Bundesgerichtshof, Beschluss vom 14.06.2016, Az. 3 StR 128/16

3. Strafsenat | REWIS RS 2016, 10103

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Gegenstand

Mittelbare Falschbeurkundung: Erstreckung des öffentlichen Glaubens der Handelsregistereintragung einer Grundkapitalerhöhung auf inhaltliche Richtigkeit


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 11. November 2015 mit den jeweils zugehörigen Feststellungen aufgehoben,

a) soweit der Angeklagte im Fall I der Urteilsgründe verurteilt worden ist;

b) im Ausspruch über die Einzelstrafen in den Fällen II-V der Urteilsgründe sowie über die Gesamtstrafe.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

1

[X.]as [X.] hat den Angeklagten wegen Betrugs in 14 Fällen und wegen Urkundenfälschung in Tateinheit mit mittelbarer Falschbeurkundung zu einer Gesamtfreiheitstrafe von fünf Jahren und acht Monaten verurteilt sowie wegen "überlanger Verfahrensdauer" eine [X.] getroffen. Hiergegen wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts und eine Verfahrensrüge gestützten Revision. [X.]as Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 [X.].

2

1. [X.]ie Verfahrensrüge bleibt aus den Gründen der Antragsschrift des [X.] ohne Erfolg.

3

2. [X.]ie auf die Sachrüge veranlasste umfassende materiellrechtliche Überprüfung des Urteils hat zum Schuldspruch mit Ausnahme der Verurteilung im [X.] der Urteilsgründe keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Insoweit hält die Annahme des [X.]s, der Angeklagte habe sich tateinheitlich zur Urkundenfälschung (§ 267 Abs. 1 StGB) auch wegen mittelbarer Falschbeurkundung (§ 271 Abs. 1 StGB) strafbar gemacht, der revisionsrechtlichen Prüfung indes nicht stand.

4

a) Nach den vom [X.] diesbezüglich getroffenen Feststellungen beschloss der Angeklagte gemeinsam mit dem gesondert verfolgten [X.]     , dem Vorstand der [X.], zum Schein eine Kapitalerhöhung dieser [X.] stattfinden und im Handelsregister eintragen zu lassen. [X.]as Grundkapital der [X.] sollte dabei durch Ausgabe von 100.000.000 Aktien zum Nennwert von 1 € auf 100.050.000 € erhöht werden. Nachdem hierüber ein Beschluss der Hauptversammlung der [X.] herbeigeführt worden war, zeichnete der Zeuge Ad.     als Vorstand der [X.] [X.] einen Zeichnungsschein über den Erwerb von 100.000.000 Aktien und erklärte wahrheitswidrig, einen entsprechenden Betrag auf ein Konto der [X.] einzuzahlen. Um die Zahlung der Bareinlage gegenüber dem Registergericht nachweisen zu können und hierdurch die Eintragung der Kapitalerhöhung im Handelsregister zu bewirken, sollte nach dem Plan des Angeklagten und des gesondert verfolgten [X.]       dem mit der Anmeldung der Kapitalerhöhung beim Handelsregister beauftragten Notar eine gefälschte Bankbestätigung als Beleg vorgelegt werden. Nach Herstellung der Fälschung durch einen unbekannten [X.]ritten holte der Angeklagte die Bankbestätigung ab und reichte sie beim Notar ein. [X.]ieser bemerkte die Fälschung nicht und beantragte beim Registergericht des Amtsgerichts [X.].     , die [X.]urchführung der Kapitalerhöhung in das Handelsregister einzutragen. [X.]ort fiel die Fälschung ebenfalls nicht auf, worauf hin der Eintrag in das Handelsregister antragsgemäß vorgenommen wurde.

5

b) [X.]iese Feststellungen belegen nicht die Voraussetzungen einer mittelbaren Falschbeurkundung (§ 271 Abs. 1 StGB). Zwar handelt es sich bei dem Handelsregister um ein öffentliches Register im Sinne des § 271 Abs. 1 StGB ([X.], Beschluss vom 22. April 2015 - 1 Ws 47/15, StraFo 2015, 284, 285). Auch war die Erklärung über die vollzogene Kapitalerhöhung unrichtig. Indes wird nicht durch jede in einem öffentlichen Register enthaltene unrichtige Angabe, die ein Außenstehender durch Täuschung des gutgläubigen Amtsträgers bewirkt, der Tatbestand des § 271 Abs. 1 StGB erfüllt. [X.] beurkundet im Sinne der Vorschrift sind vielmehr nur diejenigen Erklärungen, Verhandlungen oder Tatsachen, auf die sich der öffentliche Glaube, das heißt die "volle Beweiswirkung für und gegen jedermann" erstreckt. Welche Angaben dies im einzelnen Falle sind, kann sich, wenn es an einer ausdrücklichen Vorschrift fehlt, mittelbar aus den gesetzlichen Bestimmungen ergeben, die für Errichtung und Zweck des Registers maßgeblich sind. [X.]abei ist auch die Anschauung des Rechtsverkehrs zu beachten. Bei der Prüfung, ob es gerechtfertigt ist, die erhöhte Beweiskraft des Registers auf eine darin angeführte Tatsache zu beziehen, ist ein strenger Maßstab anzulegen. Eine Beweiswirkung für und gegen jedermann kann nur dann angenommen werden, wenn kein Zweifel besteht, dass dies unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung dem Sinn und Zweck des Gesetzes entspricht (vgl. für öffentliche Urkunden [X.], Urteile vom 12. Oktober 1995 - 4 StR 259/95, NJW 1996, 470; vom 16. April 1996 - 1 [X.], [X.]St 42, 131).

6

Gemessen an diesen Maßstäben besteht hinsichtlich der Eintragung im Handelsregister über die [X.]urchführung der Erhöhung des Grundkapitals (§ 188 [X.]) der besondere öffentliche Glaube nur dahin, dass der die Eintragung Anmeldende diese Erklärungen abgegeben hat; auf die inhaltliche Richtigkeit des Erklärten erstreckt er sich hingegen nicht (vgl. bereits [X.], Urteile vom 5. November 1888 - [X.]. 2113/88, [X.]St 18, 179, 180; vom 11. Februar 1904 - [X.] 3658/03, [X.] (1904), 187; [X.] StGB/[X.], § 271 Rn. 8; LK/Zieschang, StGB, 12. Aufl., § 271 Rn. 46; S/S-Heine/[X.], StGB, 29. Aufl., § 271 Rn. 22; [X.]/[X.], 3. Aufl., § 399 Rn. 203 mwN). Eine gesetzliche Bestimmung, die dem Handelsregister hinsichtlich der inhaltlichen Richtigkeit der eingetragenen Tatsache eine Beweiswirkung für und gegen jedermann beimisst, fehlt. [X.]iese folgt insbesondere auch nicht aus der Publizität des Handelsregisters gemäß § 15 [X.] ([X.], Urteil vom 9. August 2012 - 4 Ss 198/12, [X.], 14). [X.]ie in § 15 Abs. 2 [X.] geregelte positive Publizitätswirkung wirkt nur zugunsten des [X.]s und setzt überdies die inhaltliche Richtigkeit der eingetragenen Tatsache voraus (vgl. etwa [X.]/Boujong/[X.]/Strohn/Gehrlein, [X.], 3. Aufl., § 15 Rn. 17 mwN). [X.]emgegenüber knüpft § 15 Abs. 3 [X.] zwar an die inhaltliche Unrichtigkeit der - wie hier - eintragungspflichtigen Tatsache an; der aus der Eintragung folgende Rechtsschein wirkt jedoch nicht gegenüber jedermann, sondern ausschließlich gegen den [X.]. [X.]ie vom Registergericht im Rahmen der Eintragung zu beachtenden Verfahrensgrundsätze und dessen hieraus folgende Prüfungsintensität streiten dagegen, den öffentlichen Glauben auf die inhaltliche Richtigkeit des Erklärten zu erstrecken. [X.]enn dem Registergericht obliegt gemäß §§ 26, 382 FamFG zwar die Kontrolle, ob die gesetzlichen Bedingungen für die Eintragung der [X.]urchführung der Kapitalerhöhung vorliegen, was nach allgemeiner Auffassung auch deren materielle Voraussetzungen umfasst (BayObLG, Beschluss vom 9. April 2002 - [X.], [X.] 2002, 407; [X.]/[X.]/[X.], [X.], § 188 Rn. 37; [X.] in: [X.], Aktienrecht, 4. Aufl., § 188 Rn. 30; [X.]/[X.], [X.], 12. Aufl., § 188 Rn. 20; MüKo[X.]/[X.], 4. Aufl., § 188 Rn. 47; [X.]/[X.]/[X.], [X.], 3. Aufl., § 188 Rn. 33). Indes begrenzt und beendet die Vorlage einer entsprechenden Bankbestätigung (§ 188 Abs. 2 Satz 1, § 37 Abs. 1 Satz 3 [X.]) regelmäßig die registergerichtliche Kontrolle hinsichtlich der zur Kapitalerhöhung geleisteten Bareinlage ([X.], Urteil vom 18. Februar 1991 - [X.], NJW 1991, 1754, 1758). In den Fällen, in denen die Vorlage einer Bankbestätigung zum Nachweis der geleisteten Bareinlage nicht möglich ist, genügt eine Plausibilitätsprüfung des Registergerichts auf Grundlage der mit der Anmeldung abgegebenen Erklärungen und Nachweise, sofern keine begründeten Zweifel an der Richtigkeit der mitgeteilten Tatsachen bestehen (vgl. [X.], Beschluss vom 21. Juni 2011 - [X.], [X.] 2011, 907, 908 mwN zur allgemeinen Prüfungspflicht des Registergerichts; [X.]/[X.]/[X.] aaO, Rn. 38; [X.]/[X.] aaO; [X.] aaO; MüKo[X.]/[X.] aaO, Rn. 48). Vor diesem Hintergrund kann auch unter Berücksichtigung der Anschauungen des Rechtsverkehrs nicht davon ausgegangen werden, dass der Eintragung im Handelsregister über die [X.]urchführung der Kapitalerhöhung hinsichtlich ihrer inhaltlichen Richtigkeit der besondere öffentliche Glaube zukommt (vgl. [X.]/[X.], 3. Aufl., § 399 Rn. 203; MüKoStGB/[X.], 2. Aufl., § 399 [X.] Rn. 161; MüKo[X.]/[X.], § 399 Rn. 245; Park/[X.], [X.], 3. Aufl., § 399 [X.] Rn. 56; [X.]/[X.]/[X.], [X.], 3. Aufl., § 399 Rn. 255; allgemein zur fehlenden Beweiskraft des Handelsregisters vgl. [X.]/[X.], [X.], 36. Aufl., § 9 Rn. 14 sowie § 15 Rn. 16; [X.]/[X.], [X.] 122 (2009), 37, 38 ff.).

7

c) [X.]ie deshalb gebotene Aufhebung des Schuldspruchs wegen mittelbarer Falschbeurkundung umfasst auch die tateinheitlich ausgeurteilte, für sich betrachtet rechtsfehlerfrei festgestellte Urkundenfälschung (vgl. [X.], Beschluss vom 18. August 2015 - 3 [X.], juris Rn. 6; KK-Gericke, [X.], 7. Aufl., § 353 Rn. 12). Eine Schuldspruchänderung durch den Senat kommt nicht in Betracht. Es ist nicht ausgeschlossen, dass sich in der neuen Hauptverhandlung Feststellungen treffen lassen, die im Hinblick auf die inhaltlich unrichtige Anmeldung zum Handelsregister eine - tateinheitlich zur Urkundenfälschung hinzutretende - Strafbarkeit des Angeklagten wegen Beihilfe zum [X.] gemäß § 399 Abs. 1 Nr. 4 [X.] belegen (vgl. hierzu [X.]/[X.]/[X.], [X.], 3. Aufl., § 399 Rn. 177 ff., 183).

8

3. Auch der Ausspruch über die Einzelstrafen in den Fällen II-V der Urteilsgründe sowie über die Gesamtstrafe kann keinen Bestand haben.

9

a) Anders als in den Fällen [X.] hat das [X.] in den Fällen II-V nicht berücksichtigt, dass der Angeklagte hinsichtlich des gesondert verfolgten     B.       im Sinne von § 46b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB Aufklärungshilfe geleistet hat. [X.]em dürfte - nach dem Gesamtzusammenhang des Urteils - die Annahme der [X.] zugrunde liegen, dass es insoweit an dem durch diese Bestimmung vorausgesetzten Zusammenhang zwischen der aufgedeckten Tat und den Taten des Angeklagten fehle. [X.]ies ist rechtsfehlerhaft. [X.]abei kann offen bleiben, ob nicht schon diese Annahme des [X.]s rechtsirrig ist. [X.]enn es hat jedenfalls nicht bedacht, dass § 46b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB in der zur Tatzeit (März 2010 - Juni 2011) geltenden Fassung noch nicht die einschränkende Voraussetzung eines Zusammenhangs zwischen der offenbarten und der dem "Kronzeugen" zur Last liegenden Tat enthielt; vielmehr war es unter der Geltung des alten Rechtszustands ausreichend, dass sich die Aufklärungshilfe nur auf eine von mehreren dem "Kronzeugen" vorgeworfenen Taten bezog ([X.], Urteil vom 20. März 2014 - 3 [X.], [X.], 619, 620 mwN). [X.]eshalb kommt hier die Anwendung der zur Tatzeit geltenden, für den Angeklagten günstigeren (§ 2 Abs. 3 StGB) Fassung von § 46b StGB in Betracht.

b) Es ist nicht auszuschließen, dass die [X.] ohne diesen Rechtsfehler in den Fällen II-V der Urteilsgründe zu niedrigeren Einzelstrafen gelangt wäre. Insbesondere übersteigt die im [X.] festgesetzte Einzelstrafe (ein Jahr vier Monate) bei gleichem Schadensumfang die im [X.] verhängte Strafe (ein Jahr) deutlich, obwohl das [X.] bei ansonsten identischen Strafzumessungserwägungen im [X.] das Nachtatverhalten des Angeklagten zusätzlich strafschärfend berücksichtigt hat. Aus diesem Grunde kommt entgegen der Auffassung des [X.] eine Entscheidung nach § 354 Abs. 1a [X.] nicht in Betracht.

c) [X.]ie Aufhebung des Urteils im [X.] sowie der in den Fällen II-V festgesetzten Einzelstrafen bedingt den Wegfall der Gesamtfreiheitsstrafe. [X.]ie [X.], die keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten aufweist, wird hierdurch nicht berührt ([X.], Beschluss vom 12. Januar 2016 - 3 StR 478/15, juris Rn. 2).

Becker     

Mayer     

     Gericke

Ri[X.] [X.]r. Tiemann befindet
sich im Urlaub und ist daher
gehindert zu unterschreiben.

Spaniol     

Becker

Meta

3 StR 128/16

14.06.2016

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Duisburg, 11. November 2015, Az: 47 KLs 1/15

§ 188 AktG, § 15 HGB, § 271 Abs 1 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 14.06.2016, Az. 3 StR 128/16 (REWIS RS 2016, 10103)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 10103

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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