Bundesgerichtshof, Beschluss vom 28.07.2016, Az. III ZR 70/16

3. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 7428

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Gegenstand

Nichtzulassungsbeschwerde: Beschwerdebegründungsfrist bei Aufnahme eines durch Insolvenzeröffnung unterbrochenen Verfahrens


Tenor

Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 8. Zivilsenats des [X.] vom 15. Januar 2016 - 8 U 104/15 - wird auf ihre Kosten als unzulässig verworfen, weil sie nicht rechtzeitig begründet worden ist (§ 544 Abs. 2, § 97 Abs. 1 ZPO).

Streitwert: 22.233 €

Gründe

I.

1

Die Beklagte hat gegen das ihr am 19. Januar 2016 zugestellte Berufungsurteil vom 15. Januar 2016 am 17. Februar 2016 und damit fristgerecht (§ 544 Abs. 1 Satz 2 ZPO) Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt. Auf ihren Antrag ist die Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 544 Abs. 2 Satz 2, § 551 Abs. 2 Satz 6 Halbsatz 1 ZPO bis zum 23. Mai 2016 verlängert worden. Das Beschwerdeverfahren ist sodann gemäß § 240 Satz 1 ZPO dadurch unterbrochen worden, dass durch Beschluss des Amtsgerichts - Insolvenzgericht - B.     vom 28. April 2016 an diesem Tag das Insolvenzverfahren über das Vermögen der [X.] eröffnet worden ist.

2

Der Kläger hat mit dem Insolvenzverwalter am 17. Mai 2016 zugestelltem Schreiben seiner zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten vom 4. Mai 2016 erklärt, das Verfahren werde gemäß § 86 Abs. 1 Nr. 2 [X.], § 157 [X.] aF in Verbindung mit § 250 ZPO gegen den Insolvenzverwalter über das Vermögen der [X.] aufgenommen. Dieser hat daraufhin mit an die zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten des [X.] gerichtetem Schreiben vom 17. Juni 2016 die möglichen Deckungsansprüche aus dem [X.] der [X.] gegen die [X.]      freigegeben.

II.

3

Die Beschwerde der [X.] ist als unzulässig zu verwerfen, weil sie nicht rechtzeitig begründet worden ist (§ 544 Abs. 2 ZPO).

4

Das gemäß § 240 Satz 1 ZPO unterbrochene Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren ist mit der Zustellung des Schriftsatzes der zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten des [X.] vom 4. Mai 2016 an den Insolvenzverwalter über das Vermögen der [X.] am 17. Mai 2016 gemäß § 86 Abs. 1 Nr. 2 [X.] wirksam aufgenommen worden (zur Zulässigkeit der Aufnahme eines unterbrochenen Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens durch Schriftsatz des zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten vgl. [X.], Beschluss vom 2. November 2011 - [X.], [X.], 1491, 1492). Die Regelung des § 86 Abs. 1 Nr. 2 [X.] ist auf das Absonderungsrecht des § 157 [X.] aF anzuwenden. Nach dieser Vorschrift kann ein geschädigter Dritter wegen des ihm gegen den Versicherungsnehmer zustehenden Anspruchs abgesonderte Befriedigung aus dessen Entschädigungsanspruch gegen den Versicherer verlangen, wenn über das Vermögen des Versicherungsnehmers das Insolvenzverfahren eröffnet ist. Er kann den Anspruch im Fall der Verfahrensunterbrechung durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Wege der Aufnahme des gegen den Schuldner geführten Rechtsstreits verfolgen (vgl. zu § 110 [X.]: [X.], Urteil vom 18. Juli 2013 - [X.], [X.], 1654 Rn. 9 ff; [X.], [X.], 41, 42 f). Voraussetzung ist, dass der Anspruch des [X.] auf Befriedigung aus dem Anspruch des Versicherungsnehmers gegen die Haftpflichtversicherung beschränkt wird. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass nicht ein als reine Insolvenzforderung zu qualifizierender Haftungsanspruch entgegen § 87 [X.] von § 86 [X.] erfasst wird ([X.], Urteil vom 18. Juli 2013 aaO Rn. 13, 15; [X.] aaO S. 42).

5

Diese Voraussetzung ist - unabhängig davon, ob von ihr bereits die Wirksamkeit der Verfahrensaufnahme oder (erst) der Erfolg der Klage abhängt, - vorliegend erfüllt. Die Erklärung der Prozessbevollmächtigten des [X.], das Verfahren gemäß § 86 Abs. 1 Nr. 2 [X.], § 157 aF [X.] aufzunehmen, ist im Sinne der vorgenannten Beschränkung des Anspruchs des [X.] auszulegen. In § 157 [X.] aF ist der Anspruch des [X.] auf abgesonderte Befriedigung aus der Entschädigungsforderung des Versicherungsnehmers wegen des ihm gegen den Versicherungsnehmer zustehenden Anspruchs bestimmt. Die Nennung von § 157 [X.] aF in der Aufnahmeerklärung des [X.] ist daher dahin zu verstehen, dass er mit seinem - im Fall der Zulassung der Revision beschränkten - Klageantrag ausschließlich eine solche abgesonderte Befriedigung aus dem Anspruch der [X.] gegen die Haftpflichtversicherung begehrt.

6

Beschwerdegegner war nach der Verfahrensaufnahme zunächst der Insolvenzverwalter. Nachdem dieser mit Schreiben vom 17. Juni 2016 die möglichen Deckungsansprüche aus dem [X.] der [X.] gegen die [X.]     freigegeben hat, ist die Prozessführungsbefugnis an die Beklagte zurückgefallen. Da die Freigabe unmittelbar nach Aufnahme des Verfahrens durch den Kläger erfolgt ist, kann dahinstehen, ob in Fällen einer Freigabe nach Verfahrensaufnahme die Prozessführungsbefugnis stets wieder an den Schuldner zurückfällt (so [X.], Urteil vom 19. Dezember 1966 - [X.], [X.]Z 46, 249, 250 ff) oder ob, wenn die Freigabe nicht sofort nach Verfahrensaufnahme (vgl. § 86 Abs. 2 [X.]) erfolgt, in entsprechender Anwendung von § 265 Abs. 2 ZPO die Prozessführungsbefugnis beim Insolvenzverwalter verbleibt (so MüKo[X.]/[X.], 3. Aufl., § 86 Rn. 27; Windel in Jaeger, Insolvenzordnung, 1. Aufl., § 86 Rn. 23; [X.], [X.] [Stand: 05.2016], § 86 Rn. 17; HamKomm-Kuleisa, [X.], 5. Aufl., § 86 Rn. 24; [X.]/[X.] in [X.]/[X.], Insolvenzordnung [Stand: Januar 2016], § 86 Rn. 1; so wohl auch [X.]/[X.], Insolvenzordnung, 14. Aufl., § 86 Rn. 22 mit Verweis auf Windel [aaO]).

7

Infolge der Aufnahme des Beschwerdeverfahrens begann die zweimonatige Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde (§ 544 Abs. 2 ZPO) gemäß § 249 Abs. 1 ZPO am 17. Mai 2016 von neuem zu laufen. Sie endete am 18. Juli 2016 (§ 222 Abs. 2 ZPO). Bis zu diesem Zeitpunkt ist weder eine Beschwerdebegründung noch ein Antrag auf Fristverlängerung gemäß § 544 Abs. 2 Satz 2, § 551 Abs. 2 Satz 5, 6 ZPO eingereicht worden.

[X.]                            Seiters

                     Tombrink                         [X.]

Meta

III ZR 70/16

28.07.2016

Bundesgerichtshof 3. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Koblenz, 15. Januar 2016, Az: 8 U 104/15

§ 86 Abs 1 Nr 2 InsO, § 240 S 1 ZPO, § 544 Abs 2 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 28.07.2016, Az. III ZR 70/16 (REWIS RS 2016, 7428)

Papier­fundstellen: WM 2016, 1747 REWIS RS 2016, 7428

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