Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 06.09.2017, Az. 5 StR 268/17

5. Strafsenat | REWIS RS 2017, 5738

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:060917U5STR268.17.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL
5 StR
268/17
vom
6. September
2017
in der Strafsache
gegen

wegen Betruges u.a.

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Der 5.
Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom
6.
Septem-ber
2017, an der teilgenommen haben:
[X.] am [X.] [X.],

[X.] am [X.]
Dölp,
Prof. Dr. [X.],
Dr. Berger,
Prof. Dr. Mosbacher

als beisitzende Richter,

Oberstaatsanwältin beim [X.]

als Vertreterin
der Bundesanwaltschaft,

Rechtsanwalt

als Verteidiger,

Amtsinspektorin

als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle,

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für Recht erkannt:

1. Auf die Revisionen
des Angeklagten und der Staatsanwalt-schaft wird das Urteil des [X.] vom 9. Ja-nuar 2017 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Wirt-schaftsstrafkammer des [X.]s zurückverwiesen.
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Von Rechts wegen
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Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen Betruges in 60 Fällen, [X.] in Tateinheit mit einem Verstoß gegen das Kreditwesengesetz, unter Ein-beziehung von Strafen aus einem anderen Urteil (68 mal neun Monate Frei-heitsstrafe) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt und ange-ordnet, dass hiervon drei Monate als vollstreckt gelten. Zudem hat es [X.], dass der Angeklagte mindestens 1,5 Millionen Euro aus den zur [X.] führenden Straftaten erlangt hat und einer Anordnung des [X.] Verletzter entgegenstehen. Im Übrigen hat es den Angeklagten vom Vorwurf weiterer 143 vollendeter und zwölf versuchter Taten des Betruges in Tateinheit mit einem Verstoß gegen das Kreditwesengesetz
freigesprochen. Die Revisionen des Angeklagten und der
Staatsanwaltschaft führen jeweils mit der Sachrüge zur Aufhebung des Urteils.
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I.
1. Dem Angeklagten liegt gemäß der durch Beschluss vom 4. Novem-ber
2015
unverändert zur Hauptverhandlung zugelassenen Anklage der [X.] vom 2. Mai 2013 zur Last, zwischen dem 17. Janu-ar

.

unter Vortäuschung einer sicheren Geldanlage ohne Er-laubnis unbefristete Darlehen mit hohen Zinsversprechen abgeschlossen und hierdurch in 203 Fällen Beträge zwischen 1.000 und 500.000 Euro, insgesamt über 4,2 Millionen Euro
erlangt sowie in zwölf weiteren Fällen dies erfolglos versucht zu haben.
2. Nach den Feststellungen des [X.]s schloss der Angeklagte in 185 Fällen unbefristete Darlehensverträge mit Einzelpersonen oder Ehepaaren, die er überwiegend über provisionsberechtigte Vermittler, teils aber auch selbst akquiriert hatte. Dabei verpflichtete er sich
zu monatlichen Zinszahlungen zwi-schen 0,5 und 3,5 %, überwiegend zu 2,5 % (30 % p.a.). Um die Übergabe des Geldes an sich zu erreichen, erklärte er
entweder selbst oder über seine inso-weit gutgläubigen Vermittler der Wahrheit zuwider, dass die Gelder sicher ange-legt seien und lediglich ein geringes Verlustrisiko bestehe, das sich auf Zinsen und einen geringen Prozentsatz der Anlagesumme beschränke. Einigen Anle-gern wurde mitgeteilt,
dass die Gelder auf einem [X.] Depotkonto hin-terlegt und eine Bank in [X.] einen diese Sicherheit übersteigenden Kredit gewähren würde, mit dem [X.] an den weltweiten Börsen durchgeführt würden. Tatsächlich setzte der Angeklagte einen großen Teil der Gelder zunächst hoch spekulativ im Aktien-
und Devisenhandel ein, um hohe Erträge zu erwirtschaften. Ab Dezember 2009 nahm er keine Geldhandelsge-schäfte mehr vor, schloss jedoch wie zuvor bis Februar 2010 weitere [X.] ab. Insgesamt nahm er auf diese Weise Darlehen in einer Ge-samthöhe von 4.129.800 Euro ein. Sämtliche Darlehensverträge zeichnete der 2
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Angeklagte selbst ab, um die Gelder von den Darlehensgebern zu erhalten. In den [X.] sicherte er die Rückzahlung der Beträge nach Kündigung
zu. Um diese Geschäfte durchzuführen, hätte der Angeklagte

wie er wusste

eine Erlaubnis nach § 32 Abs. 1 Satz 1 KWG benötigt, die er nicht besaß.
3. Nach Vernehmung von 52 Anlegern
hat das [X.] aus dem Verhältnis von Zeugen, die eine Täuschung bestätigt haben, und solchen, die über das Risiko ausreichend aufgeklärt waren oder sich keine Gedanken [X.] hatten, eine Schätzung vorgenommen, wonach jedenfalls mindestens 60

l-von mindestens 1,5 Millionen Euro entstanden. Die Täuschung von Ehepaaren hat die [X.] überwiegend als eine Tat angesehen, ebenso mehrere Zahlungen einer Person; die Anklage ging in beiden Konstellationen jeweils
von Tatmehrheit aus. Eine Zuordnung, welche angeklagten Fälle vom Schuld-
oder vom Freispruch erfasst werden, hat das [X.] nicht vorgenommen.

II.
Die Revisionen führen zur Aufhebung des Urteils.
1. Der Senat kann auch dem Zusammenhang der Urteilsgründe nicht hinreichend entnehmen, in welchen der angeklagten Fälle die [X.] zu einer Verurteilung gelangt
und in welchen ein Freispruch erfolgt ist. Schon die-ser Rechtsfehler
muss zur Aufhebung des Urteils zu Gunsten wie zu Lasten des Angeklagten führen.
2. Die mit der abstrakten Zuordnung [X.] hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. In Fällen mit individueller Motivati-4
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on zur Leistung ist grundsätzlich der Irrtum eines jeden [X.] konkret festzustellen (vgl. [X.] in [X.], § 261 Rn. 380 mwN).
a) Eine vom [X.] anerkannte Ausnahme liegt nicht vor. In [X.], also einfach gelagerten Fällen standardisierter, auf mas-senhafte Erledigung ausgerichteter Abrechnungsverfahren, hat der [X.] die Schätzung einer [X.] unbeanstandet gelassen, insbeson-dere wenn es um Kleinbeträge geht (vgl. [X.], Urteil vom 27. März 2014

3 [X.], NJW 2014, 2054, 2056 m.
Anm.
[X.]; vgl. auch [X.], [X.] vom 4. September 2014

1 [X.], [X.], 98
je mwN). [X.] geht es im angegriffenen Urteil nicht.
b) Das [X.] durfte sich vorliegend auch nicht ohne weiteres auf die Vernehmung einer Auswahl von Darlehensgebern beschränken, um auf dieser Grundlage den Irrtum bei anderen Darlehensgebern festzustellen.
aa) Beim Anlagebetrug (auch in Form der Darlehenshingabe) kann auf einen Irrtum immer
schon dann geschlossen werden, wenn der Täter vorspie-gelt, das Geld werde in einer Kapitalanlage angelegt,
es aber

wie von vorne-herein beabsichtigt

nur für eigene Zwecke oder die Aufrechterhaltung eines rechtsfehlerfrei aus der Vernehmung einiger Anleger oder aus den äußeren Umständen (vgl. hierzu [X.],
Beschluss vom 4. September 2014

1 [X.], [X.], 98;
Urteil vom 22. November 2013

3 [X.], [X.], 215, 216
je mwN) die Überzeugung verschaffen, alle Anleger hätten irrtumsbedingt ihre von vorneherein verlorene l-che Konstellation liegt nach den bisherigen Feststellungen allenfalls für den Zeitraum ab [X.] 2009 bzw.
Dezember 2009 nahe (vgl. UA S.
19, 29).

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bb) [X.] unterscheidet sich auch von der vom Senat im Beschluss vom 19. Februar 2014 (5 [X.]/13,
[X.], 318) entschiedenen Konstel-lation in erheblicher Weise. Denn dort waren

anders als hier

mit den [X.], Werbematerialien und den Inhalten der (standardisierten [X.] weitere aussagekräftige Indizien vorhanden, auf die das dortige [X.] seine Überzeugung vom Vorliegen eines Irrtums stüt-zen konnte, so dass allenfalls im Hinblick auf die unterschiedliche Höhe der [X.] Beträge ein repräsentativer Teil der Anleger als Zeugen zu verneh-men war.
Demgegenüber waren nach
den bisherigen Feststellungen sowohl die Beratungsgespräche als auch die Vorstellungen der Darlehensgeber von der Sicherheit ihrer Anlage durchaus unterschiedlich. Unter diesen Vorzeichen war es hier erforderlich, in jedem Einzelfall
das Vorstellungsbild des [X.] bei Vornahme der Vermögensverfügung konkret festzustellen. Den Not-wendigkeiten der Prozessökonomie kann in solchen
Anlagebetrugsfällen durch die Konzentration auf klare Fälle mit erheblicher Schadenshöhe mittels einer
großzügigen
Anwendung der hierfür vorgesehenen Einstellungs-
und Be-schränkungsmöglichkeiten nach §§ 154, 154a StPO entsprochen werden.

3. Nicht nachvollziehbar sind auch die Ausführungen des [X.]s zur Schadenshöhe. Die getäuschten Anleger haben dem Angeklagten ausweis-lich der vertraglichen Gestaltung ein verzinsliches Darlehen gewährt. Ob die Hingabe eines Darlehens einen Vermögensschaden bewirkt, ist durch einen für den Zeitpunkt der Darlehenshingabe anzustellenden [X.] mit dem Rückzahlungsanspruch des [X.] zu ermitteln. Die [X.] wird dabei durch die Bonität des Schuldners und den Wert etwa bestellter Sicherheiten bestimmt; entscheidend ist die wirt-schaftliche Betrachtung (vgl. [X.], Beschluss vom 28. September
2016
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2 StR 401/14, [X.], 170 mwN; vgl. zum Anlagebetrug hingegen [X.], Beschluss vom 28. Juni 2017

e-eträge haben bei dieser Betrachtung außen vor zu bleiben. Ebenso berührt ein lediglich als Schadens-wiedergutmachung zu bewertender
Rückfluss von [X.] die Höhe des bereits zuvor eingetretenen Vermögensschadens nicht (vgl. [X.], Beschluss vom 2.
März 2016

1 StR 433/15, [X.], 409 mwN). Sicherheiten waren [X.] nicht bestellt, so dass lediglich die Bonität des Angeklagten zu bewerten war. Feststellungen hierzu fehlen jedoch.
4. Die Freisprüche haben auch deshalb keinen Bestand, weil das Land-gericht in allen angeklagten Fällen die Voraussetzungen eines strafbaren Ver-stoßes nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m.
§ 32 Abs. 1 KWG aufgrund ungenehmigter gewerbsmäßiger [X.] festgestellt hat
(vgl. hierzu auch [X.], [X.] vom 9. Februar 2011

5 [X.], [X.], 410). Weshalb inso-weit keine Verurteilung erfolgt ist, ergibt sich aus den Urteilsgründen nicht.
5. All dies entzieht auch dem
Ausspruch nach § 111i Abs. 2 StPO die Grundlage.

III.
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
1. Eine Verurteilung wegen Betruges setzt voraus, dass die Darlehens-geber konkret über für die Darlehensvergabe relevante Tatsachen wie etwa die Sicherheit der damit verfolgten Geldanlage getäuscht wurden, einem entspre-chenden Irrtum erlagen und deshalb dem Angeklagten das Darlehen gewährt haben. Für die Feststellung eines Schadens sind die Vermögensverhältnisse des Angeklagten und dessen Rückzahlungswille entscheidend (vgl. [X.], Urteil 14
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vom 26. November 2015

3 [X.], [X.], 343 m. Anm. [X.], je mwN; eingehend
hierzu [X.] in [X.], 3. Aufl.,
§ 263 Rn. 279 ff.). [X.] etwa zum Zeitpunkt der Darlehenshingabe die (voraussichtliche) [X.] des Schuldners zu den Fälligkeitszeitpunkten einen Grad an Un-sicherheit, der über das übliche, von den Beteiligten vorausgesetzte und auch in Kauf genommene Maß an Risiken hinausgeht, ist der Rückzahlungsanspruch minderwertig ([X.] aaO Rn. 279 mwN). Dieser Minderwert ist nach wirt-schaftlichen Maßstäben zu bestimmen. Hierbei wird die Kammer in den Blick nehmen müssen, in welchem Ausmaß sich der Angeklagte bereits zur Rück-zahlung erheblicher [X.] verpflichtet und wie sich der Stand [X.] entwickelt hatte. Die bloße Hoffnung, mit riskanten Anlagen oder durch Anwerbung neuer Anleger Darlehen zurückzahlen zu können, würde auch der Annahme von Eventualvorsatz insoweit nicht entgegenstehen.
2. Beim Ausspruch nach § 111i Abs. 2 StPO wird gegebenenfalls
zu prü-fen sein, ob § 73c
Abs. 1 Satz 2 oder
Satz 1 StGB aF der Feststellung zumin-dest teilweise entgegenstehen (vgl. [X.], Beschluss vom 6. November 2014

4 StR 290/14, [X.], 44; zur Anwendbarkeit von § 111i StPO aF vgl. § 14 [X.], hierzu [X.], Beschluss vom 13. Juli 2017

5 [X.]/17; zur Anwendbarkeit von § 73c StGB aF vgl. Art. 316h EGStGB, hierzu [X.], [X.] vom 20. Juni 2017

1 [X.]).

Mutzbauer

Dölp
[X.]

Berger

Mosbacher

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Meta

5 StR 268/17

06.09.2017

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 06.09.2017, Az. 5 StR 268/17 (REWIS RS 2017, 5738)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 5738

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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