Bundespatentgericht, Beschluss vom 22.02.2022, Az. 26 W (pat) 19/20

26. Senat | REWIS RS 2022, 1115

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "Telemichel (Wortzeichen)" – teilweise fehlende Unterscheidungskraft – teilweise Freihaltebedürftigkeit


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2019 108 430.6

hat der 26. Senat ([X.]) des [X.] am 22. Februar 2022 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin [X.], des Richters [X.] und der Richterin kraft Auftrags Dr. Rupp-Swienty

beschlossen:

1. Der Beschluss der Markenstelle für Klasse 3 des [X.] vom 6. Dezember 2019 wird aufgehoben, soweit die Anmeldung für die Waren der

Klasse 3: Präparate für die Mundhygiene; Fahrzeugreinigungsmittel; Waschmittel; Leder- und Schuhreinigungs- und -poliermittel

zurückgewiesen worden ist.

2. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

3. Der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird zurückgewiesen.

4. Der Antrag auf Rückzahlung der [X.] wird als unzulässig verworfen.

Gründe

I.

1

Das Wortzeichen

2

[X.]

3

ist am 28. Juni 2019 unter der Nummer 30 2019 108 430.6 zur Eintragung als Marke in das beim [X.] ([X.]) geführte Register angemeldet worden für Waren der

4

Klasse 3: Präparate für die Mundhygiene; Parfümeriewaren und Duftstoffe; Körperreinigungspräparate; Körperpflegepräparate; Ätherische Öle und aromatische Extrakte; Raumdüfte; Fahrzeugreinigungsmittel; Waschmittel; Leder- und Schuhreinigungs- und -poliermittel.

5

Mit Beschluss vom 6. Dezember 2019 hat die Markenstelle für Klasse 3 des [X.] die Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft und Freihaltebedürftigkeit gemäß §§ 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 [X.] zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, "[X.]" sei die umgangssprachliche Bezeichnung für den im [X.]teil [X.] stehenden [X.], der als Wahrzeichen von [X.] derzeit umgebaut und für die Öffentlichkeit wieder zugänglich gemacht werde. Unter dieser an [X.]" genannte - [X.]er Hauptkirche [X.] angelehnten Bezeichnung sei der [X.] dem Verkehr auch bekannt, was aus der Internetrecherche und der überregionalen Presseberichterstattung hervorgehe. Zudem werde der Begriff "[X.]" nachweislich mit anderen volkstümlichen [X.]bezeichnungen in Verbindung gebracht, wie z. B. "[X.]spargel" für den [X.]er [X.]. Vor diesem Hintergrund würden die angesprochenen allgemeinen Verkehrskreise das angemeldete Zeichen lediglich als Sachhinweis darauf verstehen, dass der als "[X.]" bekannte Turm bzw. dessen unmittelbare Umgebung die [X.] und Angebotsstätte der beanspruchten Waren darstelle. Dies gelte umso mehr, als eine künftige Nutzung des [X.]er [X.]s auch für Ladengeschäfte konkret angedacht sei. Sämtliche angemeldeten Produkte könnten dort von Einzelhandelsbetrieben, insbesondere Drogerien angeboten werden, die gegenwärtig oder künftig am Fuße des "[X.]" oder in seiner nahen Umgebung angesiedelt seien. Da es sich um einen touristischen Publikumsmagnet in einem urbanen Umfeld mit entsprechender Infrastruktur handele, könne das durch die Sehenswürdigkeit angelockte Publikum als Laufkundschaft gewonnen werden. Ferner könnten die beanspruchten Waren auf der Besucherplattform oder im Eingangsbereich des Turms als Souvenirs verkauft werden, zumal berühmte Gebäude, insbesondere [X.] als Motive auf den Produkten oder ihren Verpackungen abgebildet sein oder deren äußere Form bestimmen könnten. Das angemeldete Zeichen sei daher auch zur Beschreibung der Formgebung bzw. Art der Verpackung der in Rede stehenden Waren geeignet. Eine über diese beschreibende Bedeutung hinausgehende Eigentümlichkeit bzw. Originalität weise das sprachüblich gebildete Anmeldezeichen nicht auf.

6

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Sie ist der Ansicht, es handele sich um ein Phantasiewort ohne beschreibenden Bezug zu den beanspruchten Waren. Der [X.], auf den das Anmeldezeichen möglicherweise hindeute, eigne sich als technischer und touristischer Ort weder gegenwärtig noch künftig zur Herstellung der fraglichen Produkte, bei denen es sich um Waren des laufenden Verbrauchs handele, die keine Eigenschaften aufwiesen, für die der "[X.]" traditionell bekannt sei. Nach den Entscheidungen des [X.] ([X.], Urt. v. 5. Juli 2016 - [X.]/15) und des [X.]hofs ([X.] [X.], 1146) zu "[X.]" könne "[X.]" aber auch als Vertriebsort nicht auf die geographische Herkunft der beanspruchten Waren hinweisen, weil dieser sich nicht dazu eigne, eigene Merkmale, Beschaffenheiten oder Besonderheiten dieser Produkte zu bezeichnen. Der umgangssprachlich "[X.]" genannte [X.] sei nicht wegen möglicherweise dort verkaufter Souvenirartikel bekannt, sondern wegen seiner architektonischen Einzigartigkeit in der [X.]er Skyline und möglicherweise zukünftig wieder aufgrund seiner Begehbarkeit als Aussichtsplattform für Touristen. Da der Bestandteil "[X.]" als Abkürzung für "[X.]vision" die technische Hauptfunktion eines [X.]s andeute und das Element [X.]" als Anspielung auf die [X.]er Hauptkirche verstanden werden könne, sei die angemeldete Wortkombination "[X.]" zur betrieblichen Herkunftsunterscheidung geeignet. Es sei das Ergebnis einer unzulässigen analysierenden Betrachtungsweise, wenn die umgangssprachliche Fantasiebezeichnung "[X.]" zunächst gedanklich mit der offiziellen Gebäudebezeichnung "[X.]" verknüpft, diesem dann eine Form bzw. ein Motiv zugeordnet und sodann eine gedankliche Verknüpfung der Gebäudeform mit der so bezeichneten Ware vorgenommen werde. Da die Markenstelle die aktuelle Rechtsprechung zu "[X.]" nicht beachtet und die Anmeldung überwiegend zu Unrecht zurückgewiesen habe, liege ein schwerwiegender Begründungsmangel vor, weshalb die Beschwerdegebühr zu erstatten sei.

7

Die Anmelderin beantragt sinngemäß,

8

1. den Beschluss der Markenstelle für Klasse 3 des [X.] vom 6. Dezember 2019 aufzuheben;

9

2. die Rückzahlung der Beschwerdegebühr anzuordnen.

Hilfsweise regt sie die Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß § 83 Abs. 2 Nr. 1 und 2 [X.] mit der Begründung an, es liege ein mit dem [X.]-Fall vergleichbarer Sachverhalt vor, der zudem grundsätzliche Bedeutung habe, weil es um die Auslegung der in der [X.]-Entscheidung aufgestellten Leitsätze und der Ausfüllung ihrer Lücken gehe.

Die Anmelderin ist mit gerichtlichem Schreiben vom 27. September 2021 unter Beifügung von [X.] ([X.] 1 bis 5, [X.]. 19 – 61 [X.]) darauf hingewiesen worden, dass der Eintragung des Anmeldezeichens für die Waren "Parfümeriewaren und Duftstoffe; Körperreinigungspräparate; Körperpflegepräparate; Ätherische Öle und aromatische Extrakte; Raumdüfte" Schutzhindernisse entgegenstünden.

Daraufhin hat sie beim [X.] mit Erklärung vom 18. Oktober 2021 die Teilung der Anmeldung unter Abtrennung der vorgenannten Produkte beantragt. Nachdem sie mit gerichtlichem Schreiben vom 10. November 2021 darauf hingewiesen worden ist, dass diese Teilungserklärung für unzulässig erachtet werde, hat sie mit Schriftsatz vom 7. Dezember 2021 die Rücknahme des [X.] erklärt und beantragt,

die [X.] zu erstatten.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig, hat aber nur im tenorierten Umfang Erfolg, weil insoweit die Schutzhindernisse des § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 [X.] nicht vorliegen. Für die übrigen beanspruchten Waren stehen der Eintragung des angemeldeten Wortzeichens "[X.]" als Marke die Schutzhindernisse der Freihaltebedürftigkeit gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] und der fehlenden Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] entgegen. Die Markenstelle hat die Anmeldung deshalb insoweit im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen (§ 37 Abs. 1 [X.]).

1. a) Nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] sind von der Eintragung Marken ausgeschlossen, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Menge, der Bestimmung, des Wertes, der geographischen Herkunft, der [X.] oder der Erbringung der Dienstleistungen oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Waren oder Dienstleistungen dienen können. Diese Bestimmung verfolgt das im Allgemeininteresse liegende Ziel, dass Zeichen oder Angaben, die ein Merkmal oder mehrere Merkmale der beanspruchten Waren oder Dienstleistungen beschreiben, von allen Wirtschaftsteilnehmern, die solche Waren oder Dienstleistungen anbieten, frei verwendet werden können und nicht aufgrund ihrer Eintragung als Marke einem Unternehmen vorbehalten werden ([X.] GRUR 2011, 1035 [X.]. 37 – [X.] [X.]/[X.] [1000]; [X.], 1166 [X.]. 13 f. – [X.]ack Friday; [X.], 186 [X.]. 38 – [X.]werke Bremen).

Ob ein Zeichen oder eine Angabe beschreibend ist, bestimmt sich nach dem Verständnis der Verkehrskreise, die als Abnehmer oder Interessenten der betroffenen Waren oder Dienstleistungen in Betracht kommen (vgl. [X.], [X.], 723 [X.]. 29 – [X.] [[X.]]; [X.] a. a. [X.] [X.]. 14 – [X.]ack Friday; [X.], 669 [X.]. 16 – [X.]). Dabei ist auf das Verständnis des Handels und/oder des normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers als maßgebliche Verkehrskreise zum Anmeldezeitpunkt abzustellen (vgl. [X.] GRUR 2006, 411 [X.]. 24 – Matratzen Concord/[X.]; [X.], 682 [X.]. 23 - 25 – [X.]; a. a. [X.] – [X.] [[X.]]; [X.] a. a. [X.] [X.]. 19 – [X.]ack Friday; a. a. [X.] – [X.]werke Bremen).

Ein Freihaltebedürfnis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] setzt nicht voraus, dass die Zeichen und Angaben nach dem zum [X.]punkt der Anmeldung bestehenden Verkehrsverständnis bereits tatsächlich für die Merkmale der beanspruchten Waren oder Dienstleistungen beschreibend verwendet werden. Wie sich aus dem Wortlaut der Bestimmung ergibt, genügt es, dass die Zeichen oder Angaben diesem Zweck dienen können. Ein Freihaltebedürfnis liegt deshalb auch vor, wenn die Benutzung der angemeldeten Marke als [X.] noch nicht zu beobachten ist, eine solche Verwendung aber jederzeit in Zukunft erfolgen kann (vgl. [X.] GRUR 2010, 534 [X.]. 52 – Prana Haus/[X.] [[X.]]; [X.], 146 [X.]. 32 – [X.]/[X.] [[X.]]; [X.], 680 [X.]. 38 – [X.] [[X.]]; [X.] a. a. [X.] – [X.]ack Friday; a. a. [X.] [X.]. 42 – [X.]werke Bremen).

b) Ausgehend von diesen Grundsätzen hat das angemeldete Wortzeichen "[X.]" aus Sicht der angesprochenen breiten inländischen Verkehrskreise schon zum Anmeldezeitpunkt, dem 28. Juni 2019, ausschließlich aus einer Angabe bestanden, die zur unmittelbaren Beschreibung der beanspruchten Waren aus dem Bereich der Duft- und Körperpflegeprodukte, nämlich "Parfümeriewaren und Duftstoffe; Körperreinigungspräparate; Körperpflegepräparate; Ätherische Öle und aromatische Extrakte; Raumdüfte", geeignet ist.

aa) Von den vorgenannten Waren werden breite Verkehrskreise, nämlich sowohl der normal informierte, angemessen aufmerksame und verständige Durchschnittsverbraucher als auch der Fachhandel für Drogerie- und Parfümeriewaren angesprochen.

bb) Die angemeldete Wortkombination "[X.]" setzt sich aus den Bestandteilen "[X.]" und [X.]" zusammen.

aaa) "[X.]" ist ein aus dem [X.] stammendes Wortbildungselement mit der Bedeutung "fern, weit, in der/die Ferne", wie z. B. "[X.]vision", "[X.]kommunikation", "[X.]objektiv", "[X.]arbeit" oder "[X.]kolleg" ([X.], [X.], Band 9, 3. Aufl. 1999, S. 3874).

bbb) [X.]" ist die Kurzform des männlichen Vornamens "Michael" (https://www.duden.de/rechtschreibung/Michel_maennlicher_Vorname; [X.], a. a. [X.], Band 6, [X.]), die Bezeichnung für "[X.]" oder für einen einfältig-naiven Menschen, wie in dem Ausdruck "[X.] Michel" für einen "weltfremden, unpolitischen, etwas schlafmützigen Deutschen" (https://www.duden.de/rechtschreibung/Michel_Dummkopf_[X.]; [X.], a. a. [X.]). Ferner wird dieser Name auch als volkstümliche Kurzform für die Hauptkirche [X.] in [X.], dem bekanntesten Wahrzeichen der [X.], verwendet.

ccc) Offenbar in Anlehnung daran wird der "[X.]", ein ca. 280 m hoher [X.] in [X.]-[X.], als weiteres bekanntes Wahrzeichen der [X.] im Volksmund "[X.]" genannt.

cc) Das Anmeldezeichen besteht also aus dem volkstümlichen Namen des [X.]er [X.]s, der auch in der Schreibweise "[X.]-Michel" schon vor dem Anmeldetag, dem 28. Juni 2019, verwendet worden ist, wie eine Internetrecherche ergeben hat:

- "Der [X.] – [X.]s "[X.]" … Der [X.]er [X.] – im Volksmund auch "[X.]" genannt – gehört zu den wichtigsten Wahrzeichen der [X.]. …" (22.01.2017, https://www.ndr.de/geschichte/Der-[X.]-[X.]s-[X.],fernsehturm184.htmlhttps://www.ndr.de/geschichte/Der-[X.]-[X.]s-[X.],fernsehturm184.html, [X.] 1 zum ersten gerichtlichen https://www.ndr.de/geschichte/Der-[X.]-[X.]s-[X.],fernsehturm184.html, [X.] 1 zum ersten gerichtlichen Hinweis, im Folgenden genannte Anlagen beziehen sich auf diesen gerichtlichen Hinweis);

- "[X.] ([X.]) in [X.] - Das zurzeit höchste Gebäude der [X.] [X.] ist der [X.], der allerdings in [X.] nur "[X.]-Michel" genannt wird. … Auch gibt es zur [X.] (Stand: August 2006) keinen Betreiber für den Restaurant-Bereich, …" ([X.]/ [X.]/[X.].html [X.]/ [X.]/[X.].html, [X.] 1);

- [X.]/ [X.]/[X.].html, [X.] 1);

- "[X.] [X.] - Der [X.]er [X.]-Michel - Der [X.] als höchstes Gebäude der [X.] [X.] prägt das [X.]bild als allgegenwärtiger Gigant. Die Aussichtsplattform und das [X.] sollen ab 2023 wieder öffnen. … Der [X.] als Orientierungspunkt in [X.] - Der im Volksmund als [X.]-Michel bekannte Fernmeldeturm im [X.]teil [X.] ist als [X.]ickfang aus der [X.] nicht mehr wegzudenken. …" (https://www.hamburg.de/fernsehturm, [X.] 1);

- "Den [X.] kaufen - [X.]er können ihr Wahrzeichen nun auch in Gold kaufen und Gutes tun … ([X.]er Wochenblatt Nr. 36 vom 6. September 2017, [X.] 1);

- "[X.]er [X.] - ein Wahrzeichen der [X.] - Der [X.]er [X.] ist nicht nur ein Wahrzeichen, das die Kulisse der [X.] prägt, sondern auch das höchste Bauwerk seit seiner Eröffnung 1968. Benannt wurde der Turm nach dem [X.] Physiker [X.] – die [X.]er selbst nennen ihn liebevoll [X.]. …" (https://ahoihamburg.de/fernsehturm/, [X.] 3).

dd) [X.] sind funktionsbedingt schlanke, hohe Bauwerke, die oft optisch auffällig aus dem [X.]bild herausstechen und häufig als Wahrzeichen der jeweiligen [X.] angesehen werden. Da sie meistens für Besucher zugänglich sind und wegen ihrer Höhe eine besonders gute Aussicht bieten, sind sie zugleich eine Besucher- bzw. Touristenattraktion. In [X.] sind der [X.]er [X.], der [X.], im Volksmund "Langer Lulatsch" genannt, der [X.] [X.] und der [X.] bekannt. International stellen beispielsweise der [X.] in [X.] und die [X.] von Moskau, [X.] und [X.] Touristenattraktionen dar ([X.] 2).

ee) Die charakteristische Form solcher Wahrzeichen und Sehenswürdigkeiten weisen auch Waren und Verpackungen auf dem Gebiet der Duft- und Körperpflegeprodukte auf.

aaa) Flüssige Parfümeriewaren, Duftstoffe, ätherische Öle und aromatische Extrakte werden in entsprechend gestalteten Flakons oder anderen Glasbehältern angeboten. Beispielsweise wurden schon vor dem Anmeldezeitpunkt, dem 28. Juni 2019, Herren- und Damendüfte in Glasfläschchen in der verkleinerten Form des [X.]er [X.]s verkauft, wobei auch in der Warenbeschreibung auf diese besondere Gestaltung hingewiesen wird:

"… Im stilvollen, matt-schwarz veredelten [X.]-Glasflakon und in edler schwarz-metallener Verpackung ist das [X.] ein zusätzlicher Hingucker. [X.] OF [X.] – so atemberaubend wie die Hauptstadt selbst!" (August 2018, [X.] ..., [X.] 4).

bbb) Auch ein Raumduft in einer Glasflasche mit der Zeichnung des [X.]er [X.]s auf ihrem großflächigen Etikett ist vor dem Anmeldezeitpunkt erhältlich gewesen:

"[X.]": So duftet die Großstadt – [X.] [X.]? Da gibt es unterschiedliche Ansichten, und nicht alle sind schmeichelhaft. Die [X.] hat ihre eigene Vorstellung – und das Raumspray "[X.]" kreiert. Der Duft? Dynamisch, spritzig und ziemlich multikulti. "[X.]" mit ätherischen Ölen … Als Symbol auf den Flakons dient eine Zeichnung des [X.]er [X.]s. …" (16. Juni 2018, [X.] 4).

ccc) Körperreinigungs- und Körperpflegepräparate können ebenfalls entweder in entsprechend geformte Glas- oder Plastikbehältnisse gefüllt werden, selbst die Form eines [X.]s annehmen oder einen entsprechenden Motivaufdruck tragen. Beispielsweise gibt es mehrere Seifen in der Form verschiedener bekannter [X.], mit Einprägung oder Motiv auf dem Seifenstück selbst oder als Abbildung auf der Verpackung:

- "[X.] mit dem Seifen-Tower – [X.] (42) aus [X.] hat eine [X.]-Seife designt. 150 Gramm schwer und 20 Zentimeter groß. Der [X.] duftet nach [X.], [X.] und Holz. Statt starrer Antennenspitze baumelt eine knallrote Kordel auf der Kugel. Das [X.]er Wahrzeichen zum Einschäumen und Wohlfühlen! …" (13. Mai 2014, [X.] [X.], [X.] 4);

- [X.], [X.] 4);

- "[X.]" … Die original [X.]er [X.]-Seife mit wunderbar frischem Citrus-Bergamot Duft. 150 g reinstes Dusch- und Badevergnügen kommen an der praktischen Kordel: Aufhängen, trocknen lassen, fertig! Nie wieder Seifenmatsch am Waschbecken. …" (www.0711store.de/de/dusch-und-badeseife-fernsehturm-p-966, Auszug aus archive.org zum 8. Juli 2018, [X.] 4);

- "Handgemachte Seife [X.]er [X.] [X.] – [X.]" (www.ebay.de/itm/..., [X.] 4);

- "Atelier [X.] - Seife [X.]er [X.] (120g) … aus einer schönen Perspektive fotografiert und in Seife gebracht. …" ([X.] 4);

- "[X.] … Ganz Neu: Die 0711 Seife für alle [X.] Fans – mit [X.]-Prägung. [X.] auch als Geschenk. … ([X.], Auszug aus archive.org zum 14. August 2019, [X.] 4).

ddd) Neben [X.]n sind auch andere turmartige Sehenswürdigkeiten, wie z. B. der [X.], regelmäßig Form von oder Motiv auf Duftflakons, [X.], Cremetuben, Seifen oder (Raum-)Duftsprayflaschen ([X.] 5).

ff) Daher ist das angemeldete Wortzeichen "[X.]" in Bezug auf feste Körperreinigungs- und -pflegepräparate, wie z. B. Seifenstücke, nur als eine unmittelbar beschreibende Aussage über deren Form oder Motiv aufgefasst worden. Bei den flüssigen, gasförmigen, creme- oder pulverförmigen Duft-, Körperreinigungs- und -pflegeprodukten, die nur in Flakons, Plastikflaschen, Glas- oder Plastiktiegeln, Glas- oder Plastikdosen oder Ähnlichem gehandelt werden, hat das Anmeldezeichen lediglich die Form oder das Motiv dieser Behältnisse angegeben. Ferner hat es bei allen beanspruchten Waren auch das auf der Verpackung abgebildete Motiv benennen können. Das angemeldete Wortzeichen "[X.]" ist somit aus Sicht der angesprochenen Verkehrskreise schon am Anmeldetag geeignet gewesen, die Form oder das Motiv der in Rede stehenden Waren der Klasse 3 oder deren Behältnisse oder Verpackungen anzugeben (vgl. [X.] 26 W (pat) 503/12 – [X.]; 29 W (pat) 41/12 – [X.]; 26 W (pat) 16/15 – Spider [X.]; 28 W (pat) 523/12 – Märchenprinzen). Wie das Ergebnis der [X.] gezeigt hat, ist die äußere Form und Ausgestaltung der Ware oder Warenverpackung für Duft- und Körperpflegeprodukte ein Merkmal, das vom Anbieter hervorgehoben wird und bei der Kaufentscheidung eine Rolle spielen kann.

gg) Da die Eignung zur Beschreibung festgestellt worden ist, bedarf es für die Begründung des [X.] wegen eines bestehenden Freihaltebedürfnisses keines weiteren lexikalischen oder sonstigen Nachweises, dass und in welchem Umfang das Anmeldezeichen als beschreibende Angabe bereits vor dem Anmeldezeitpunkt bekannt war oder verwendet wurde. Es genügt, wie sich schon aus dem Wortlaut des § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] ergibt, dass sie diesem Zweck dienen kann.

hh) Da das Anmeldezeichen einen bekannten, volkstümlichen Gebäudenamen wiedergibt, fehlt es an einer ungewöhnlichen Änderung, die hinreichend weit von der [X.] wegführt ([X.] [X.], 674 [X.]. 98 - 100 – Postkantoor; a. a. [X.] [X.]. 39 - 41 – [X.] [[X.]]; [X.] [X.], 949 [X.]. 13 – [X.]). Von einer unüblichen, fantasievollen Wortverbindung, die erst nach [X.] Betrachtungsweise aufgrund mehrerer Gedankenschritte als beschreibende Angabe verstanden wird, kann entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin nicht ausgegangen werden. Da der Verkehrsteilnehmer das angemeldete Wortzeichen "[X.]" als die volkstümliche Bezeichnung des [X.]er [X.]s erkennt, der sich als Form oder Motiv der so gekennzeichneten Duft- und Körperpflegewaren eignet, schließt er ohne analysierende Schritte auf eine entsprechende Merkmalsangabe.

2. Wegen seines unmittelbar beschreibenden Charakters für die vorgenannten Waren hat dem angemeldeten Wortzeichen "[X.]" zum Anmeldezeitpunkt auch die erforderliche Unterscheidungskraft gemäß § 8 Ab. 2 Nr. 1 [X.] gefehlt.

3. Für die weiteren beanspruchten Waren der Klasse 3 "Präparate für die Mundhygiene; Fahrzeugreinigungsmittel; Waschmittel; Leder- und Schuhreinigungs- und -poliermittel" ist das angemeldete Wortzeichen "[X.]" weder freihaltebedürftig (§ 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.]), noch vermittelt es den angesprochenen breiten Verkehrskreisen einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt, noch stellt es einen engen beschreibenden Bezug zu ihnen her (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.]). Bei Behältnissen oder Verpackungen dieser Waren legt das Publikum keinen Wert auf Formen oder Motive bekannter Sehenswürdigkeiten. Daher werden sie regelmäßig weder entsprechend gestaltet noch erwartet der Verkehr bei den mit "[X.]" gekennzeichneten Reinigungsmitteln eine entsprechende Ausstattung.

III.

1. Der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr gemäß § 71 Abs. 3 [X.] hat keinen Erfolg

a) Die Rückzahlung ist anzuordnen, wenn die Einbehaltung der Gebühr unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und bei Abwägung der Interessen des Beschwerdeführers einerseits und der Staatskasse andererseits unbillig wäre. Dabei ist der Erfolg der Beschwerde kein Rückzahlungsgrund. Es müssen auch hier besondere Umstände hinzukommen. [X.] für die Rückzahlung können sich insbesondere aus Verfahrensfehlern des [X.] wie der Verletzung rechtlichen Gehörs ergeben. Die fehlerhafte Anwendung materiellen Rechts rechtfertigt die Rückzahlung nur dann, wenn die Rechtsanwendung als völlig unvertretbar erscheint, z. B. weil eindeutige gesetzliche Vorschriften oder eine gefestigte [X.] bzw. eine ständige Rechtsprechung unbeachtet geblieben sind ([X.]E 50, 54, 60 – Markenumschreibung; [X.] 30 W (pat) 20/08 – [X.] und Silber; 26 W (pat) 20/15 – Goldkehlchen). Eine Rückzahlung der Beschwerdegebühr ist jedoch nicht veranlasst, wenn auch ohne ein Fehlverhalten der Markenstelle inhaltlich dieselbe Entscheidung ergangen wäre und deshalb ohnehin Beschwerde hätte eingelegt werden müssen, weil es in diesem Falle an der erforderlichen Kausalität des Fehlers der Markenstelle für die Beschwerdeeinlegung fehlt (st. Rspr.: [X.]E 30, 207, 210 f.; [X.] 25 W (pat) 566/17 – CE+). Letzteres ist hier der Fall.

b) Es kann dahinstehen, ob die Begründung des angefochtenen Beschlusses, in der das Anmeldezeichen vorrangig als Hinweis auf eine [X.] und Angebotsstätte angesehen worden ist, die [X.]-Entscheidung zu "[X.]" ([X.], 1146) unberücksichtigt lässt, zumal die Markenstelle ihre Entscheidung auch darauf gestützt hat, dass das angemeldete Wortzeichen die Formgebung oder die Art der Verpackung der beanspruchten Waren unmittelbar beschreiben könne. Ohne ein etwaiges Fehlverhalten der Markenstelle wäre für die in Rede stehenden Duft- und Körperreinigungs- und -pflegewaren im Ergebnis die gleiche (Teil-)Zurückweisungsentscheidung ergangen, weshalb die Anmelderin hätte Beschwerde einlegen müssen. Es fehlt daher an der Kausalität zwischen dem von der Anmelderin angenommenen Fehlverhalten der Markenstelle und der Notwendigkeit der Beschwerdeeinlegung.

2. Der Antrag auf Rückzahlung der [X.] ist unzulässig.

Denn für die Entscheidung über diesen Antrag ist das [X.] nicht zuständig. Der Erstattungsantrag hat sich gegen die Stelle zu richten, an die die [X.] gezahlt worden ist. Erst wenn das [X.] die Rückzahlung ablehnt, ist hiergegen Beschwerde zum [X.] gegeben ([X.] 6 W (pat) 23/98; 6 W (pat) 33/98 – Drehmomentübertragungseinrichtung).

IV.

Die von der Anmelderin angeregte Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 83 Abs. 2 [X.] ist nicht veranlasst.

Weder ist über eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden (§ 83 Abs. 2 Nr. 1 [X.]), noch ist die Zulassung der Rechtsbeschwerde zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung als erforderlich zu erachten (§ 83 Abs. 2 Nr. 2 [X.]).

Der Senat weicht entgegen der Ansicht der Anmelderin nicht von der Entscheidung des [X.] zu "[X.]" ([X.], 1146) ab. Danach ist zum einen die einer Ware zugedachte Funktion als Souvenir kein objektives, dem Wesen der Ware innewohnendes Merkmal, da diese Funktion vom freien Willen des Käufers abhängt und allein an seinen Intentionen ausgerichtet ist (a. a. [X.] [X.]. 44 f.). Zum anderen stellt nach diesem Urteil der Vertriebsort keine für die geographische Herkunft beschreibende Angabe dar, weil der Ort des Verkaufs nicht dazu geeignet ist, eigene Merkmale, Beschaffenheiten oder Besonderheiten der Waren zu bezeichnen, die – wie ein Handwerk, eine Tradition oder ein Klima, die einen bestimmten Ort kennzeichnen – mit ihrer geographischen Herkunft verbunden sind (a. a. [X.] [X.]. 50).

In der vorliegenden Teilzurückweisung der Beschwerde für Duft- und Körperpflegewaren hat der Senat weder auf die Warenfunktion als Souvenir noch auf den Ort der Herstellung oder des Verkaufs der Produkte abgestellt, sondern nur geprüft, ob die Benennung eines konkreten Gebäudes, das das Wahrzeichen eine [X.] darstellt, für bestimmte Waren als Hinweis auf deren Form, Motiv oder Verpackungsgestaltung aufgefasst werden kann. Damit handelt es sich um Merkmale, die in dem vorgenannten [X.]-Urteil und der vorinstanzlichen Entscheidung des [X.] (Urt. v. 5. Juli 2016 - [X.]/15) gar nicht angesprochen worden sind, so dass die dort aufgestellten Grundsätze unangetastet bleiben. Es ist auch nicht erkennbar, dass und inwieweit unter diesen Umständen etwaige Lücken zu schließen wären, die das Urteil des [X.] offen gelassen hätte. Im Übrigen ist der Senat entgegen der Auffassung der Anmelderin nicht von einem "analogen Sachverhalt" ausgegangen. Die beiden Fallgestaltungen entsprechen sich nur insoweit, als sowohl die Marke "[X.]" als auch das Wortzeichen "[X.]" jeweils eine bekannte Sehenswürdigkeit benennen.

Im Übrigen hat der Senat bei der Beurteilung der Schutzfähigkeit die vom [X.] und [X.] in ständiger Rechtsprechung aufgestellten Maßstäbe angelegt.

Meta

26 W (pat) 19/20

22.02.2022

Bundespatentgericht 26. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

§ 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG, § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 22.02.2022, Az. 26 W (pat) 19/20 (REWIS RS 2022, 1115)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 1115

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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