Bundespatentgericht, Beschluss vom 27.12.2019, Az. 27 W (pat) 536/18

27. Senat | REWIS RS 2019, 19

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "Gin de Cologne" – Unterscheidungskraft – kein Freihaltungsbedürfnis


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2017 017 531.0

hat der 27. Senat ([X.]) des [X.] am 27. Dezember 2019 durch die Richterin [X.] und [X.] und Paetzold

beschlossen:

Der Beschluss des [X.], Markenstelle für Klasse 41, vom 8. Juni 2018 wird aufgehoben.

Gründe

I.

1

Das [X.], Markenstelle für [X.], hat nach [X.] vom 4. September 2017 mit dem von einer Beamtin des gehobenen Dienstes erlassenen Beschluss vom 8. Juni 2018 die Eintragung der am 14. Juli 2017 angemeldeten Wortfolge

2

[X.]

3

für die nach Einschränkung des Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses durch den Anmelder / Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 23. Oktober 2019 im Beschwerdeverfahren noch weiter beanspruchten, streitgegenständlichen Dienstleistungen der

4

Klasse 35: Konzeptionierung, Entwicklung und Umsetzung von Werbekampagnen; Promotion- und Werbeaktivitäten; Public Relations; Marketing [Absatzforschung];

5

[X.]: Entwicklung, Organisation und Durchführung von Veranstaltungen;

6

nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] als freihaltebedürftige Angabe und nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen. Die Anmeldung für die darüber hinaus beanspruchten Waren der [X.] (Bekleidungsstücke, insbesondere Damen- und Herrenbekleidung; Kopfbedeckungen, insbesondere Hüte und Kappen; Schuhwaren) und die Dienstleistungen der Klasse 35 (Groß- und Einzelhandelsdienstleistungen in Bezug auf Bekleidungsstücke, insbesondere Damen- und Herrenbekleidung, Kopfbedeckungen, insbesondere Hüte und Kappen und Schuhwaren) und der [X.] (Dienstleistungen zur Beherbergung von Gästen) hat das [X.] nicht beanstandet.

7

Zur Begründung der Zurückweisung der noch beschwerdegegenständlichen Dienstleistungen ist ausgeführt, die angemeldete Bezeichnung sei im Umfang der im [X.] genannten (und noch beanspruchten) Dienstleistungen von der Eintragung ausgeschlossen. "[X.]" sei für diese (als beschreibende Angabe gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] freihaltungsbedürftig. Der Wortfolge fehle zudem in diesem Umfang die Unterscheidungskraft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.]).

8

Die angemeldete Bezeichnung setze sich aus den Begriffen "[X.]" zur Benennung einer meist farblosen Spirituose mit Wacholder (Wacholderschnaps), Hauptbestandteil vieler [X.]ocktails, insbesondere des [X.] sowie des Longdrinks "[X.] Tonic" sei, dem [X.] Wort "de" (mit der Übersetzung "von, aus") sowie dem [X.] Wort [X.] für die Stadt "[X.]" zusammen. Das Publikum werde die Wortfolge - nicht zuletzt aufgrund des berühmten Parfüms "Eau de [X.]" - somit mühelos im Sinn von "[X.] aus [X.]" verstehen.

9

Bezüglich der noch beschwerdegegenständlichen Dienstleistungen "Konzeptionierung, Entwicklung und Umsetzung von Werbekampagnen; Promotion- und Werbeaktivitäten; Public Relations; Marketing [Absatzforschung]" der Klasse 35 beschreibe die Bezeichnung "[X.]" Werbe- und Marketingaktivitäten, die darauf ausgerichtet sein könnten, [X.] aus [X.] zu vermarkten. Hinsichtlich der Dienstleistungen "Entwicklung, Organisation und Durchführung von Veranstaltungen" der [X.] werde das Publikum annehmen, dass dabei [X.] aus [X.] ausgeschenkt werde.

Derartige unmittelbar beschreibende Angaben unterlägen vor allem im Hinblick auf die Bedürfnisse von Konkurrenzunternehmen dem Allgemeininteresse an der Freihaltung von Monopolrechten. Im Interesse der Mitbewerber müsse deshalb die freie Benutzung der Bezeichnung "[X.]" für die genannten Dienstleistungen möglich bleiben. Der Handel würde behindert werden, wenn an waren- oder dienstleistungsbezogenen Angaben eine Monopolisierung durch den Markenschutz eines Einzelnen möglich wäre.

Darüber hinaus fehle der angemeldeten Bezeichnung für die genannten Dienstleistungen auch das zur Eintragung erforderliche Mindestmaß an Unterscheidungskraft. So werde aus der Sicht der angesprochenen Kreise durch die Bezeichnung "[X.]" sofort und ohne weiteres Nachdenken ausschließlich ein konkreter und direkter Bezug zu den genannten Dienstleistungen hergestellt, da sie sich lediglich in der Beschreibung der Art und des [X.], der Ausrichtung bzw. des Inhalts der so gekennzeichneten Dienstleistungen erschöpften. Das inländische Publikum werde wegen des oben genannten beschreibenden Aussagegehaltes im maßgeblichen Dienstleistungsbereich die angemeldete Bezeichnung stets nur als Sachangabe und nicht als betriebliches Unterscheidungsmittel verstehen. "[X.]" sei daher nicht geeignet, die zurückgewiesenen Dienstleistungen hinsichtlich ihrer Herkunft von denjenigen anderer Anbieter zu unterscheiden. Nicht zuletzt sei aus diesen Gründen auch bereits die weitere Markenanmeldung des Beschwerdeführers "Korn de [X.]" (302017019554) zurückgewiesen worden.

Gegen diesen Beschluss vom 8. Juni 2018, der seinen Verfahrensbevollmächtigten am 18. Juni 2018 zugestellt worden ist, wendet sich der Beschwerdeführer unter Zahlung der Beschwerdegebühr mit seiner Beschwerde datiert auf den 20. Februar 2018, eingegangen beim [X.] am 27. Juni 2018.

Dazu führt er aus, für die nach Einschränkung noch beanspruchten Dienstleistungen stelle schon der Begriff "[X.]" entgegen der Auffassung des [X.]es nicht ausschließlich eine beschreibende, freihaltebedürftige Angabe im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] dar. Der angemeldeten Bezeichnung fehle für diese Dienstleistungen auch nicht die notwendige Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.].

Ein Freihaltungsbedürfnis bestehe, wenn die angemeldete Bezeichnung objektiv betrachtet eine Beschreibung der angemeldeten Dienstleistungen darstelle, so dass das Zeichen im Interesse von Mitbewerbern nicht monopolisiert werden dürfe. Da "[X.]" alle angemeldeten Dienstleistungen nicht unmittelbar beschreibe, werde das Zeichen auch in Zukunft nicht von Mitbewerbern für die hier zu betrachtenden Dienstleistungen zur freien Verwendung benötigt. Durch die phantasievolle Ausgestaltung der Marke "[X.]" werde eine ausreichende Individualität hergestellt und somit die Bezeichnung - ähnlich wie bei dem "Eau de [X.]" - nicht als bloßer Sachhinweis zu qualifizieren sein. Für Wettbewerber bestünde immer noch die Möglichkeit, einen "[X.] aus [X.]" oder einen "[X.]er [X.]" herzustellen und zu vermarkten, ohne eine Markenverletzung befürchten zu müssen. Insofern bestünden deshalb auch keine Bedenken bezüglich eines ausschließlichen und unbefristeten Monopolrechts. Bezüglich der Dienstleistungen "Konzeptionierung, Entwicklung und Umsetzung von Werbekampagnen; Promotion und Werbeaktivitäten; Public Relations; Marketing (Absatzforschung)" in Klasse 35 sei nicht ersichtlich, wieso "[X.]" hier eine Dienstleistung beschreiben sollte, die darauf gerichtet sei, [X.] aus [X.] zu vermarkten. Wenn z.B. [X.] unter "[X.]" angeboten würden, liege es für das Publikum vielmehr nahe, hier eine phantasievolle Bezeichnung zu sehen. Denn für das angesprochene Publikum erschließe sich nicht unmittelbar, wieso [X.] für z.B. ein neues Getränk oder andere Dienstleistungen unter "[X.]" erbracht würden. Vielmehr liege es viel näher, in "[X.]" den phantasievollen Namen zum Beispiel des Inhabers des Dienstleistungsunternehmens zu erkennen. Für die Dienstleistungen: "Entwicklung, Organisation und Durchführung von Veranstaltungen" in [X.] bestehe ebenfalls kein Freihaltebedürfnis. Der Zusammenhang zwischen diesen Dienstleistungen und der Marke sei nicht so eng, wie in dem angegriffenen Beschluss ausgeführt. Es bestehe keine Veranlassung anzunehmen, dass [X.] aus [X.] ausgeschenkt werde; dies läge vielmehr fern. Das Publikum werde auch daher hier in der angemeldeten Wortfolge eine phantasievolle kreative Bezeichnung für diese Dienstleistungen sehen. Auch bei dem [X.]ateringservice "[X.]" assoziiere das Publikum nicht, dass hier Salz und [X.] verteilt würden, sondern erkenne ohne Weiteres, dass es sich um eine Phantasiebezeichnung handle.

"[X.]" sei für die verfahrensgegenständlichen Dienstleistungen auch unterscheidungskräftig im Sinn von § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.]. Es handle sich insbesondere um eine phantasievolle Wortneuschöpfung mit der Assoziation an ein "Eau de [X.]". Bezüglich der noch beschwerdegegenständlichen Dienstleistungen "Konzeptionierung, Entwicklung und Umsetzung von Werbekampagnen; Promotion und Werbeaktivitäten; Public Relations; Marketing (Absatzforschung)" in Klasse 35 und "Entwicklung, Organisation und Durchführungen von Veranstaltungen" in [X.] sei nicht von einem beschreibenden Aussagegehalt auszugehen; entsprechend liege ausreichende Unterscheidungskraft vor.

Es gebe eine große Anzahl von Verwendungen des Wortes "[X.]", die phantasievoll seien und gerade kein alkoholisches Getränk beschrieben. So nehme zum Beispiel die Verwendungen von Wortspielen mit dem Wort "[X.]" zu; im [X.] fänden sich viele Beispiele mit phantasievollen Sprüchen wie: "Das ist deine erste ginvolle Idee", "Und am Ende gibt alles einen [X.]" oder "Nach [X.] die [X.]flut".

Schließlich seien auch andere Wortmarken zur Eintragung zugelassen, die aus dem Wort "[X.]" und dem Namen einer Stadt bestünden, etwa die [X.] 1260358 "Paris Dry [X.]" mit Schutz unter anderem in der Klasse 33 für [X.] und die [X.] 013309364 "Helsinki Dry [X.]" mit Schutz unter anderem in der Klasse 33 für alkoholische Getränke (ausgenommen Biere).

Der Beschwerdeführer beantragt (unter Beachtung der Einschränkung mit Schriftsatz vom 23. Oktober 2019) wörtlich,

den Beschluss der Markenstelle für [X.] vom 8. Juni 2018 aufzuheben, soweit darin die Anmeldung teilweise zurückgewiesen wird, nämlich für die Dienstleistungen in

Klasse 35: Konzeptionierung, Entwicklung und Umsetzung von Werbekampagnen; Promotion- und Werbeaktivitäten; Public Relations; Marketing (Absatzforschung);

[X.]: Entwicklung, Organisation und Durchführung von Veranstaltungen

und die Eintragung der Wortmarke "[X.]" auch für diese Dienstleistungen zuzulassen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss des [X.]s vom 8. Juni 2018 die Schriftsätze des Beschwerdeführers und auf den übrigen Akteninhalt verwiesen.

II.

Die zulässige Beschwerde hat nach Einschränkung des Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses in der Sache Erfolg (§ 66 [X.]).

Entgegen der Auffassung des [X.]s kann weder ein Freihaltungsbedürfnis zugunsten der Mitbewerber [X.] § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] festgestellt werden noch der Bezeichnung "[X.]" das erforderliche Mindestmaß an Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] für die nach Einschränkung mit Schriftsatz vom 23. Oktober 2019 im Beschwerdeverfahren verbliebenen zurückgewiesenen Dienstleistungen nicht abgesprochen werden.

1.

Nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] sind Zeichen von der Eintragung ausgeschlossen, wenn ihnen die erforderliche Unterscheidungskraft fehlt.

a)

Unterscheidungskraft nach dieser Vorschrift ist die einem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung, die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (vgl. u.a. [X.], Urteil vom 21. Januar 2010 - [X.]/08, [X.], 228 Rn. 33 - [X.]/[X.] [Vorsprung durch Technik]; [X.], Beschluss vom 5. Oktober 2017 - [X.], [X.], 301 Rn. 11 - Pippi-Langstrumpf- Marke; [X.], Beschluss vom 31. Mai 2016 - [X.], [X.], 934 Rn. 9 - [X.]; [X.], Beschluss vom 19. Februar 2014 - [X.], [X.], 569 Rn. 10 - [X.]; [X.], Beschluss vom 22. November 2012 - [X.], [X.], 731 Rn. 11 - [X.]; [X.], Beschluss vom 4. April 2012 - [X.], [X.], 1143 Rn. 7 – [X.]; jeweils m.w.[X.]). Denn die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten ([X.], Urteil vom 8. Mai 2008 - [X.]/06 P, [X.], 608 Rn. 66 - [X.]; [X.], Urteil vom 15. September 2005 - [X.]/03 P, [X.], 229 Rn. 27 - Bio-ID; [X.], Beschluss vom 6. November 2013 - [X.]/12, [X.], 565 Rn. 12 - smartbook; [X.] a.a.[X.] Rn. 9 - [X.], jeweils m.w.[X.]).

Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden. Dabei ist auf die mutmaßliche Wahrnehmung eines normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen [X.] der fraglichen Waren oder Dienstleistungen zum Zeitpunkt der Anmeldung abzustellen (vgl. [X.] a.a.[X.] Rn. 11 - [X.]; [X.], Beschluss vom 17. Oktober 2013 - [X.], [X.], 376 Rn. 11 - [X.]; [X.] a.a.[X.] Rn. 10 - [X.]; [X.], Beschluss vom 10. Juli 2014 - [X.], [X.], 173 Rn. 15 - for you; jeweils m.w.[X.]). Es kann deshalb auch einer für sich genommen eher einfachen Aussage nicht von vornherein die Eignung als Herkunftshinweis abgesprochen werden (s.a. [X.], Beschluss vom 22. Januar. 2009 - [X.], [X.], 949 Rn. 12 - My World).

Weil die Angesprochenen eine Marke so wahrnehmen, wie sie ihnen entgegentritt, ohne sie einer analysierenden Betrachtung zu unterziehen, kann ein Bedeutungsgehalt, der erst in mehreren gedanklichen Schritten ermittelt wird, die Annahme einer fehlenden Unterscheidungskraft nicht tragen (vgl. [X.], Beschluss vom 21. Dezember 2011 - [X.], [X.], 270 Rn. 12 - Link economy; [X.] a.a.[X.] Rn. 10 - [X.]; [X.] a.a.[X.] Rn. 24 - smartbook; [X.] a.a.[X.] Rn. 50 - [X.]; [X.] a.a.[X.] Rn. 18 - [X.]).

Wenn einem Wortzeichen für die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen weder ein im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt zugeordnet noch ein enger beschreibender Bezug festgestellt werden kann und es sich auch nicht um gebräuchliche Wörtern oder Wendungen der [X.] oder einer bekannten Fremdsprache handelt, die von den Angesprochenen stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden, so gibt es keinen tatsächlichen Anhalt dafür, dass ihm die Unterscheidungseignung und damit jegliche Unterscheidungskraft fehlt ([X.], Beschluss vom 10. Juli 2014 - [X.], [X.], 872 Rn. 21 - [X.]; [X.] a.a.[X.] Rn. 12 - [X.]; [X.] a.a.[X.] Rn. 13 - [X.]; [X.] a.a.[X.] Rn. 9 - [X.]).

An die Beurteilung der Unterscheidungskraft von Wortfolgen sind keine strengeren Maßstäbe anzulegen als bei sonstigen Wortzeichen ([X.], Urteil vom 12. Juli 2012 - [X.]/11, [X.]. 2012, 914 Rn. 25 - Smart/[X.] [[X.] DAS [X.]]; [X.] a.a.[X.] Rn. 36 - [X.]/[X.] [Vorsprung durch Technik]; [X.], Urteil vom 21. Oktober 2004 - [X.]/02 P, [X.], 1027 Rn. 33 und 34 - [X.] [Das Prinzip der Bequemlichkeit]; [X.] a.a.[X.] Rn. 14 - [X.]; [X.] a.a.[X.] Rn. 14 - smartbook). Vielmehr ist in jedem Fall zu prüfen, ob die Wortfolge einen ausschließlich produktbeschreibenden Inhalt hat oder ihr über diesen hinaus eine, wenn auch noch so geringe Unterscheidungskraft für die angemeldeten Waren oder Dienstleistungen zukommt ([X.], Beschluss vom 22. Januar 2009 - [X.], [X.], 949 Rn. 10 - My World; [X.], Beschluss vom 4. Dezember 2008 - [X.], [X.], 778 Rn. 11 - [X.]; [X.], Beschluss vom 1. Juli 2010 - [X.], [X.], 935 Rn. 8 – [X.]). Mangelnde Unterscheidungskraft ist deshalb bei einer Wortfolge regelmäßig lediglich bei beschreibenden Angaben oder Anpreisungen und Werbeaussagen allgemeiner Art anzunehmen. Indizien für die Eignung, die Waren oder Dienstleistungen eines bestimmten Anbieters von denen anderer zu unterscheiden, können dagegen Kürze, eine gewisse Originalität sowie die Prägnanz einer Wortfolge sein. Auch die Mehrdeutigkeit und Interpretationsbedürftigkeit einer Wortfolge können einen Anhaltspunkt für eine hinreichende Unterscheidungskraft bieten (vgl. u.a. [X.], Beschluss vom 21. Dezember 2011 - [X.], [X.], 270 Rn. 11 - Link economy).

b)

Den sich daraus ergebenden markenrechtlich gebotenen Anforderungen an die Unterscheidungskraft wird die angemeldete Bezeichnung "[X.]" auch im Kontext der noch beschwerdegegenständlichen Dienstleistungen gerecht. Die Wortfolge weist für die verbliebenen Dienstleistungen der Klassen 35 und 41 keine für das inländische Publikum auf der Hand liegende (Inhalts-)Beschreibung auf.

Maßgeblich ist die mutmaßliche Wahrnehmung eines normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen [X.] bzw. Auftraggebers entsprechender Promotion- und [X.] bzw. Veranstaltungen, weil die Dienstleistungen, für die das Zeichen hier noch beansprucht wird, zum einen für das allgemeine Publikum bestimmt sind und zudem von jedem Dritten beauftragt und in Anspruch genommen werden können.

Auch wenn die Bezeichnung "[X.]" in sprachüblicher Weise aus den geläufigen Wörtern "[X.]" (von franz. genévrier: Wacholder), bei dem es sich bekanntermaßen eine meist farblose Spirituose mit Wacholder (Wacholderschnaps) handelt, der Hauptbestandteil vieler [X.]ocktails, wie [X.] oder [X.], und des Longdrinks [X.] Tonic, ist, und "de" (u.a. im [X.] für "von, aus") und "[X.]" (im [X.] für "[X.]") gebildet ist, erschließt sich ein Sinngehalt für die noch beanspruchten Dienstleistungen nicht.

Zwar könnte das angesprochene allgemeine Publikum durchaus annehmen, dass es sich bei "[X.]" um einen "[X.]getränk, hergestellt oder vertrieben in oder aus [X.]" handle. Etwas anders gilt jedoch für die hier beanspruchten Dienstleistungen, da das Publikum nicht annehmen wird, dass die hier beanspruchten "Werbe- und Veranstaltungsdienstleistungen" speziell und nur für ein "[X.]getränk" erbracht bzw. angeboten werden oder auf denen nur ein "[X.]getränk aus bzw. in einer Stadt" gereicht würde.

Sofern die Bezeichnung "[X.]" im Zusammenhang mit den beanspruchten [X.], also Konzeptionierung, Entwicklung und Umsetzung von Werbekampagnen, Promotion- und Werbeaktivitäten, Public Relations sowie Marketing (Absatzforschung) verwendet wird, besteht kein Anhaltspunkt, dass das maßgebliche Publikum (Durchschnittsverbraucher bzw. potentielle Auftraggeber) die Bezeichnung allein als Hinweis auf den Inhalt oder die Bestimmung der Leistungen oder ihren Erbringungsort verstehen könnte. Werbeagenturen erstellen Werbe- und Vermarktungskonzepte für Dritte und deren Produkte. Sie binden sich nicht durch ihren Namen oder ähnliches an nur ein Produkt und erst Recht nicht an ihr eigenes Produkt. Auch wenn [X.] sich ggf. thematisch ausrichten bzw. spezialisieren, z.B. auf Werbung für die Auto-, Kosmetik- oder Lebensmittelbranche, beschränken sie sich dabei jedoch nicht auf ein einzelnes Produkt. Daher ist es fernliegend anzunehmen, eine Werbeagentur, die ein Bezeichnung "[X.]" führt, würde nur [X.] für das eine Produkt, nämlich ein "[X.]getränk aus [X.]", erbringen oder bei der Erbringung der Dienstleistung ggf. nur dieses konsumieren oder darreichen. Zwischen einem "[X.]getränk aus [X.]" und [X.] mit Konzeptionierung, Entwicklung und Umsetzung von Werbekampagnen, Promotion- und Werbeaktivitäten, Public Relations sowie Marketing (Absatzforschung) besteht keine Verbindung. Das Publikum hat deshalb keinen Anlass, die angemeldete Bezeichnung für diese Dienstleistungen nicht als Unterscheidungsmittel aufzufassen, zumal die Anforderungen hierfür nicht zu hoch anzusetzen sind. Denn allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft begründet ein Eintragungshindernis und bei der Prüfung ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (s.a. [X.], Beschluss vom 5. Oktober 2017 - [X.], [X.], 301 Rn. 11, 18 – [X.] m.w.[X.]).

Auch für die noch beschwerdegegenständlichen Dienstleistungen "Entwicklung, Organisation und Durchführung von Veranstaltungen" der [X.] kann der Wortfolge "[X.]” kein im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt entnommen werden. Diese Dienstleistungen werden nicht nach einzelnen Getränken nur aus einer Stadt benannt. Ein Unternehmer, der derartige Dienstleistungen anbietet, will dem Kunden mit einer Marke ggf. vermitteln, in welcher Branche oder auf welchem Gebiet er seine Veranstaltungsdienstleistungen vornehmlich anbietet; er will sich aber nicht auf eine bestimmte Veranstaltung oder auf eine bestimmte Ware oder sogar ein einziges Getränkt aus einer Stadt beschränken. "Entwicklung, Organisation und Durchführung von Veranstaltungen" werden nicht nur anlässlich oder für ein einzelnes Getränkt angeboten. Mit einer Marke soll ggf. einen Bezug zu ggf. Ort, Art oder Qualität der Dienstleistung hergestellt werden. Die angemeldete Bezeichnung - auch wenn das Publikum sie als Hinweis auf ein "[X.]getränk aus bzw. für [X.]" verstehen könnte - eignet sich dafür nicht.

Die inhaltlichen Zuschreibungen, die das Publikum nach Auffassung des [X.]s von einem Getränk auf unter dessen Bezeichnung angebotene Werbe- und Veranstaltungsdienstleistungen übertragen könnte, begründen allenfalls einen entfernten beschreibenden Anklang der angegriffenen Marke bzw. eine Anpreisung durch deren Begriffsinhalt. Insofern wäre es aber lediglich ein sprechendes Zeichen, das nicht nur einen Hinweis auf die betriebliche Herkunft, sondern auch auf die gekennzeichnete Dienstleistung geben könnte. Der Eintragung eines solchen Zeichens steht aber nicht das Schutzhindernis mangelnder Unterscheidungskraft entgegen ([X.], Beschluss vom 18. März 1999 - [X.], [X.], 988, 990 - [X.]). Vielmehr steht es den Fällen gleich, in denen nicht beschreibende Zeichen als Werbemittel etwa in Form von Werbeslogans, Qualitätshinweisen oder Aufforderungen zum Kauf der Waren oder Dienstleistungen verwendet werden, auf die sich die Marke bezieht. Wenn das angesprochene Publikum das Zeichen (auch) als Herkunftshinweis für die fraglichen Waren oder Dienstleistungen wahrnimmt, kann die Unterscheidungskraft nicht deshalb verneint werden, weil es gleichzeitig oder sogar in erster Linie als Werbemittel aufgefasst wird (vgl. [X.], Urteil vom 21. Januar 2010 - [X.]/08, [X.], 228 [X.]. 45 - [X.]/[X.] [Vorsprung durch Technik]; [X.], Beschluss vom 5. Oktober 2017 - [X.], [X.], 301 Rn. 18 - [X.]; [X.], Beschluss vom 31. März 2010 - [X.]/09, [X.]Z 185, 152 Rn. 15 - Marlene-Dietrich-Bildnis II).

Fehlt der Wortfolge "[X.]” für die noch beschwerdegegenständlichen Dienstleistungen aber eine thematische Beschränkung und deshalb ein im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt, kann für die Bezeichnung insoweit nicht jegliche Unterscheidungskraft verneint werden.

In Bezug auf die noch verfahrensgegenständlichen Werbe- und Veranstaltungsdienstleistungen der Klassen 35 und 41 bleibt der Bedeutungsgehalt von "[X.]" in seiner Gesamtheit vage und unscharf. Auch für diese Dienstleistungen besitzt die angemeldete Wortfolge "[X.]" - wie vom [X.] bereits zutreffend für die Waren der [X.] (Bekleidungsstücke, insbesondere Damen- und Herrenbekleidung; Kopfbedeckungen, insbesondere Hüte und Kappen; Schuhwaren), die Dienstleistungen der Klasse 35 (Groß- und Einzelhandelsdienstleistungen in Bezug auf Bekleidungsstücke, insbesondere Damen- und Herrenbekleidung, Kopfbedeckungen, insbesondere Hüte und Kappen und Schuhwaren) und die Dienstleistungen der [X.] (Dienstleistungen zur Beherbergung von Gästen) anerkannt - daher insoweit weder einen beschreibenden Begriffsinhalt noch einen lediglich anpreisenden [X.]harakter.

2.

Die angemeldete Wortfolge "[X.]" ist damit auch keine beschreibende Angabe im Sinn von § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.].

Diese Vorschrift verbietet es, Zeichen als Marken einzutragen, die ausschließlich aus Teilen bestehen, welche zur Bezeichnung der Art, der Bestimmung oder sonstiger Merkmale der Waren und Dienstleistungen dienen können, unabhängig davon, ob und inwieweit sie bereits bekannt sind oder verwendet werden (vgl. [X.], Beschluss vom 6. November 2013 - [X.]/12, [X.], 565 Rn. 28 - smartbook, m.w.[X.]).

Dass dies für die noch beschwerdegegenständlichen Dienstleistungen derzeit nicht der Fall ist, wurde bereits oben festgestellt.

Dabei setzt ein Freihaltebedürfnis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] indes nicht voraus, dass die Zeichen und Angaben, aus denen die Marke besteht, nach dem zum Zeitpunkt der Anmeldung bestehenden allgemeinen Verständnis bereits tatsächlich für die Merkmale der beanspruchten Waren oder Dienstleistungen beschreibend verwendet werden. Wie sich aus dem Wortlaut der Bestimmung ergibt, genügt es, dass die Zeichen oder Angaben diesem Zweck dienen können. Ein Freihaltebedürfnis liegt deshalb auch vor, wenn die Benutzung der angemeldeten Bezeichnung als Sachangabe noch nicht zu beobachten ist, eine solche Verwendung aber jederzeit in Zukunft erfolgen kann (vgl. [X.], Beschluss vom 13. März 2008 - [X.], [X.], 900 Rn. 12 - [X.]; [X.], Beschluss vom 17. August 2011 - [X.]/10, [X.], 276 Rn. 8 - Institut der Nord[X.] Wirtschaft e. V.). Für die Annahme einer zukünftig beschreibenden Angabe bedarf es hingegen der Feststellung, dass eine derartige Verwendung vernünftigerweise zu erwarten ist (vgl. [X.], Urteil vom 4. Mai 1999 - Rs. [X.] - 108/97 und 109/97, [X.], 723 Rn. 31 u. 37 - [X.]hiemsee; [X.], Urteil vom 12. Februar 2004 - [X.]-363/99, [X.], 674 Rn. 56 - Postkantoor; [X.], Beschluss vom 9. Dezember 2009 - [X.]-494/08, [X.], 534 Rn. 53 - [X.]; [X.], Beschluss vom 9. November 2016 - [X.], [X.], 186 Rn. 43 - [X.]; [X.], Beschluss vom 19. Dezember 2002 - [X.], [X.], 343, 344 - Buchstabe "Z"). Die damit verbundene Prognoseentscheidung darf nicht nur auf theoretischen Erwägungen beruhen (vgl. [X.], Beschluss vom 17. Juli 2003 - [X.], [X.], 882, 883 - [X.]), sondern muss anhand der voraussichtlichen wirtschaftlichen Entwicklung realitätsbezogen erfolgen (vgl. [X.] [X.]/Eichelberger, [X.]. 01.10.2019, [X.] § 8 Rn. 169 m.w.[X.]).

Belege für eine beschreibende Verwendung des Begriffs "[X.]" durch Dritte hat das [X.] für die noch beanspruchten Werbe- und Veranstaltungsdienstleistungen nicht ermittelt. Die dem Beschluss beigefügten Auszüge aus der Rechtsprechungsdatenbank PAVIS PROMA zu "[X.]", "Noble food", "Das Weißbier für Fußballfans" betreffen nicht ein einzelnes Getränk, sondern andere Waren. Sie belegen zudem nur eine Verwendung anderer Wortfolgen mit anderen Ortsangaben oder Oberbegriffen wie "Noble food". Es handelt sich bei den im Bezug genommenen Belegen nicht um mit der hier angemeldeten Kombination vergleichbare Bezeichnungen für die hier beanspruchten Dienstleistungen. Darüber hinaus fehlen jegliche Ausführungen dazu, dass eine Verwendung von "[X.]" als (beschreibende) Angabe im Bereich der Werbe- und Veranstaltungsdienstleistungen vernünftigerweise zu erwarten sein könnte.

Aus diesen Gründen war der zurückweisende Beschluss des [X.]s, Markenstelle für [X.], vom 8. Juni 2018 für die in der Beschwerde noch beanspruchten Dienstleistungen aufzuheben.

3.

Zu einer Erstattung der Beschwerdegebühr (§ 71 Abs. 3 [X.]) besteht kein Anlass.

Meta

27 W (pat) 536/18

27.12.2019

Bundespatentgericht 27. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

§ 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG, § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 27.12.2019, Az. 27 W (pat) 536/18 (REWIS RS 2019, 19)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 19

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