Bundessozialgericht, Beschluss vom 25.11.2019, Az. B 11 SF 10/19 S

11. Senat | REWIS RS 2019, 1221

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Sozialgerichtliches Verfahren - Rechtsweg - Bestimmung des zuständigen Gerichts durch das BSG bei sog negativem rechtswegübergreifenden Kompetenzkonflikt - Durchbrechung der Bindungswirkung des Verweisungsbeschlusses - willkürliche Entscheidung - zuständiges Sozialgericht bei Streitigkeiten aus dem Leistungserbringerrecht der GKV


Tenor

Das [X.] wird zum zuständigen Gericht bestimmt.

Gründe

1

I. Die Klägerin ist ein pharmazeutisches Unternehmen mit Sitz in [X.].. Der [X.] hat für das von ihr im Juli 2011 eingeführte Arzneimittel A. nach § 130a Abs 3a Satz 4 [X.] auf Basis des Preises des von ihr bereits in den Verkehr gebrachten Arzneimittels V. einen erweiterten [X.]-[X.]abatt in Höhe von 37,45 Euro festgelegt und in das [X.] aufgenommen. Zur Berechnung der [X.] hat der [X.] seine nach § 130 Abs 3a Satz 11 [X.] getroffenen "[X.]egelungen zum [X.] nach § 130a Abs 3a - Leitfaden zu § 130a Abs 3a [X.]" herangezogen, in dem ua Kriterien zur Ermittlung der Vergleichspackung und der [X.] getroffen sind. Mit ihrer im Dezember 2015 beim [X.] erhobenen Klage begehrt die Klägerin die Feststellung der [X.]echtswidrigkeit der Festlegung eines [X.]-[X.]abattes durch die [X.]. Das erweiterte [X.] sei nicht anwendbar, weil es bereits an der hierfür erforderlichen Preiserhöhung fehle. Die [X.]egelungen in § 130a Abs 3a [X.] seien verfassungswidrig.

2

Nach Anhörung der Beteiligten hat sich das [X.] für örtlich unzuständig erklärt und den [X.]echtsstreit an das für den Sitz der Klägerin örtlich zuständige [X.] verwiesen (Beschluss vom [X.] - [X.] [X.] 4244/15 - Pharm[X.] 2019, 486 ff). Eine Sonderzuständigkeit nach § 57a Abs 4 SGG greife nur für eine Entscheidung, die sich ausschließlich auf [X.] der Entscheidung oder des [X.] beziehe (Hinweis auf BSG vom [X.] SF 4/11 S - juris [X.]dNr 10; BSG vom 18.7.2012 - B 12 SF 5/12 S - juris [X.]dNr 9). Streitgegenstand der Feststellungsklage sei die vom [X.]n konkret berechnete [X.] für das von der Klägerin in Verkehr gebrachte Arzneimittel. Auch wenn der [X.] die konkrete Ermittlung der [X.] auf Grundlage seines Leitfadens vorgenommen habe, sei dieser dadurch nicht unmittelbar streitgegenständlich. Seine Wirksamkeit und Auslegung seien lediglich inzident im [X.]ahmen der [X.]echtmäßigkeit des festgelegten [X.]s zu prüfen. Aus dem Klageantrag und dem zugrundeliegenden Sachverhalt ergebe sich gerade nicht, dass die Klägerin ausschließlich eine (abstrakte) Feststellung der Gültigkeit des Leitfadens begehre.

3

Nach Anhörung der Beteiligten hat sich das [X.] gleichfalls für örtlich unzuständig erklärt und das BSG zur Bestimmung des zuständigen Gerichts angerufen (Beschluss vom [X.]). Das [X.] habe prüfen müssen, ob die Festlegung eines [X.]-[X.]abattes für das von der Klägerin vertriebene Arzneimittel A. durch die [X.] eine Entscheidung iS des § 57a Abs 4 SGG darstelle. Dies sei der Fall, weil hiermit durch den auf Bundesebene tätigen Spitzenverband verbindlich eine einheitliche Preisgestaltung vorgenommen werde. Der Beschluss des [X.] sei nicht bindend, weil es die [X.]echtsnatur der - zutreffend als Streitgegenstand eingeordneten - Festlegung des [X.]-[X.]abattes durch den [X.]n nicht beurteilt habe.

4

II. Die Voraussetzungen zur Zuständigkeitsbestimmung nach § 58 Abs 1 [X.] SGG ("negativer Kompetenzkonflikt") durch das BSG liegen vor. Das [X.] konnte von einem eigenen Verweisungsbeschluss absehen und von seiner Unzuständigkeit ausgehend unmittelbar das BSG zur Bestimmung des zuständigen Gerichts anrufen (vgl BSG vom 27.5.2004 - B 7 SF 6/04 S - Soz[X.] 4-1500 § 57a [X.] [X.]dNr 8).

5

Das [X.] ist zum zuständigen Gericht zu bestimmen, weil dieses an den Verweisungsbeschluss des [X.] vom [X.] gebunden ist. Das Gesetz bestimmt in § 98 SGG iVm § 17a Abs 2 Satz 3 GVG, dass eine Verweisung wegen örtlicher Unzuständigkeit für das Gericht, an das verwiesen wird, bindend ist. Nur in seltenen Ausnahmefällen kommt eine Durchbrechung der Bindungswirkung in Betracht, wenn die Verweisung auf einer Missachtung elementarer Verfahrensgrundsätze oder auf willkürlichen Erwägungen beruht. Eine fehlerhafte Auslegung des Gesetzes allein macht eine Gerichtsentscheidung nicht willkürlich. Willkür liegt vielmehr erst vor, wenn die [X.]echtslage in krasser Weise verkannt wird und die vertretene Auffassung jeden sachlichen Grundes entbehrt, sodass sich die Verweisung bei Auslegung und Anwendung der maßgeblichen Normen in einer nicht mehr hinnehmbaren Weise von dem verfassungsrechtlichen Grundsatz des gesetzlichen [X.]ichters entfernt (st[X.]spr; vgl nur BSG vom [X.] SF 4/18 S - juris [X.]dNr 6 mwN).

6

Ein solcher Ausnahmefall liegt nicht vor. In der Begründung zu seinem Verweisungsbeschluss ist das [X.] zu dem Ergebnis gelangt, dass vorliegend keine Entscheidung auf Bundesebene iS des § 57a Abs 4 SGG unmittelbar im Streit steht. Hierfür hat es sich auf die [X.]echtsprechung des vormals zuständigen 12. Senats des BSG bezogen, wonach mehr dafür spreche, dass die örtliche Zuständigkeit der in § 57a Abs 4 SGG bezeichneten Sozialgerichte nur für solche Streitigkeiten aus dem Leistungserbringungsrecht der [X.] angeordnet werde, die sich ausschließlich auf [X.] der Entscheidung oder des [X.] beziehen, also Entscheidungen oder Verträge insoweit "betreffen", als diese selbst und unmittelbar im Streit stehen (vgl BSG vom 18.7.2012 - B 12 SF 5/12 S - juris [X.]dNr 9 mwN; [X.], [X.] 2012, 317, 321). Entgegen der Ansicht des [X.] ist nicht erkennbar, dass das [X.] die Verweisung ausgehend von einem unzutreffend bestimmten Streitgegenstand vorgenommen hat. Es ist davon ausgegangen, dass vorliegend der konkret im Einzelfall des streitigen Arzneimittels festgelegte [X.]-[X.]abatt auf der Grundlage des § 130a Abs 3a Satz 4 [X.], den die Klägerin nicht für anwendbar hält, im Streit steht. Dieses vom [X.] zugrunde gelegte Normverständnis und seine darauf gegründete Entscheidung können nach dem dargelegten Prüfungsmaßstab nicht von vornherein als mit dem Gesetz "eindeutig" unvereinbar oder "willkürlich" angesehen werden, weshalb es bei der Bindungswirkung des [X.] bleibt.

Meta

B 11 SF 10/19 S

25.11.2019

Bundessozialgericht 11. Senat

Beschluss

Sachgebiet: SF

vorgehend SG Lübeck, 27. August 2019, Az: S 51 KR 521/19

§ 57a Abs 4 SGG, § 58 Abs 1 Nr 4 SGG, § 98 SGG, § 17a Abs 2 S 3 GVG, Art 19 Abs 4 GG, § 130a Abs 3a S 4 SGB 5

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 25.11.2019, Az. B 11 SF 10/19 S (REWIS RS 2019, 1221)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 1221

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