Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.12.2014, Az. 1 StR 242/14

1. Strafsenat | REWIS RS 2014, 107

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen


BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1
StR 242/14

vom
18. Dezember
2014
in der Strafsache
gegen

wegen
Vergewaltigung u.a.

-
2
-
Der 1. Strafsenat des [X.] hat am 18. Dezember
2014
gemäß §
154 Abs. 2 i.V.m. § 154 Abs. 1, § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:

1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 13. Dezember 2013 wird
a)
das Verfahren eingestellt, soweit der Angeklagte wegen Verleumdung ([X.]. der Urteilsgründe) verurteilt ist; im [X.] der Einstellung fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der [X.] zur Last;
b)
das vorbezeichnete Urteil im Schuld-
und Strafausspruch dahin geändert, dass der Angeklagte wegen
Vergewalti-gung in Tateinheit mit Beleidigung, Körperverletzung und versuchter Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jah-ren verurteilt ist;
2.
Die weitergehende Revision wird
verworfen.
3.
Der Beschwerdeführer hat die verbleibenden Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im [X.] entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in Tatein-heit mit Beleidigung, vorsätzlicher Körperverletzung und versuchter Nötigung (Einzelfreiheitsstrafe von drei Jahren) sowie wegen Verleumdung zu einer [X.]
-
3
-
samtfreiheitsstrafe von drei Jahren und einem Monat verurteilt. Ferner hat es angeordnet, dass drei Monate der Gesamtstrafe als vollstreckt gelten. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, die er auf die Sachrüge und eine verfahrensrechtliche Beanstandung stützt. Das [X.] hat den aus der [X.] ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es un-begründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Auf Antrag des [X.] stellt der Senat das Verfahren nach §
154 Abs. 2 i.V.m. § 154 Abs. 1 StPO ein, soweit der Angeklagte wegen Verleumdung ([X.]. der Urteilsgründe: Tatgeschehen vom 19. März 2012) ver-urteilt worden ist. Dies hat den Wegfall der für den eingestellten Sachverhalt festgesetzten Geldstrafe und der Gesamtfreiheitsstrafe zur Folge.
2. Die weitergehende Revision bleibt erfolglos.
a) Der Schuld-
und Strafausspruch im Übrigen zeigt auf die sachlich-rechtliche Überprüfung keinen den Angeklagten belastenden Rechtsfehler auf.
b) Auch die Verfahrensrüge, mit der der Angeklagte einen Verstoß ge-gen die Mitteilungs-
und Dokumentationspflicht nach § 243 Abs. 4 Satz 2 i.V.m. § 273 Abs. 1a Satz 2 StPO geltend macht, hat keinen Erfolg.
aa) Dem liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:
Der Angeklagte gab in der Hauptverhandlung zum Vorwurf der Verge-waltigung eine bestreitende Einlassung ab. Nachdem die [X.] an mehreren Tagen nicht erschienen war, bat der Vorsitzende der [X.] den Verteidiger, die Staatsanwältin und die Nebenklägervertreterin in das Beratungszimmer. Nachdem erörtert worden war, dass die Nebenklägerin 2
3
4
5
6
7
-
4
-
bisher nicht vernommen werden konnte, fragte der Vorsitzende, ob die Mög-lichkeit einer Verständigung bestehe, wobei ein Geständnis des Angeklagten hierfür Voraussetzung sei. Der Verteidiger erklärte, dass dies vor der Verneh-mung der Nebenklägerin nicht in Betracht komme. Er kam sodann mit dem Vorsitzenden überein, zunächst die Nebenklägerin zu hören, ein Geständnis

Nach Wiedereintritt in die Hauptverhandlung gab der Vorsitzende fol-gende Erklärung ab, die er auch protokollieren ließ:

Kammer ein [X.] mit den Mitgliedern der Kammer, dem Verteidiger, der Vertreterin der Staatsan-waltschaft und der Nebenklagevertreterin stattgefunden hat. Seitens des Gerichts wurde die Möglichkeit einer Ver-ständigung angesprochen. Dies wurde vom Verteidiger abgelehnt. Man kam überein, zunächst die Geschädigte

Im weiteren Verlauf der Hauptverhandlung

auch nach Vernehmung der Nebenklägerin

kam keiner der Verfahrensbeteiligten auf das [X.] zurück.
Die Revision trägt darüber hinaus vor, der Vorsitzende habe bei dem [X.]

bei Ablegung eines Geständnisses mit einer Bewährungsstrafe ausreichend

8
9
10
-
5
-
bb) Die Rüge erweist sich ungeachtet der Frage ihrer Zulässigkeit schon deswegen als unbegründet, weil der behauptete [X.]

die Nichtmitteilung einer im Rahmen von [X.]en außerhalb der Hauptverhandlung konkret geäußerten Strafvorstellung des Gerichts

nicht erwiesen ist. So belegen die dienstlichen Stellungnahmen der Sitzungsvertrete-rin der Staatsanwaltschaft, des Vorsitzenden und des Beisitzers, dass von [X.] des Gerichts ein für den Fall des Geständnisses für angemessen erachteter konkreter Strafrahmen, gar in Form einer noch die Aussetzung zur Bewährung eröffnenden Strafhöhe, nicht genannt worden ist. Zwar sei durch den [X.] zu Beginn erklärt worden, dass ein Geständnis Auswirkungen auf das Strafmaß habe und man sich abhängig vom Strafmaß gegebenenfalls Gedan-ken über eine Strafaussetzung machen könne. Übereinstimmend ergibt sich aus den dienstlichen Stellungnahmen jedoch, dass zur Abgabe von konkreten s-ses durch den Verteidiger kein Raum mehr gesehen wurde.
Dem Inhalt der dienstlichen Erklärungen ist die Revision nicht entgegen-getreten, vielmehr hat sie sich diese zu eigen gemacht, soweit sie nunmehr al-
nderen [X.], Beschluss vom 5. März 2012

2 BvR 1464/11, [X.], 1136), sieht der Senat kein Erfordernis zur Einholung von dienstlichen Erklä-rungen der ebenfalls an dem Gespräch teilnehmenden Schöffen.
cc) Der danach der revisionsgerichtlichen Prüfung zugrunde zu legende Verfahrensablauf deckt keinen Rechtsfehler auf. Zwar verlangt die nach § 243 Abs.
4 Satz 2 StPO bestehende Informationspflicht, dass der Vorsitzende über Erörterungen mit Verfahrensbeteiligten (§§
202a, 212
StPO), die nach Beginn 11
12
13
-
6
-
der Hauptverhandlung, aber außerhalb von dieser stattgefunden haben und deren Gegenstand die Möglichkeit einer Verständigung gewesen ist, in der Hauptverhandlung Mitteilung zu machen. Das Transparenzgebot soll sicherstel-len, dass derartige Erörterungen stets in der öffentlichen Hauptverhandlung zur Sprache kommen und durch die Möglichkeit, Gespräche außerhalb der [X.] zu führen, kein informelles und unkontrolliertes Verfahren betrie-ben wird (vgl. [X.], Urteil vom 19.
März 2013

2 BvR 2628/10 u.a., NJW 2013, 1058, 1065; [X.], Beschluss vom 15.
April 2014

3 [X.], [X.], 418, 419). [X.] ist dabei nicht nur der Umstand, dass es solche Erörterungen gegeben hat, sondern auch deren wesentlicher Inhalt. Hierzu ge-hört auch dann, wenn keine Verständigung zustande gekommen ist, jedenfalls der [X.] und die zu diesem abgegebenen Erklärungen der übrigen Verfahrensbeteiligten (vgl. [X.], Beschlüsse vom 23. Oktober 2013

5 [X.], [X.], 722
und vom 9. April 2014

1 [X.], [X.], 416).
Die hier vom Vorsitzenden erfolgte Unterrichtung genügte diesen [X.]. Denn sie umfasste sowohl den Aspekt, auf wessen Initiative es zu dem [X.] gekommen war, als auch dass der Verteidiger eine Verständigung abgelehnt hatte und man zunächst die Nebenklägerin [X.] wolle, mithin den wesentlichen Inhalt. Da ein konkreter [X.] nach dem bewiesenen Verfahrensablauf von keinem geäußert wurde, bestand auch nicht das Erfordernis einer darauf gerichteten Mitteilung. Allein der Hinweis des Vorsitzenden, dass ein Geständnis Auswirkungen auf das Strafmaß habe und es vom Strafmaß abhängig sei, ob man sich Gedanken über eine Strafaussetzung machen könne, stellt noch keinen Verständigungs-vorschlag dar. Hierin liegt weder die Zusage, dass das Gericht sich für den Fall des Zustandekommens der Verständigung daran gebunden sehen wollte, eine 14
-
7
-
bewährungsfähige Strafe zu verhängen, noch beinhaltet es die Information, dass das Gericht eine bewährungsfähige Strafe im konkreten Fall für angemes-sen erachten würde. Gerade diese Frage ist offen gelassen worden, so dass bei dem Angeklagten kein Informationsdefizit bestand.
Der Senat weist vorsorglich darauf hin, dass die Änderung des Straf-ausspruchs durch das Revisionsgericht grundsätzlich nicht die Entscheidung über die Kompensation einer bis zur revisionsgerichtlichen Entscheidung einge-tretenen rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung erfasst (vgl. [X.], Urteil vom 27. August 2009

3 StR
250/09, [X.]St 54, 135; [X.], Beschluss vom 25. September 2012

1 [X.], [X.], 35).
Raum Graf Jäger

Cirener

Mosbacher
15

Meta

1 StR 242/14

18.12.2014

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.12.2014, Az. 1 StR 242/14 (REWIS RS 2014, 107)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 107

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

1 StR 242/14 (Bundesgerichtshof)

Strafverfahren wegen Vergewaltigung: Umfang der Mitteilungspflicht von verständigungsbezogenen Gesprächen


1 StR 211/23 (Bundesgerichtshof)

Strafverfahren wegen Steuerhinterziehung: Mitteilungspflicht über Rechtsgespräch zur Verfahrenserledigung


2 StR 205/10 (Bundesgerichtshof)

Strafverfahren: Bindungswirkung einer informellen Absprache; faires Verfahren


5 StR 9/15 (Bundesgerichtshof)

Verständigung im Strafverfahren: Abgrenzung mitteilungspflichtiger verständigungsbezogener (Vor-)Gespräche von sonstigen zur Verfahrensförderung geeigneten Erörterungen


3 StR 89/14 (Bundesgerichtshof)

Hauptverhandlung: Mitteilungspflichten über Erörterungen außerhalb der Hauptverhandlung; Verletzung der Verteidigungsposition des Angeklagten


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

2 BvR 1464/11

2 BvR 2628/10

3 StR 89/14

5 StR 411/13

1 StR 612/13

1 StR 212/12

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.