Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.04.2014, Az. StB 4/14

3. Strafsenat | REWIS RS 2014, 6341

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS

StB 4/14
vom
10. April 2014
in dem Strafverfahren
gegen

wegen
Beihilfe zum Mord und Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung
hier: sofortige Beschwerde des Verurteilten gegen die Ablehnung der
Aussetzung
der Vollstreckung des Strafrests zur Bewährung

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Der 3.
Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] sowie des Beschwerdeführers und seiner Verteidiger am 10. April 2014 gemäß §
454 Abs.
3 Satz 1, § 304 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 2 Nr. 5 StPO
beschlossen:
Die
sofortige Beschwerde des Verurteilten
gegen den Beschluss des [X.] vom 20.
Dezember 2013 wird verworfen.
Der Verurteilte trägt die Kosten des Rechtsmittels.

Gründe:
1. Der 7. Strafsenat des
Hanseatischen
Oberlandesgerichts [X.]
hat den Beschwerdeführer auf Grundlage der Urteile des 4. Strafsenats [X.] Gerichts vom 19. August 2005 und des [X.]
vom 16.
November 2006 (3 [X.], [X.], 384) am 8. Januar 2007
wegen Beihilfe zum 246fachen Mord in Tateinheit mit Mitgliedschaft in einer terroristi-schen Vereinigung zu der Freiheitsstrafe von fünfzehn Jahren verurteilt. Zwei Drittel dieser Strafe waren am 15. Januar 2014 verbüßt. Mit Beschluss vom 20.
Dezember 2013
hat das [X.] es abgelehnt, die Vollstreckung des Strafrests zur Bewährung auszusetzen. Die hiergegen ge-richtete sofortige Beschwerde
des Verurteilten bleibt ohne Erfolg.

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2. Die Aussetzung der Vollstreckung des Strafrests zur
Bewährung kann derzeit unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit nicht verantwortet werden (§ 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB).

a) Nach § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB ist die Vollstreckung des Restes einer zeitigen Freiheitsstrafe bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen die-ses Absatzes dann zur Bewährung auszusetzen, wenn dem Verurteilten eine günstige Prognose für eine Legalbewährung in Freiheit gestellt werden kann. Dabei sind an die Erwartung künftiger Straffreiheit umso strengere Anforderun-gen zu stellen, je gewichtiger das im Falle eines Rückfalls bedrohte Rechtsgut ist ([X.], Beschlüsse vom 25. April 2003 -
StB 4/03, [X.]R StGB § 57 Abs. 1 Erprobung 2; vom 4. Oktober 2011 -
StB 14/11, [X.], 8). Die vorzu-nehmende Abwägung zwischen den zu erwartenden Wirkungen des bereits erlittenen Strafvollzugs und dem Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit kann auch bei Kapitaldelikten, schweren Sexualstraftaten oder terroristischen Ver-brechen zu dem Ergebnis führen, dass die bedingte Entlassung aus dem Straf-vollzug verantwortbar ist; die Voraussetzungen an eine positive Legalprognose dürfen auch in diesem Bereich nicht so hochgeschraubt werden, dass dem Verurteilten letztlich kaum eine Chance auf vorzeitige Haftentlassung bleibt ([X.], Beschluss vom 4. Oktober 2011 -
StB 14/11, [X.], 8). [X.] wenn sich ein terroristischer Straftäter im Vollzug ordnungsgemäß führt und von seiner früheren Gewaltbereitschaft glaubhaft lossagt, kann auch hier eine Aussetzung der Vollstreckung
der Restfreiheitsstrafe zur Bewährung in Betracht kommen (vgl. [X.], Beschluss vom 15. Januar 1990 -
StB 39/89, [X.]R StGB § 57 Abs. 1 Erprobung 1). Dazu ist es letztlich auch nicht zwin-gend erforderlich, dass der Verurteilte, der seine Tat während des gesamten 2
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Strafverfahrens und im Strafvollzug bestritten hat, sein strafbares Verhalten nunmehr einräumt (vgl. S/[X.]/[X.], 29. Aufl., § 57 Rn. 16a mwN).
b) Nach diesen Maßstäben ist der angefochtene Beschluss nicht zu [X.]. Das Oberlandesgericht
hat
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sachverständig beraten (§ 454 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 StPO) -
die nach § 57 Abs.
1 Satz 2 StGB für die Entscheidung zu berücksichtigenden Umstände einer Gesamtwürdigung unterzogen und ist zu dem Ergebnis gelangt, dass eine hinreichend günstige Prognose für eine [X.] Entlassung des Verurteilten zum jetzigen Zeitpunkt nicht gestellt
werden kann. Dem schließt sich der Senat an. Zwar liegt
eine Reihe prognoserelevan-ter Faktoren vor, die grundsätzlich die Erwartung künftiger Straffreiheit [X.] könnten. Der Verurteilte ist [X.], hat ein beanstandungsfreies Vollzugsverhalten gezeigt, im Vollzug einen beruflichen Abschluss erlangt [X.] sich Gesprächen mit der Anstaltspsychologin und im Rahmen eines Kurses für Extremismusprävention gestellt. Auch
verfügt er über eine stabile familiäre Entlassungssituation in [X.]. Doch lässt sich unter Berücksichtigung des
kriminalprognostischen
Sachverständigengutachtens auch aus Sicht des Se-nats keine Änderung der deliktsursächlichen Persönlichkeitsanteile und der [X.] Einstellung
des Verurteilten
feststellen, die eng mit der
abgeurteilten Tat verknüpft sind. Ausweislich der Gründe des Urteils vom 19.
August 2005 nahm der Verurteilte im Rahmen seiner
Mitgliedschaft in
der sogenannten [X.] Zelle, die sich um [X.] und weitere spätere Attentäter des 11. September 2001 gruppiert hatte,
eine untergeordnete Rolle ein. [X.] seines Aufenthaltes in einem
Ausbildungslager der
Al Quaida in
Afghanis-tan im Mai 2000, in dem er sich einer Überprüfung auf seine [X.] unterzog, wurde er als ungeeignet für eine Beteiligung an Anschlägen eingestuft.
Das erkennende Oberlandesgericht
ging davon aus, dass der Verur-teilte
als zu weich für ein operatives Vorgehen bewertet worden war. Es stützt sich dafür auf weitere Zeugenaussagen, die den Verurteilten als eher [X.]
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scheu und um ein harmonisches Auskommen bemüht beschrieben haben. Gleichwohl hat er in Kenntnis geplanter Anschläge mit Flugzeugen, bei denen mit dem Tod vieler Menschen zu rechnen war, und trotz bestehender familiärer Verpflichtungen die festgestellten Hilfestellungen in [X.] geleistet. Dem Gutachten und insbesondere auch den Äußerungen des Verurteilten anlässlich der Exploration durch den Sachverständigen können Hinweise auf Änderungen in der ersichtlich beeinflussbaren Persönlichkeit des Verurteilten und in seiner islamistischen Einstellung nicht entnommen werden. Vielmehr hat der Verurteil-te
zu seinem Aufenthalt in einem Ausbildungslager in [X.], den er im Gegensatz zu seiner Tat einräumt, weiterhin behauptet, es sei ihm dabei nur um die Erfüllung religiöser Verpflichtungen gegangen. Dies hat das Oberlan-desgericht
mit Recht als unglaubhaft und als Indiz dafür gewertet, dass sich der Verurteilte
von seiner islamistisch-jihadistischen Einstellung noch nicht gelöst hat. Damit fehlt es an hinreichenden Erkenntnissen, die es im Sinne des § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB verantwortbar erscheinen lassen, die Vollstreckung des [X.] zur Bewährung auszusetzen. Im Gegenteil besteht weiterhin die Möglichkeit, dass der Verurteilte, sollte er sich in einem entsprechenden Umfeld

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wiederfinden, Erwartungshaltungen Gleichgesinnter hinsichtlich einer Beteili-gung an islamistisch motivierten Gewalttaten nicht verschließen wird.
[X.] der außergewöhnlichen Schwere des in seinen Dimensionen in der neu-eren Geschichte einmaligen Terroraktes, in dessen Vorbereitung der Verurteilte
sich hat verstricken lassen, lässt das Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit derzeit eine bedingte
Haftentlassung des Verurteilten daher nicht zu.

[X.]

Ri[X.] Dr. Schäfer befindet sich

Spaniol

im Urlaub und ist daher gehindert

zu unterschreiben.

[X.]

Meta

StB 4/14

10.04.2014

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: False

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.04.2014, Az. StB 4/14 (REWIS RS 2014, 6341)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 6341

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