Bundesgerichtshof, Beschluss vom 24.02.2021, Az. VII ZB 55/18

7. Zivilsenat | REWIS RS 2021, 8463

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Gegenstand

Kostenfestsetzungsverfahren nach Bauprozess: Erstattungsfähigkeit der durch die Beauftragung von Handwerkern zwecks Vor- und Nachbereitung von Ortsterminen mit dem gerichtlichen Sachverständigen entstandenen Kosten bei durch Prozessvergleich vereinbarter Kostenaufhebung


Leitsatz

Kosten, die einer Partei durch die Beauftragung von Handwerkern zwecks Vor- und Nachbereitung von Ortsterminen mit dem gerichtlichen Sachverständigen entstanden sind, sind außergerichtliche Kosten der Partei. Sie sind daher, sofern nichts anderes vereinbart wird, bei einer durch Prozessvergleich vereinbarten Kostenaufhebung im Kostenfestsetzungsverfahren nicht zu erstatten.

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Klägerin wird der Beschluss des 25. Zivilsenats des [X.] vom 27. Juli 2018 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Klägerin entschieden worden ist.

Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des [X.] vom 22. Januar 2018 wird insgesamt zurückgewiesen.

Die Kosten der Beschwerdeverfahren werden der Beklagten auferlegt.

Der Gegenstandswert wird auf 1.150,47 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Beklagte begehrt von der Klägerin im Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahrens die hälftige Erstattung der Handwerkerkosten, die sie zur Vor- und Nachbereitung von [X.] im Rahmen der gerichtlich angeordneten Begutachtung durch einen Sachverständigen aufgewendet hat.

2

Die Klägerin nahm die Beklagte auf Zahlung restlichen [X.] für Bauleistungen in Anspruch; widerklagend machte die Beklagte Mängelbeseitigungskosten geltend. Das [X.] erhob Beweis durch Einholung eines Sachverständigengutachtens. Die [X.]en beendeten das Verfahren durch Abschluss eines Vergleichs, in dem sie unter anderem vereinbarten, dass die Kosten des Rechtsstreits und des Vergleichs gegeneinander aufgehoben werden.

3

Die Beklagte hat im Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahrens unter anderem Kosten für die Vor- und Nachbereitung der Ortstermine mit dem gerichtlichen Sachverständigen in Höhe von insgesamt 2.393,37 € angemeldet. Das [X.] hat am 22. Januar 2018 einen Kostenfestsetzungsbeschluss erlassen, mit dem es die von der Klägerin an die Beklagte aufgrund des geschlossenen Vergleichs zu erstattenden Gerichtskosten auf 14.152,52 € festgesetzt hat. Die bei der [X.] angefallenen Kosten für die Vor- und Nachbereitung der Ortstermine mit dem gerichtlichen Sachverständigen hat es dabei nicht berücksichtigt, weil es sich um außergerichtliche Kosten der [X.] handele, die nach der Kostenregelung im Vergleich nicht auszugleichen seien. Auf die sofortige Beschwerde der [X.] hat das Beschwerdegericht den Beschluss dahingehend abgeändert, dass von der Klägerin [X.] an die Beklagte zu erstatten sind. Die weitergehende sofortige Beschwerde und den weitergehenden Kostenausgleichungsantrag der [X.] hat es zurückgewiesen. Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde begehrt die Klägerin in der Sache Aufhebung dieses Beschlusses und Zurückweisung der sofortigen Beschwerde der [X.].

II.

4

Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet.

5

1. Das Beschwerdegericht ist der Auffassung, bei den von der [X.] angemeldeten Kosten zur Vor- und Nachbereitung der Ortstermine im Rahmen der gerichtlich angeordneten Begutachtung durch den Sachverständigen handele es sich um notwendige Kosten des Rechtsstreits, die aufgrund der vergleichsweise getroffenen Kostenregelung der [X.]en von diesen jeweils zur Hälfte zu tragen seien.

6

Zwar handele es sich bei diesen Kosten - formal gesehen - nicht um Gerichtskosten, sondern um Kosten, die von einer [X.] für den Rechtsstreit verauslagt worden seien. Dennoch seien auch diese Kosten bei der hier vereinbarten Kostenaufhebung von den [X.]en jeweils zur Hälfte zu tragen.

7

Der formale Ansatz sei nicht überzeugend, da er kostentechnisch ohne triftigen Grund zu einer unterschiedlichen Behandlung von gleich zu bewertenden Sachverhalten führe. Es sei nicht gerechtfertigt, die Festsetzung der Kosten für die Vor- und Nachbereitung von [X.] davon abhängig zu machen, ob der Sachverständige - ggf. auf Weisung des Gerichts nach § 404a ZPO - selbst oder mittels von ihm beauftragter Hilfskräfte Bauteilöffnungen und die Beseitigung hierdurch verursachter Schäden vornehme oder ob der Sachverständige dies - wie vorliegend - der beweisbelasteten [X.] aufgebe. Ferner führe der formale Ansatz zu der Gefahr einer sachlich nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung von Fällen, in denen die [X.]en - wie hier - die Kostenverteilung vergleichsweise und damit unter Wahrnehmung eines entsprechenden Gestaltungsspielraums regelten, und solchen Fällen, in denen das Gericht, dem diese Kosten in aller Regel nicht bekannt seien, über die Kostenverteilung entscheide.

8

Daher seien notwendige Aufwendungen, die eine Prozesspartei zur Vor- oder Nachbereitung von [X.] mit einem gerichtlichen Sachverständigen gehabt habe, bei einer vereinbarten Kostenaufhebung hälftig zu erstatten, wenn diese Leistungen anderenfalls von Hilfskräften des Sachverständigen hätten erbracht werden müssen. Denn bei Ausführung dieser Leistungen durch den Sachverständigen wären dessen Aufwendungen für die Hilfskräfte in Höhe des üblichen [X.] gemäß § 12 [X.] in Verbindung mit [X.] 9005 der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG im Kostenfestsetzungsverfahren als Gerichtskosten zu berücksichtigen und von beiden [X.]en hälftig zu tragen gewesen.

9

2. Dies hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand.

Nach der Kostenregelung im Vergleich haben die [X.]en die Kosten des Rechtsstreits gegeneinander aufgehoben.

Die Bedeutung dieser Regelung für die hier im Streit stehenden Kosten, die die Beklagte zur Vor- und Nachbereitung der Ortstermine mit dem Sachverständigen aufgewendet hat, ist durch Auslegung zu ermitteln. Bei der Bestimmung des [X.] ist zu berücksichtigen, dass das Kostenfestsetzungsverfahren auf eine formale Prüfung der Kostentatbestände und auf die Klärung einfacher Fragen des Kostenrechts zugeschnitten und infolgedessen dem Rechtspfleger übertragen ist. Die Klärung komplizierter materiell-rechtlicher Fragen ist in diesem Verfahren nicht vorgesehen und mangels der dafür notwendigen verfahrensrechtlichen Instrumente auch nicht sinnvoll möglich (vgl. [X.], Beschluss vom 30. Juni 2015 - 10 [X.] 17/15, NJW 2015, 2606, juris Rn. 8; [X.], Beschluss vom 14. Mai 2014 - [X.] 539/11 Rn. 7 m.w.N., NJW 2014, 2287). Aus diesem Grund ist im Kostenfestsetzungsverfahren eine streng am Wortlaut orientierte Auslegung geboten. Der [X.]wille muss danach zumindest andeutungsweise im Wortlaut der vergleichsweise getroffenen Kostenregelung zum Ausdruck gekommen sein (vgl. [X.]/[X.], 6. Aufl., § 98 Rn. 14, § 103 Rn. 1, § 104 Rn. 62; [X.], Beschluss vom 21. September 2015 - 14 W 585/15, NJW-RR 2016, 448, juris Rn. 3; [X.], Beschluss vom 28. April 1989 - 23 W 152/89, [X.] 1989, 1421, juris Rn. 3). Dies führt in den formalisierten, auf vereinfachte Prüfung zugeschnittenen Masseverfahren zu einer praktikablen Handhabung und verlässlichen Ergebnissen.

Nach diesen Maßstäben bedeutet eine Regelung, mit der die Kosten des Rechtsstreits gegeneinander aufgehoben werden, dass jede [X.] ihre eigenen Kosten allein und die Gerichtskosten je zur Hälfte trägt. Dies entspricht dem allgemeinen Verständnis in Rechtsprechung und Literatur, das der Rechtstradition folgt und auch in § 92 Abs. 1 Satz 2 ZPO Eingang gefunden hat (vgl. näher dazu [X.], Beschluss vom 3. April 2003 - [X.], [X.]Z 154, 351, juris Rn. 12 ff.; [X.]/[X.], ZPO, 33. Aufl., § 92 Rn. 1; [X.]/[X.], 6. Aufl., § 92 Rn. 13). Zu den Gerichtskosten zählen nach allgemeiner Meinung - unter Bezugnahme auf § 1 Abs. 1 Satz 1 GKG - die Gerichtsgebühren und die Auslagen des Gerichts. Auslagen des Gerichts sind auch das von einem gerichtlichen Sach-verständigen geltend gemachte Honorar nach dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz sowie dessen gemäß § 12 [X.] zu erstattenden besonderen Aufwendungen, wie zum Beispiel notwendige Aufwendungen für Hilfskräfte, zu denen auch vom Sachverständigen beauftragte Handwerker gehören (vgl. [X.] 9005 der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG). Dagegen zählen sonstige Aufwendungen, die eine [X.] für den Rechtsstreit macht, zu den außergerichtlichen Kosten der [X.] (vgl. [X.]/[X.], ZPO, 33. Aufl., vor § 91 Rn. 1; Musielak/Voit/Flockenhaus, ZPO, 17. Aufl., vor § 91 Rn. 4 f.; [X.]/[X.], 6. Aufl., § 92 Rn. 13). Dies gilt unabhängig davon, welchen Zweck die [X.] mit den Aufwendungen verfolgt und ob diese notwendig sind. Danach sind Kosten, die einer [X.] durch die Beauftragung von Handwerkern zwecks Vor- und Nachbereitung von [X.] mit dem gerichtlichen Sachverständigen entstanden sind, nicht den Gerichtskosten, sondern den außergerichtlichen Kosten der [X.] zuzuordnen (vgl. [X.], Beschluss vom 21. Mai 2004 - 14 W 356/04, [X.], 1025, Rn. 4 f., sowie Beschluss vom 28. Juni 2004 - 5 W 397/04, [X.], 556, 556 f.; [X.]/[X.], 6. Aufl., § 91 Rn. 149).

Diese streng am Wortlaut orientierte Auslegung der Kostenregelung, die nach formalen Kriterien unterscheidet, ob es sich um Gerichtskosten oder um Kosten der [X.] handelt, ist im Kostenfestsetzungsverfahren zutreffend. Eine hiervon abweichende Interpretation der Kostenregelung lässt sich entgegen der Auffassung des [X.] auch nicht auf den Gesichtspunkt der [X.] stützen. Die Erwägungen zur Gleichbehandlung der Fälle, in denen die Aufwendungen für die Vor- und Nachbereitung der Ortstermine von dem gerichtlichen Sachverständigen erbracht werden, und der Fälle, in denen diese von der [X.] erbracht werden, überzeugen nicht. Für eine sachgerechte Kostenverteilung bedarf es einer solchen Gleichbehandlung nicht. Vielmehr würde mit der vom Beschwerdegericht befürworteten generellen Zuordnung der zur Vor- und Nachbereitung der Ortstermine mit dem gerichtlichen Sachverständigen entstandenen Kosten der [X.] zu den Gerichtskosten der Inhalt einer nach allgemeinem Verständnis eindeutigen Kostenregelung geändert, ohne dass hierfür eine Notwendigkeit besteht. Denn die [X.]en eines Vergleichs haben es selbst in der Hand, die Kostentragung ihren Interessen gemäß zu regeln und beispielsweise die Verteilung bestimmter [X.]kosten je zur Hälfte zu vereinbaren, wenn ihnen dies sachgerecht erscheint. Der Hinweis des [X.] auf eine nicht der Gestaltungsfreiheit der [X.]en unterliegende gerichtliche Kostengrundentscheidung rechtfertigt ebenfalls kein anderes Ergebnis. Denn auch insoweit haben es die [X.]en in der Hand, das Gericht auf Umstände hinzuweisen, die für die Entscheidung von Bedeutung sein können. Es besteht damit letztlich kein Grund, von dem am Wortlaut orientierten allgemeinen Verständnis der getroffenen Kostenregelung abzuweichen.

Danach sind die Kosten, die der [X.] im Streitfall durch die Beauftragung von Handwerkern zwecks Vor- und Nachbereitung von [X.] mit dem gerichtlichen Sachverständigen entstanden sind, nicht den Gerichtskosten zuzuordnen. Es handelt sich vielmehr um außergerichtliche Kosten der [X.], die auf der Grundlage der vereinbarten Kostenaufhebung nicht zu erstatten sind.

Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die [X.]en die im Vergleich getroffene Kostenregelung - abweichend von dem allgemeinen Verständnis - übereinstimmend dahin verstanden haben, dass die hier im Streit stehenden Kosten der [X.] als Gerichtskosten einzuordnen und von den [X.]en je zur Hälfte zu teilen seien, oder dass der Vergleich hinsichtlich dieser Kosten eine planwidrige Lücke enthält, die in dieser Weise zu schließen sei, sind weder festgestellt noch vorgetragen. Es kann daher dahinstehen, unter welchen Voraussetzungen ein nicht im Wortlaut des Vergleichs zum Ausdruck kommender [X.]wille durch (ergänzende) Auslegung im Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahrens überhaupt zu ermitteln wäre (vgl. dazu [X.], Beschluss vom 30. Juni 2015 - 10 [X.] 17/15, NJW 2015, 2606, juris Rn. 8).

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.

[X.]    

        

Halfmeier    

        

Sacher

        

Borris    

        

Brenneisen    

        

Meta

VII ZB 55/18

24.02.2021

Bundesgerichtshof 7. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend OLG Hamm, 27. Juli 2018, Az: I-25 W 106/18

§ 92 Abs 1 S 2 ZPO, § 103 ZPO, § 1 Abs 1 S 1 GKG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 24.02.2021, Az. VII ZB 55/18 (REWIS RS 2021, 8463)

Papier­fundstellen: MDR 2021, 647 REWIS RS 2021, 8463


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. VII ZB 55/18

Bundesgerichtshof, VII ZB 55/18, 24.02.2021.


Az. 25 W 106/18

Oberlandesgericht Hamm, 25 W 106/18, 27.07.2018.


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