Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 22.05.2015, Az. 1 BvR 2291/13

1. Senat 2. Kammer | REWIS RS 2015, 10643

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

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Gegenstand

Nichtannahmebeschluss: Unvertretbare Verwerfung einer Anhörungsrüge als unzulässig verletzt Art 103 Abs 1 GG - Gehörsverletzung jedoch bei Unbegründetheit der Anhörungsrüge nicht kausal für Sachentscheidung - hier: Keine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör bei vertretbarer Nichtberücksichtigung von Beweisanträgen im Zivilprozess


Gründe

1

Die [X.]beschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg. Ihr kommt keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu. Die für die Entscheidung maßgeblichen verfassungsrechtlichen Vorgaben sind geklärt. Die Annahme der [X.]beschwerde ist auch nicht zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 [X.] genannten Rechte angezeigt.

2

1. Die angegriffenen Entscheidungen verletzen den Beschwerdeführer im Ergebnis nicht in seinen Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten.

3

a) Allerdings liegt der Verwerfung der [X.] als unzulässig durch den angegriffenen Beschluss des [X.] vom 12. Juli 2013 eine fehlerhafte Rechtsanwendung des § 321a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO zugrunde. Entgegen der Annahme des [X.] war gegen den die Berufung als unbegründet zurückweisenden Beschluss vom 13. Mai 2013 die Nichtzulassungsbeschwerde (§ 544 ZPO) nicht eröffnet, weil die durch das Berufungsgericht auf 2.535,39 € festgesetzte Beschwer die für [X.] zum [X.] geltende Wertgrenze des § 26 Nr. 8 EGZPO von 20.000 € nicht überschritt, für eine relevante Fehlerhaftigkeit dieser Festsetzung nichts ersichtlich ist und eine Nichtzulassungsbeschwerde deshalb offensichtlich unzulässig gewesen wäre. In dieser unvertretbaren Behandlung der Anhörungsrüge als unzulässig liegt eine Verletzung des rechtlichen Gehörs, da der Beschwerdeführer infolgedessen entgegen der Gewährleistung des Art. 103 Abs. 1 GG mit seiner Anhörungsrüge nicht substantiell beim [X.] ankam (vgl. [X.], Beschluss der [X.] des [X.] vom 14. März 2007 - 1 BvR 2748/06 -, NJW 2007, [X.] 2241 <2242>).

4

b) Die angegriffene Entscheidung beruht jedoch nicht auf dieser [X.]rechtsverletzung, denn auch bei zutreffender Bewertung der Zulässigkeit des Rechtsmittels wäre das Verfahren mangels Gehörsverletzung im vorangegangenen [X.] nicht nach § 321a Abs. 5 ZPO fortzuführen gewesen. Hier wäre es reine [X.], von [X.] wegen die Fortführung des Verfahrens zu verlangen, obwohl sich das Gericht schon unter Berücksichtigung des Vortrags des Beschwerdeführers eine abschließende Überzeugung gebildet hat und klar ist, dass eine für den Beteiligten günstigere Lösung ausgeschlossen ist, also die Entscheidung nicht auf der Gehörsverletzung beruht. Etwas anderes würde nur gelten, wenn im vorausgegangenen [X.] ein weiterer, nicht geheilter Gehörsverstoß - etwa durch Übergehen von erheblichem Vortrag oder [X.] - vorgelegen hätte (vgl. [X.], Beschluss der [X.] des [X.] vom 24. Februar 2009 - 1 BvR 182/09 -, juris, Rn. 27). Dies ist hier nicht der Fall.

5

aa) Wann ein Beweisantrag entscheidungserheblich ist, ist prinzipiell von den Fachgerichten im Rahmen der konkreten Verfahrenssituation und auf der Grundlage des einfachen Rechts zu beurteilen. Die Grenze des verfassungsrechtlich Zulässigen wird erst dann überschritten, wenn ein Beweisantrag in willkürlicher Weise als unerheblich qualifiziert wird (vgl. [X.], Beschluss der [X.] des Zweiten Senats vom 8. November 2006 - 2 BvR 194/05 -, juris, Rn. 22). Willkürlich ist ein Richterspruch aber nur, wenn er unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass er auf sachfremden Erwägungen beruht. Fehlerhafte Rechtsanwendung allein macht eine Gerichtsentscheidung nicht willkürlich. Von einer willkürlichen Missdeutung kann insbesondere nicht gesprochen werden, wenn das Gericht sich mit der Rechtslage eingehend auseinandersetzt und seine Auffassung nicht jeden sachlichen Grundes entbehrt (vgl. [X.]E 87, 273 <278 f.>; 96, 189 <203>).

6

bb) Sowohl das Urteil des [X.] vom 18. Januar 2013 als auch der die Berufung des Beschwerdeführers zurückweisende Beschluss des Oberlan-desgerichts vom 13. Mai 2013 haben sich mit der wesentlichen Argumentation des Beschwerdeführers, bei den im Kostenfestsetzungsverfahren ergangenen Beschlüssen des [X.] vom 1. August 2011 beziehungsweise des [X.] vom 12. Januar 2012 festgesetzten Beträgen handele es sich um zusätzliche Erstattungsbeträge zum Kostenfestsetzungsbeschluss vom 23. Mai 2011, in tatsächlicher und rechtlicher Sicht auseinandergesetzt.

7

Angesichts des nur sehr knappen Wortlauts der [X.] der Beschwerdeentscheidung vom 12. Januar 2012 und des ebenso knappen, vor allem aber nicht eindeutigen Tenors der (Teil-)Abhilfeentscheidung vom 1. August 2011, insbesondere des Fehlens eines Hinweises auf das Verhältnis zur ursprünglichen Kostenentscheidung, liegt eine Auslegung, wie sie das [X.] im angegriffenen Urteil und das [X.] im angegriffenen Berufungszurückweisungsbeschluss vorgenommen haben, jedenfalls nicht völlig fern und entbehrt nicht jeder sachlichen Grundlage. Ob ein Verständnis der Kostenentscheidungen im Sinne des Beschwerdeführers, dass gerade auch vor dem Hintergrund des durch ihn geführten Beschwerdeverfahrens durch den Beschluss des [X.] vom 12. Januar 2012 nur weitere ihm zu erstattende Kosten festgesetzt worden seien, näher gelegen hätte, kann dahin stehen, denn selbst bei Annahme einer rechtlichen Fehlbeurteilung durch die angegriffenen Entscheidungen wäre spezifisches [X.]recht nicht verletzt.

8

cc) Auch die Ablehnung der Beweisanträge des Beschwerdeführers entbehrt nicht jeder prozessrechtlichen Grundlage.

9

(1) Einem erheblichen Beweisangebot ist nach den Bestimmungen des Zivilprozessrechts dann nicht nachzukommen, wenn das angebotene Beweismittel ungeeignet ist, weil es im Einzelfall zur Beweisbehauptung erkennbar keine sachdienlichen Ergebnisse erbringen kann (vgl. [X.], Beschluss der [X.] des Zweiten Senats vom 28. Februar 1992 - 2 BvR 1179/91 -, NJW 1993, [X.] 254 <255>; [X.], ZPO, 30. Aufl. 2014, Vor § 284 Rn. 8b, 10a). [X.] sind nach allgemeinen zivilprozessualen Regeln aber nur Tatsachenbehauptungen (vgl. [X.]/[X.], ZPO, 34. Aufl. 2013, [X.]. § 284 Rn. 1), sodass bei bloßen Rechtsbehauptungen eine Zurückweisung aufgrund fehlender [X.]keit erfolgen kann (vgl. [X.], ZPO, 30. Aufl. 2014, Vor § 284 Rn. 8b, 10).

(2) Die angegriffenen Entscheidungen stützen sich auf die vertretbare Ansicht, für die entscheidungserhebliche Frage, was der Beschwerdeführer vollstrecken könne, sei der Tenor der Kostenbeschlüsse auszulegen. Unter Zugrundelegung dieser Auffassung ist die Ablehnung der Zeugenvernehmung wie auch die Beiziehung der Akten des Kostenfestsetzungsverfahrens sachlich-rechtlich nicht zu beanstanden. Bei der Auslegung eines Tenors handelt es sich um eine Rechtsfrage, für die es nicht auf die subjektive Absicht der an der Festsetzung mitwirkenden Beteiligten ankommt.

2. Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 [X.] abgesehen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Meta

1 BvR 2291/13

22.05.2015

Bundesverfassungsgericht 1. Senat 2. Kammer

Nichtannahmebeschluss

Sachgebiet: BvR

vorgehend OLG München, 12. Juli 2013, Az: 17 U 382/13, Beschluss

Art 103 Abs 1 GG, § 321a Abs 1 S 1 Nr 1 ZPO, § 321a Abs 5 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 22.05.2015, Az. 1 BvR 2291/13 (REWIS RS 2015, 10643)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 10643

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