Bundesgerichtshof, Beschluss vom 28.10.2010, Az. VII ZB 15/10

7. Zivilsenat | REWIS RS 2010, 1847

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Gegenstand

Kostenfestsetzungsverfahren: Anrechnung der anwaltlichen Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr in Altfällen; Nachfestsetzung nach restlicher Verfahrensgebühr


Leitsatz

1. Auch in Altfällen ist eine Geschäftsgebühr nur unter den Voraussetzungen des § 15a Abs. 2 RVG auf die Verfahrensgebühr anzurechnen (im Anschluss an BGH, Beschluss vom 9. Dezember 2009, XII ZB 175/07, FamRZ 2010, 456) .

2. Die Rechtskraft einer Entscheidung im Kostenfestsetzungsverfahren über einen Antrag, mit dem eine Verfahrensgebühr unter hälftiger Anrechnung der Geschäftsgebühr geltend gemacht worden ist, steht einer Nachfestsetzung der restlichen Verfahrensgebühr nicht entgegen .

Tenor

Auf die Beschwerden des Klägers werden der Beschluss des 3. Zivilsenats des [X.] vom 16. Februar 2010 und der Beschluss der 2. Zivilkammer des [X.] vom 21. Januar 2010 aufgehoben.

Aufgrund des rechtskräftigen Urteils des [X.] vom 10. Dezember 2008 sind als Nachfestsetzung zum Kostenfestsetzungsbeschluss des [X.] vom 12. Februar 2009 von dem Beklagten an den Kläger weitere Kosten in Höhe von 318,68 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 9. November 2009 zu erstatten.

Der Beklagte hat die Kosten der Rechtsmittelverfahren zu tragen.

Wert des [X.]: 318,68 €

Gründe

I.

1

Der Kläger hat den Beklagten auf Zahlung von Kostenvorschuss in Anspruch genommen. Das [X.] hat den Beklagten antragsgemäß zur Zahlung von 7.691,49 € nebst Zinsen verurteilt und ihm die Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Im Kostenfestsetzungsverfahren hat der Kläger lediglich eine um die 0,65-fache Geschäftsgebühr ermäßigte Verfahrensgebühr in Ansatz gebracht. Das [X.] hat entsprechend entschieden. Am 5. November 2009 hat der Kläger einen Nachfestsetzungsantrag gestellt und darin die Festsetzung der restlichen Verfahrensgebühr von 318,68 € geltend gemacht, weil die Anrechnung der Geschäftsgebühr zu Unrecht erfolgt sei. Das [X.] hat den Antrag abgelehnt. Das Beschwerdegericht hat die sofortige Beschwerde zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die von ihm zugelassene Rechtsbeschwerde des [X.], der seinen Antrag weiterverfolgt.

II.

2

Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.

3

1. Das Beschwerdegericht ist der Auffassung, die Nachfestsetzung sei unzulässig, da ihr die materielle Rechtskraft des [X.] vom 12. Februar 2009 entgegenstehe. Das [X.] habe über die Verfahrensgebühr rechtskräftig entschieden. Daran ändere nichts, dass der Kläger seinerzeit nur die Kosten der ermäßigten Verfahrensgebühr geltend gemacht habe. Mehr habe ihm nach der Rechtsprechung des [X.] nicht zugestanden. Das [X.] habe also nicht nur über einen Teil der Verfahrensgebühr entschieden, sondern über den Erstattungsanspruch in voller Höhe, so wie er dem Kläger zugestanden habe. Demnach bleibe kein Rest, der von den Wirkungen der Rechtskraft ausgenommen und daher einer Nachfestsetzung zugänglich wäre.

4

2. Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Der Nachfestsetzungsantrag ist begründet. Eine Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr findet nicht statt (a). Einer Nachfestsetzung steht die Rechtskraft des Beschlusses des [X.]s Chemnitz vom 12. Februar 2009 nicht entgegen (b).

5

a) Der [X.] hat bis zur Einführung des § 15a [X.] durch Artikel 7 Abs. 4 Nr. 3 des [X.] im anwaltlichen und notariellen Berufsrecht, zur Errichtung einer Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft sowie zur Änderung sonstiger Vorschriften vom 30. Juli 2009 entschieden, dass die Anrechnung der Geschäftsgebühr gemäß Vorbemerkung 3 Abs. 4 [X.] VV Nr. 3100 auch im Kostenfestsetzungsverfahren zu berücksichtigen sei (vgl. grundlegend [X.], Beschluss vom 22. Januar 2008 - [X.], [X.], 1323).

6

Nach Inkrafttreten des § 15a [X.] vertreten alle mit der Entscheidung befassten Senate des [X.] teilweise unter Aufgabe ihrer bisherigen Rechtsprechung die Auffassung, dass durch § 15a [X.] lediglich eine Klarstellung der bisherigen Rechtslage erfolgt ist ([X.], Beschluss vom 2. September 2009 - [X.], [X.], 3101 Rn. 8; Beschluss vom 9. Dezember 2009 - [X.], [X.], 456 Rn. 16; Beschluss vom 11. März 2010 - [X.], [X.] 2010, 159 Rn. 6; Beschluss vom 29. April 2010 - [X.], [X.] 2010, 263 Rn. 8; Beschluss vom 10. August 2010 - [X.], bei juris). Danach findet auch für [X.] vor Inkrafttreten dieser Norm eine Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr nur unter den in § 15a Abs. 2 [X.] genannten Voraussetzungen statt. Der [X.]. Zivilsenat schließt sich dieser Rechtsprechung an und nimmt zur Begründung Bezug auf die Entscheidung des [X.]. Zivilsenats vom 9. Dezember 2009 ([X.], aaO).

7

b) Danach ist auf den Nachfestsetzungsantrag des [X.] eine weitere Verfahrensgebühr in Höhe von 318,68 € nebst Zinsen festzusetzen. Dieser Festsetzung steht nicht die Rechtskraft des Kostenfestsetzungsbeschlusses des [X.]s vom 12. Februar 2009 entgegen.

8

Zutreffend geht das Beschwerdegericht davon aus, dass [X.] der materiellen Rechtskraft fähig sein können (vgl. [X.], Beschluss vom 16. Januar 2003 - [X.], NJW 2003, 1462). [X.] ist jedoch die Annahme, über den im [X.] geltend gemachten Teil der Verfahrensgebühr sei bereits entschieden. Dieser war nicht Gegenstand der Entscheidung vom 12. Februar 2009.

9

aa) Die Rechtskraft eines Kostenfestsetzungsbeschlusses bezieht sich nur auf die im Antrag geforderten und im Beschluss beschiedenen Beträge. Eine Nachforderung eines bislang nicht geltend gemachten Teils bezüglich desselben Postens hindert sie grundsätzlich nicht ([X.], ZPO, 22. Aufl., § 103 Rn. 12; [X.]/[X.], ZPO, 2. Aufl., § 103 Rn. 27; [X.]/Giebel, 3. Aufl., § 104 Rn. 128 f.; vgl. [X.], [X.], 1136, zur Nachfestsetzung der Umsatzsteuer; [X.], Rpfleger 1995, 476, zur Nachfestsetzung der [X.]). Dies deckt sich auch mit dem allgemeinen Verständnis der [X.] ([X.], Urteil vom 30. Januar 1985 - [X.], [X.]Z 93, 330) und verdeckten Teilklagen ([X.], Urteil vom 9. April 1997 - [X.], [X.]Z 135, 178). Danach ergreift die Rechtskraft des Urteils nur den geltend gemachten Anspruch im beantragten Umfang; eine Erklärung des [X.], er behalte sich darüber hinausgehende Ansprüche vor, ist nicht erforderlich. Soweit ein Antrag nur beschränkt geltend gemacht worden ist, ist grundsätzlich über den überschießenden Teil nicht entschieden.

bb) Soweit in der Rechtsprechung von diesen Grundsätzen Ausnahmen gemacht worden sind (vgl. dazu [X.], Urteil vom 9. April 1997 - [X.], [X.]Z 135, 178, 182 m.w.N.), handelt es sich um besonders gelagerte Sachverhalte, deren Voraussetzungen nicht vorliegen. Der Kläger hat insbesondere durch seinen Antrag nicht zum Ausdruck gebracht, dass er eine abschließende, eine Nachforderung ausschließende Entscheidung über die Berücksichtigung der Verfahrensgebühr nur in gekürztem Umfang haben wollte. Allein der Umstand, dass er auf der Grundlage der damals gefestigten Rechtsprechung davon ausging, ihm stünde nur eine gekürzte Gebühr zu, rechtfertigt diese Annahme nicht. Etwas anderes kann auch nicht aus der Entscheidung des [X.] vom 16. Januar 2003 ([X.], NJW 2003, 1462) hergeleitet werden. Diese Entscheidung befasst sich lediglich mit der Auslegung eines Kostenfestsetzungsbeschlusses hinsichtlich des [X.] und kann zu der hier entscheidungserheblichen Frage nichts beitragen.

cc) Der Kläger hat von vornherein nur eine um die hälftige Geschäftsgebühr gekürzte Verfahrensgebühr in Ansatz gebracht. Das [X.] hat demgemäß auch nur darüber entschieden, dass dem Kläger eine Verfahrensgebühr in dieser Höhe zusteht. Eine Entscheidung über die Frage, ob dem Kläger eine höhere Verfahrensgebühr zusteht, hat es nicht getroffen. Demgemäß hat es auch über die höhere Verfahrensgebühr nicht rechtskräftig entschieden. Eine Nachfestsetzung des Teils der Verfahrensgebühr, über die im Kostenfestsetzungsverfahren nicht entschieden worden ist, weil eine anteilige Geschäftsgebühr von vornherein im Antrag abgezogen worden ist, ist danach möglich (vgl. auch [X.], [X.], 1823, 1824; [X.], [X.]-Report 2009, 354, 355; ders. [X.]-Report 2009, 417, 418; [X.], [X.] 2010, 308).

3. Die angefochtenen Beschlüsse sind danach aufzuheben. Da die Sache zur Endentscheidung reif ist (§ 577 Abs. 5 ZPO), entscheidet der Senat selbst und gibt dem Nachfestsetzungsantrag in beantragter Höhe statt.

4. [X.] beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

Kniffka                                      Bauner                                          Eick

                     Halfmeier                                  [X.]

Meta

VII ZB 15/10

28.10.2010

Bundesgerichtshof 7. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend OLG Dresden, 16. Februar 2010, Az: 3 W 0170/10, Beschluss

§ 15a Abs 2 RVG, § 104 ZPO, Nr 2300 RVG-VV, Nr 3100 RVG-VV

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 28.10.2010, Az. VII ZB 15/10 (REWIS RS 2010, 1847)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 1847

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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