Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.02.2017, Az. III ZB 60/16

III. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 15035

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:230217BIIIZB60.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
III ZB 60/16
vom

23. Februar 2017

in dem Rechtsstreit

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Der III. Zivilsenat des [X.] hat am 23. Februar 2017
durch [X.] [X.], [X.], Dr. Remmert
und Reiter sowie
die Richterin [X.]

beschlossen:

Die Rechtsbeschwerde des [X.] gegen den Beschluss des [X.]s [X.] -
10. Zivilsenat -
vom 30.
August 2016 -
10 W 37/16 -
wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens hat
der Kläger
zu tragen.

Der Streitwert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf
3.123,72

festgesetzt.

Gründe:

I.

Der
Kläger und der Beteiligte
streiten nach Klagerücknahme über die Kosten des Rechtsstreits.

Der Kläger erteilte der späteren Insolvenzschuldnerin wegen ihm zu-stehender
Schadensersatzansprüche eine schriftliche [X.].
Gleich-zeitig trat er die
Forderungen
an sie ab. Am 2. September 2013 beantragte die Insolvenzschuldnerin als Prozessbevollmächtigte des [X.] einen Mahnbe-scheid gegen den Beklagten. Dieser legte Widerspruch ein und stellte einen Antrag auf Durchführung des streitigen Verfahrens.
Nach
Fristsetzung des [X.] zur Anspruchsbegründung
hat der Kläger die Rücknahme des 1
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Mahnantrags und der Klage erklärt. Der Beklagte hat beantragt, dem Kläger die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Das [X.] hat die Kosten des Rechtsstreits dem Beteiligten als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin auferlegt.

Auf die sofortige Beschwerde des Beteiligten hat das [X.]
den Beschluss des [X.] abgeändert und die Kosten des Rechtsstreits dem Kläger auferlegt. Mit seiner vom [X.] zugelassenen Rechts-beschwerde begehrt der Kläger die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und die Zurückweisung der sofortigen Beschwerde des Beteiligten gegen den Beschluss des [X.].

II.

Die nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.

1.
Das Beschwerdegericht
hat ausgeführt, das [X.] habe dem [X.] nach Klagerücknahme durch den Kläger zu Unrecht in Abweichung von § 269 Abs. 3
Satz 2 ZPO die Kosten des Rechtsstreits auferlegt.
Zwar sei aner-kannt, dass im Fall des Fehlens einer wirksamen Bevollmächtigung die [X.]kosten demjenigen
aufzuerlegen seien, der den nutzlosen [X.] veranlasst habe. Der vollmachtlose Vertreter komme
als Veranlasser in Betracht, wenn er den Mangel der Vollmacht kenne. Vorliegend habe
jedoch der Kläger den Prozess
veranlasst, da er der Insolvenzschuldnerin eine umfas-sende [X.] zur Einleitung aller Beitreibungsmaßnahmen
erteilt
ha-be. Die Vollmacht habe auch zur
Erwirkung eines Titels und Einleitung eines Mahnverfahrens
berechtigt. Sie sei nicht deshalb unwirksam, weil der Kläger 3
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zugleich seine Forderung an die Insolvenzschuldnerin abgetreten habe.
Der Kläger habe die Vollmacht
auch nicht dahingehend verstehen
können, dass die Beitreibung entgegen dem eindeutigen Wortlaut der Vollmacht lediglich im ei-genen
Namen der Insolvenzschuldnerin gestattet sei.

Die Bevollmächtigung sei von dem ihr zugrunde
liegenden Verhältnis zu trennen. Für das Außenverhältnis gegenüber dem [X.] seien
die Vollmacht und ihr Umfang maßgebend. Selbst wenn der Vertreter seine Vertretungsmacht missbrauche, indem er sich bewusst über die im Innenverhältnis auferlegte [X.] hinwegsetze, habe
das Geschäft im Interesse des [X.] Rechtsfolgen für den Vertretenen. Das prozessuale Kostenrisiko des Missbrauchs der erteilten Vollmacht trage der Vollmachtgeber.

Die Insolvenzschuldnerin habe mithin
bei der Einleitung des Mahnverfah-rens nicht als vollmachtlose Vertreterin
gehandelt. Dass sie einen etwaigen Mangel der Vollmacht gekannt habe, leuchte nicht ein. Aus dem Grundverhält-nis folgende Kostenfreistellungs-
oder -erstattungsansprüche des [X.] ge-gen die
Insolvenzschuldnerin müsse
der Kläger in einem eigenständigen [X.] verfolgen.
Sie blieben im Rahmen der Kostenentscheidung nach § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO außer Betracht. Es sei
auch kein Ausnahmefall nach
§
269 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz
2 ZPO gegeben.

2.
Das hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

Nimmt der Kläger die Klage zurück, ist er nach § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO
verpflichtet, die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, sofern
nicht bereits rechts-kräftig über sie erkannt ist oder sie dem Beklagten aus einem anderen Grund 6
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aufzuerlegen sind. Das Beschwerdegericht hat dem Kläger nach dieser Vor-schrift zu Recht die Kosten des Rechtsstreits auferlegt.

a) Allerdings sind nach der Rechtsprechung des [X.], wenn die unterlegene [X.] -
ausnahmsweise -
keinen Anlass
für den Prozess
gegeben
hat, die Bestimmungen der §§ 91, 97 ZPO
entsprechend dahin [X.], dass
die Kosten demjenigen Verfahrensbeteiligten aufzuerlegen sind, der sie verursacht hat
([X.], Beschluss vom 4. März 1993 -
V [X.], [X.]Z 121, 397, 400 mwN). Dementsprechend ist anerkannt, dass
bei einer fehlenden
wirksamen Bevollmächtigung die Prozesskosten grundsätzlich dem aufzuer-legen sind, der den nutzlosen [X.] veranlasst hat (sog. Ver-anlasserprinzip; Senat, Beschluss vom 18. November 1982 -
III ZR 113/79, NJW 1983, 883, 884; [X.], Beschluss vom 4. März 1993 aaO mwN). Dies kann auch der vollmachtlose Vertreter sein. Er kommt als Veranlasser in der Regel dann in Betracht, wenn er den Mangel der Vollmacht kennt
([X.], Beschluss vom 4. März 1993 aaO).

b) Eine entsprechende Anwendung des Veranlasserprinzips auch im Rahmen von § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO ist naheliegend. Danach wären nach Rücknahme
der Klage die Kosten des Rechtsstreits nicht dem Kläger, sondern dem vollmachtlosen Vertreter, der Klage im Namen des [X.] erhoben hat,
als Veranlasser aufzuerlegen (vgl. zur Rücknahme der Revision [X.], [X.] vom 26. Oktober 1981 -
II ZR 71/81, juris Rn. 11). Vorliegend kann dies jedoch offen bleiben. Denn der Kläger hat, wie das Beschwerdegericht zutref-fend erkannt hat, den Rechtsstreit veranlasst, so dass ihm die Kosten des Rechtsstreits gemäß § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO aufzuerlegen sind.

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aa) Der Kläger hat der Insolvenzschuldnerin eine [X.] er-teilt, die sie berechtigte, alle Beitreibungsmaßnahmen, die bis zur restlosen [X.] des [X.] erforderlich sind, einzuleiten. Hierzu ge-hörte ausdrücklich auch, für den Kläger in dessen Namen
Rechtsanwälte mit dem Betreiben
gerichtlicher Verfahren zu beauftragen, die sich aus dem [X.] ergeben. Das Beschwerdegericht hat den Inhalt der Vollmacht zu Recht dahingehend ausgelegt, dass zu den Maßnahmen, zu denen die Insol-venzschuldnerin bevollmächtigt wurde, auch die Einleitung eines Mahnverfah-rens und die Erwirkung eines
Titels gehörten.
Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde sind die gleichzeitig erfolgten Erklärungen des [X.]
-
Erteilung einer [X.]
und Forderungsabtretung -
nicht [X.] auszulegen, dass die der Insolvenzschuldnerin erteilte [X.] nicht die Befugnis umfasste, im Namen des [X.] ein gerichtliches Verfahren anzustrengen (a.A. in einem Parallelfall [X.] [2. Zivilsenat], NJW-RR 2016, 1270 Rn. 17 ff).

Zwischen der Vollmacht zur Beitreibung der klägerischen Forderung im Namen des [X.] und der zeitgleich erfolgten (Voll-)Abtretung der klägeri-schen Forderung an die Insolvenzschuldnerin besteht zwar insofern ein gewis-ser Widerspruch, als infolge der Abtretung der Kläger nicht mehr Inhaber der Forderung ist, zu deren Beitreibung er die Insolvenzschuldnerin bevollmächtigt hat. Dies
führt jedoch unter Berücksichtigung des objektiven Empfängerhori-zonts
(§§ 133, 157 BGB) nicht zu einer einschränkenden, mit dem Wortlaut der Vollmacht nicht zu vereinbarenden
Auslegung dahingehend, dass der Bevoll-mächtigte -
im Sinne eines einheitlichen und rechtlich möglichen Geschäfts (so [X.] [2. Zivilsenat] aaO Rn. 21) -
die an ihn abgetretene Forderung zumindest gerichtlich nur noch in seinem eigenen Namen geltend machen darf.

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(1) Bereits im Innenverhältnis zwischen dem Kläger als Vollmachtgeber und der Insolvenzschuldnerin als Vollmachtnehmerin ist eine solche Auslegung nicht zwingend. Möglich und naheliegend ist vielmehr auch die Annahme des
Beschwerdegerichts, nach der die Insolvenzschuldnerin mit den Erklärungen des [X.] möglichst umfassend in die Lage versetzt werden sollte, etwaige
Schadensersatzforderungen -
sei es durch den Gebrauch der Vollmacht, sei es durch Offenlegung der Forderungsabtretung -
zumindest noch teilweise zu rea-lisieren.
Zu diesem Zweck war die uneingeschränkte Geltung der Vollmacht entsprechend ihrem ausdrücklichen Wortlaut
und unabhängig von ihrer Verein-barkeit mit der zeitgleich erklärten Forderungsabtretung
sinnvoll. Ein mit ihrer Hilfe im Namen des [X.] durchzuführendes Mahnverfahren war nicht von vorneherein aussichtslos, da dem Beklagten die Forderungsabtretung nicht [X.] sein musste.

Einem
solchen, die Befugnis zur Einleitung eines gerichtlichen Mahnver-fahrens umfassenden
Inhalt
der Vollmacht steht auch nicht die Werbung
der Insolvenzschuldnerin entgegen. In dem [X.] vom 15. April 2013 wird
lediglich zugesagt, dass den "Mandanten/Kunden"
keine "Kosten oder Kos-tenausgleiche"
entstehen. Daraus ergibt sich nicht, wie die Kostenfreiheit der Kunden erreicht werden soll. Insbesondere folgt aus dieser Formulierung nicht
ein Ausschluss der Belastung der Kunden der Insolvenzschuldnerin mit Kosten-forderungen im Außenverhältnis -
wie etwa bei der gerichtlichen Geltendma-chung ihrer Ansprüche
durch die Insolvenzschuldnerin im Namen ihrer Kunden. Die versprochene Kostenfreiheit der Kunden war wirtschaftlich auch dadurch erreichbar,
dass die Insolvenzschuldnerin im Innenverhältnis ihre Mandanten von Forderungen Dritter (z.B. Rechtsanwälte oder Gerichte) freistellte oder von den Kunden vorgenommene Zahlungen erstattete.

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(2) Bei der Auslegung einer -
wie vorliegend -
in einer Urkunde verlaut-barten Vollmacht (§ 172 BGB) kann zudem
nicht allein
auf den Empfängerhori-zont des [X.] abgestellt werden. Maßgeblich ist insofern vielmehr die Verständnismöglichkeit des Geschäftsgegners. Dabei dürfen nur solche Umstände herangezogen werden, die dem Geschäftsgegner bekannt sind
([X.], Urteil vom 9. Juli 1991 -
XI [X.], NJW 1991, 3141; [X.]/Ellen-berger, BGB, 76.
Aufl., § 167 Rn. 5; jeweils mwN). Vorliegend ist
daher
in [X.] auf den Inhalt der schriftlichen [X.], soweit von ihr
zur Einlei-tung des gerichtlichen Mahnverfahrens Gebrauch gemacht
wurde, auf das Ver-ständnis des [X.] abzustellen. Dabei haben
die diesem
nicht bekannte Forderungsabtretung und die ihm ebenfalls nicht bekannte Werbung der Insol-venzschuldnerin mit der Kostenfreiheit ihrer Kunden unberücksichtigt
zu [X.]. Aus der Sicht des [X.] berechtigte die [X.] ausweis-lich ihres Wortlauts auch zur Vertretung des [X.] in gerichtlichen Verfahren. Ein anderweitiges einschränkendes Verständnis ergibt sich aus der -
allein maßgeblichen -
Vollmachtsurkunde nicht.

bb) Die Forderungsabtretung hat, wie das Beschwerdegericht ebenfalls zutreffend erkannt hat, auch nicht die
Unwirksamkeit der Vollmacht
zur Folge (vgl. [X.] [17. Zivilsenat], Beschluss vom 21. Dezember 2015 -
17 [X.]/15, juris Rn. 10). Die Wirksamkeit einer Vollmacht zur Beitreibung einer For-derung des Vollmachtgebers hängt nicht davon ab, ob diesem die
beizutreiben-de
Forderung
zusteht.

cc) Schließlich führt auch ein etwaiger Missbrauch der [X.] durch die Insolvenzschuldnerin bei der Einleitung des Mahnverfahrens nicht dazu, im Rahmen des Veranlasserprinzips der Insolvenzschuldnerin anstatt dem Kläger (gemäß § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO) die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen. Soweit im Innenverhältnis
zum Kläger die Insolvenzschuldnerin 16
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nicht zur Einleitung eines Mahnverfahrens im Namen des [X.]
und
zum ent-sprechenden Gebrauch der [X.] berechtigt gewesen sein sollte, rechtfertigt dies keine Abweichung von der Regel des § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO, wonach der Kläger, der die Klage zurückgenommen hat, die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat. Das prozessuale Kostenrisiko des Missbrauchs der Vollmacht trägt der Kläger als Vollmachtgeber, zumal weder dem Mahngericht noch dem Beklagten ein etwaiger Missbrauch der Vollmacht durch die Insol-venzschuldnerin bekannt oder schuldhaft unbekannt war (zur Beschränkung der Prozessvollmacht im Außenverhältnis im Fall des dem Gegner bekannten oder schuldhaft unbekannten Vollmachtsmissbrauchs vgl. MüKoZPO/[X.], 5.
Aufl., § 83 Rn. 19 mwN).

[X.]

[X.]
Remmert

Reiter

[X.]
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 08.12.2015 -
2-24 O 154/15 -

[X.] am Main, Entscheidung vom
30.08.2016 -
10 W 37/16 -

Meta

III ZB 60/16

23.02.2017

Bundesgerichtshof III. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.02.2017, Az. III ZB 60/16 (REWIS RS 2017, 15035)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 15035

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III ZB 60/16

10 W 37/16

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