8. Zivilsenat | REWIS RS 1999, 780
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Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Hagen vom 18. Juni 1996 wird zurückgewiesen.
Auf die Anschlußberufung der Beklagten wird das genannte Urteil insoweit teilweise abgeändert,
daß die Klage im vollen Umfang abgewiesen wird.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheits-leistung in Höhe von 18.500,00 DM abwenden, wenn die Beklagten nicht zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leisten. Beiden Seiten wird nachgelassen, Sicherheit durch selbst-schuldnerische Bürgschaft einer deutschen Großbank oder öffentlichen Sparkasse zu erbringen.
Die Beschwer des Klägers liegt über 60.000,00 DM.
Tatbestand:
Die Parteien sind Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft. Der Beklagte zu 1) ist deren persönlich haftender Gesellschafter, der Kläger, Bruder des Beklagten zu 1), und der Beklagte zu 2) sind Kommanditisten. Grundlage ihrer Rechtsbeziehungen ist der zuletzt im Jahre 1977 neu gefaßte Gesellschaftsvertrag aus dem Jahre 1937, der in der Folgezeit weitere Änderungen erfahren hat. Wegen der Einzelheiten des Gesellschaftsvertrags wird auf die Anlage K 1/1 bis K 1/38 zur Klageschrift (Anlagenhefter) verwiesen. Am Festkapital der Gesellschaft in Höhe von 600.000,00 DM ist - nach dem Stande der letzten mündlichen Verhandlung - der Kläger zu 25 % beteiligt, die weiteren 75 % werden gehalten von dem Beklagten zu 1) mit 45 %, dem Beklagten zu 2) mit 15 % und der Tochter B des Beklagten zu 1) mit ebenfalls 15 %.
Der Kläger hält eine Änderung der gesellschaftsvertraglichen Gewinnverteilung und Entnahmeregelungen für geboten, weil diese im Laufe der Zeit zu einer Aushöhlung des Wertes seiner Kommanditbeteiligung geführt hätten und die Stellung der Kommanditisten gegenüber dem persönlich haftenden Gesellschafter unangemessen benachteiligten.
Die Regelungen des Gesellschaftsvertrages sehen im wesentlichen folgendes vor (wegen der Einzelheiten wird auf den Text der als Anlage K 1 zur Akte gereichten Ablichtung des Gesellschaftsvertrages verwiesen):
Neben den Kapitaleinlagekonten, die das Festkapital ausweisen, werden für jeden Gesellschafter sog. Ergänzungskapitalkonten geführt, auf denen die nicht ausgeschütteten Gewinne zu verbuchen sind. Von diesen Konten dürfen, soweit Guthaben vorhanden sind, Beträge für näher bestimmte Steuern und Versicherungsbeiträge entnommen werden. Der Beklagte zu 1) darf zusätzlich von seinem Ergänzungskapitalkonto die Kosten für eine Haushaltshilfe entnehmen. Ferner darf er als persönlich haftender Gesellschafter die ihm nach § 12 Abs. 1 Buchst. c (Anlage K 1/22) zustehende Tantieme, die diesem Konto gutzubringen ist, zu Lasten dieses Kontos auf seinem Privatkonto verbuchen lassen. Außerdem durfte der Beklagte zu 1) unter bestimmten Voraussetzungen die zur Erfüllung eines Leibrentenversprechens gegenüber seinem inzwischen verstorbenen Vater erforderlichen Beträge entnehmen. Sonstige Entnahmen sind nicht zulässig (§ 4 Abs. 5 in der Fassung vom 16.12.1977, Anlage K 1/3).
Für jeden Gesellschafter wird außerdem ein frei verfügbares Privatkonto geführt, auf dem u.a. Tätigkeitsvergütungen und ausgeschüttete Gewinnanteile verbucht werden (§ 4 Abs. 6, Anlage K 1/8). Sämtliche Konten sind unverzinslich (§ 4 Abs. 7, a.a.O.).
Der Beklagte zu 1) erhält außer der Tantieme eine feste Tätigkeitsvergütung, die im Innenverhältnis der Gesellschafter als Aufwand ("Unkosten") zu behandeln ist; sie ist im Laufe der Jahre mehrfach erhöht worden (§ 8, Anlage K 1/10, in Verbindung mit Anlage K 1/11 - 19).
Die in § 11 (Anlage K 1/20 ff) geregelte Gewinn- und Verlustverteilung sieht im wesentlichen folgendes vor:
Der Reingewinn ist zunächst zur Auffüllung der Kapitaleinlagen zu verwenden, sofern diese durch Verluste gemindert sind. Aus dem verbleibenden Reingewinn erhält jeder Gesellschafter 8 % Zinsen auf seine Kapitaleinlage, die seinem Privatkonto gutgeschrieben werden. Aus dem danach verbleibenden Reingewinn erhält der persönlich haftende Gesellschafter eine Tantieme von 15 %. Der restliche Reingewinn wird den Gesellschaftern im Verhältnis ihrer Kapitaleinlagen auf deren Ergänzungskapitalkonten gutgeschrieben, sofern die Gesellschafter keine (teilweise) Gutschrift auf den Privatkonten beschließen, die aber nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig ist (§ 11 Abs. 1 Buchst. a - e).
Es ist unstreitig, daß die im Laufe der Jahre auf den Ergänzungskapitalkonten gebundenen unverzinslichen Guthaben der Gesellschafter nicht mehr dem Verhältnis der Kapitalbeteiligungen entsprechen. So betrug das Ergänzungskapital des mit 25 % am Festkapital beteiligten Klägers zum 31.12.1994 bzw. 31.12.1995 rd. 1,29 bzw. 1,37 Mio. DM, was rd. 43 % des gesamten Ergänzungskapitals entsprach. Das Ergänzungskapital des damals mit 70 % am Festkapital beteiligten Beklagten zu 1) betrug demgegenüber rd. 1,4 bzw. 1,6 Mio. DM, was etwas weniger als 49 % des gesamten Ergänzungskapitals ausmachte.
Der Kläger ist der Ansicht, er stelle der Gesellschaft unverhältnismäßig viel Kapital zinslos zur Verfügung. Bei Abschluß des Gesellschaftsvertrages sei man davon ausgegangen, daß sich auch die Ergänzungskapitalkonten künftig im Rahmen der prozentualen Kapitalbeteiligungen halten würden, so daß die vereinbarte Unverzinslichkeit keinen der Gesellschafter benachteilige. Dies habe sich aber als irrig erwiesen, wie die Entwicklung gezeigt habe. Dies sei nicht zuletzt darauf zurückzuführen, daß der Beklagte zu 1) erhebliche Sonderentnahmen getätigt habe, ohne für einen späteren Ausgleich Sorge zu tragen. Der Gesellschaftsvertrag müsse deshalb den geänderten Verhältnissen angepaßt werden, da nicht hinzunehmen sei, daß er, der Kläger, der Gesellschaft ständig ein überobligationsmäßiges zinsloses Darlehen in Höhe von rd. 1/2 Mio. DM zur Verfügung stelle, ohne hierfür eine Gegenleistung zu erhalten. Eine angemessene Verzinsung sei der Gesellschaft zuzumuten, weil sie auf das Ergänzungskapital nicht angewiesen sei. Sie habe keine Bankschulden, sondern verfüge im Gegenteil über erhebliche Bankguthaben.
Außerdem sei es erforderlich, das Entnahmerecht neu zu regeln, um den Gesellschaftern die Möglichkeit zu geben, durch entsprechende Entnahmen die Höhe ihrer Ergänzungskapitalkonten ihrer Beteiligung anzupassen, solange dadurch die finanzielle Grundlage der Gesellschaft nicht in Mitleidenschaft gezogen werde. Letzteres sei jedenfalls dann nicht der Fall, wenn die Eigenkapitalausstattung (Kapitaleinlagen und Guthaben auf den Ergänzungskapitalkonten) den Buchwert des Anlagevermögens und der Vorräte abdecke.
Der Kläger ist der Auffassung, die Beklagten seien nach den Grundsätzen der gesellschaftlichen Treuepflicht gehalten, den von ihm gewünschten Änderungen zuzustimmen, wobei dem Rechtsinstitut des Wegfalls bzw. der Änderung der Geschäftsgrundlage ebenso Rechnung getragen werden müsse wie dem Gleichbehandlungsgrundsatz und dem Grundsatz des Minderheitenschutzes. Unter Beachtung dieser Grundsätze seien die Beklagten auch verpflichtet, ihm vorab eine Sonderentnahme in Höhe von 100.000,00 DM zu bewilligen.
Der Kläger hat beantragt,
1. die Beklagten zu 1. und 2. zu verurteilen, ihre Zustimmung zu erteilen zu folgenden Änderungen des Gesellschaftsvertrages der Firma N & Co. KG M: "§ 4 Absatz 5 letzter Satz des Gesellschaftsvertrages wird durch folgenden Text ersetzt: Weitergehende Entnahmen zu Lasten der Ergänzungskapitalkonten sind nur zulässig, soweit die Summe aus Kapitaleinlagen und Ergänzungskapitalkonten abzüglich Verlustvortragskonten aller Gesellschafter die Summe aus dem Buchwert des Anlagevermögens und der Vorräte der Gesellschaft übersteigt. In diesem Fall dürfen die Gesellschafter von dem insgesamt entnahmefähigen Betrag denjenigen Teil zu Lasten ihres eigenen Ergänzungskapitalkontos entnehmen, welcher anteilig der Höhe ihres Ergänzungskapitalkontos zur Höhe der Ergänzungskapitalkonten der übrigen Gesellschafter entspricht".
2. Die Beklagten zu 1. und 2. zu verurteilen, ihre Zustimmung zu erteilen zu folgenden weiteren Änderungen des Gesellschaftsvertrages der Firma N & Co. KG M: § 4 Abs. 7 erhält folgende Fassung: "Die Kapitaleinlagekonten werden nicht verzinst. Ergänzungskapitalkonten werden mit 2 % über dem jeweiligen Bundesbankdiskontsatz nach ihrem Stand jeweils am Ende eines Monats nachschüssig verzinst."
3. Die Beklagten zu 1) und 2) werden unabhängig von der nach Ziffer 1. beantragten Zustimmung zur Änderung des Gesellschaftsvertrages verurteilt, einer Entnahme des Klägers zu Lasten seines eigenen Ergänzungskapitalkontos in Höhe von 100.000,00 DM zuzustimmen.
Die Beklagten haben beantragt,
Die Klage abzuweisen.
Sie haben die Auffassung vertreten, die Regelungen des Gesellschaftsvertrages seien nach wie vor sachgerecht. Der Gesellschaftsvertrag entspreche den Intentionen mittelständischer Unternehmen, wie sie für die sauerländische Industrielandschaft typisch seien. Mittelständische Unternehmen könnten sich in einem härter werdenden internationalen Wettbewerb nur behaupten und Konjunkturkrisen nur überstehen, wenn sie mit einem entsprechenden Eigenkapital ausgestattet seien. § 23 Abs. 4 des Gesellschaftsvertrages enthalte deshalb die ausdrückliche Regelung, den Gesellschaftsvertrag so auszulegen, daß sein Zweck, die Gesellschaft finanziell gesund und in Familienbesitz zu erhalten, weitestmöglich erreicht werde.
Angesichts dieser grundsätzlichen Vereinbarung sei für eine Änderung des Gesellschaftsvertrages in dem vom Kläger gewünschten Sinn kein Raum. Es sei zwar richtig, daß die Ergänzungskapitalkonten sich im Laufe der Jahre unterschiedlich entwickelt hätten. Dies sei jedoch maßgeblich darauf zurückzuführen, daß der Beklagte zu 1) für den Erwerb seiner Beteiligung Leibrenten und Steuern in Höhe von rd. 580.000,00 DM zu entrichten gehabt habe, die er seinem Ergänzungskapitalkonto habe entnehmen dürfen. Außerdem seien seine entnahmefähigen Steuerzahlungen wesentlich höher als die seiner Mitgesellschafter, weil er auch seine Tätigkeitsvergütung und seine Tantieme zu versteuern habe. Tätigkeitsvergütung und Tantieme seien im übrigen angemessen und entsprächen der üblichen Vergütung in mittelständischen Unternehmen dieser Größenordnung.
Eine prozentuale Anpassung der Ergänzungskapitalkonten an die prozentuale Beteiligung am Festkapital sei nicht gerechtfertigt, wie dem Kläger auch kein Sonderentnahmerecht zugestanden werden könne. Der Kläger übersehe, daß die Ausstattung der Gesellschaft mit entsprechendem Eigenkapital unerläßlich sei. Dies diene insbesondere der Finanzierung künftiger Investitionen. Vor allem bedürften die Betriebsgebäude einer dringenden Umgestaltung und Renovierung, die erheblichen Kapitalbedarf erfordern werde.
Vor diesem Hintergrund könne auch der vom Kläger gewünschten Verzinsung der Ergänzungskapitalkonten nicht zugestimmt werden. Auch insoweit müssten der Erhalt und die wirtschaftliche Sicherung des Gesamtunternehmens Vorrang vor den Interessen des Klägers haben.
Das Landgericht hat dem Klageantrag zu 2 teilweise stattgegeben und die Beklagten verurteilt, einer Änderung des Gesellschaftsvertrages zuzustimmen, wonach die Ergänzungskapitalkonten mit 2 % über dem jeweiligen Bundesbankdiskontsatz nach dem Stande am Ende eines Geschäftsjahres nachträglich zu verzinsen seien. Im übrigen hat es die Klage abgewiesen. Wegen der Einzelheiten - auch zum Sach- und Streitstand erster Instanz - wird auf das Urteil verwiesen.
Mit seiner Berufung gegen dieses Urteil verfolgt der Kläger seine abgewiesenen Klageanträge, ergänzt um einen hilfsweise gestellten Zahlungsantrag in Höhe von 100.000,00 DM, weiter, während die Beklagten im Wege der Anschlußberufung die Abweisung der Klage in vollem Umfang erstreben.
Der Kläger macht unter Ergänzung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrags geltend, daß er, gemessen an seiner Beteiligungsquote, in geradezu unerträglicher Weise gezwungen sei, der Gesellschaft eine sich ständig vergrößernde Quote von Eigenkapital zinslos zur Verfügung zu stellen, ohne angemessene Entnahmen tätigen zu können. Dies und das Mißverhältnis zwischen den Eigenkapitalkonten der Gesellschafter wiege um so schwerer, als er aufgrund der in § 21 des Gesellschaftsvertrages vereinbarten Buchwertklausel nicht ohne erhebliche finanzielle Einbußen aus der Gesellschaft ausscheiden könne. Die Verzinsung des Ergänzungskapitals sei deshalb zwingend geboten. Sie müsse mit einer vernünftigen und sachgerechten Entnahmeregelung gekoppelt werden. Zumindest die auf das Ergänzungskapital entfallenden Zinsen müßten, soweit dies im Rahmen eines sorgfältig agierenden Unternehmens opportun sei, entnommen werden können. Darüber hinaus müsse durch die von ihm verlangte Sonderentnahme das Mißverhältnis zwischen den Kapitalergänzungskonten gemindert werden. Die von ihm gewünschte Änderung sei angemessen und zumutbar und unter Berücksichtigung der gesellschaftlichen Treuepflicht, des Gleichbehandlungsgrundsatzes und des Minderheitenschutzes auch zwingend geboten. Dazu erläutert der Kläger mit näherer Begründung, wie sich die von ihm gewünschte Änderung auf die Ergebnisse der Geschäftsjahre seit 1993 ausgewirkt hätte. Hilfsweise nimmt der Kläger die Beklagten als Gesamtschuldner auf Schadensersatz in Höhe von 100.000,00 DM in Anspruch, weil diese schuldhaft und treuwidrig die Zustimmung zu der von ihm beanspruchten Sonderentnahme verweigert hätten.
Gegenüber dem mit der Anschlußberufung verfolgten Antrag auf Klageabweisung insgesamt verteidigt der Kläger das angefochtene Urteil.
Er beantragt,
unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils
1. die Beklagten zu 1) und 2) zu verurteilen, ihre Zustimmung zu folgenden Änderungen des Gesellschaftsvertrages der Firma N & Co. KG M zu erteilen: § 3 Abs. 5 letzter Satz des Gesellschaftsvertrages wird durch folgenden Text ersetzt: "Weitergehende Entnahmen zu Lasten der Ergänzungskapitalkonten sind nur zulässig, soweit die Summe aus Kapitaleinlagen und Ergänzungskapitalkonten abzüglich Verlustvortragskonten aller Gesellschafter die Summe aus dem Buchwert des Anlagevermögens und der Vorräte der Gesellschaft übersteigt. In diesem Fall dürfen die Gesellschafter von dem insgesamt entnahmefähigen Betrag den jeweiligen Teil zu Lasten ihres eigenen Ergänzungskapitalkontos entnehmen, welcher anteilig der Höhe ihres Ergänzungskapitalkontos zur Höhe der Ergänzungskapitalkonten der übrigen Gesellschafter entspricht."
2. die Beklagten zu 1) und 2) zu verurteilen, einer Entnahme zu Lasten seines eigenen Ergänzungskapitalkontos in Höhe von 100.000,00 DM zuzustimmen;
hilfsweise, die Beklagten zu 1) und 2) als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 100.000,00 DM zu zahlen Zug um Zug gegen Gutschrift eines Betrages von 100.000,00 DM auf ihren Ergänzungskapitalkonten bei der Firma N & Co. KG zu Lasten seines Ergänzungskapitalkontos bei der Firma N & Co. KG.
3. die Anschlußberufung zurückzuweisen.
Die Beklagten beantragen,
1. die Berufung zurückzuweisen;
2. unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage insgesamt abzuweisen;
3. für den Fall der Zwangsvollstreckung ihnen zu gestatten, Sicherheit durch Bankbürgschaft leisten zu dürfen.
Die Beklagten verteidigen unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Sachvortrags das angefochtene Urteil, soweit es die Klage abgewiesen hat. Sie verweisen ergänzend darauf, daß sich entgegen der vom Kläger erwarteten Entwicklung die Verhältnisse nicht verschärft hätten, sondern daß sich inzwischen das Quotenverhältnis zwischen den Ergänzungskapitalkonten dem der Festkapitalkonten angenähert habe. So sei der Anteil des Klägers am Ergänzungskapital von 47,4 % im Jahre 1992 auf 35 % zum 31.12.1998 gesunken. Er werde in den kommenden vier bis fünf Jahren voraussichtlich auf 25 % sinken. Der Anteil des Beklagten zu 1) am Ergänzungskapital sei im Vergleich dazu von 45,1 % im Jahre 1992 auf 45,9 % im Jahre 1998 leicht angestiegen, entspreche damit aber jetzt ungefähr seinem Anteil am Festkapital, der derzeit 45 % betrage.
Die Beklagten tragen weiter mit näherer Begründung vor, daß inzwischen mit dem Erweiterungsbau des Betriebsgebäudes begonnen worden sei und weitere notwendige Investitionen im Maschinenbereich begonnen bzw. in der Planung seien. Das gesamte Investitionsvolumen belaufe sich auf mehr als 11 Mio. DM, so daß die Gesellschaft auf eine ausreichende Eigenkapitalausstattung angewiesen sei und eine Liquiditätsschwächung mit den Belangen und den Interessen der Gesellschaft nicht vereinbart werden könne.
Soweit das Landgericht der Klage teilweise stattgegeben und die Beklagten verurteilt hat, einer Verzinsung der Ergänzungskapitalkonten zuzustimmen, sind die Beklagten der Ansicht, daß das Landgericht nicht hinreichend berücksichtigt habe, daß eine solche Änderung des Gesellschaftsvertrages unter dem Gesichtspunkt der gesellschaftlichen Treuepflicht nur dann in Betracht kommen könne, wenn dies im Interesse der Gesellschaft liege. Dafür sei hier nichts ersichtlich. Auf die Interessen des einzelnen Gesellschafters komme es nicht an.
Den hilfsweise gestellten Zahlungsantrag halten die Beklagten für unbegründet. Sie sehen darin zudem eine unzulässige Klageänderung, in die sie nicht einwilligen.
Wegen der Einzelheiten des beiderseitigen Vorbringens wird auf den Inhalt der Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen und auf die in den nachstehenden Entscheidungsgründen ergänzend mitgeteilten Tatsachen verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist unbegründet, während die Anschlußberufung der Beklagten zur Abweisung der Klage insgesamt führt.
I. Berufung des Klägers
Der Berufungsantrag zu 1 entspricht dem Klageantrag zu 1, der auf eine Änderung der Entnahmeregelung abzielt. Er könnte nur dann Erfolg haben, wenn die Beklagten verpflichtet wären, der vom Kläger als Minderheitsgesellschafter gewünschten Änderung zuzustimmen. Eine solche Verpflichtung besteht jedoch nicht.
1.
Eine Verpflichtung, der Änderung eines Gesellschaftsvertrages zuzustimmen, ist nur ausnahmsweise anzuerkennen, weil es den Gesellschaftern grundsätzlich frei steht, wie sie ihre gesellschaftsrechtlichen Beziehungen ausgestalten (vgl. dazu BGH NJW 85, 974; NJW 87, 952 sowie (allgemein) Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Aufl., § 5 IV 2 (Seite 135 ff)). Dies kommt dann in Betracht, wenn ein besonderer Ausnahmefall vorliegt, die Vertragsänderung zur Verwirklichung des Gesellschaftszwecks oder sonst mit Rücksicht auf die Rechtsbeziehungen unter den Beteiligten erforderlich ist und die vorgesehene Veränderung dem einzelnen Gesellschafter zuzumuten ist. Als Grundlagen für eine daraus abzuleitende Zustimmungspflicht kommen die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht und/oder der Wegfall der Geschäftsgrundlage in Betracht (Karsten Schmidt a.a.O.).
a)
Die Verwirklichung des Gesellschaftszwecks, der nach § 23 Abs. 4 des Gesellschaftsvertrages daran zu orientieren ist, die Gesellschaft finanziell gesund und im Familienbesitz zu erhalten, gebietet hier die vom Kläger gewünschten Änderungen nicht. Es geht dem Kläger um die Verbesserung seiner bzw. der Kommanditisten Rechtsposition. Es kommt deshalb darauf an, ob die Rechtsbeziehungen unter den Beteiligten die gewünschten Änderungen erforderlich machen. Hierzu stellt der Kläger vornehmlich auf die angebliche Ungleichbehandlung gegenüber dem Beklagten zu 1) und auf die angebliche Nichtbeachtung des Schutzes von Minderheitsgesellschaftern ab.
Eine Verpflichtung der Beklagten, der gewünschten Änderung des Gesellschaftsvertrages zuzustimmen, wäre daraus aber nur dann abzuleiten, wenn die derzeitige Fassung des Gesellschaftsvertrages den Kläger bzw. die Kommanditisten in einem Maße benachteiligen würde, das ein (Minderheits-) Gesellschafter nicht mehr hinnehmen muß. Nur dann kann von einem Ausnahmefall die Rede sein. Es genügt hingegen nicht, daß die vom Kläger gewünschten Änderungen rechtlich zulässig, wirtschaftlich sinnvoll und der Gesellschaft bzw. den anderen Gesellschaftern zumutbar sind. Vielmehr muß die derzeitige Regelung für den Kläger unzumutbar sein. Es genügt mithin nicht, daß die gewünschten Änderungen der gesellschaftlichen Treuepflicht entsprechen, es muß vielmehr die derzeitige Regelung der Treuepflicht widersprechen. Daran fehlt es jedoch.
b)
Anknüpfungspunkt für die vom Kläger behauptete Ungleichbehandlung ist der Umstand, daß die auf den Ergänzungskapitalkonten angesammelten Beträge nicht den Beteiligungsquoten der Gesellschafter entsprechen. Der Kläger moniert deshalb, daß er der Gesellschaft überobligationsmäßig einen zinslosen Kredit zur Verfügung stelle.
Das trifft in der Sache zwar zu, doch läßt sich aus der ungleichen Entwicklung der Ergänzungskapitalkonten die vom Kläger gewünschte Entnahmeregelung nicht herleiten. Denn diese ungleiche Entwicklung ist nicht willkürlich erfolgt, sondern hat sachliche Gründe, die zudem jedenfalls teilweise auch im Gesellschaftsvertrag selbst angelegt sind. Anders als der Kläger, der seine Anteile am Festkapital von seinem Großvater bzw. seiner Mutter geschenkt bekommen hat, hat der Beklagte zu 1) seinen Anteil (teilweise) von seinem Vater zu dessen Lebzeiten übertragen erhalten und dafür u.a. eine Leibrente zahlen müssen, die zu Lasten seines Ergänzungskapitalkontos ging. Infolge des frühen Todes seines Vaters fiel ein steuerpflichtiger Gewinn auf seiten des Beklagten zu 1) an, weil dieser seine Gegenleistung für den Erwerb der Anteile noch nicht in voller Höhe erbracht hatte. Diese Steuern gingen ebenfalls zu Lasten seines Ergänzungskapitalkontos. Hinzu kommt ferner, daß der Beklagte zu 1) wegen seiner höheren Gewinnbeteiligung, der ihm von den Gesellschaftern zugestandenen Tätigkeitsvergütung und wegen der ihm zustehenden Tantieme höhere Steuern zu zahlen hat als seine Mitgesellschafter. Dies alles hat dazu geführt, daß das Guthaben auf dem Ergänzungskapitalkonto des Beklagten zu 1) in geringerem Maße gewachsen ist als das auf dem des Klägers.
Hinzu kommt, daß, wie die weitere Entwicklung bis zum Jahre 1998 belegt, diese unterschiedliche Entwicklung der Ergänzungskapitalkonten vorübergehender Art war und die prozentuale Beteiligung des Klägers am gesamten Ergänzungskapital sich inzwischen wieder dessen Beteiligungsquote an Festkapital nähert.
c)
Die Entnahmeregelungen des Gesellschaftsvertrages enthalten im übrigen keine Ungleichbehandlung, weil sie für alle Gesellschafter dieselben sind. Daß der Beklagte zu 1) tatsächlich über mehr Geld verfügen kann als der Kläger und die anderen Kommanditisten, liegt daran, daß die Gesellschafter ihm eine Tätigkeitsvergütung zubilligen, die auf sein Privatkonto gebucht wird und von dort frei entnommen werden kann (§ 4 Abs. 6, § 13 Abs. 2). Daraus folgt aber keine nicht mehr hinnehmbare Ungleichbehandlung, weil der Beklagte die Geschäfte der Gesellschaft führt und zudem als persönlich haftender Gesellschafter auch das volle Haftungsrisiko trägt. Auch das Gesetz behandelt den persönlich haftenden Gesellschafter und den Kommanditisten unterschiedlich (§§ 122, 169 HGB).
d)
Der Gesellschaftsvertrag weicht allerdings von der gesetzlichen Regelung des § 169 Abs. 1 HGB ab, nach der der Kommanditist den auf ihn entfallenden Gewinnanteil entnehmen darf. Hierbei handelt es sich aber um nachgiebiges Recht (§§ 109, 161 Abs. 2 HGB), und der Kläger wendet sich auch nicht dagegen, daß er nicht seinen vollen Gewinnanteil entnehmen darf. Der Gesellschaftsvertrag ist darauf angelegt, möglichst viel Eigenkapital zur Verfügung zu halten, was nach § 23 Abs. 4 der Intention entspricht, "die Gesellschaft finanziell gesund und im Familienbesitz zu erhalten". Zu diesem Grundsatz hat auch der Kläger sich ausdrücklich bekannt (Schriftsatz vom 22.04.1996, Bl. 44 GA).
e)
Schließlich macht der Kläger auch nicht geltend, er benötige höhere Entnahmen zur Sicherung seiner Existenz. Auch unter diesem Gesichtspunkt ist deshalb kein Grund ersichtlich, der die Beklagten verpflichten könnte, der vom Kläger gewünschten Entnahmeregelung zuzustimmen.
2.
Hieraus folgt zugleich, daß der Kläger auch keinen Anspruch auf Zustimmung zu einer Sonderentnahme in Höhe von 100.000,00 DM hat. Soweit der Kläger ausweislich seiner Klagebegründung der Auffassung ist, daß er auch dann einen Anspruch auf eine Sonderentnahme von 100.000,00 DM habe, wenn der Gesellschaftsvertrag unverändert weiter gelte, hat das Landgericht die Klage mit der zutreffenden Begründung abgewiesen, daß ein besonderer Anlaß für eine solche Sonderentnahme nicht dargelegt worden sei, sondern der Kläger sogar eingeräumt habe, daß er sich nicht in einer Notsituation befinde, die eine solche Entnahme erforderlich machen könne. Die Berufungsbegründung läßt nicht erkennen, was der Kläger gegen diesen Teil des Urteils einwenden will. Sie beschränkt sich auf die Rechtsansicht, durch die verlangte Sonderentnahme müsse die größte Disparität hinsichtlich der Eigenkapitalfinanzierung beseitigt werden. Unabhängig von der Frage, ob darin ein zulässiger Berufungsangriff liegt, sieht der Senat jedenfalls keine sachlich nicht mehr zu vertretende Disparität, die die gewünschte Sonderentnahme rechtfertigen könnte. Dabei ist auch zu berücksichtigen, daß - wie die Entwicklung gezeigt hat - die vom Kläger beanstandete Disparität vorübergehender Natur gewesen ist.
3.
Da dem Kläger kein Anspruch auf eine Sonderentnahme zusteht, kann auch sein hilfsweise geltend gemachter Schadensersatzanspruch keinen Erfolg haben, der damit begründet wird, daß die Beklagten der Sonderentnahme nicht früher d.h. vor Beginn der Investitionen in den Neubau, zugestimmt haben. Da der Hilfsantrag somit ohne weiteres entscheidungsreif ist, kann die darin liegende Klageänderung als sachdienlich behandelt werden.
II. Anschlußberufung
Die Anschlußberufung ist begründet, weil ein Anspruch des Klägers auf Zustimmung der Beklagten zu einer Verzinsung der Ergänzungskapitalkonten nicht besteht.
Der Kläger wünscht - und das Landgericht ist ihm darin gefolgt - eine Änderung des § 4 Abs. 7 des Gesellschaftsvertrages. Da diese Regelung nicht im Zusammenhang mit der Gewinnverteilung (§ 12) steht, bedeutet die beantragte und zuerkannte Verzinsung eine vom Gewinn unabhängige Verzinsung, die also auch dann vorzunehmen ist, wenn der Jahresgewinn dafür nicht ausreicht oder gar ein Verlust erwirtschaftet worden ist. Eine solche Verzinsung wäre zwar zulässig, ein Anspruch darauf besteht jedoch nicht. Das Gesetz sieht eine solche vom Gewinn unabhängige Verzinsung nicht vor. Nach § 121 HGB, der anders als § 122 HGB auch für Kommanditisten gilt (§§ 168, 169 HGB), sind 4 % Zinsen aus dem Gewinn zu zahlen, soweit dieser dazu ausreicht und nichts anderes vereinbart ist. Auch die hier im Gesellschaftsvertrag vereinbarte Verzinsung der Kapitaleinlage (§ 12 Abs. 1 Buchst. b) ist vom Gewinn abhängig ("soweit der Reingewinn reicht"). Eine vom Gewinn unabhängige Verzinsung der Ergänzungskapitalkonten widerspräche deshalb nicht nur der gesetzlichen Regelung, sondern auch dem Geist des Gesellschaftsvertrages.
Eine vom Gewinn abhängige Verzinsung hat der Kläger nicht beantragt. Sie stellt auch kein Minus gegenüber dem Klageantrag dar. Denn sie enthielte einen Eingriff in die in § 12 des Gesellschaftsvertrages geregelte Gewinnverteilung und ist deshalb etwas anderes als eine gewinnunabhängige Verzinsung.
Im Ergebnis kann dies aber dahinstehen, weil auch eine Änderung der Gewinnverteilung nicht geboten ist.
Richtig ist allerdings, daß der Kläger gegenüber dem Beklagten etwas benachteiligt ist. Die ungewöhnlich gute Eigenkapitalausstattung der Gesellschaft ermöglicht es dieser, ohne Bankkredit zu arbeiten und sogar noch Guthabenkonten zu unterhalten. Dies gilt zumindest für die Zeit bis zum Beginn der Erweiterungsbauten. Dies hat den Gewinn erhöht und ist auch dem Kläger durch die Gewinnverteilung wieder zugute gekommen, wenn auch nicht in demselben Umfang, in dem er der Gesellschaft sein Ergänzungskapital überlassen hat. Zeitweise hat der Kläger mit mehr als 40 % - nach dem Stand Ende 1998 sind es noch rd. 35 % - zur Kapitalausstattung der Gesellschaft beigetragen, von dem damit erwirtschafteten anteiligen Gewinn über die Gewinnverteilung aber nur 25 % entsprechend seinem Anteil am Festkapital zurückbekommen. Das begründet ein gewisses Ungleichgewicht, das nach Überzeugung des Senats aber nicht so groß ist, daß es als unzumutbar und vom Kläger nicht mehr hinnehmbare Benachteiligung gewertet werden müßte und den gerichtlichen Eingriff in die Vertragsfreiheit bzw. die gesellschaftsrechtliche Gestaltungsfreiheit ausnahmsweise rechtfertigen könnte. Der Nachteil des Klägers wird zudem dadurch gemildert, daß nach § 12 Abs. 1 Buchst. e des Gesellschaftsvertrages unter den dort festgelegten Voraussetzungen Sonderausschüttungen beschlossen werden können, wovon in den vergangenen Jahren unstreitig auch stets Gebrauch gemacht wurde (10 % des Festkapitals, Berufungserwiderung Seite 7, 8 = Bl. 148, 149 GA). Diese Sonderausschüttungen waren, da auf die Privatkonten zu zahlen, unbegrenzt entnahmefähig.
Unabhängig hiervon ist schließlich auch für den vom Kläger beanspruchten Zinssatz (2 % über Bundesbankdiskont) eine Rechtsgrundlage nicht zu erkennen. Der Gesellschaftsvertrag sieht für die Gewinnverteilung einen Prozentsatz von 8 % vor (§ 12 Abs. 1 b), während der gesetzliche Zinssatz 4 % beträgt (§ 121 HGB).
III.
Meta
14.06.1999
Oberlandesgericht Hamm 8. Zivilsenat
Urteil
Sachgebiet: U
Zitiervorschlag: Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 14.06.1999, Az. 8 U 177/96 (REWIS RS 1999, 780)
Papierfundstellen: REWIS RS 1999, 780
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
8 U 242/98 (Oberlandesgericht Hamm)
Begriff des Vorabgewinnanteils i.S. des § 35 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 2 EStG 2002
Vorabgewinn der Komplementär-GmbH für vom Kommanditisten geleistete Geschäftsführung der KG
Zur steuerlichen Behandlung des sog. Carried Interests
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