 2016 der Beklagten zu keinem Zeitpunkt Grundsteuer als Betriebskostenart in Rechnung gestellt habe.
Der Kläger berufe sich ohne Erfolg auf §
305
c Abs.
2 BGB. Er habe noch in erster Instanz vorgetragen, bei dem Vertragstext habe es sich um eine Individualvereinbarung gehandelt, die von der Beklagten vorgelegt worden sei. Mit der
erstmals in der Berufungsinstanz aufgestellten und von der Beklagten bestrittenen Behauptung, bei der Regelung zu den Betriebskosten handele es sich um eine Formularklausel, sei er daher ausgeschlossen.
Selbst wenn man das anders sähe, fehle es an der ausreichenden Bestimmtheit.
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-
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-
II.
Das hält rechtlicher
Nachprüfung nicht stand.
Mit der vom Berufungsge-richt gegebenen Begründung kann die Berechtigung des Klägers, die Grund-steuer auf die Beklagte umzulegen, nicht verneint werden.
1. Revisionsrechtlich
nicht zu beanstanden ist allerdings,
dass das Beru-fungsgericht
die mietvertragliche
Regelung zur Tragung der Betriebskosten als Individualvereinbarung eingeordnet hat. Dies wird
weder von der Revision noch von der Revisionserwiderung in Zweifel gezogen. Auf der Grundlage des fest-gestellten Sachverhalts sind die Voraussetzungen für das Vorliegen Allgemei-ner Geschäftsbedingungen gemäß §
305 Abs.
1 Satz
1 BGB nicht gegeben.
2. Die daher streitentscheidende
Frage, ob der einzelvertraglichen Rege-lung die Verpflichtung der
Mieterin zu entnehmen ist, die Grundsteuer zu tra-gen, hat das Berufungsgericht hingegen rechtsfehlerhaft verneint.
a) Nach §
535 Abs.
1 Satz
2 BGB hat der Vermieter die Mietsache dem Mieter in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu über-lassen und sie während der Mietzeit in diesem Zustand zu erhalten. Der Ver-mieter hat die auf der Mietsache ruhenden Lasten zu tragen (§
535 Abs.
1 Satz
3 BGB). Dazu gehören auch die Betriebskosten. Das Gesetz geht mithin davon aus, dass der Vermieter die aus der Gebrauchsgewährung herrührenden Kosten in die Miete einkalkuliert und diese mit dem vereinbarten Mietentgelt abgegolten werden. Abweichungen hiervon bedürfen der Vereinbarung (Se-natsurteil vom 2.
Mai 2012 -
XII
ZR
88/10 -
NJW-RR 2012, 1034 Rn.
13), zu deren Inhalt §
556 BGB nur für die Wohnraummiete (vgl. Senatsurteil BGHZ 184, 117 = NJW 2010, 1065 Rn.
18
ff.) gesetzliche Vorgaben enthält
und die auch konkludent getroffen werden kann
(vgl. etwa Senatsurteil vom 10.
September 2014 -
XII
ZR
56/11
-
NJW 2014, 3722 Rn.
27 mwN).
10
11
12
13
-
7
-
b) Wie jede schuldrechtliche Vereinbarung muss diejenige über eine Be-triebskostenumlage bestimmt oder zumindest bestimmbar sein, um wirksam zu sein (vgl. Senatsurteil vom 24.
Juli 2013 -
XII
ZR
104/12 -
NJW 2013, 3361
Rn.
21 mwN; BGHZ 55, 248 = WM 1971, 310
f.; Guhling/Günter/Both Gewerbe-raummiete 2.
Aufl. §
556 BGB Rn.
12). Weitergehende Anforderungen an die Transparenz einer individualvertraglichen Betriebskostenvereinbarung bestehen hingegen nicht,
anders als bei Allgemeinen Geschäftsbedingungen, wo es we-gen §
307 Abs.
1 Satz
2 BGB einer ausdrücklichen, inhaltlich bestimmten Rege-lung bedarf, damit der Mieter sich zumindest ein grobes Bild davon machen
kann, welche zusätzlichen Kosten auf ihn zukommen können (vgl. Senatsurteile vom 10.
September 2014 -
XII
ZR
56/11 -
NJW 2014, 3722 Rn.
25 mwN und
vom 6.
April 2005 -
XII
ZR
158/01 -
NJW-RR 2006, 84, 85). Denn bei einer ein-zelvertraglichen
Regelung bedarf keine Vertragspartei des Schutzes davor, dass ihr mittels vorformulierter Vertragsbedingungen ihrem Umfang nach nicht durchschaubare Pflichten auferlegt werden und auf diese Weise die Entschlie-ßungsfreiheit beim Abschluss des Vertrags eingeschränkt wird (vgl. Guhling/Günter/Guhling Gewerberaummiete 2.
Aufl. §
307 BGB Rn.
7 und 74). Deshalb stellt sich hier -
von den Fällen des §
138 BGB abgesehen -
nicht die von § 307 BGB aufgeworfene Frage einer entgegen den Geboten von Treu und Glauben erfolgenden unangemessenen Benachteiligung. Soweit dem Senatsur-teil vom 2.
Mai 2012 (XII
ZR
88/10 -
NJW-RR 2012, 1034
Rn.
14)
etwas ande-res entnommen werden könnte, hält der Senat daran nicht fest.
c) Ob eine Betriebskostenart durch eine entsprechende Individualverein-barung
auf den Mieter umgelegt ist, ist durch Vertragsauslegung gemäß
§§
133, 157 BGB zu ermitteln. Während bei Allgemeinen Geschäftsbedingun-gen eine objektive, nicht am Willen der konkreten Vertragspartner zu orientie-rende Auslegung geboten ist (vgl. etwa Senatsurteile vom 17.
Februar 2016 -
XII
ZR
183/13
-
NJW-RR 2016, 572 Rn.
10 mwN und
BGHZ 162, 39 = NJW 14
15
-
8
-
2005, 1183, 1184), ist bei der Auslegung von einzelvertraglichen Vereinbarun-gen nach §§
133, 157
BGB der wirkliche Wille der Erklärenden zu erforschen. Empfangsbedürftige Willenserklärungen sind so auszulegen, wie sie der Emp-fänger nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte ver-stehen musste.
Dabei ist vom Wortlaut der Erklärung auszugehen und demge-mäß in erster Linie dieser und der ihm zu entnehmende objektiv erklärte Par-teiwille zu berücksichtigen. Bei seiner Willenserforschung hat der Tatrichter aber auch den mit der Absprache verfolgten Zweck, die Interessenlage der Par-teien und die sonstigen Begleitumstände zu berücksichtigen, die den Sinngehalt der gewechselten Erklärungen erhellen können (st.
Rspr., vgl. etwa Senatsbe-schluss vom 7.
September 2011 -
XII
ZR
114/10 -
GuT 2012, 268 Rn.
17 mwN und BGHZ 184, 128
= FamRZ 2010, 887 Rn.
33
mwN).
Die Auslegung von Individualvereinbarungen ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Dessen Auslegung ist für das Revisionsgericht bindend, wenn sie rechtsfehlerfrei vorgenommen worden ist und zu einem vertretbaren Ausle-gungsergebnis führt, selbst wenn ein anderes Auslegungsergebnis möglich er-scheint. Sie kann deshalb vom Revisionsgericht grundsätzlich nur darauf über-prüft werden, ob der Auslegungsstoff vollständig berücksichtigt worden ist, ob gesetzliche Auslegungsregeln oder allgemein anerkannte Auslegungsgrundsät-ze, sonstige Erfahrungssätze oder die Denkgesetze verletzt sind oder ob die Auslegung auf Verfahrensfehlern beruht (st.
Rspr., vgl. etwa Senatsurteil vom 30.
Januar 2019 -
XII
ZR
46/18 -
NZM 2019, 474 Rn.
15 mwN).
d)
Auch in Anbetracht dieses eingeschränkten Überprüfungsmaßstabs wird die angefochtene Entscheidung, die der Regelung zu den Betriebskosten die erforderliche Bestimmtheit abspricht,
den rechtlichen
Anforderungen an die
Vertragsauslegung nicht gerecht.
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-
aa) Unzutreffend ist bereits der rechtliche Ausgangspunkt
des Beru-fungsgerichts, das
für die wirksame Umlage der Betriebskosten eine ausdrück-liche und inhaltlich bestimmte Regelung fordert, die es dem Mieter ermöglicht, sich zumindest ein grobes Bild davon zu machen, welche zusätzlichen Kosten auf ihn zukommen können, und die streitgegenständliche Formulierung daher unter Transparenzgesichtspunkten prüft. Denn damit legt es den für die Über-prüfung Allgemeiner Geschäftsbedingungen gültigen Maßstab an, obwohl die Vertragsparteien nach den im Revisionsverfahren nicht angegriffenen tatrichter-lichen Feststellungen eine einzelvertragliche Vereinbarung geschlossen haben (vgl. auch Bikowski/Mönig ZfIR 2019, 194, 195).
bb) Darüber hinaus wird die Auslegung des Berufungsgerichts
dem Wort-laut der vertraglichen Bestimmung und hierbei insbesondere dem darin ver-wendeten Begriff
der "Betriebskosten"
nicht gerecht.
(1) Ist ein von den Vertragsparteien verwendeter Rechtsbegriff
gesetzlich definiert, so kann für die Auslegung regelmäßig auf diese Definition zurückge-griffen werden, wenn sich kein übereinstimmendes abweichendes Begriffsver-ständnis der Parteien feststellen lässt (vgl. etwa Senatsurteil BGHZ 183, 299 = NJW 2010, 671 Rn.
23
ff.; BeckOK
BGB/Wiederhold [Stand: 1.
Februar 2020] §
556 Rn.
51; Blank in Blank/Börstinghaus Miete 5.
Aufl. §
556 BGB Rn.
276; Guhling/Günter/Both Gewerberaummiete 2.
Aufl. §
556 BGB Rn.
20;
Staudin-ger/Singer BGB [2017] §
133 Rn.
46 mwN). Denn eine solche gesetzliche Defi-nition ist geeignet, die fachsprachliche Bedeutung eines Begriffs im Zusam-menhang mit der Regelung rechtlicher Beziehungen zu umschreiben. Ohne Auswirkung ist insoweit grundsätzlich, ob die die Definition enthaltende Geset-zesbestimmung auf den Vertrag
zur Anwendung kommt. Daher hat es der Se-nat als zulässig erachtet, für die Auslegung des in Gewerberaummietverträgen enthaltenen Begriffs
der "Verwaltungskosten"
auf die in §
1 Abs.
2 Nr.
1 BetrKV 18
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20
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10
-
und §
26 Abs.
1 der II.
Berechnungsverordnung enthaltenen Definitionen zu-rückzugreifen, obwohl diese Bestimmungen für die Gewerberaummiete nicht einschlägig sind
(vgl. Senatsurteile BGHZ 183, 299 = NJW 2010, 671 Rn.
24 und vom 10.
September 2014 -
XII
ZR
56/11 -
NJW 2014, 3722 Rn.
19 mwN).
(2) Nicht anders verhält es sich im Ergebnis bei der hier erforderlichen Auslegung des
Begriffs der "Betriebskosten".
(a) Dieser ist seit vielen Jahrzehnten durch Rechtsverordnung und später durch Gesetz definiert. Bereits in der am 1.
November 1957 in Kraft getretenen Zweiten Berechnungsverordnung (BGBl.
I S.
1719) fand sich in §
27 die Defini-tion, dass es sich dabei um die Kosten handelt, die "dem Eigentümer durch das Eigentum oder durch den
bestimmungsgemäßen Ge-brauch des Gebäudes
oder der Wirtschaftseinheit
laufend entstehen". Seit dem 1.
Januar 2007 ist die
im wesentlichen unveränderte
Definition (statt "der Wirt-schaftseinheit"
lautet
es inzwischen "der Nebengebäude, Anlagen, Einrichtun-gen
und des Grundstücks") in §
556 Abs.
1 Satz
2 BGB selbst enthalten. Zu-dem ergibt sich
aus §
556 Abs.
1 Satz
3 BGB der Verweis auf die Aufstellung der Betriebskostenverordnung vom 25.
November 2003 (BGBl.
I S.
2346), die den bis 31.
Dezember 2003 geltenden -
und seinerseits die Auflistung in §
27 Abs.
1 Satz
2 der Zweiten Berechnungsverordnung ablösenden -
Betriebskos-tenkatalog in der Anlage
3 zu §
27 der Zweiten Berechnungsverordnung ersetzt
hat
(vgl. BGH Urteil vom 10.
Februar 2016 -
VIII
ZR
137/15 -
NJW 2016, 1308 Rn.
15).
Von Anfang an waren in der Aufzählung die laufenden öffentlichen Las-ten und namentlich die Grundsteuer als Betriebskostenart aufgeführt.
(b)
Wie der Bundesgerichtshof
für die Wohnraummiete bereits entschie-den hat, ist der in einem Mietvertrag verwendete Begriff der "Betriebskosten"
mit Blick auf diese Gesetzeslage ohne Weiteres in dem in diesen Bestimmun-21
22
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-
11
-
gen niedergelegten Sinne zu verstehen (vgl. BGH Urteil vom 10.
Februar 2016 -
VIII
ZR
137/15 -
NJW 2016, 1308 Rn.
15
f.).
(c) Obwohl
§
556 BGB nicht auf Gewerberaummietverhältnisse anwend-bar ist, gilt für diese
das Gleiche, so dass auch dort die gesetzliche Definition
zur Beantwortung der Frage herangezogen werden
kann, welchen Bedeu-tungsgehalt der in einem Mietvertrag verwendete Begriff "Betriebskosten"
hat (vgl.
KG NZM 2008, 128; Blank in Blank/Börstinghaus Miete 5.
Aufl. §
556 BGB Rn.
276; Bub/Treier/Emmerich Handbuch der Geschäfts-
und Wohnraummiete 5.
Aufl. Kap.
III Rn.
189; Guhling/Günter/Both Gewerberaummiete 2.
Aufl. §
556 BGB Rn.
20; Schmidt-Futterer/Langenberg Miete 14.
Aufl. §
556 BGB Rn.
68; a.A. Lammel jurisPR-MietR 7/2019 Anm.
2). Dem steht nicht entgegen, dass im Bereich der Gewerberaummiete auch Kostenpositionen auf den Mieter umge-legt werden können, die im Katalog des §
2 BetrKV nicht aufgeführt sind
(vgl. Senatsurteile BGHZ 183, 299 = NJW 2010, 671 Rn.
25 und vom 10.
September 2014 -
XII
ZR
56/11 -
NJW 2014, 3722 Rn.
19 mwN). Denn es ist den Vertrags-parteien unbenommen, es bei der Umlage der von der Betriebskostenverord-nung erfassten Kostenpositionen
zu belassen.
Sonstige Kosten werden freilich vom Begriff der Betriebskosten regelmäßig nicht erfasst sein; insoweit bedarf es einer konkreten Einigung.
cc) In Anbetracht dieses Wortsinns fehlt es einer Vereinbarung, wonach der Mieter sämtliche Betriebskosten zu tragen hat, auch im Bereich der Gewer-beraummiete nicht an der für eine Vertragsauslegung nach §§
133, 157 BGB erforderlichen Bestimmbarkeit, ohne dass es einer Bezugnahme auf die gesetz-lichen Normen
oder der Aufzählung der einzelnen Kostenpositionen bedarf (vgl. KG NZM 2008, 128; OLG Frankfurt NZM 2018, 789, 790; OLG München ZMR 1997, 233, 234; BeckOGK/Drager BGB [Stand: 1.
Januar 2020] §
556 Rn.
32; BeckOK
BGB/Wiederhold [Stand: 1.
Februar 2020] §
556 Rn.
46; Blank
in 24
25
-
12
-
Blank/Börstinghaus Miete 5.
Aufl. §
556 BGB Rn.
276; Bub/Treier/Emmerich Handbuch der Geschäfts-
und Wohnraummiete 5.
Aufl. Kap.
III Rn.
189; Er-man/Lützenkirchen BGB 15.
Aufl. §
556 Rn.
117; Gramlich Mietrecht 15.
Aufl. §
556 BGB Rn.
1; Guhling/Günter/Both Gewerberaummiete 2.
Aufl. §
556 BGB Rn.
20; Langenberg/Zehelein Betriebskosten-
und Heizkostenrecht 9.
Aufl. B. Rn.
21 und 91; Schmidt-Futterer/Langenberg Miete 14.
Aufl. §
556 BGB Rn.
68; Staudinger/Artz BGB [2018] §
556 Rn.
51; a.A. OLG Düsseldorf ZMR 2003, 109, 110; BeckOK Mietrecht/Pfeifer [Stand: 1.
Dezember 2019] BGB §
556 Rn.
1127; NK-BGB/Frommeyer 3.
Aufl. §
556 Rn.
7 mwN). Vielmehr erfasst ei-ne solche Regelung dann, wenn sich kein übereinstimmendes abweichendes Begriffsverständnis der Vertragsparteien feststellen lässt,
alle zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses in die gesetzliche Definition -
hier nach §
27 II.
BV iVm Anlage
3 -
einbezogenen Kostenarten, so dass vorliegend die Grundsteuer vom Wortsinn der vertraglichen Regelung erfasst sein kann.
Nichts anderes folgt
-
entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts
-
daraus,
dass in Satz
2 der streitgegenständlichen Betriebskostenregelung ein-zelne Kostenarten aufgeführt sind, die sich in dem zum Zeitpunkt des Vertrags-schlusses geltenden Katalog nach Anlage
3 zu §
27 II.
BV fanden
(a.A.
wohl
OLG Schleswig SchlHA 2012, 305). Diese Formulierung kann schon nach ih-rem Wortsinn nicht dahin verstanden werden, dass doch nur die ausdrücklich genannten Kostenarten aus dem Katalog umgelegt werden sollen. Denn indem
in Satz
1 von "sämtlichen"
Betriebskosten die Rede und der
Nennung im Folge-satz ein "insbesondere"
vorangestellt ist, wird deutlich, dass es bei diesen Posi-tionen nicht sein Bewenden hat, sondern es sich lediglich um eine beispielhafte Aufzählung handelt
(vgl. BGH Urteil vom 10.
Februar 2016 -
VIII
ZR
137/15 -
NJW 2016, 1308 Rn.
20; Langenberg/Zehelein Betriebskosten-
und Heizkosten-recht 9.
Aufl. B. Rn.
50).
26
-
13
-
3. Die angefochtene Entscheidung ist daher gemäß §
562 ZPO aufzuhe-ben und die Sache ist gemäß §
563 Abs.
1 Satz
1, Abs.
3 ZPO an das Beru-fungsgericht zurückzuverweisen, weil sie nicht zur Endentscheidung reif ist.
Das Berufungsgericht wird die erforderliche Auslegung des Mietvertrags unter Beachtung vorstehender Ausführungen vorzunehmen haben. Dabei wird es zudem in den Blick zu nehmen haben, dass das dem Vertragsschluss nach-folgende Verhalten der Parteien -
hier die jahrzehntelange Nichtumlage der Grundsteuer -
unter Umständen Bedeutung für die Ermittlung des tatsächlichen Willens und das
tatsächliche
Verständnis der an dem Rechtsgeschäft Beteilig-ten bei Vertragsschluss haben kann (vgl. BGH Urteil vom 10.
Oktober 2007 -
VIII
ZR
279/06 -
NJW 2008, 283 Rn.
16 mwN).
Überdies wird aus der bloßen jahrelangen Nichtabrechnung einer ursprünglich als auf den Mieter umgelegt vereinbarten Kostenposition nur bei Hinzutreten besonderer Umstände die kon-kludente Abänderung der Umlagevereinbarung abgeleitet werden können (vgl. Senatsurteil BGHZ 184, 117 = NJW 2010, 1065 Rn.
23
ff. und BGH Urteil
vom 13.
Februar 2008 -
VIII
ZR
14/06 -
NJW 2008, 1302 Rn.
10).
27
28
-
14
-
Sofern das Berufungsgericht danach zu dem Ergebnis gelangt, dass die Grundsteuer wirksam vertraglich auf die Beklagte umgelegt worden ist, wird es auch zu klären haben, ob die vom Kläger geforderten Beträge einen unberech-tigten, weil dem Kläger nicht entstandenen Umsatzsteueranteil
enthalten
(vgl. Senatsurteil vom 21.
Januar 2009 -
XII
ZR
79/07 -
NJW-RR 2009, 593 Rn.
16).
Dose
Schilling
Günter
Nedden-Boeger
Guhling
Vorinstanzen:
LG Hannover, Entscheidung vom 15.06.2018 -
17 O 139/17 -
OLG Celle, Entscheidung vom 09.11.2018 -
2 U 81/18 -
29
Meta
08.04.2020
Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat
Sachgebiet: ZR
Zitiervorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.04.2020, Az. XII ZR 120/18 (REWIS RS 2020, 11697)
Papierfundstellen: REWIS RS 2020, 11697
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
XII ZR 120/18 (Bundesgerichtshof)
Gewerberaummietvertrag: Auslegung der Betriebskostenumlage
VIII ZR 123/06 (Bundesgerichtshof)
Streit um Nebenkostenabrechnung
2 U 81/18 (Oberlandesgericht Celle)
VIII ZR 183/09 (Bundesgerichtshof)
Formularmäßiger Wohnraummietvertrag: Umlegung der Grundgebühr und der Verbrauchskosten der Wasserversorgung einheitlich nach dem erfassten Wasserverbrauch; …