Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 18.11.2015, Az. 10 AZB 34/15

10. Senat | REWIS RS 2015, 2173

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Gegenstand

Prozesskostenhilfe - Beschwerderecht der Staatskasse


Tenor

Die Rechtsbeschwerde der Staatskasse des Landes
Baden-Württemberg gegen den Beschluss des [X.] vom 10. Juni 2015
- 4 Ta 8/15 - wird als unzulässig verworfen.

Gründe

1

I. Die Rechtsbeschwerde betrifft die Aufhebung der Prozesskostenhilfebewilligung wegen einer nicht unverzüglich mitgeteilten Änderung der Anschrift der [X.].

2

Das [X.] bewilligte der Klägerin mit Beschluss vom 12. März 2014 ratenfreie Prozesskostenhilfe für eine Kündigungsschutzklage und ordnete ihr Rechtsanwältin B als Prozessbevollmächtigte bei. Mit Schreiben vom 4. Februar 2015 an ihre Prozessbevollmächtigte forderte die zuständige Rechtspflegerin die Klägerin zur Erklärung über ihre derzeitigen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse auf. Nachdem die Prozessbevollmächtigte erklärt hatte, das Schreiben an ihre Mandantin sei mit dem Vermerk „Empfänger nicht zu ermitteln“ zurückgekommen und ihr sei eine andere Adresse nicht bekannt, ermittelte die zuständige Rechtspflegerin die aktuelle Adresse der Klägerin im Wege einer sog. einfachen Behördenauskunft. Die Adresse teilte sie der Prozessbevollmächtigten mit und gewährte mit einem weiterem Schreiben vom 11. März 2015 Gelegenheit zur Stellungnahme zu der beabsichtigten Aufhebung der Prozesskostenhilfebewilligung wegen eines Verstoßes gegen die Verpflichtung zur unverzüglichen Mitteilung der Änderung der Anschrift. Die Klägerin erklärte unter dem 28. März 2015 schriftlich, sie habe es „durch ein Versäumnis“ verpasst, ihre Adressänderung „seit Mai 2014“ mitzuteilen, und bitte um Entschuldigung.

3

Mit Beschluss vom 8. April 2014 hat das Arbeitsgericht die Prozesskostenhilfebewilligung nach § 124 Abs. 1 Nr. 4 ZPO aufgehoben. Der sofortigen Beschwerde hat es mit Beschluss vom 3. Juni 2015 nicht abgeholfen. Mit Beschluss vom 10. Juni 2015 hat das [X.] den Beschluss des Arbeitsgerichts vom 8. April 2014 aufgehoben und die Rechtsbeschwerde für die Staatskasse zugelassen.

4

II. Die Rechtsbeschwerde ist unzulässig.

5

1. Die Bezirksrevisorin, die die Rechtsbeschwerde form- und fristgemäß eingelegt und begründet hat (§ 575 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO), ist als Vertreterin der Staatskasse unmittelbar postulationsfähig (vgl. [X.]/03 - Rn. 7 f.; [X.] November 2012 - 3 [X.] - Rn. 9, [X.], 250).

6

2. Die Rechtsbeschwerde, mit der die Staatskasse nach § 124 Abs. 1 Nr. 4 ZPO die Aufhebung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe zu erreichen sucht, ist nicht statthaft. Der Staatskasse steht kein Beschwerderecht zu.

7

a) Nach § 127 Abs. 3 Satz 1 und Satz 2 ZPO hat die Staatskasse ein Beschwerderecht gegen solche Entscheidungen im Prozesskostenhilfeverfahren, die nach Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der [X.] dazu führen, dass Prozesskostenhilfe ohne die Festsetzung von Monatsraten oder aus dem Vermögen zu zahlender Beträge bewilligt wird ([X.] November 2012 - 3 [X.] - Rn. 10, [X.]E 143, 250; [X.] 8. Mai 2013 - XII ZB 282/12 - Rn. 18). Das Beschwerderecht der Staatskasse ist nach § 127 Abs. 2 und Abs. 3 ZPO auf die Fälle beschränkt, in denen Prozesskostenhilfe zwar bewilligt, rechtsfehlerhaft jedoch weder eine Ratenzahlung aus dem Einkommen noch eine Zahlung aus dem Vermögen der [X.] angeordnet wurde. Sinn und Zweck des Beschwerderechts bestehen ausweislich der Gesetzesbegründung darin, sicherzustellen, dass die wirtschaftlichen Verhältnisse der [X.] gründlich ermittelt und Haushaltsmittel nur zugunsten der wirklich bedürftigen Rechtsuchenden eingesetzt werden (vgl. [X.]. 10/6400 S. 42, 48 und [X.]. 10/3054 S. 50 f.). Es sollen mithin zu Unrecht erfolgte „Nulltarifbewilligungen“ nachträglich im Interesse der [X.] korrigiert werden können. Dementsprechend hat der Gesetzgeber der Staatskasse nur ein auf diesen Umfang beschränktes Beschwerderecht zugebilligt ([X.] 17. November 2009
- [X.]/09 - Rn. 4), das auch die nachfolgenden Entscheidungen gemäß § 120a ZPO erfasst, durch die nach neuer Überprüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse die zuvor ratenfrei bewilligte Prozesskostenhilfe aufrechterhalten oder die zunächst angeordnete Ratenzahlung später aufgehoben wird (vgl. zur Vorgängervorschrift des § 120 Abs. 4 ZPO [X.] 8. Mai 2013 - XII ZB 282/12 - Rn. 29). Eine von der Staatskasse mit dem Ziel eingelegte Beschwerde, die Verweigerung von Prozesskostenhilfe zu erreichen, ist danach nicht statthaft ([X.] 17. November 2009 - [X.]/09 - Rn. 4).

8

b) Diese Einschränkung der Beschwerdebefugnis gilt auch nach der Neuregelung des Prozesskostenhilferechts durch das Gesetz zur Änderung des [X.] vom 31. August 2013 ([X.]I S. 3533). Der noch im Gesetzentwurf der Bundesregierung enthaltenen Ausweitung des Beschwerderechts der Staatskasse mit dem Ziel, dieser auch ein Beschwerderecht bei Entscheidungen über die Aufhebung von [X.] einzuräumen ([X.]. 17/11472 S. 9, 36), ist der Rechtsausschuss entgegengetreten ([X.]. 17/13538 S. 9, 27). Die von der Bundesregierung beabsichtigte Änderung des Beschwerderechts der Staatskasse ist später auch nicht Bestandteil der beschlossenen Gesetzesänderungen geworden, die Rechtslage ist insoweit vielmehr unverändert geblieben. Dies verdeutlicht den Willen des Gesetzgebers, die Beschwerdebefugnis der Staatskasse auf Fälle der vorliegenden Art nicht zu erstrecken.

9

3. An der Unzulässigkeit der Rechtsbeschwerde ändert nichts, dass das [X.] diese zugelassen hat. Ein gesetzlich nicht vorgesehenes Rechtsmittel kann grundsätzlich nicht allein dadurch zulässig werden, dass die Vorinstanz das Rechtsmittel zulässt ([X.] 15. September 2005 - 3 [X.] - Rn. 5).

III. Eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten des [X.] findet gemäß § 127 Abs. 4 ZPO nicht statt.

        

Linck 

        

Schlünder

        

Brune 

        
                                                              

Meta

10 AZB 34/15

18.11.2015

Bundesarbeitsgericht 10. Senat

Beschluss

Sachgebiet: AZB

vorgehend ArbG Stuttgart, 8. April 2015, Az: 30 Ca 240/14, Beschluss

§ 127 Abs 2 ZPO, § 127 Abs 3 S 1 ZPO, § 127 Abs 3 S 2 ZPO, § 124 Abs 1 Nr 4 ZPO, § 120a ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 18.11.2015, Az. 10 AZB 34/15 (REWIS RS 2015, 2173)

Papier­fundstellen: NJW 2016, 892 REWIS RS 2015, 2173

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