Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 01.12.2016, Az. X ARZ 180/16

X. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 1529

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[X.]:[X.]:[X.]:2016:011216BXARZ180.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF
BESCHLUSS
X [X.]/16
vom
1. Dezember 2016
in dem Gerichtsstandsbestimmungsverfahren
Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
ZPO § 32b Abs. 1
Wird der einzige [X.] nicht als [X.] im Sinne des §
32b Abs.
1 Nr.
1 ZPO, sondern wegen Ansprüchen aus Prospekthaftung im weiteren Sin-ne in Anspruch genommen, ist der ausschließliche Gerichtsstand des §
32b Abs.
1 ZPO nicht eröffnet (im [X.] an [X.], Beschluss vom 30.
Juli 2013

X
ARZ
320/13, [X.], 1643).
[X.], Beschluss vom 1. Dezember 2016 -
X [X.]/16 -
[X.]

-
2
-
Der X.
Zivilsenat des [X.] hat am 1. Dezember 2016
durch den Vor-sitzenden Richter Prof. Dr.
Meier-Beck, die Richter [X.], Dr.
Grabinski,
[X.] und
Dr.
Deichfuß
beschlossen:
Als zuständiges Gericht wird das [X.] bestimmt.
Gründe:
I.
Der in [X.] wohnhafte Kläger begehrt von der in [X.] ansässigen [X.]n Schadensersatz im Zusammenhang mit einer mittelbaren Beteiligung an einem Medienfonds.
Am 4.
März 2005 wurde die Fondsgesellschaft als Kommanditgesellschaft mit Sitz in
der zum
[X.]bezirk München
I gehörenden Gemeinde [X.] in das Handelsregister eingetragen. Am 2.
November 2005 wurde die [X.] als de-ren Kommanditistin
eingetragen. In einem Emissionsprospekt wurde die Alleingesell-schafterin der Komplementärin und zugleich Kommanditistin bei Gründung der [X.] als Initiatorin des Medienfonds und Herausgeberin des Prospekts
bezeich-net. Die [X.] wurde darin als Treuhandkommanditistin sowie als Mittelverwen-dungskontrolleurin benannt.
Der Kläger trägt vor, er habe ebenfalls am 2.
November 2005 nach einem Be-ratungsgespräch mit einer Anlagevermittlerin in seiner Privatwohnung eine mittelbare Beteiligung
gezeichnet. Mit der Zeichnung habe gemäß [X.] ein Treu-handvertrag mit der [X.]n zustande
kommen
sollen, gemäß dem diese die mit-telbare Beteiligung des [X.] unmittelbar als Kommanditistin der Fondsgesellschaft 1
2
3
-
3
-
halten sollte. Die Komplementärin habe die Beteiligung am 11.
November 2005 auch im Namen und in Vollmacht der [X.]n als Treuhandkommanditistin angenom-men.
Der Kläger
stützt seine Ansprüche gegen die [X.]
auf die Verletzung vor-vertraglicher Aufklärungspflichten aufgrund
ihrer Stellung als Treuhandkommanditis-tin
sowie auf eine vorsätzlich sittenwidrige Schädigung wegen unterlassener Aufklä-rung
im Zusammenhang mit der Zeichnung.
Das angerufene Landgericht München
I hat sich für unzuständig erklärt und den Rechtsstreit gemäß einem Hilfsantrag des [X.]
an das [X.] verwiesen. Das
[X.]
hat sich seinerseits für unzuständig erklärt und den Rechtsstreit zur Bestimmung des zuständigen Gerichts dem [X.] vorgelegt. Das [X.] hat die Sache dem [X.] vorgelegt und ausgeführt, wegen einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches
Gehör binde
der Verweisungsbeschluss des [X.] nicht, eine [X.] dieses [X.] nach §
32b Abs.
1 Nr.
1 ZPO sei jedoch zu vernei-nen, weil die Vorschrift entgegen der Rechtsprechung anderer [X.]e Ansprüche aus Prospekthaftung im weiteren Sinne, auf die
allein
der Kläger sich stütze, nicht erfasse.
II.
Die Voraussetzungen für eine Bestimmung des zuständigen Gerichts durch den [X.] gemäß §
36 Abs.
1 Nr.
6, Abs.
3
ZPO liegen vor.
1.
Das Landgericht München
I und das [X.] haben sich [X.] für unzuständig erklärt.
Die Verweisung an das [X.] ist, wie das vorlegende [X.] zutreffend ausführt, nicht bindend;
das [X.] hat eine Rückverweisung nicht ausgesprochen.
2.
Die Voraussetzungen einer Vorlage gemäß §
36 Abs.
3 ZPO sind erfüllt.
Das vorlegende Gericht möchte eine ausschließliche Zuständigkeit des [X.] mit der Begründung verneinen, dass
Ansprüche aus Prospekthaftung im weiteren Sinne nicht unter §
32b Abs.
1 Nr.
1 ZPO fallen, wiche
damit aber von der 4
5
6
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-
4
-
Rechtsauffassung des Kammergerichts (Urteil vom 11.
Mai 2015

2
U
5/15, [X.], 1844) und des [X.]s Frankfurt (Beschluss vom 29.
September 2015

14
SV
12/15, juris) ab.
III.
Für den Rechtsstreit ist das [X.] örtlich zuständig.
1.
Eine Zuständigkeit des [X.] ergibt sich aus dem Kla-gevorbringen nicht.
a)
Das Landgericht München
I

ist
nicht nach
§
32b Abs.
1 ZPO
ausschließ-lich zuständig.
aa)
Nach der Konzeption des §
32b Abs.
1 ZPO in der Fassung des [X.] und zur Änderung anderer Vorschriften vom 19.
Oktober 2012 ist der Anwendungsbereich von Nummer
1 die-ses Absatzes von demjenigen gemäß Nummer
2 zu unterscheiden. Nach dieser Neufassung ist eine Zuständigkeit am Sitz des Emittenten, Anbieters oder der [X.] von §
32b Abs.
1 Nr.
2 ZPO nur dann gegeben, wenn einer der (weiteren) [X.]n auch gemäß §
32b Abs.
1 Nr.
1 ZPO in Anspruch genommen wird (vgl. [X.], Beschluss vom 30.
Juli 2013 -
X
ARZ
320/13, [X.], 1643 = NJW-RR 2013, 1302 Rn.
28).
Dies setzt gemäß §
32b Abs.
1
Nr.
1 ZPO voraus, dass der [X.] den Prospekt herausgegeben hat oder zu den Gründern, Initiatoren oder Gestaltern der Gesellschaft gehört, soweit diese das Management bilden oder beherrschen. [X.] kann sich eine Klage gemäß §
32b Abs.
1 Nr.
1 ZPO auch gegen Personen als "Hintermänner" richten, die hinter der Gesellschaft stehen,
auf ihr Geschäftsgebaren oder die Gestaltung des konkreten Anlagemodells besonderen Einfluss ausüben und deshalb Mitverantwortung tragen
(vgl. [X.], Urteil vom 17.
November 2011

III
ZR
103/10, [X.]Z 191, 310 Rn.
17
mwN).
8
9
10
11
12
-
5
-
Für eine darüber hinausgehende Haftung (Prospekthaftung im weiteren Sin-ne), die unmittelbar aus §
311 Abs.
2 und
3 BGB oder aus einem Auskunfts-
oder Beratungsvertrag folgen kann, kommt eine Zuständigkeit gemäß
§
32b Abs.
1 ZPO allein nach dessen Nummer
2 in Frage
(vgl. BT-Drucks. 17/8799,
S.
16, 27).
Dem-entsprechend zählt auch die Haftung eines zur [X.] verpflich-teten Treuhänders für die Anteile
an der Gesellschaft zur Prospekthaftung
im weite-ren Sinne und nicht zu jener im engeren Sinne (vgl. [X.], Urteil vom 1.
Dezember 1994 -
III
ZR
93/93, NJW

1995, 1025 unter I
2). Diese Haftung ergibt sich nicht aus einer eigenen Verantwortung für einen fehlerhaften oder unvollständigen Prospekt, sondern aus der Verletzung einer selbständigen Aufklärungspflicht als Vertrags-partner oder Sachwalter aufgrund persönlich in Anspruch genommenen -
nicht nur typisierten

besonderen Vertrauens, zu deren Erfüllung sich des Prospekts bedient wurde (vgl. [X.],
Urteil vom 22.
Oktober 2015 -
III
ZR
264/14, [X.], 2238 = NJW-RR 2016, 169 Rn.
15 mwN).
[X.])
Die [X.] war nach dem Vortrag des [X.]
ihm
gegenüber allein als eine Treuhandkommanditistin verpflichtet, der auch eine [X.] oblag. Sie war keine Gründungskommanditistin und zählte somit nicht zu den Grün-dern der
Gesellschaft, deren Anteile der Kläger
zeichnete, auch wenn die [X.] in der Klageschrift mitunter als Gründungskommanditistin bezeichnet
ist. Einer Stellung als Gründungskommanditistin steht entgegen, dass die Fondsgesellschaft am 4.
März 2005 ins Handelsregister eingetragen, die [X.] aber erst am 2.
November 2005 deren Kommanditistin wurde.
Eine Haftung der [X.]n aus eigener Verantwortung für einen fehlerhaften oder unvollständigen Prospekt ist diesem Klagevortrag folglich nicht zu entnehmen, womit die Voraussetzungen für eine ausschließliche Zuständigkeit gemäß §
32b Abs.
1 Nr.
1 ZPO
nicht gegeben sind. Da sie die einzige [X.] ist, fehlt es für eine Zuständigkeit gemäß §
32b Abs.
1 Nr.
2 ZPO an einem weiteren [X.]n, für den 13
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15
-
6
-
die Voraussetzungen gemäß §
32b Abs.
1 Nr.
1 ZPO erfüllt wären (§
32b Abs.
1 a.E. ZPO).
b)
Eine örtliche Zuständigkeit des [X.] München
I ergibt sich auch nicht gemäß §
32 ZPO aus dem Begehungsort einer der Klage zugrunde gelegten unerlaubten Handlung.
Der Kläger
macht
geltend, die [X.] schulde ihm
Schadensersatz wegen
vorsätzlich sittenwidriger
Schädigung, weil die von ihr auszuübende Mittelverwen-dungskontrolle aufgrund von Erfahrungen mit einem von der gleichen Komplemen-tärgesellschaft gegründeten [X.] nicht wirksam zu erwarten gewesen sei. Weiterhin falle der
[X.]n
Beihilfe zu einem Kapitalanlagebetrug
zur Last. Für beide geltend gemachten Delikte hat der
Kläger keine konkreten Personen bezeich-net, die die unerlaubten Handlungen begangen haben sollen. Dementsprechend ist dem Klagevortrag auch nicht zu entnehmen, an welchem Ort solche Handlungen be-gangen worden sein sollen. Eine örtliche Zuständigkeit des [X.] München
I gemäß §
32 ZPO ergibt sich somit nicht aus einem dem Klagevortrag zu [X.] Handlungsort für eine unerlaubte Handlung.
Ein Begehungsort im Zuständigkeitsbereich des [X.] München
I ergibt sich weiterhin nicht aus dem Erfolgsort für eine vorgetragene unerlaubte Hand-lung. Dem Klagevortrag sind hierzu keine weiteren Einzelheiten zu entnehmen. So-weit ein solcher Erfolgsort am Ort der Minderung eines Kontoguthabens aufgrund der Überweisung des Anlagekapitals in Frage kommt (vgl. [X.], Urteil vom 13.
Juli 2010

XI
ZR
28/09, [X.], 1590 = NJW-RR 2011, 197 Rn.
32), erfolgte die vorgetra-gene Kontobelastung nicht im Gerichtsbezirk des [X.] München
I.
c)
Die örtliche Zuständigkeit des [X.] München
I ergibt sich ferner nicht aus §
39 ZPO. Die Parteien haben die Zuständigkeit des [X.] Mün-chen
I zwar nicht gerügt, bisher aber nicht zur Hauptsache mündlich verhandelt (vgl. 16
17
18
19
-
7
-
[X.], Beschlüsse
vom 19.
Februar 2013

X
ARZ
507/12, NJW-RR 2013, 764 Rn.
10; vom 27.
August 2013 -
X
ARZ
425/13, NJW-RR 2013, 1398 Rn.
9).
d)
Schließlich ist die Zuständigkeit des [X.] München
I auch nicht gemäß §
38 Abs.
3 Nr.
1 ZPO begründet. Auch wenn beide Parteien für die Zustän-digkeit dieses Gerichts plädiert haben,
begründet dies noch keine wirksame
Ge-richtsstandsvereinbarung.
2.
Zuständig ist hingegen das [X.]. Die örtliche [X.] dieses Gerichts ergibt sich aus §
29c ZPO.
a)
Die Zuständigkeit gemäß §
29c ZPO für außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verbraucherverträgen im Sinne von §
312b BGB erfasst nicht nur die unmittelbar aus einem solchen Vertrag begründeten,
sondern auch alle [X.] einschließlich etwaiger Ansprüche aus Verschulden bei der [X.] oder bei Vertragsverhandlungen (vgl. [X.], Beschluss vom 7.
Januar 2003

X
ARZ
362/02, NJW 2003, 1190 unter III
1).
b)
Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nach dem Klagevorbringen
er-füllt.
Der Kläger stützt seine Klage auf Ansprüche, die mit einem Verschulden bei der Anbahnung eines mit ihm geschlossenen Vertrages begründet werden, und nur mittelbar auf die Drittwirkung eines nicht mit ihm geschlossenen [X.] (vgl. dazu [X.], Beschluss vom 3.
Mai 2011 -
X
ARZ
101/11, [X.], 1026 = NJW-RR 2011, 1137 Rn.
13).
Nicht nur die Zeichnung der Anteile,
sondern auch die Unterzeichnung des [X.], den der Kläger der [X.]n als Treuhandverhältnis mit dem [X.] anbot, erfolgte nach dem Klagevortrag
in der Privatwoh-nung des [X.]. Damit fallen nicht nur der Anteilserwerb als solcher,
sondern auch das dazu
mit der [X.]n vereinbarte Treuhandverhältnis und die daraus abgelei-20
21
22
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24
25
-
8
-
teten Folgeansprüche einschließlich solcher aus Verschulden bei der Vertragsan-bahnung unter die Voraussetzungen des §
29c ZPO für eine örtliche Zuständigkeit am Wohnsitz des [X.].
Meier-Beck
[X.]
Grabinski

[X.]
Deichfuß
Vorinstanz:
[X.], Entscheidung vom 11.04.2016 -
34 [X.] -

Meta

X ARZ 180/16

01.12.2016

Bundesgerichtshof X. Zivilsenat

Sachgebiet: ARZ

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 01.12.2016, Az. X ARZ 180/16 (REWIS RS 2016, 1529)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 1529

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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X ARZ 180/16

34 AR 18/16

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