Bundesfinanzhof, Urteil vom 27.09.2012, Az. III R 19/11

3. Senat | REWIS RS 2012, 2764

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Gegenstand

Gewerblicher Grundstückshandel bei Veräußerungen zur Vermeidung einer Zwangsversteigerung


Leitsatz

1. Die persönlichen oder finanziellen Beweggründe für die Veräußerung von Immobilien sind für die Zuordnung zum gewerblichen Grundstückshandel oder zur Vermögensverwaltung unerheblich. Dies gilt auch für wirtschaftliche Zwänge wie z.B. die Ankündigung von Zwangsmaßnahmen durch einen Grundpfandgläubiger.   

2. Die Drei-Objekt-Grenze hat die Bedeutung eines Anscheinsbeweises, der --ohne dass es dafür weiterer Indizien bedarf-- den Schluss auf die innere Tatsache des Erwerbs des jeweiligen Grundstücks in bedingter Veräußerungsabsicht zulässt. Ihre Geltungskraft kann im Einzelfall durch den Nachweis eines atypischen Sachverhaltsverlaufs erschüttert werden. Dafür kommen indes grundsätzlich weder die Gründe der Veräußerung noch Absichtserklärungen in Betracht, sondern vornehmlich Gestaltungen des Steuerpflichtigen in zeitlicher Nähe zum Erwerb, die eine Veräußerung innerhalb eines Zeitrahmens von etwa fünf Jahren erschweren oder unwirtschaftlicher machen.

Tatbestand

1

I. Der [X.]läger und Revisionsbeklagte ([X.]läger) war in den Streitjahren 1996 bis 1998 Allein- und [X.]iteigentümer zahlreicher Grundstücke. Darüber hinaus war er an einer u.a. auf dem Gebiet des [X.]andels mit Industriegütern und [X.]raftfahrzeugen tätigen Gesellschaft mit beschränkter [X.]aftung beteiligt.

2

Aufgrund von Steuerschulden in [X.]illionenhöhe infolge einer die Vorjahre betreffenden kombinierten Steuerfahndungs- und [X.]etriebsprüfung hatte das Finanzamt L ([X.]) 1997 im Arrestwege die im Alleineigentum des [X.]lägers stehenden Grundstücke [X.], erworben im [X.], [X.], erworben im Jahr 1995, unbebaut, [X.], erworben im Jahr 1995, [X.], erworben im [X.] und [X.], erworben im [X.] sowie weitere im [X.]iteigentum des [X.]lägers und seiner Ehefrau stehende Grundstücke mit Sicherungshypotheken belastet.

3

Nachdem für die den [X.] zugrunde liegenden Abgabenansprüche Steuerbescheide ergangen waren, beschied das [X.] den [X.]läger und dessen Ehefrau am 30. Januar 1998, dass es in einer Woche die Verwertung der Sicherheiten einleiten werde. Zu einer Zwangsversteigerung der [X.]bjekte kam es aber nicht, weil das [X.] dem [X.]läger und seiner Ehefrau einen freihändigen Verkauf dieser Grundstücke gestattete.

4

Im weiteren Verlauf des Streitjahres 1998 veräußerten der [X.]läger bzw. der [X.]läger und seine Ehefrau daraufhin die genannten Grundstücke. Dabei wurden folgende Verkaufspreise erzielt:

5
                 

Grundstück

Ursprünglicher [X.]aufpreis (D[X.])

Erzielter [X.]aufpreis (D[X.])

[X.]     

350.000

798.000

[X.]     

52.000

100.000

[X.]     

275.000

350.000

[X.]     

300.000

650.000

[X.]     

600.000

1.300.000

6

Daneben veräußerten der [X.]läger bzw. der [X.]läger und seine Ehefrau im Jahr 1998 auch noch weitere Grundstücke.

7

In den Jahren 2000 und 2001 führte das Finanzamt für Großbetriebsprüfung eine Außenprüfung bei dem [X.]läger und dessen Ehefrau sowie einer aus beiden bestehenden Grundstücksgesellschaft bürgerlichen Rechts durch.

8

Aufgrund seiner während der Prüfungen getroffenen Feststellungen gelangte der Prüfer zu der Auffassung, dass der [X.]läger und seine Ehefrau zum einen jeweils persönlich, zum anderen aber auch gemeinsam einen gewerblichen Grundstückshandel betrieben hätten. Zu dem [X.]etriebsvermögen des von dem [X.]läger persönlich betriebenen gewerblichen [X.] hätten die Grundstücke [X.], [X.], [X.], [X.] und [X.] gehört. Darüber hinaus gelangte der Prüfer zur Annahme nicht erklärter Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung und aus [X.]apitalvermögen sowie ungeklärter Vermögenszuwächse.

9

Der [X.]eklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --[X.]--) übernahm die Ansätze des Prüfers und setzte u.a. für die Streitjahre 1996, 1997 und 1998 Gewerbesteuermessbeträge gegen den [X.]läger fest.

Der Einspruch hatte keinen Erfolg. Das [X.] setzte die Gewerbesteuermessbeträge für die Streitjahre mit seiner Einspruchsentscheidung herauf, nachdem es den [X.]läger zuvor auf die [X.]öglichkeit einer Verböserung hingewiesen hatte, und zwar für 1996 auf 5.192,57 € (= 10.155 D[X.]), für 1997 auf 4.069,88 € (= 7.960 D[X.]) und für 1998 auf 31.316,63 € (= 61.250 D[X.]). Dabei ging es weiterhin davon aus, dass der [X.]läger 1995 einen gewerblichen Grundstückshandel aufgenommen habe und dass zu dem [X.]etriebsvermögen dieses [X.] die Grundstücke [X.], [X.], [X.] und [X.] jeweils bereits ab dem Zeitpunkt ihres Erwerbs gehört hätten, während das Grundstück [X.] erst mit dem [X.]eginn des [X.] dem [X.]etriebsvermögen zum Teilwert zugeführt worden sei, der mit dem ursprünglichen [X.]aufpreis abzüglich der in Anspruch genommenen AfA-[X.]eträge geschätzt wurde.

Das Finanzgericht ([X.]) gab der [X.]lage statt (Entscheidungen der Finanzgerichte 2011, 1254). Es entschied, der [X.]läger habe die Grenze der privaten Vermögensverwaltung nicht überschritten und daher keinen gewerblichen Grundstückshandel betrieben. Anhaltspunkte für eine bereits bei Erwerb der später veräußerten Grundstücke bzw. [X.]iteigentumsanteile vorhandene unbedingte Veräußerungsabsicht des [X.]lägers seien nicht vorhanden. Daher sei maßgeblich, ob er innerhalb von fünf Jahren mehr als drei [X.]bjekte angeschafft und veräußert habe. Einbezogen werden könnten nur das vom [X.]läger 1995 erworbene und 1998 veräußerte unbebaute Grundstück [X.] sowie die versuchte Veräußerung des 1991 vom [X.]läger und seiner Ehefrau zu hälftigem [X.]iteigentum erworbenen Grundstücks S. Die vier Grundstücke [X.], [X.], [X.] und [X.] seien dagegen nicht mitzuzählen, da der [X.]läger sich der Veräußerung dieser Grundstücke aufgrund der zwangsweise eingetragenen Sicherungshypotheken und deren angedrohter Verwertung ohne Inkaufnahme wirtschaftlicher Nachteile nicht habe entziehen können.

Das [X.] rügt mit der Revision die Verletzung materiellen Rechts.

Das [X.] beantragt sinngemäß, das [X.]-Urteil aufzuheben und die [X.]lage abzuweisen.

Der [X.]läger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist begründet, sie führt nach § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) zur Aufhebung des Urteils und zur Zurückverweisung der nicht spruchreifen Sache an das [X.].

1. Das [X.] hat die Verkäufe der Grundstücke [X.], [X.] und [X.] durch den [X.]läger zu Unrecht als private Vermögensverwaltung angesehen und daher das Vorliegen der in der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten [X.]riterien für die Annahme eines gewerblichen [X.] verneint.

a) Nach § 15 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes, § 2 Abs. 1 des [X.] ist eine selbständige nachhaltige [X.]etätigung, die mit Gewinnerzielungsabsicht unternommen wird und sich als [X.]eteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt, Gewerbebetrieb, wenn die [X.]etätigung weder als Ausübung von Land- und Forstwirtschaft noch als Ausübung eines freien [X.]erufes oder einer anderen selbständigen Tätigkeit anzusehen ist. Außerdem müssen durch die Tätigkeit die Grenzen der privaten Vermögensverwaltung überschritten werden. [X.]ei der Abgrenzung zwischen Gewerbebetrieb und der nicht steuerbaren Sphäre ist auf das Gesamtbild der Verhältnisse und die Verkehrsanschauung abzustellen (vgl. [X.]eschlüsse des Großen Senats des [X.] --[X.]F[X.]-- vom 3. Juli 1995 GrS 1/93, [X.]F[X.]E 178, 86, [X.] 1995, 617; vom 10. Dezember 2001 GrS 1/98, [X.]F[X.]E 197, 240, [X.] 2002, 291; Senatsbeschluss vom 15. März 2012 III R 30/10, [X.] 2012, 661).

Eine private Vermögensverwaltung wird ausgeübt, solange sich die zu beurteilende Tätigkeit noch als Nutzung von Grundbesitz durch Fruchtziehung aus zu erhaltender Substanz darstellt und die Ausnutzung substantieller Vermögenswerte durch Umschichtungen nicht entscheidend in den Vordergrund tritt. Von einem gewerblichen Grundstückshandel kann dagegen im Regelfall ausgegangen werden, wenn innerhalb eines engen zeitlichen Zusammenhangs zwischen Anschaffung bzw. Errichtung und Verkauf, d.h. von etwa fünf Jahren, mindestens vier Objekte veräußert werden, weil die äußeren Umstände dann den Schluss zulassen, dass es dem Steuerpflichtigen auf die Ausnutzung substantieller Vermögenswerte durch Umschichtung ankommt (Senatsurteil vom 17. Dezember 2009 III R 101/06, [X.]F[X.]E 228, 65, [X.] 2010, 541).

Der [X.]läger hat im Verlauf des Streitjahres 1998 u.a. die beiden im Jahr 1995 erworbenen Grundstücke M und [X.] sowie die beiden 1997 erworbenen Grundstücke [X.] und [X.] veräußert und bereits damit die objektiven Voraussetzungen des gewerblichen [X.] erfüllt. Ob das [X.] darüber hinaus auch das Grundstück O zu Recht in den einzelunternehmerischen Grundstückshandel einbezogen hat, braucht der Senat nicht zu entscheiden.

b) Die durch die Verkäufe indizierte Annahme, dass der [X.]läger bereits beim Erwerb der Grundstücke mit bedingter [X.] handelte, ist entgegen der Ansicht des [X.] nicht widerlegt.

aa) Nach ständiger Rechtsprechung des [X.]F[X.] steht der Annahme einer bedingten [X.] grundsätzlich nicht entgegen, dass die ursprüngliche Vermietungsabsicht aufgegeben und das Objekt aufgrund wichtiger und ungewollter Gründe verkauft wird. Denn die konkreten Anlässe und [X.]eweggründe für den Verkauf --z.[X.]. Ehescheidung, Finanzierungsschwierigkeiten, [X.]rankheit, Gefälligkeit gegenüber Mandanten, ein unerwartet hohes [X.]aufangebot-- sagen im Allgemeinen nichts darüber aus, ob der Steuerpflichtige nicht auch aus anderen Gründen zum Verkauf bereit gewesen wäre und insofern von Anfang an eine zumindest bedingte [X.] gehabt hatte (vgl. die Nachweise im Senatsurteil in [X.]F[X.]E 228, 65, [X.] 2010, 541). Nichts anderes gilt für den sich im Streitfall aus der Ankündigung der Zwangsversteigerung durch das [X.] L ergebenden Druck.

bb) Die [X.] hat die [X.]edeutung eines Anscheinsbeweises, der --ohne dass es dafür weiterer Indizien bedarf-- den Schluss auf die innere Tatsache des Erwerbs (bzw. der [X.]ebauung oder Erschließung) des jeweiligen Grundstücks in bedingter [X.] zulässt, und nicht einer unwiderleglichen Vermutung, die eine Rechtfertigungsgrundlage im materiellen Recht erfordern würde. Ihre Geltungskraft kann daher im Einzelfall durch den Nachweis eines atypischen Sachverhaltsverlaufs erschüttert werden.

Dafür kommen indes die persönlichen oder finanziellen [X.]eweggründe der Veräußerung nicht in [X.]etracht, da es sich hierbei regelmäßig um nachträgliche Ereignisse handelt, die keinen [X.]inweis darauf geben können, ob ohne bedingte [X.] gekauft (bzw. gebaut oder erschlossen) worden ist. Ungeeignet sind grundsätzlich auch [X.]ekundungen des Steuerpflichtigen; dessen [X.]ehauptung, er wolle seine Immobilie lange halten, widerlegen die bedingte [X.] ebenso wenig, wie ein gewerblicher Grundstückshandel durch eine bloße Absichtserklärung begründet werden kann. Die durch das Überschreiten der [X.] indizierte innere Tatsache der bedingten [X.] im Zeitpunkt des Erwerbs bzw. des [X.]eginns der [X.]ebauung oder der Erschließung kann danach --wie der Senat bereits mit Urteil in [X.]F[X.]E 228, 65, [X.] 2010, 541 entschieden hat (zustimmend [X.]F[X.]-[X.]eschluss vom 17. August 2011 X [X.] 225/10, [X.]F[X.]/NV 2011, 2083)-- vornehmlich durch Gestaltungen des Steuerpflichtigen widerlegt werden, die in zeitlicher Nähe zum Erwerb (bzw. zur [X.]ebauung oder Erschließung) stehen und eine Veräußerung innerhalb eines Zeitrahmens von etwa fünf Jahren erschweren oder unwirtschaftlicher machen. Dies kann z.[X.]. eine langfristige Finanzierung oder eine langfristige Vermietung bzw. Verpachtung sein, wenn diese sich im Falle einer Veräußerung voraussichtlich ungünstig auswirken oder zusätzliche finanzielle [X.]elastungen auslösen würde (z.[X.]. durch eine Vorfälligkeitsentschädigung bei [X.], vgl. dazu [X.]F[X.]-Urteil vom 28. Januar 2009 [X.], [X.]F[X.]/NV 2009, 1249, oder die Inkaufnahme einer durch die Vermietung bedingten Wertminderung), oder die Einräumung von [X.], wodurch eine Verfügung über das Grundstück erschwert würde ([X.]F[X.]-Urteil vom 7. November 1990 [X.], nicht veröffentlicht). Derartige Indizien hat das [X.] indessen nicht festgestellt.

cc) Die Auffassung des [X.], die Annahme einer bedingten [X.] im Zeitpunkt des Erwerbs könne durch den Anlass der Veräußerung --hier die Vermeidung der [X.] widerlegt werden, widerspricht somit der Rechtsprechung des [X.]F[X.]. Für den Senat ist auch nicht ersichtlich, dass der [X.]läger --was das [X.] in [X.]etracht gezogen hat-- das wirtschaftliche Eigentum an den Grundstücken durch die Sicherungshypotheken verloren hat.

2. Die Sache ist nicht entscheidungsreif, da die Feststellungen des [X.] nicht ausreichen, um über die [X.]öhe der Gewerbesteuermessbeträge entscheiden zu können.

Meta

III R 19/11

27.09.2012

Bundesfinanzhof 3. Senat

Urteil

vorgehend FG Münster, 11. März 2011, Az: 14 K 991/05 G, Urteil

§ 15 Abs 2 EStG 1990, § 2 Abs 1 GewStG 1991, § 15 Abs 2 EStG 1997

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 27.09.2012, Az. III R 19/11 (REWIS RS 2012, 2764)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 2764

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