Bundesgerichtshof, Beschluss vom 31.10.2012, Az. III ZB 51/12

3. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 1757

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Gegenstand

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand: Anwaltliche Sorgfaltspflichten bei Veranlassung der Versendung zweier Schriftsätze per Telefax


Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Beklagten zu 2 und 3 wird der Beschluss des 3. Zivilsenats des [X.] vom 12. Juni 2012 aufgehoben.

Den Beklagten zu 2 und 3 wird gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Berufung gegen das Urteil der 7. Zivilkammer des [X.] vom 7. Dezember 2011 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.

Die Sache wird zur Entscheidung über die Begründetheit der Berufung sowie über die Kosten des [X.] an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Wert des [X.]: 9.817,50 €

Gründe

1

1. Die nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde der Beklagten ist zulässig, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO erfüllt sind. Die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung des [X.], weil das Berufungsgericht die Anforderungen an die Glaubhaftmachung der Tatsachen für die beantragte Wiedereinsetzung in die Berufungsbegründungsfrist überspannt und damit die Grenzen tatrichterlicher Würdigung überschritten hat. Dies verletzt den Anspruch der Beklagten auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG).

2

2. Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Die Berufung ist zu Unrecht vom Berufungsgericht als unzulässig verworfen worden. Den Beklagten zu 2 und 3 ist Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsbegründungsfrist zu gewähren.

3

Die Umstände für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sind glaubhaft gemacht, wenn die vorgelegte eidesstattliche Versicherung (§ 234 ZPO) eine ausreichende Wahrscheinlichkeit für den in ihr dargestellten Sachverhalt ergibt (vgl. Senatsbeschluss vom 20. Dezember 2007 - [X.], BeckRS 2008, 01358 Rn. 2).

4

a) Die Beklagten zu 2 und 3 haben zur Begründung ihres Wiedereinsetzungsantrags ausgeführt, die mit der - zur Fristwahrung erforderlichen - Übermittlung der [X.] per Telefax betraute Angestellte ihrer Prozessbevollmächtigten habe eine zusätzlich beim Gericht einzureichende Streitverkündungsschrift versehentlich zweimal gesendet, während die Versendung der Berufungsbegründung unterblieben sei; dies sei bei der Prüfung der beiden Sendeberichte nicht aufgefallen.

5

b) Das Berufungsgericht hat die Zurückweisung des [X.] damit begründet, aus dem Vorbringen der Beklagten ergebe sich nicht, dass in der Kanzlei ihres Prozessbevollmächtigten durch allgemeine Kanzleianweisung vorgeschrieben sei, bei der Übermittlung einer Rechtsmittel- oder Rechtsmittelbegründungsschrift per Telefax die Versendung an den richtigen Empfänger oder die Vollständigkeit der Übermittlung zu prüfen. Ferner fehle es an einer allgemeinen Kanzleianweisung, bei der gleichzeitigen Versendung von mehreren Schriftsätzen an die gleiche Faxnummer anhand der Seitenzahl und des Ausdrucks der ersten Seite auf dem Faxprotokoll sicherzustellen, dass alle Schriftsätze auch tatsächlich versendet worden sind. Zwar trage der Prozessbevollmächtigte der Beklagten zu 2 und 3 im Wiedereinsetzungsantrag vor, wie sich die Bearbeitung von Notfristen in seiner Kanzlei darstelle. Darin werde auch aufgeführt, dass die Anzahl der [X.] laut dem Versendungsprotokoll des Telefaxgeräts mit der Seitenzahl im Schriftsatz übereinstimme. Erst danach werde die Frist im [X.] gestrichen. Hierbei handele es sich jedoch um die Darstellung der allgemeinen Übung in der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten der Beklagten zu 2 und 3. Nicht vorgetragen sei damit, dass er eine allgemeine Anweisung oder im vorliegenden Fall eine [X.] dergestalt getroffen habe, bei der gleichzeitigen Versendung von mehreren Schriftsätzen an den gleichen Empfänger die Versendung des jeweiligen Schriftsatzes durch Vergleich der Seitenzahl und des Deckblatts des jeweiligen Schriftsatzes mit dem Ausdruck des [X.] zu prüfen. Auch werde nicht vorgetragen, wie eine entsprechende allgemeine beziehungsweise  [X.] effektiv kontrolliert werde. Insoweit liege ein den Prozessbevollmächtigten der Beklagten zurechenbares Organisationsverschulden vor.

6

c) Nach der Rechtsprechung des [X.] genügt ein Rechtsanwalt seiner Pflicht zur wirksamen Ausgangskontrolle fristwahrender Schriftsätze nur dann, wenn er seine Angestellten anweist, nach einer Übermittlung per Telefax anhand des [X.] zu überprüfen, ob die Übermittlung vollständig und an den richtigen Empfänger erfolgt ist. Dabei ist ein Vergleich der Anzahl der zu übermittelnden mit den laut [X.] versandten Seiten anzuordnen ([X.], Beschlüsse vom 14. Mai 2008 - [X.] 34/07, [X.], 2508 Rn. 14 und vom 13. Juni 1996 - [X.], [X.], 2513). Die entsprechende Prüfung braucht ein Rechtsanwalt dabei nicht selbst vorzunehmen; er kann sie seinem zuverlässigen Personal übertragen (vgl. [X.], Beschluss vom 18. Oktober 1995 - [X.] 123/95, [X.], 778).

7

d) Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten zu 2 und 3 hat dargelegt, wie in seinem Büro die Überwachung des [X.]s und die Überprüfung der [X.] bei dem Versand fristgebundener Schriftsätze zu erfolgen hat. Die dargestellte Verfahrensweise hält den rechtlichen Anforderungen stand. Die Angestellten der Prozessbevollmächtigten der Beklagten zu 2 und 3 sind gehalten, das Übertragungsprotokoll auch im Hinblick auf die übertragenen Seiten mit dem Ausgangsschriftsatz zu vergleichen, um die Vollständigkeit der Sendung zu überprüfen. Sind dabei - wie hier Berufungsbegründung und Streitverkündung - in einer Sache gleich zwei Schriftsätze zu übermitteln, so sind zwei getrennte [X.] zu veranlassen, bei denen diese Überprüfung jeweils gesondert vorzunehmen ist. Einer zusätzlichen Anweisung, besonders darauf zu achten, dass tatsächlich beide Schriftsätze - und nicht etwa einer doppelt - versendet werden, bedarf es, wie die Beschwerdebegründung zutreffend anführt, nicht, weil sich dies von selbst versteht. Damit hat der Prozessbevollmächtigte der Beklagten jedoch hinreichend dargelegt, dass er sein Büro durch Anweisung im Sinne der Anforderungen an eine ordnungsgemäße Ausgangskontrolle organisiert hat. Ein eigenes Verschulden der Prozessbevollmächtigten der Beklagten zu 2 und 3 durch das Versehen der Angestellten ist damit nicht gegeben, da die Übertragung der Aufgaben an die Kanzleimitarbeiterin nicht zu beanstanden ist und die organisatorischen Voraussetzungen pflichtgemäß getroffen wurden. Die gegenteilige Auffassung des [X.] überspannt die Anforderung an die Darlegung und Glaubhaftmachung dieser organisatorischen Voraussetzungen unbeschadet der Frage, ob das [X.] unter dem Blickwinkel seiner Rechtsauffassung gehalten gewesen war, den Beklagten zu 2 und 3 Gelegenheit zu geben, ihre Erklärungen in dieser Hinsicht zu ergänzen.

Schlick                          Herrmann                            Wöstmann

                 Hucke                                Seiters

Meta

III ZB 51/12

31.10.2012

Bundesgerichtshof 3. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend OLG Stuttgart, 12. Juni 2012, Az: 3 U 5/12, Urteil

§ 85 Abs 2 ZPO, § 233 ZPO, § 234 ZPO, § 520 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 31.10.2012, Az. III ZB 51/12 (REWIS RS 2012, 1757)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 1757

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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(Wiedereinsetzungsantrag: Wirksame Ausgangskontrolle bei Übesendung ber Post oder Telefax; aussagekräftiger Dateiname für Übersendung mittels beA)


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