Bundesverfassungsgericht, Kammerbeschluss vom 15.08.2019, Az. 1 BvQ 51/19

1. Senat 2. Kammer | REWIS RS 2019, 4435

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Kammerbeschluss: Aufhebung einer isoliert beantragten eA nach Ablauf der Einlegungsfrist für eine in der Hauptsache zu erhebende Verfassungsbeschwerde - erfolglose Gegenvorstellung gegen teilweise eA-Ablehnung nach Ablauf der Verfassungsbeschwerdefrist


Tenor

Der Beschluss der [X.] des [X.] vom 24. Juni 2019 - 1 BvQ 51/19 - wird insoweit aufgehoben, als er die Wirksamkeit des Beschlusses des [X.] vom 14. Juni 2019 - 39 [X.] 819 - einstweilen, längstens für sechs Monate, ausgesetzt und dem [X.] auferlegt hat, dem Antragsteller zu 1) die notwendigen Auslagen im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu erstatten.

Die Gegenvorstellung gegen die Entscheidung der Kammer vom 24. Juni 2019 wird verworfen.

Gründe

1

Das Verfahren betrifft einen isolierten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.

I.

2

Mit Beschluss vom 24. Juni 2019 hat die Kammer dem Antrag des Antragstel-lers zu 1) auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen den Beschluss des [X.] vom 14. Juni 2019 - 39 [X.] 819 - stattgegeben und die Wirkung dieses Beschlusses einstweilen, längstens für sechs Monate, ausgesetzt.

3

Der Antrag des Antragstellers zu 2) gegen den Beschluss des [X.] vom 14. Juni 2019 - 39 [X.] 818 - wurde mangels ordnungsgemäßer Bevollmächtigung des Antragstellers zu 1) gemäß § 22 Abs. 1, Abs. 2 [X.], im Namen seines [X.], des Antragstellers zu 2), Antrag auf einstweilige Anordnung zu stellen, als unzulässig abgelehnt. Der Beschluss der Kammer vom 24. Juni 2019 ist den Antragstellern mit Schreiben vom 25. Juni 2019 übermittelt worden.

4

Die Frist zur Einlegung der Verfassungsbeschwerde nach § 93 Abs. 1 [X.] ist am 18. Juli 2019 abgelaufen. Innerhalb dieser Frist haben die Antragsteller nicht ausdrücklich Verfassungsbeschwerde gegen die oben genannten Beschlüsse des Amtsgerichts erhoben. Mit am 9. Juli 2019 eingegangenem Schreiben haben die Antragsteller lediglich mitgeteilt, beide Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung stellen zu wollen.

II.

5

1. Das Vorbringen der Antragsteller in dem am 9. Juli 2019 eingegangenen Schreiben ist als Gegenvorstellung zu werten. Diese ist zu verwerfen.

6

Das von beiden Antragstellern unterzeichnete, am 18. Juni 2019 per Telefax eingegangene Antragsschreiben hat der Kammer bei ihrer Entscheidung vom 24. Juni 2019 ohne Verschulden der Antragsteller nicht vorgelegen und konnte daher keine Berücksichtigung finden. Der Antrag des Antragstellers zu 2) hätte aber voraussichtlich in der Sache Erfolg gehabt, da er vor Erlass der angegriffenen Entscheidung im zugrundeliegenden Betreuungsverfahren weder schriftlich noch mündlich von der beabsichtigten Untersuchung informiert worden war und sich daher entgegen § 283 Abs. 1 Satz 2 FamFG nicht äußern konnte. Dadurch wurde sein grundrechtsgleiches Recht auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG verletzt.

7

2. Gleichwohl erweist sich der Antrag des Antragstellers zu 2) auf Erlass einer einstweiligen Anordnung als unzulässig, da eine in der Hauptsache eingelegte Beschwerde zwischenzeitlich verfristet war.

8

a) Als Mittel des vorläufigen Rechtsschutzes hat die einstweilige Anordnung auch im verfassungsgerichtlichen Verfahren die Schaffung vollendeter Tatsachen zu verhindern. Sie soll auf diese Weise dazu beitragen, Wirkung und Bedeutung einer erst noch zu erwartenden Entscheidung in der Hauptsache zu sichern und zu erhalten (vgl. [X.] 42, 103 <119>). Gemäß dieser Sicherungsfunktion ist im Rahmen eines Verfassungsbeschwerdeverfahrens kein Raum für den Erlass einer einstweiligen Anordnung, wenn davon auszugehen ist, dass die erhobene oder noch zu erhebende Verfassungsbeschwerde gemäß den §§ 93a, 93b [X.] nicht zur Entscheidung angenommen wird. Eine einstweilige Anordnung nach § 32 Abs. 1 [X.] ist daher ausgeschlossen, wenn sich das in der Hauptsache verfolgte Begehren von vornherein als unzulässig oder offensichtlich unbegründet erweist (vgl. [X.] 103, 41 <42>; 111, 147 <152 f.>; stRspr).

9

b) So liegt der Fall hier. Eine noch zu erhebende Verfassungsbeschwerde wäre von vornherein unzulässig. Die Frist zur Einlegung der Verfassungsbeschwerde gegen die angegriffenen Entscheidungen nach § 93 Abs. 1 [X.] in Verbindung mit §§ 187 ff. [X.] ist mit Ablauf des 18. Juli 2019 verstrichen. Eine Verfassungsbeschwerde wurde von den Antragstellern bislang nicht erhoben. Auch im Wege der Auslegung lässt sich ihren Schreiben nicht entnehmen, dass sie Verfassungsbeschwerde erheben wollten, da sie explizit ausschließlich einen Eilantrag stellen. Hinderungsgründe für die rechtzeitige Einlegung einer Verfassungsbeschwerde sind ebenfalls nicht ersichtlich. Ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist nicht gestellt.

3. Soweit die Kammer dem Antrag des Antragstellers zu 1) auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen den Beschluss des [X.] vom 14. Juni 2019 - 39 [X.] 819 - mit Beschluss vom 24. Juni 2019 stattgegeben und die Wirkung dieses Beschlusses einstweilen, längstens für sechs Monate, ausgesetzt sowie dem [X.] auferlegt hat, dem Antragsteller zu 1) die notwendigen Auslagen im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu erstatten, ist der Beschluss von Amts wegen aufzuheben.

Eine vor Anhängigkeit der Hauptsache - hier vor einer noch zu erhebenden Verfassungsbeschwerde - erlassene einstweilige Anordnung ist aufzuheben, sobald feststeht, dass das Hauptsacheverfahren nicht mehr zulässig erhoben werden kann (vgl. [X.], Beschluss der [X.] des [X.] vom 29. Juni 2000 - 1 BvQ 8/00 -, Rn. 18 f.; [X.], in: [X.]/Schmidt-Bleib-treu/[X.]/[X.], [X.], § 32 Rn. 20 [Februar 2019]). Eine noch zu erhebende Verfassungsbeschwerde wäre hier aber von vornherein unzulässig, da verfristet.

Die Aufhebung der erlassenen einstweiligen Anordnung infolge Verfristung einer noch zu erhebenden Verfassungsbeschwerde macht die (nachzuholende) Anhörung der Antragsteller im Ausgangsverfahren indes in der Sache nicht entbehrlich.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Meta

1 BvQ 51/19

15.08.2019

Bundesverfassungsgericht 1. Senat 2. Kammer

Kammerbeschluss

Sachgebiet: BvQ

vorgehend AG Hameln, 14. Juni 2019, Az: 39 XVII D 819, Beschluss

§ 32 Abs 1 BVerfGG, § 93 Abs 1 S 1 BVerfGG

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Kammerbeschluss vom 15.08.2019, Az. 1 BvQ 51/19 (REWIS RS 2019, 4435)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 4435

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

1 BvQ 51/19 (Bundesverfassungsgericht)

Erlass einer einstweiligen Anordnung, gerichtet auf die einstweilige Aussetzung einer Vorführungsanordnung in einer Betreuungssache (§ …


2 BvQ 46/19 (Bundesverfassungsgericht)

Ablehnung eines Antrags auf Erlass einer eA, gerichtet auf die Untersagung der Durchsicht sichergestellter Datenträger …


2 BvQ 86/20 (Bundesverfassungsgericht)

Erfolgloser, da unzulässiger Eilantrag in einer Klageerzwingungssache (§ 172 StPO) - bereits kein subsumtionsfähiger Sachverhalt …


1 BvQ 60/20, 1 BvQ 64/20 (Bundesverfassungsgericht)

Erfolglose, da unzureichend begründete isolierte Eilanträge in Familien- bzw Registersachen - Androhung einer Missbrauchsgebühr mit …


2 BvQ 78/20 (Bundesverfassungsgericht)

Ablehnung eines Eilantrags wegen Subsidiarität: unterbliebene Beschwerde gem § 172 Abs 1 S 1 StPO


Referenzen
Wird zitiert von

2 BvR 1813/18

1 BvR 618/22

Zitiert

1 BvR 2797/09

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.