Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.06.2012, Az. X ZR 132/09

X. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 5757

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
X ZR 132/09
Verkündet am:

12. Juni 2012

Anderer

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

-
2
-
Der X.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhand-lung vom 12.
Juni 2012
durch den Vorsitzenden Richter Prof.
Dr.
Meier-Beck, [X.], die Richterin [X.], [X.]
Grabinski und die Richterin Schuster

für Recht erkannt:

Die Revision gegen das am 12.
November 2009 verkündete Urteil des 2.
Zivilsenats des [X.] wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:
Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des Gebrauchsmusters 20
2006
004
746 ([X.]), das am 24.
März 2006 unter Inan-spruchnahme von [X.] vom 2.
und 15.
März 2006 angemeldet und dessen Eintragung am 3.
August 2006 bekannt gemacht wurde. Das Klagege-brauchsmuster betrifft eine pharmazeutische Zusammensetzung als feste Arz-neiform, die Desmopressin als therapeutisch wirksamen Bestandteil umfasst.
1
-
3
-
Die G.

GmbH (Beklagte zu
2
des Parallelverfahrens
X
ZR
131/09) hat beim Deutschen Patent-
und Markenamt ein Löschungsver-fahren gegen das [X.] eingeleitet, in welchem die
Klägerin den eingetragenen Schutzanspruch 1 beschränkt mit folgendem Wortlaut ver-teidigt
(Beschränkung hervorgehoben):
"Pharmazeutische Zusammensetzung als feste Arzneiform, die Desmopressin oder ein pharmazeutisch akzeptables Salz davon als therapeutisch
wirksamen Bestandteil zusammen mit einem pharmazeutisch akzeptablen Exzipienten, Verdünnungsmittel oder Träger oder einer Mischung daraus umfasst, worin die pharma-zeutische Zusammensetzung Kieselerde und Stärke
umfasst und worin der Gehalt an Oxidationsmitteln gleich oder weniger als 15 Gewichtsteile pro Million der pharmazeutischen Zusammenset-zung ist."
Die Gebrauchsmusterabteilung hat das [X.] gelöscht.
Die gegen
diese Entscheidung von der
Klägerin eingelegte Beschwerde ist zu-rückgewiesen worden. Die Frist zur Einlegung der Rechtsbeschwerde nach §
18 Abs. 4 S. 2 [X.] i.V.m. § 102 Abs. 1 [X.] ist noch nicht abgelaufen.
Die G.

GmbH
stellt in [X.] Tabletten mit einer Zu-
sammensetzung gemäß Schutzanspruch
1 des [X.] her. Seit Juni 2006 lässt sie die Tabletten in der [X.] unter der Bezeichnung "N.

"
vertreiben, zunächst durch die S.

GmbH (heutige Firma: U.

GmbH; Beklagte zu
1
in dem
Parallelverfahren [X.]), später durch die Beklagte dieses Verfahrens.
2
3
4
-
4
-
Auf Grund der beschränkt verteidigten Fassung des [X.] 1 hat die Klägerin die Beklagte
auf Unterlassung, Rechnungslegung, Herausgabe zur Vernichtung und Feststellung der Verpflichtung zu Schadensersatz in [X.] genommen. Die Beklagte hat
sich demgegenüber auf ein Vorbenut-zungsrecht berufen. Das [X.] hat die
Klage
abgewiesen. In
der [X.] hat die Klägerin ihre Ansprüche in zwei Hilfsanträgen dahin weiter einge-schränkt, dass sich die Klage

bei ansonsten unverändertem Wortlaut

gegen eine pharmazeutische Zusammensetzung richtet, die Kieselerde und Stärke umfasst und darin der Gehalt an Oxidationsmittel weniger als 5 Gewichtsteile pro Million der pharmazeutischen Zusammensetzung ist, und weiter hilfsweise gegen eine pharmazeutische Zusammensetzung richtet, die Siliciumdioxid, Stärke und [X.] umfasst und darin der Gehalt an Oxidationsmittel weniger als 5 Gewichtsteile pro Million der pharmazeutischen Zusammensetzung ist. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.
Hiergegen richtet sich die vom Senat zugelassene Revision der Klägerin, mit der diese ihr zweitinstanzliches Begehren weiter verfolgt.
Entscheidungsgründe:
Die Revision hat keinen Erfolg.
I.
Nach den Angaben des [X.] wird der Wirkstoff Desmopressin zur Behandlung primärer Enuresis nocturna (Bettnässen bei Kindern), von Nykturie (nächtlichem Harndrang) und Diabetes insipidus (Was-serharnruhr) eingesetzt. Die seit dem
Jahr 1987 erhältliche Tablettenformulie-rung werde durch Verpressen eines geeigneten Granulats hergestellt, welches 5
6
7
8
-
5
-
neben dem Wirkstoff typischerweise Exzipienten (nicht aktive Trägerstoffe), Tablettensprengmittel, Schmiermittel und Bindemittel enthalte, wobei die ge-bräuchlichste Tablettenformulierung als Exzipienten Kartoffelstärke und Laktose aufweise.

Es sei bekannt, dass das [X.] empfindlich gegen [X.] sei. Dessen Stabilisierung sei daher ein über die Jahre angegangenes Problem. Zugelassene [X.] hätten typischerweise eine Haltbarkeit von nur 12 bis 24 Monaten. Hieraus ergebe sich das technische Problem, ein [X.]el zur Verbesserung der Haltbarkeit von Desmopressin in [X.] bereitzustellen. Nach Schutzanspruch
1 des [X.] in der von der Klägerin geltend gemachten Fassung soll dies mit folgender Merkmalskombination erreicht werden:

1.
Pharmazeutische Zusammensetzung als feste Arzneimittel-form.
2.
Die Zusammensetzung umfasst
a)
als therapeutisch
wirksamen Bestandteil Desmopressin oder
ein pharmazeutisch akzeptables Salz davon,
b)
zusammen mit einem pharmazeutisch akzeptablen Exzipi-enten, Verdünnungsmittel oder Träger oder einer Mischung daraus,
c)
Kieselerde,
d)
Stärke.
3.
Der Gehalt an Oxidationsmittel ist gleich
oder weniger als 15
Gewichtsteile pro Million (ppm) der pharmazeutischen Zu-sammensetzung.

9
-
6
-
Die Lehre des [X.] sieht damit insbesondere einen [X.] vor. Dem liegt die Erkenntnis zugrunde, dass die Gegenwart von [X.] den [X.] während der Lagerung ab-baut. Da bestimmte Tablettenbestandteile (z.B. Stärke) Oxidationsmittel enthal-ten, führt eine sorgfältige Kontrolle und Absenkung des [X.] zu einer verbesserten Haltbarkeit der [X.]formulierung.

II.
Nach den insoweit unbeanstandeten Feststellungen des Berufungs-gerichts weisen die mit der Klage angegriffenen "N.

"-Tabletten alle Merk-
male des [X.] 1 des [X.] in der geltend ge-machten Fassung auf.
Das Berufungsgericht ist dennoch zu dem Ergebnis [X.], dass die von der Klägerin geltend gemachten Verbietungsrechte nicht begründet seien, weil der G.

GmbH ein [X.] gemäß
§
13
Abs.
3 [X.] i.V.m. §
12 [X.]
zustehe, das auch der [X.] zu [X.] komme. Die G.

GmbH habe am [X.] [X.] ge-
habt und diesen durch Veranstaltungen zur alsbaldigen Aufnahme der gewerb-lichen Benutzung auch betätigt.

Zwar lasse sich nicht feststellen, dass die G.

GmbH
am Prio-
ritätstag positiv gewusst habe, dass der [X.] in der [X.] einen Wert von 15
ppm oder 5 ppm nicht überschreiten [X.], wenn eine gemäß dem vorbekannten Stand der Technik überlegene [X.] erhalten werden solle. Darauf komme es aber
auch nicht an. Die G.

GmbH
habe vielmehr bereits dann [X.] gehabt, wenn
sie sich vor dem [X.] für eine Rezeptur ihrer Tablettenformulierung ent-schieden habe, die zwangsläufig und verlässlich zu einem erfindungsgemäßen [X.] führe. Unter solchen Umständen sei die G.

10
11
12
-
7
-
GmbH
nämlich in der Lage gewesen, den vom [X.] ge-schützten Erfindungsgedanken (eine [X.]formulierung mit geringem [X.]) beliebig wiederholbar auszuführen und damit den erfindungsgemäßen Erfolg (eine erhöhte Lagerstabilität der [X.] Zusammensetzung) nicht nur zufällig, sondern planmäßig herbeizufüh-ren.

Nach dem Inhalt der Verhandlungen und des Ergebnisses der Beweis-aufnahme stehe fest, dass sich die G.

GmbH
vor dem [X.]
für eine Rezeptur entschieden habe, welche die technische Lehre des [X.] in sämtlichen von der Klägerin geltend gemachten Anspruchs-fassungen vorweggenommen habe. Aufgrund der Zeugenaussagen und der vorgelegten Unterlagen sei davon auszugehen, dass sich die G.

GmbH
endgültig auf eine pharmazeutische Zusammensetzung aus Desmo-pressinacetat, Laktose, Kartoffelstärke, [X.]
25, Siliciumdioxid und Magne-siumstearat festgelegt habe. Aus den Unterlagen ergebe sich
weiter, dass die

G.

GmbH
eine bestimmte Kartoffelstärke, nämlich eine des Herstel-
lers R.

, endgültig in ihre Formulierung aufgenommen habe. Damit habe
sie sich vor dem [X.] für eine Rezeptur ihrer Tablettenformulierung ent-schieden, die zwangsläufig und verlässlich zu einem erfindungsgemäßen Oxi-dationsmittelgehalt von 3,8
ppm geführt habe.

Die G.

GmbH
habe überdies zum [X.] ihren Erfin-
dungsbesitz im Inland durch Veranstaltungen zur alsbaldigen Aufnahme der gewerblichen Nutzung betätigt. Sie
habe vor diesem Zeitpunkt hinsichtlich der erfindungsgemäßen "N.

"-Tablettenformulierung eine Arzneimittelzulassung
für [X.] erwirkt und einen Zulassungsantrag für die [X.] gestellt, die S.

GmbH
als [X.]
13
14
-
8
-
Vertriebspartner gewonnen und vertraglich an sich gebunden
sowie
diese mit Hilfe von [X.], Etiketten, Gebrauchsinformationen und Musterliefe-rungen in die Lage versetzt, die Vertriebstätigkeit nach erfolgter Arzneimittelzu-lassung aufzunehmen. Dies habe für Dritte nur den Schluss zugelassen, dass am [X.] alle Vorbereitungen erfolgt
seien, um die "N.

"-Tabletten
alsbald auch im [X.] zu vertreiben.
Ob die Beklagte
in ihrer Person ein eigenes [X.] erwor-ben habe, bedürfe keiner Entscheidung. Die Beklagte
könne sich als Vertriebs-unternehmen der G.

GmbH
jedenfalls auf deren Vorbenutzungs-
recht berufen.
III.
Dies hält im Ergebnis und in der Begründung den Angriffen der Revi-sion stand.
1.
Der Rüge der Revision, das Berufungsgericht verkenne den Begriff des [X.]es, indem es alleine die objektive Verwirklichung der tech-nischen Lehre des [X.] für ausreichend angesehen habe, ohne dass es auf irgendeine Form der Kenntnis des Vorbenutzers von dieser Lehre ankomme, ist nicht begründet.
Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] setzt die nach §
12 [X.] für den Erwerb eines [X.]s erforderliche Benut-zungshandlung oder Veranstaltung voraus, dass der Handelnde selbständigen [X.] erlangt hat. [X.] ist gegeben, wenn die sich aus Aufgabe und Lösung ergebende technische Lehre objektiv fertig und subjektiv derart erkannt ist, dass die tatsächliche Ausführung der Erfindung möglich ist ([X.], Urteil vom 10. September 2009

[X.], [X.], 47, 48 Rn.
17

Füllstoff; Urteil vom 30. Juni 1964

[X.], [X.], 673, 15
16
17
18
-
9
-
674

Kasten für [X.]; vgl. auch [X.], 58, 61; [X.], GRUR 1943, 286, 287; [X.], [X.], 10.
Aufl., 2006, §
12 [X.] Rn.
5; Busse/[X.], 6.
Aufl., 2003, §
12 [X.] Rn.
16; [X.]/[X.], [X.], 8.
Aufl., 2008, § 12 [X.] Rn.
9). An einer solchen Erkenntnis fehlt es, wenn das technische Handeln über das Stadium von Versuchen noch nicht hinausgegan-gen ist ([X.],
[X.]. 1931, 72, 74) oder ein Gegenstand benutzt worden ist, der lediglich in einzelnen Exemplaren "zufällig"
die erfindungsgemäßen Eigenschaf-ten aufgewiesen hat ([X.],
[X.] 1936, 406, 407, [X.]). Denn in beiden Fällen ist das Handeln nicht von einer Erkenntnis getragen, die es jederzeit möglich macht, die technische Lehre wiederholbar auszuführen, so dass es auch nicht gerechtfertigt ist, daran eine Besitzstand vermittelnde Rechtsposition anzuknüp-fen. Von derartigen Fällen eines unbewussten oder zumindest nicht hinreichend gefestigten Gebrauchs der technischen Lehre hebt sich ein Handeln ab, das planmäßig auf die Verwirklichung derselben gerichtet ist. Dieses ist als [X.] begründend anzusehen, weil ihm die gesicherte Erkenntnis zu-grunde liegt, dass die Erfindung ausgeführt werden kann. Nur insoweit kann es auch auf die Kenntnis des Zusammenhangs von Ursache und Wirkung ankom-men (vgl. [X.], [X.] 1931, 449, 450; GRUR 1939, 300, 302; GRUR 1940, 434, 436; [X.], GRUR
1993, 73, 80; [X.], aaO;
Busse/Keuken-schrijver, aaO; [X.]/[X.], [X.], Band 1, 3.
Aufl., 1971, §
7 [X.]
Rn.
7). Hingegen ist es nicht erforderlich, dass der Handelnde über die Erkenntnis der gesicherten Ausführbarkeit der Erfindung hinausgehendes Wissen um vorteilhafte Wirkungen der Erfindung hat. Denn der [X.] kann nicht von Voraussetzungen abhängig gemacht werden, die nicht Teil der technischen Lehre geworden sind, so wie diese im Patentanspruch definiert worden ist. Auf die Kenntnis von Wirkungen, die zwar nach den Angaben in der Beschreibung mit der Verwendung des erfindungsgemäßen Gegenstandes ver-bunden
sein sollen, die aber nicht in den Patentanspruch aufgenommen worden -
10
-
sind, kann es daher für die Frage, ob [X.] begründet worden ist, nicht entscheidend ankommen.
Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hatte die G.

GmbH bereits am [X.] des [X.] für ihre zum [X.] in der [X.] vorgesehene [X.]-formulierung eine Rezeptur in Händen, wonach die Tablette "N.

0,1 mg"

0,1 mg Desmopressinacetat, 60,0 mg Lactose, 38,2 mg Kartoffelstärke des Herstellers R.

, 1,0 mg [X.] ([X.] 25), 0,2 mg Siliciumdioxid und
0,5 mg Magnesiumstearat enthielt bzw. die Tablette "N.

0,2 mg"
die jeweils doppelte Menge der vorgenannten Bestandteile. Mit dieser Rezeptur ging die gesicherte Erkenntnis bei der G.

GmbH einher, dass es möglich
war, eine Tablette in der genannten Zusammensetzung herzustellen. Derartige [X.] wiesen nach den weiteren Feststellungen des [X.]sgerichts einen [X.] von 3,8 ppm auf und entsprachen damit der Lehre aus Schutzanspruch 1 des [X.] sowohl in der Fassung des [X.] als auch in den Fassungen der beiden Hilfsan-träge der Klägerin. Bei der G.

GmbH war damit [X.]
gegeben.
An dieser Beurteilung vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass das Berufungsgericht bei der G.

GmbH keine positive Kenntnis da-
von hat feststellen können, dass der [X.] in der ansonsten erfindungsgemäßen Tablettenzusammensetzung einen Wert von 15 ppm oder 5 ppm nicht überschreiten darf, wenn eine gegenüber dem vorbekannten Stand der Technik überlegene Lagerstabilität erhalten soll. Darauf kommt es für die gesicherte Erkenntnis, dass die objektiv erfindungsgemäße Tablettenzusa[X.] nach der vorgenannten Rezeptur hergestellt werden kann, nicht 19
20
-
11
-
an. Die G.

GmbH befand sich nicht mehr in einem Stadium bloßer
Versuche, sondern hatte sich hinsichtlich der für den Vertrieb vorgesehenen [X.] auf die genannte Formulierung festgelegt. Der [X.] von 3,8 ppm wurde auch nicht nur zufällig bei einzelnen [X.] erzielt, sondern war planmäßig in der vorgenannten Rezeptur angelegt. Das Berufungsgericht hat insoweit
festgestellt, dass der tatsächliche Oxidati-onsmittelgehalt unter den von der G.

GmbH beachteten Herstel-
lungsbedingungen, wie sie sich aus den Produktionsdokumentationen (Anla-gen
7 bis 10) ergeben, dem rechnerischen Gehalt an Oxidationsmitteln nach der Rezeptur der pharmazeutischen Zusammensetzung entspricht.
Entgegen der Auffassung der Klägerin genügt diese Erkenntnis, dass und wie eine Tablette mit einem [X.] von 3,8 ppm wiederhol-bar hergestellt werden kann, für den [X.]. Denn es handelt sich um die Erkenntnis einer technischen Lehre, die sich

wie ein Unteranspruch

als Anwendungsfall oder Ausführungsbeispiel der im Schutzanspruch des [X.] bezeichneten allgemeineren Lehre darstellt, dass die
Zu-sammensetzung so zu wählen ist, dass eine bestimmte Obergrenze für den [X.] nicht überschritten wird. Die weitere Erkenntnis, dass es dieser [X.] ist, der sich auf die Haltbarkeit der Zusammenset-zung vorteilhaft auswirkt, ist nicht Bestandteil der technischen Lehre und weder für die Erlangung des patent-
oder gebrauchsmusterrechtlichen Erfindungs-schutzes erforderlich noch Voraussetzung eines [X.]s.
Die Frage, wie weit ein [X.] reicht, das
sich auf die [X.] gründet, dass und wie eine bestimmte Ausführungsform der Erfindung erzeugt werden kann, stellt sich im Streitfall nicht. Denn das Berufungsgericht hat, von der Revision unbeanstandet, nicht festgestellt, dass sich das Erzeug-21
22
-
12
-
nis, das nach der Veröffentlichung der Gebrauchsmustereintragung von der
G.

GmbH hergestellt und von der [X.] vertrieben worden ist
und nunmehr von der Klägerin als das [X.] verletzend ange-griffen wird, von dem vorbenutzten unterscheidet.
2.
Die Feststellungen des Berufungsgerichts halten den Verfahrensrü-gen der Revision stand.
a)
Soweit die Revision sich gegen die Feststellung des Berufungsge-richts wendet, im Streitfall komme eine "zufällige"
Benutzung der Erfindung nicht in Betracht, weil die Beklagte sich schon vor dem Prioritätsdatum auf eine bestimmte qualitative und quantitative Zusammensetzung unter Benutzung konkreter Hilfsstoffe festgelegt habe,
und darauf hinweist, dass die konkret ausgewählten Hilfsstoffe [X.] 25 und Kartoffelstärke des Herstellers R.

jederzeit hätten ausgetauscht werden können, bleibt ihre Rüge ohne Er-
folg. Zwar ist es zutreffend, dass das Berufungsgericht in der mündlichen [X.] vom 15. Oktober 2009 noch selbst darauf hingewiesen hat, aus dem [X.] (Anlage [X.]) ergebe sich der schwankende Oxidati-onsmittelgehalt von Kartoffelstärke (bis 20 ppm) und [X.] (bis 400 ppm). Es hat aber in seinem Urteil festgestellt, dass die G.

GmbH sich auf
die Kartoffelstärke des Herstellers R.

festgelegt hatte und dass der Oxi-
dationsmittelgehalt dieser
von
der G.

GmbH verwendeten Stärke
lediglich 9 ppm betrug. Insoweit hat das Berufungsgericht vor allem auf Quali-tätskontrollen hingewiesen, die auf der
Grundlage des zwischen der G.

GmbH und der S.

GmbH am 15. Novem-
ber 2005 zustande gekommene Lizenz-
und Vertriebsvereinbarung nach einer Anfrage der S.

GmbH
vom 3. November 2005 ab
dem 25. November 2005 anhand von [X.] durchgeführt worden 23
24
-
13
-
seien und die sich ausweislich der Herstellungsberichte jeweils auf N.

-
Tablettenformulierungen mit den Bestandteilen Desmopressinacetat, Laktose, [X.] 25, Magnesiumstearat, hochdisperses Siliciumdioxid und Kartoffelstär-ke des Hersteller R.

bezogen hätten. Entsprechendes gilt für den Hilfs-
stoff [X.] 25. Soweit die Revision demgegenüber meint, dass auch der [X.]gehalt der Produkte [X.] 25 und Kartoffelstärke von
R.

Produktionsschwankungen unterliege und sich selbst bei sehr gerin-
gen Änderungen des Gehaltes an [X.] Werte deutlich über 5
ppm ergäben, setzt sie sich in Widerspruch zu den Feststellungen des [X.]sgerichts, ohne dass insoweit eine Verfahrensrüge erhoben und ordnungs-gemäß ausgeführt wäre.
b)
Ebenfalls ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die Verwer-tung der Ergebnisse der vom [X.] durchgeführten Beweisaufnahme durch das Berufungsgericht.
(1)
Insoweit wird zunächst beanstandet, dass beide Vordergerichte ihre Beweiswürdigung unter anderem auf die Aussagen der Zeugen Dr.
H.

und
Dr.
D.

gestützt und diese als glaubhaft beurteilt haben. Schon dem
[X.] sei die Beurteilung der Glaubwürdigkeit der Zeugen, welche der Beurteilung der Glaubhaftigkeit ihrer Aussagen denknotwendig vorausgehe, aber verwehrt gewesen, weil der mit der Beweisaufnahme beauftragte Richter vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung ausgeschieden sei. Dem [X.] habe es ohne Wiederholung der Zeugenvernehmung deshalb an einem persönlichen Eindruck von den Zeugen gefehlt; derartige Eindrücke des beauf-tragten [X.] seien auch nicht protokolliert worden. Das [X.] habe hierdurch die Grundsätze der Unmittelbarkeit der
Beweisaufnahme und der freien Beweiswürdigung verletzt. Die Revision meint, jedenfalls das Berufungs-25
26
-
14
-
gericht habe die Zeugenvernehmung deshalb gemäß §
398 Abs.
1 ZPO [X.] müssen.
(2)
Die Rüge greift nicht durch.
(a)
Das Berufungsgericht hat eine erstinstanzliche Beweisaufnahme zu wiederholen, wenn konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen bestehen, §§
529 Abs.
1 Nr.
1, 398 Abs.
1 ZPO. Das Berufungsgericht muss daher einen in erster Instanz vernommenen Zeugen wiederholt vernehmen, wenn es protokollierte Aussagen anders als die Vorinstanz verstehen oder werten will ([X.], [X.] vom 21.
April 2010

IV
ZR
172/09, [X.], 1533 Rn.
5 mwN; [X.], Urteil vom 3.
April 1984

VI
ZR
195/82, NJW 1984, 2629) oder wenn es die Glaubwürdigkeit eines in der ersten Instanz vernommenen Zeugen abweichend vom Erstrichter beurteilen will ([X.], Urteil vom 12.
März 2004

V
ZR
257/03, [X.]Z 158, 269, 275 mwN; Urteil vom 19.
Juni 1991

VIII
ZR
116/90, NJW 1991, 3285). Eine erneute Zeugenvernehmung durch das Berufungsgericht ist zudem dann notwendig, wenn bereits die Beweiswürdigung durch das erstin-stanzliche Gericht gegen das Gebot der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme (§
355 Abs.
1 Satz
1 ZPO) verstößt (Musielak/[X.], ZPO, 9.
Aufl., §
398 Rn.
4 und Musielak/Ball, aaO, § 529 Rn.
13, 16).
(b)
Diese Voraussetzungen lagen hier nicht vor.
Entgegen der Revision ist es nicht als verfahrensfehlerhaft zu [X.], dass das [X.] seine
Beweiswürdigung ohne wiederholte Verneh-mung auf die protokollierten Aussagen der Zeugen Dr.
H.

und
Dr.
D.

gestützt hat, obwohl der mit der Zeugenvernehmung beauftragte
Richter vor der Entscheidung ausgeschieden ist.
27
28
29
30
-
15
-
Das erkennende Gericht
darf eine Beweiswürdigung grundsätzlich auch dann vornehmen, wenn es die Beweisaufnahme nicht selbst durchgeführt hat, wenn also die Zusammensetzung des Gerichts zwischen Beweisaufnahme und Entscheidung gewechselt hat. Das ergibt sich bereits daraus, dass
die Zivilpro-zessordnung die Beweisaufnahme durch den beauftragten und [X.] (§
361 f. ZPO) vorsieht. Ein Richterwechsel nach einer Beweisaufnah-me erfordert daher nicht in jedem Fall deren Wiederholung. Frühere Zeugen-aussagen können durch Auswertung der Vernehmungsprotokolle im Wege des [X.] verwertet werden, sofern es auf einen persönlichen [X.] von ihren Bekundungen nicht ankommt (st.
Rspr., vgl. nur [X.], Urteil vom 4.
Februar 1997

XI
ZR
160/96, NJW 1997, 1586, 1587 mwN).
Ein Gericht verstößt erst dann gegen das Gebot der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme, wenn es sich auf Erwägungen zur Glaubwürdigkeit eines Zeugen stützt, ohne dass [X.]

etwa wegen eines Richterwechsels

an des-sen Vernehmung teilgenommen und so einen persönlichen Eindruck von dem Zeugen gewonnen haben oder auf eine aktenkundige und der Stellungnahme durch die Parteien zugängliche Beurteilung zurückgreifen können ([X.], Urteil vom 4.
Februar 1997

XI
ZR
160/96, NJW 1997, 1586, 1587; Urteil vom 9.
Januar 1997

III
ZR
162/95, NJW-RR 1997, 506; Urteil vom 19.
September 1994

II
ZR
161/93, NJW-RR 1994, 1537; Urteil vom 4.
Dezember 1990

XI
ZR
310/89, NJW 1991, 1180). Eine Verletzung des so verstandenen Ge-bots der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme liegt nicht vor. Das [X.] hat die persönliche Glaubwürdigkeit der Zeugen Dr.
H.

und Dr.
D.

nicht in Zweifel gezogen, sondern nur den sachlichen Inhalt ihrer Aussagen [X.] anderweitiger Umstände, insbesondere anhand von Zulassungsunterla-gen und Schriftverkehr, gewürdigt. Das war trotz des Ausscheidens des mit der Zeugenvernehmung beauftragten [X.] zulässig.
31
-
16
-
Das Berufungsgericht hat die Aussagen der Zeugen Dr.
H.

und
Dr.
D.

auch nicht anders verstanden als das [X.]. Ebenso wie
das [X.] hat das Berufungsgericht diese Aussagen als glaubhaft beur-teilt, weil ihr Erklärungsgehalt durch anderweitige Umstände, insbesondere Zu-lassungsunterlagen und Schriftverkehr, bestätigt worden sei. Beide Gerichte beziehen sich ausschließlich auf die Sachdarstellung und damit die Glaubhaf-tigkeit der Zeugenaussagen. Die Glaubwürdigkeit der Zeugen wird weder vom [X.] noch vom Berufungsgericht erörtert und ersichtlich von beiden [X.] im Hinblick auf die Glaubhaftigkeit der Aussagen und mangels die Glaubwürdigkeit in Zweifel ziehender Umstände stillschweigend bejaht.
3.
Die Revision beanstandet schließlich die Annahme des Berufungsge-richts, dass die Beklagte sich als Vertriebsunternehmen auf ein von der G.

GmbH abgeleitetes [X.] habe berufen können, obwohl
die Beklagte die S.

GmbH als Vertriebspartner ab-
gelöst habe. Als Folge dieser Auffassung sei es der G.

GmbH un-
benommen, den Vertrieb in der [X.] parallel durch mehrere Vertriebsgesellschaften durchführen zu lassen, obwohl es sich bei der
S.

GmbH ursprünglich um den einzigen Vertriebs-
partner für die [X.] gehandelt habe. Ein solcher paralleler Vertrieb führe zu einer von §
12 [X.] nicht erlaubten Ausweitung des Vorbenutzungs-rechts im Inland.
Die von der Revision erhobenen Bedenken stellen sich im Streitfall be-reits deshalb nicht, weil nach den von der Revision nicht beanstandeten Fest-stellungen des Berufungsgerichts die G.

GmbH ihre Vertriebs-
partner für das Gebiet der [X.] lediglich ausgetauscht und nicht deren Anzahl erhöht hat.
32
33
34
-
17
-
Darüber hinaus ist allgemein anerkannt, dass das [X.] des Herstellers umfassend und mengenmäßig nicht beschränkt ist und den Wechsel der [X.] erlaubt ([X.]Z 153, 321, 326

Gleichrichterröhren; [X.],
[X.], 770, 771

[X.]; [X.],
GRUR 1940, 434, 436

Massekerne; [X.], [X.],
10.
Aufl., §
12 [X.] Rn.
23; Busse/[X.], [X.], 6.
Aufl., §
12 Rn.
45;
Kraßer, Patentrecht, 6.
Aufl., S.
825; [X.],
[X.], 944, 945; jeweils mwN). Entsprechend umfasst das [X.] auch den Aufbau eines Vertriebssystems (Bu-sche, [X.], 645, 648) und dessen Ausgestaltung mit mehreren [X.]spartnern.
35
-
18
-
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 97 Abs. 1 ZPO.
Meier-Beck

[X.]

[X.]

Grabinski

Schuster
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 04.09.2008 -
4b [X.]/07 -

O[X.], Entscheidung vom 12.11.2009 -
I-2 [X.] -

36

Meta

X ZR 132/09

12.06.2012

Bundesgerichtshof X. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.06.2012, Az. X ZR 132/09 (REWIS RS 2012, 5757)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 5757

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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