Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 02.02.2006, Az. IX ZR 46/05

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2006, 5215

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.] Verkündet am: 2. Februar 2006 [X.] Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja [X.] § 55 Abs. 1 Wenn der Insolvenzverwalter zur Räumung eines Grundstücks rechtskräftig verurteilt worden ist, kann er durch die Freigabe des Grundstücks nicht mehr bewirken, dass diese Masseverbindlichkeit erlischt. [X.], Urteil vom 2. Februar 2006 - [X.] - [X.] - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 2. Februar 2006 durch [X.] [X.], die Richter [X.], [X.], die Richterin [X.] und [X.] [X.] für Recht erkannt: Auf die Revision des [X.]ägers wird das Urteil des 13. Zivilsenats des [X.] vom 10. Februar 2005 im Kos-tenpunkt und insoweit aufgehoben, als die [X.]age in Höhe eines Betrages von 76.800 • nebst Zinsen abgewiesen worden ist; in diesem Umfang wird die Berufung des [X.]n gegen das Urteil der 2. Zivilkammer des [X.] vom 6. August 2004 zurückgewiesen. Von den Kosten des Rechtsstreits in erster und zweiter Instanz tragen der [X.] ¾ und die [X.]ägerin [X.] Die Kosten der [X.] fallen dem [X.]n zur Last. Von Rechts wegen Tatbestand: Der [X.] ist Verwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermö-gen der E. K. GmbH (im Folgenden: Schuldnerin), das am 28. Februar 2002 eröffnet wurde. Von ihm verlangt die [X.]ägerin - soweit in der [X.] noch von Interesse - den Ersatz von [X.] in Höhe von 76.800 •. 1 - 3 - Die [X.]ägerin ist Eigentümerin eines Betriebsgrundstückes, das sie im Wege des Grundstückleasings der [X.]. und [X.] (im [X.] auch: GbR) zur Nutzung überließ. Die Leasingnehmerin vermietete das Grundstück an die Schuldnerin, die dort einen Galvanisierungsbetrieb unter-hielt. Mit der GbR am 20. Februar 2002 [X.] kündigte die [X.]ägerin den Leasingvertrag fristlos; mit gleicher Post informierte sie den [X.] - damals vorläufiger Insolvenzverwalter - über die ausgesprochene Kündigung. 2 Am 31. Januar 2003 verurteilte das [X.], gestützt auf § 985 BGB und § 546 Abs. 2 BGB, den [X.]n in seiner Eigenschaft als In-solvenzverwalter, bestimmt bezeichnete Räume in dem angemieteten Gebäude sowie die das Gebäude umgebende Freifläche zu räumen und nebst Schlüsseln an die [X.]ägerin herauszugeben. Das Urteil wurde rechtskräftig. In der Folgezeit kam der [X.] seiner [X.] nicht nach. Die [X.]ägerin beauftragte den zuständigen Gerichtsvollzieher mit der zwangsweisen Räumung des Grundstücks. Daraufhin gab der [X.] gegenüber der Geschäftsführerin der Schuldnerin die auf dem Betriebsgelände befindlichen Gegenstände, von be-stimmt bezeichneten, demnächst zu entfernenden Sachen abgesehen, aus dem [X.] frei. 3 Da die [X.]ägerin das Grundstück in ungeräumtem Zustand nicht nutzen konnte, beauftragte sie im Oktober 2003 ein Unternehmen mit der Räumung. Den Ersatz der hierfür angefallenen Kosten in Höhe von 76.800 • begehrt sie aus der Masse. Das [X.] hat der [X.]age insoweit stattgegeben; die Beru-fung des [X.]n hatte Erfolg. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die [X.]ägerin ihren Ersatzanspruch weiter. 4 - 4 - Entscheidungsgründe: Die Revision ist begründet. Sie führt zur Wiederherstellung des landge-richtlichen Urteils (§ 563 Abs. 3 ZPO). 5 [X.] Das Berufungsgericht, dessen Urteil unter anderem in Z[X.] 2005, 498 abgedruckt ist, hat gemeint, der [X.]ägerin stehe kein Anspruch auf Ersatz der [X.] aus der Masse zu. Die [X.]ägerin sei vielmehr auf die Anmel-dung ihres Anspruchs zur Insolvenztabelle beschränkt. Mit der Freigabe der auf dem Grundstück befindlichen Gegenstände habe der beklagte Verwalter seine [X.] erfüllt, nunmehr obliege die Räumung der Schuldnerin. 6 I[X.] Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. 7 1. Allerdings geht das Berufungsgericht zutreffend davon aus, dass die Pflicht zur Räumung des Grundstücks Masseverbindlichkeit geworden ist. Zwar beschränkt sich der auf § 546 BGB (und § 985 BGB) gestützte Aussonderungs-anspruch des Vermieters stets auf die Verschaffung des unmittelbaren Besitzes am Grundstück; nur Kosten, die in diesem Umfang anfallen, können die Masse als solche belasten. Davon ist die mietvertragliche [X.] zu [X.]. Sie kann nur unter den hierfür allgemein geltenden Regeln des § 55 [X.] zur Masseverbindlichkeit werden ([X.] 148, 252, 256 f; 150, 305, 309 ff). 8 - 5 - Mit der rechtskräftigen Verurteilung des beklagten Insolvenzverwalters durch das Urteil des [X.] vom 31. Januar 2003 steht indes zwi-schen den Parteien fest, dass die Masse als solche zur Räumung verpflichtet ist. Der Auffassung des Berufungsgerichts steht weiter nicht entgegen, dass der [X.] Verwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen einer juristi-schen Person ist; auch als solcher ist er befugt, einen Massegegenstand frei-zugeben ([X.], Urt. v. 21. April 2005 - [X.], [X.], 1034 f, z.[X.]. in [X.]). 9 2. Rechtsfehlerhaft meint das Berufungsgericht jedoch, dass der [X.] durch die Freigabe der auf dem Grundstück befindlichen Gegen- stände die [X.] der Masse schon vor der Ersatzvornahme der [X.]ä-gerin erfüllt habe. Auf diese, vom [X.] in [X.] 150, 305, 318 offen gelassene Frage kommt es hier entscheidend an. Denn anders als in der zitierten Ent-scheidung hat sich der beklagte Verwalter hier nicht damit begnügt, den [X.], sichernden Besitz gemäß § 80 Abs. 1 [X.] zu begründen. Der [X.] hatte vielmehr von dem angemieteten Grundstück und den darauf befindli-chen, nunmehr freigegebenen Gegenständen im Zuge der einstweiligen Fort-führung des Geschäftsbetriebs der Schuldnerin tatsächlich unmittelbaren Besitz ergriffen (vgl. § 148 Abs. 1 [X.]). Mit dieser über ein vorbereitendes Verhalten hinausgehenden Entscheidung für eine Betriebsfortführung integrierte der [X.] die Gegenstände "endgültig" in die Masse (vgl. [X.] 127, 156, 162; 130, 38, 44; 150, 305, 311, 318). Auch in einem solchen Fall kommt der [X.] indes keine unmittelbare Einwirkung auf den - hier titulierten - Räumungsan-spruch gegen die Masse zu: 10 - 6 - Der [X.] gemäß § 546 BGB wird nicht erfüllt, wenn der Mieter dem Vermieter zwar den Besitz überlässt, aber die zum Zwecke der Gebrauchsnutzung auf das Grundstück geschafften Sachen nicht entfernt; in diesem Fall enthält er dem Vermieter die Mietsache vor ([X.] 86, 204, 210; 104, 285, 288). Dies gilt auch in der Insolvenz des Mieters ([X.] 86, 204, 211; 127, 156, 165; 148, 252, 255 f). Durch die Freigabe der auf dem Grundstück befindlichen Sachen kommt der Verwalter seiner [X.] nicht nach, da die negativen Veränderungen der Mietsache nach wie vor anhaf-ten ([X.], 255, 258; [X.] 8/2005 [X.]). 11 Ebenso wenig konnte die Freigabe der auf dem Grundstück lagernden Gegenstände die Räumung ersetzen. Sie führte lediglich dazu, dass die [X.] aus dem [X.] entlassen wurden und die Schuldnerin die Befugnis zurückerhielt, über diese Gegenstände zu verfügen. Schuldner des titulierten Anspruchs auf Räumung blieb indes der [X.]; er konnte sich die-ser Verpflichtung nicht dadurch zu Lasten der [X.]ägerin entziehen, dass er durch Erklärung gegenüber der Schuldnerin dieser die Verfügungsbefugnis über das Räumungsgut wieder übertrug - ebenso wenig wie ein Mieter sich der Verpflichtung zur Räumung etwa entziehen kann, indem er sein Eigentum an zurückgelassenen Sachen aufgibt oder auf einen Dritten überträgt ([X.] 127, 156, 167 f). Insoweit ist diese Entscheidung durch das in [X.] 148, 252, 256 f abgedruckte [X.]surteil vom 5. Juli 2001 nicht überholt. Dort hatte der [X.] ausschließlich den anders gelagerten Fall zu beurteilen, dass die Pflicht des Mieters allein auf dem von ihm mit dem Vermieter vor Insolvenzeröffnung abge-schlossenen Vertrag beruht. 12 3. Durch den mit der Freigabe bewirkten Rückfall der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auf die Schuldnerin wird dem Verwalter die Erfüllung des 13 - 7 - Räumungsanspruchs nicht unmöglich. Denn der Anspruch gemäß § 546 BGB setzt keinen Besitz des Mieters voraus; dadurch, dass dieser den Besitz an der Mietsache aufgibt, wird kein Tatbestand verwirklicht, der ein Erlöschen des ge-gen den Mieter gerichteten Rückgabeanspruchs zur Folge hat. Der Vermieter kann den Mieter daher nach Beendigung des Mietverhältnisses auch dann auf Rückgabe der Mietsache in Anspruch nehmen, wenn dieser sich nicht mehr im Besitz derselben befindet; das Gleiche gilt für den Untermieter ([X.] 119, 300, 304; 131, 176, 182). Der Umstand, dass die Erfüllung eines Anspruchs von dem Willen eines Dritten abhängt, begründet für sich genommen keine subjektive Unmöglichkeit; die Feststellungen des Berufungsgerichts bieten keine Grundla-ge für die Annahme, es sei ausgeschlossen gewesen, dass der [X.] auf die Schuldnerin rechtlich oder auch nur tatsächlich einwirken und so die Leis-tung erbringen konnte (vgl. [X.] 131, 176, 183 f; [X.], Urt. v. 9. Oktober 1974 - [X.], NJW 1974, 2317; v. 24. Juni 1982 - [X.], NJW 1982, 2552, 2553). Die von der Revision aufgeworfene Frage, ob der [X.] über-dies mit der Einwendung subjektiver Unmöglichkeit auf das Verfahren der Voll-streckungsabwehrklage nach § 767 ZPO zu verweisen wäre, bedarf daher [X.] Entscheidung. 4. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts steht der Zweck des § 55 [X.] einem solchen Verständnis der vom Verwalter erklärten Freigabe nicht entgegen. Die Eingehung von Masseverbindlichkeiten dient der ordnungs-gemäßen Verfahrensabwicklung und der Verteilung der Masse (MünchKomm-[X.]/Hefermehl, § 55 Rn. 1); der Gesetzgeber hat ihren Kreis bewusst eng ge-fasst (vgl. die Dokumentation in [X.]Prütting, [X.] ff; [X.]/[X.], [X.] 12. Aufl. § 55 Rn. 3 f). § 55 [X.] be-zweckt daher die Begrenzung von Masseschulden ([X.] 148, 252, 256; vgl. bereits zu § 59 KO [X.] 72, 263, 267). Das Berufungsgericht übersieht [X.] - 8 - doch, dass die [X.], deren Ersatz die [X.]ägerin aus der Masse be-gehrt, nicht deshalb bei ihr angefallen sind, weil der beklagte Verwalter den Be-trieb der Schuldnerin zur Masseanreicherung vorübergehend fortführte. Die Kosten sind vielmehr entstanden, weil der [X.] dem rechtskräftig geworde-nen Räumungsurteil gegen die Masse nicht nachkam. Insoweit liegt der Sach-verhalt anders als in den beiden vom [X.] mit den Urtei-len vom 22. Juli 2004 ([X.], 1766) und 23. September 2004 ([X.], 233) entschiedenen Fällen. Dort fehlte es jeweils an einer gegenüber dem [X.] rechtskräftig titulierten Ordnungspflicht; dieser konnte daher die tatsäch-liche Sachherrschaft mit Wirkung für die Masse vor Erlass, jedenfalls aber vor Bestandskraft des gegen ihn ergangenen Verwaltungsakts aufgeben. II[X.] Der aufgezeigte Rechtsfehler nötigt zur Aufhebung des Berufungsurteils, soweit dieses die [X.]age auf Ersatz der [X.] abgewiesen hat (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der [X.] kann gemäß § 563 Abs. 3 ZPO selbst entscheiden, weil die Sache nach dem festgestellten Sachverhältnis zur Endentscheidung reif ist. 15 Mit Recht hat das [X.] der [X.]ägerin insoweit einen Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung gemäß § 280 Abs. 1 und 3, § 281 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB zuerkannt. Das zwischen den Parteien bestehende Schuld-verhältnis ergibt sich aus § 546 Abs. 2 BGB (vgl. [X.] 131, 95, 101; Münch-Komm/Schilling, [X.]. § 546 Rn. 22). Der [X.] hat den daraus [X.], der [X.]ägerin rechtskräftig zuerkannten Anspruch verletzt, indem er das Grundstück nicht räumte. Sein Verschulden wird vermutet (§ 280 Abs. 1 Satz 2 16 - 9 - BGB). Dem entgegenstehende Gründe haben die Vorinstanzen nicht [X.]; solche macht auch die Revisionserwiderung nicht geltend. Folglich hat der [X.] die fällige Leistung nicht erbracht. Mit Recht ist das [X.] davon ausgegangen, dass hier eine Fristsetzung zur Erfüllung der [X.] gemäß § 281 Abs. 2 BGB entbehrlich war. Es hat das Verhalten des [X.]n zutreffend dahin gewürdigt, er habe die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert. Auch hiergegen erhebt die Revisionserwide-rung keine Einwände. 17 Die Höhe der [X.] hat der [X.], wie bereits das Land-gericht zutreffend ausgeführt hat, nicht wirksam bestritten. 18 Der [X.] hat die fällige und rechtskräftig titulierte Masseverbindlich-keit - Räumung - im Rahmen der ihm übertragenen [X.] nicht erfüllt. Dies ist - anders als im Falle einer bloßen Insolvenzforderung ([X.] 150, 305, 312 f) - der Masse zuzurechnen (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 [X.]; vgl. [X.], 19 - 10 - Urt. v. 10. Februar 1958 - I ZR 292/56, NJW 1958, 670; v. 18. Januar 1990 - [X.] ZR 71/89, NJW-RR 1990, 411, 413; MünchKomm-[X.]/Hefermehl, § 55 Rn. 30 f; FK-[X.]/[X.], 3. Aufl. § 55 Rn. 6; [X.] aaO). Dr. [X.] [X.] [X.] [X.] Dr. [X.] Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 06.08.2004 - 2 O 125/04 - [X.], Entscheidung vom 10.02.2005 - 13 U 167/04 -

Meta

IX ZR 46/05

02.02.2006

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 02.02.2006, Az. IX ZR 46/05 (REWIS RS 2006, 5215)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2006, 5215

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