Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.01.2013, Az. 2 StR 512/12

2. Strafsenat | REWIS RS 2013, 9018

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 512/12

vom
15. Januar 2013
in der Strafsache
gegen

wegen
Totschlags

-
2
-
Der 2. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung
des General-bundesanwalts und
des Beschwerdeführers
am 15.
Januar 2013 gemäß §
349 Abs. 4
StPO beschlossen:

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 13. Juli 2012
mit den Feststellungen
aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere [X.] des [X.] zurückverwiesen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen Totschlags (in einem min-derschweren Fall) zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Seine Revision führt auf die Sachrüge zur Aufhebung des Urteils.
1. Die Feststellungen des [X.] zum objektiven Tatablauf sind für das Revisionsgericht nicht in hinreichendem Maße nachvollziehbar, so dass auch die sonstigen Feststellungen einer Überprüfbarkeit entzogen sind.
a) Das [X.] hat festgestellt ([X.] f.), der 71-jährige [X.] sei unter Mitführen seiner Pistole aus seiner Wohnungstür im ersten Obergeschoss in den Hausflur getreten, weil er befürchtete, der später Getötete
habe seine -
des Angeklagten -
Ehefrau
angegriffen, die im Erdgeschoss die Treppe reinigte. Er habe nach ihr
gerufen. Dies habe der Geschädigte gehört, 1
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3
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der zu diesem Zeitpunkt bereits kurz vor der Tür seiner eigenen Wohnung im 2.
Obergeschoss gewesen sei. Er sei daraufhin die
Treppe wieder hinabgegan-gen, wobei er -
wie üblich
-
absichtlich besonders laut und provozierend [X.] habe.
Vor der Wohnungstür des Angeklagten führe links im rechten Winkel die Treppe sieben Stufen nach oben auf ein Zwischenpodest, dann in [X.] Richtung sieben Stufen ins [X.]. Vor der Tür des Angeklag-ten sei der Flur erleuchtet gewesen, die Treppe habe
im Dunkeln gelegen. Der Angeklagte habe seine Waffe durchgeladen und mit ausgestrecktem Arm "auf ahrgenommene Körpermitte" des Geschädigten ge-zielt. Dieser habe sich zu diesem Zeitpunkt auf der oberen
Hälfte der Treppe auf dem Weg nach unten befunden. Er habe in diesem Moment lautstark
"Bumm" gerufen. Nun habe der Angeklagte auf den sich bewegenden Geschä-digten geschossen. Dieser
habe dabei
von oben gesehen auf der zweiten Stufe vor
dem Zwischenpodest gestanden und dem Angeklagten die [X.] zugewandt. Der Schuss habe ihn in 105 cm Höhe vorne rechts getroffen und sei -
nach Ablenkung durch einen
Beckenknochen nach oben
-
hinten links in 108 cm Höhe ausgetreten, habe also den Bauchraum annähernd horizontal durchquert. Der Angeklagte ging nach der Schussabgabe in seine Wohnung zurück und zerlegte die Pistole. Sodann kam seine Ehefrau
in die Wohnung. Er berichtete ihr, er habe auf ihren [X.] geschossen und glaube, ihn getroffen zu haben. Daraufhin rief die Zeugin den polizeilichen Notruf an. Erst danach such-te sie ihren [X.]. Dieser kam ihr "von oben in Richtung [X.]" und legte
sich dort hin. Er verstarb kurze Zeit später infolge Verblutens.
b) Der Ablauf kann sich so wie geschildert nicht zugetragen haben. Wenn der Geschädigte zum Zeitpunkt der Schussabgabe die obere der beiden [X.] hinabging, wandte er dem Angeklagten nicht die Körpervorder-4
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-
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-
seite, sondern den Rücken zu. Es ist daher nicht erklärlich, wie ihn der Schuss vorne rechts in den Bauch treffen konnte. Auch die annähernd horizontale Durchquerung des Bauchraums ist mit der vom [X.] angenommenen Position der Beteiligten kaum vereinbar, da der Geschädigte danach [X.] neun Treppenstufen höher als der Angeklagte stand.
c) Auf der Grundlage dieser für das Revisionsgericht nicht auflösbaren Widersprüche in der Sachverhaltsdarstellung erweisen
sich auch weitere Fest-stellungen als unzureichend. So ist etwa nicht nachvollziehbar, dass der Ge-schädigte seiner Mutter, als diese geraume Zeit nach
der Schussabgabe nach oben ging,
(immer noch) auf der oberen Treppe vor
dem [X.]kam ([X.]). Er müsste danach zunächst wieder in Richtung seiner Wohnung gegangen sein. Unklar bleibt ebenso, wie der Angeklagte von seiner Wohnungstür aus auf die "Körpermitte" des Geschädigten zielen konnte, wenn dieser sich nicht auf der unteren, sondern der um 180 Grad
versetzten oberen Treppenhälfte -
also vermutlich auch hinter einem Geländer
-
befand.
2. Der neue Tatrichter wird auf der Grundlage rechtsfehlerfreier Feststel-lungen zum äußeren Tathergang auch die Feststellungen zum subjektiven Vor-stellungsbild
des Angeklagten neu zu treffen haben. Die Ansicht des [X.]s, eine Notwehrlage -
oder deren irrtümliche Annahme
-
scheide schon we-gen der weiten Entfernung des Geschädigten aus, erscheint bedenklich, denn nach den Feststellungen betrug die Entfernung nur die Tiefe von neun Trep-penstufen, also etwa zwei Meter. Soweit im Urteil Einlassungen des Angeklag-ten und Feststellungen zu dessen subjektiven Vorstellungen wiedergegeben sind ([X.] f.), wird nicht hinreichend deutlich, welche dieser Feststellungen auf Schlussfolgerungen des Tatrichters beruhen und auf welche konkreten Fragen
der Angeklagte etwa geäußert
hat, er habe sich "keine Gedanken [X.], was der Geschädigte als nächstes machen werde, und dennoch ge-6
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schossen" ([X.]), oder ihm sei "bewusst gewesen, dass die Abgabe eines Schusses in Richtung eines Menschen im Allgemeinen und auch im konkreten
Fall des Geschädigten immer tödlich sein kann, unabhängig davon, wohin [X.] gezielt wird" ([X.]); es sei "als allgemein bekannt anzusehen, dass ein Schuss
aus einer Handfeuerwaffe tödlich sein könne" ([X.]). Dass sich aus diesen, teilweise auch in sich schwer verständlichen Äußerungen "[X.]" das voluntative Element des Tötungsvorsatzes ergebe, wie das [X.] meint, ist nicht bedenkenfrei und bedürfte jedenfalls näherer Begründung.
Schließlich wird der neue Tatrichter sich -
gegebenenfalls unter Zuzie-hung eines Sachverständigen
-
mit der Frage auseinanderzusetzen haben, aufgrund welcher Überlegungen, Zustände oder Motive
der Angeklagte -
eine "solide, unauffällige Persönlichkeit" ([X.]) ohne Vorstrafen
-, der krebs-krank und zu 80
% behindert ist, sich zum Tatzeitpunkt entschlossen haben könnte, den schwer persönlichkeitsgestörten, extrem aggressiven 44-jährigen [X.] seiner Ehefrau, der ihn seit Jahren immer wieder auch körperlich angriff und dessen Übergriffen sich der Angeklagte nur dadurch entziehen konnte,
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dass er vor ihm aus dem Haus floh und sich täglich viele Stunden in der [X.] aufhielt, zu erschießen, ohne dass eine Steigerung der üblichen Angriffsintensi-tät zu erkennen war.
[X.] Fischer Appl

Schmitt Krehl

Meta

2 StR 512/12

15.01.2013

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.01.2013, Az. 2 StR 512/12 (REWIS RS 2013, 9018)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 9018

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