Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 13.04.2000, Az. III ZR 120/99

III. Zivilsenat | REWIS RS 2000, 2507

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[X.] DES VOLKESURTEILIII ZR 120/99Verkündet am:13. April 2000Freitag,[X.] dem [X.] [X.] hat auf die mündliche [X.] 13. April 2000 durch [X.] [X.] und die [X.]. [X.], Dr. [X.], [X.] und [X.] Recht erkannt:Auf die Revision des beklagten [X.] wird das Urteil des9. Zivilsenats des [X.] vom 22. Januar 1999 imKostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil desbeklagten [X.] erkannt worden ist.Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweitenVerhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Re-visionsrechtszuges, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.Von Rechts wegen- 3 -TatbestandIn den frühen Morgenstunden des 21. Juli 1993 wurde in [X.] ein Pkw-Fahrer festgenommen, der mehrere Polizeisperren durchbrochen hatte. Andem Einsatz waren zahlreiche Polizeibeamte des beklagten [X.], darunterauch der Kläger, der damals Zivilfahnder war, beteiligt. Der Kläger trug Prel-lungen und Schürfwunden an der Nase sowie Prellungen am rechten Brustkorbdavon. Er erkrankte psychisch und wurde wegen Dienstunfähigkeit in den [X.] versetzt.Wegen der erlittenen Verletzungen beansprucht der Kläger von dembeklagten Land die Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes und [X.] der Ersatzpflicht für die ihm entstandenen materiellen Schäden. [X.] das Schadensersatzbegehren auf Amtshaftung und hat dazu behauptet,Polizeibeamte des beklagten [X.] hätten ihn bei dem Einsatz getreten [X.] dadurch die vorbeschriebenen Verletzungen zugefügt. Dies habe zu seinerpsychischen Erkrankung geführt.Das [X.] hat dem Kläger 15.000 DM nebst Zinsen zugesprochenund im übrigen die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des [X.] hat [X.] das beklagte Land verurteilt, an ihn 30.000 DM nebst [X.] zahlen, und festgestellt, daß das beklagte Land verpflichtet sei, ihm sämtli-che materiellen Schäden aus dem Vorfall vom 21. Juli 1993 zu ersetzen, soweitdie Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder Dritte übergegangenseien oder übergingen. Die weitergehende Berufung des [X.] und die Be-rufung des beklagten [X.] hat das Berufungsgericht zurückgewiesen. Mit- 4 -der Revision verfolgt das beklagte Land den Antrag auf vollständige Abweisungder Klage weiter.[X.] Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils, soweit zumNachteil des beklagten [X.] erkannt worden ist, und zur Zurückverweisungder Sache an das Berufungsgericht.[X.] Berufungsgericht hat dem Kläger einen Schadensersatzanspruchwegen Amtspflichtverletzung (§§ 839, 847 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 34 Satz 1GG) zugebilligt und dazu im wesentlichen ausgeführt:Der Kläger sei bei dem Einsatz vom 21. Juli 1993 von anderen [X.] getreten worden. Dadurch habe er im Gesicht und am Körper Prellun-gen und Schürfwunden erlitten. Die Polizeibeamten hätten dem Kläger [X.] vorsätzlich zugefügt.Diese Feststellungen ergäben sich aus den - urkundenbeweislich ver-werteten - Protokollen des staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens überdie Vernehmung der an dem Einsatz beteiligten Polizeibeamten. Einer Ver-- 5 -nehmung des Polizeibeamten S. als Zeugen habe es nicht bedurft. Denn eskönne zugunsten des beklagten [X.] unterstellt werden, daß dieser [X.] wie im Ermittlungsverfahren ausgesagt hätte.Die Körperverletzung habe zu der psychischen Erkrankung des [X.]geführt. Da eine Renten- oder Begehrensneurose nicht vorliege, sei auch dieseFolge der Amtspflichtverletzung dem beklagten Land zuzurechnen.I[X.] Berufungsurteil hält der rechtlichen Prüfung nicht [X.] das angefochtene Urteil tragenden Feststellungen zu einer von [X.] des beklagten [X.] begangenen Amtspflichtverletzung sindnicht frei von Verfahrensfehlern getroffen worden. Die Revision beanstandet [X.], daß sich das Berufungsgericht allein auf der Grundlage der [X.] über die Vernehmung der an dem Einsatz beteiligten [X.] überzeugt hat, daß der Kläger von Kollegen vorsätzlich getreten unddadurch im Gesicht sowie am Brustkorb verletzt wurde.Schriftliche Aussagen sowie Protokolle über die Aussagen von [X.] einem anderen Verfahren können urkundenbeweislich verwertet werden,wenn - wie es hier der Fall gewesen ist - die beweispflichtige Partei dies [X.] und die Akten des anderen Verfahrens Gegenstand der mündlichen [X.] waren. Die Möglichkeit des [X.] berührt jedoch nichtdas Recht der Parteien, die unmittelbare Anhörung des Zeugen im anhängigen- 6 -Rechtsstreit zu beantragen. Macht eine der Parteien davon Gebrauch, so istdie Verwertung einer im staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren proto-kollierten Aussage im Wege des [X.] anstelle der beantragtenAnhörung des Zeugen unzulässig (vgl. [X.]surteil vom 10. Juli 1997 - [X.] = [X.]R ZPO § 355 Abs. 1 Unmittelbarkeit 7; [X.], Urteile vom 13. [X.] - VI ZR 233/94 = NJW 1995, 2856, 2857; vom 9. Juni 1992 - [X.]/91 = NJW-RR 1992, 1214, 1215; vom 30. November 1999 - [X.] = EBE [X.] 2000, 27, 29). Diese Grundsätze hat das [X.] beachtet.Das beklagte Land hatte im Berufungsverfahren - wie im Verfahren vordem [X.] - bestritten, daß es zu Fußtritten gegen den Kläger gekom-men sei. Dessen Verletzungen seien darauf zurückzuführen, daß er in das Ge-büsch und auf den mit Steinplatten ausgelegten Boden gefallen sei. [X.] sich das beklagte Land auf seinen erstinstanzlichen Vortrag bezogen,daß - falls die Polizeibeamten tatsächlich getreten hätten - sich die Tritte gegenden Pkw-Fahrer, der festgenommen werden sollte, gerichtet hätten. Sofern [X.] durch diese Fußtritte verletzt worden sein sollte, sei dies nur versehent-lich geschehen. Zum Beweis für diese Behauptungen hatte sich das [X.] in zulässiger Weise auf das Zeugnis von Polizeibeamten berufen.Das Berufungsgericht hat seine Überzeugung, daß Polizeibeamte desbeklagten [X.] den Kläger vorsätzlich verletzt hätten, aber nur auf [X.], nämlich auf die Verwertung der Vernehmungsprotokolle aus demstaatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren, gestützt. In diesem [X.] ein Verstoß gegen die Vorschrift des § 286 ZPO sowie gegen den [X.] (§ 355 Abs. 1 ZPO, vgl. [X.],Urteil vom 6. Juni 1988 - [X.] = [X.]R ZPO § 373 Unmittelbarkeit 1).Das Berufungsgericht ist dem Beweisantrag, den Polizeibeamten [X.] zu hören, nicht gefolgt, weil zugunsten des beklagten [X.] unter-stellt werden könne, daß dieser sich als Zeuge so wie im Ermittlungsverfahrengeäußert hätte. Es hat damit nicht die unter Beweis gestellte Behauptung, son-dern eine bestimmte Aussage des Zeugen zu dieser Behauptung unterstelltund diese Aussage, ohne den Zeugen selbst vernommen zu haben, gewürdigt.Auch das war nicht zulässig. Zwar konnte das Berufungsgericht die Aussage,die S. in dem staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren gemacht hatte, [X.] des [X.] verwerten. Damit konnte jedoch der Antrag desbeklagten [X.], S. als Zeugen zu vernehmen, nur dann als erledigt angese-hen werden, wenn es sich damit einverstanden erklärt hätte, daß in diesemRechtsstreit der [X.] anstelle der Zeugenvernehmung erhobenwerde (vgl. [X.]Z 40, 367, 374). Ein solches Einverständnis hat hier nicht vor-gelegen, im Gegenteil hat das beklagte Land auf der Vernehmung des [X.] gegen die Feststellung der Verletzungshandlung weiter erhobeneRüge, § 286 ZPO sei verletzt, weil sich das Berufungsgericht in [X.] Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens gesetzt habe, greift dagegen nichtdurch. Von einer Begründung wird gemäß § 565 a Satz 1 ZPO abgesehen.3.Zu Unrecht meint die Revisionserwiderung, die genannten Verfahrens-fehler könnten nicht mehr gerügt werden, weil das beklagte Land in der mündli-chen Verhandlung vor dem Berufungsgericht der angekündigten [X.] 8 -weislichen Verwertung der in den staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsaktenenthaltenen Zeugenaussagen nicht widersprochen habe (§ 295 ZPO). [X.] über die Sitzung des [X.] vom 22. Januar 1999 ist einderartiger Hinweis nicht zu entnehmen. Der Vermerk, die Strafakten hättenvorgelegen und seien Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen, [X.] die behauptete Ankündigung nichts her. Der [X.] muß deshalb davonausgehen, daß für das beklagte Land seinerzeit nicht erkennbar war, das [X.] werde die Feststellungen zum Tathergang unter Verstoß gegenbeweisrechtliche Vorschriften [X.] Verfahrensfehler führt zur Aufhebung des Berufungsurteils. [X.] vom Berufungsgericht unzulässig übergangene Beweisantrag betraf [X.] der schadenstiftenden Handlung. Das Berufungsgericht wird durchVernehmung der als Zeugen benannten Polizeibeamten den Sachverhalt inobjektiver und subjektiver Hinsicht zu klären haben.[X.] das weitere Verfahren wird auf folgendes hingewiesen:1.Die Möglichkeit eines Irrtums über das Vorliegen eines Rechtfertigungs-grundes oder eines Verbotsirrtums, die den Vorsatz ausschließen würden, liegtnach dem bisherigen Sach- und Streitstand fern. Der Hergang der Festnahmedes flüchtigen Pkw-Fahrers bietet nicht den geringsten Anhalt, daß die betei-ligten Polizeibeamten Fußtritte gegen den festzunehmenden Fahrer oder gargegen den Kläger, ihren Kollegen, für erlaubt halten [X.] 9 -2.Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß der Scha-denszurechnung bei psychischen Folgen - für einen kleinen Sektor gesund-heitlicher Belastungen des Geschädigten - Grenzen gezogen sind: Der [X.] muß nicht für die Folgen einstehen, die dadurch entstehen, daß [X.] zu einer Renten- und Begehrensneurose führt; dieseAusgrenzung betrifft die Fälle, in denen der Geschädigte den Schadensfall indem neurotischen Streben nach Versorgung und Sicherung lediglich zum [X.] nimmt, den Schwierigkeiten und Belastungen des Erwerbslebens auszu-weichen. Eine weitere Begrenzung der Schadenszurechnung kommt dann [X.], wenn das schädigende Ereignis ganz geringfügig ist (Bagatelle) undnicht gerade eine etwa vorhandene spezielle Schadensanlage des Verletztentrifft, wenn also die psychische Reaktion des Verletzten im konkreten Fall we-gen ihres groben [X.] zum Anlaß schlechterdings nicht mehr ver-ständlich ist (vgl. [X.]Z 137, 142, 145 ff m.w.[X.]) Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei eine Bagatellverletzungverneint. Diese setzt voraus, daß es sich um vorübergehende, im [X.] und häufig auch aus anderen Gründen als einem besonderen Scha-densfall entstehende Beeinträchtigungen des Körpers oder des [X.] handelt. Es sind also Beeinträchtigungen gemeint, die sowohlvon der Intensität als auch der Art der Primärverletzung her nur ganz geringfü-gig sind und üblicherweise den Verletzten nicht nachhaltig beeindrucken, [X.] schon aufgrund des Zusammenlebens mit anderen Menschen daran ge-wöhnt ist, vergleichbaren Störungen seiner Befindlichkeit ausgesetzt zu sein([X.] aaO 147). Das Berufungsgericht hat zu Recht ausgeführt, daß eine sol-che Bagatelle nicht vorliege, weil die vom Kläger unstreitig erlittenen- 10 -Schürfwunden und Prellungen an Kopf und Brustkorb "typischerweise mit ei-nem besonderen Schadensereignis verbunden" seien. Dem kann nicht mit [X.] entgegengehalten werden, daß die Besonderheiten des Polizeidien-stes dabei vernachlässigt worden seien. Im Streitfall geht es nicht um Beein-trächtigungen, wie sie im täglichen Polizeidienst bei der Festnahme von [X.] stets möglich sind und auch von dem Kläger früher klaglos "wegge-steckt" wurden. Der Kläger wurde - unterstellt, die vom Berufungsgericht ver-fahrensfehlerhaft getroffenen Feststellungen träfen in der Sache zu - von deneigenen Kollegen körperlich mißhandelt. Das gibt dem Schadensfall das be-sondere, ihn aus dem alltäglichen Dienst eines Polizeibeamten deutlich her-vorhebende Gepräge.[X.] aber schon eine Bagatelle aus, kommt es nicht mehr darauf an,ob das schädigende Ereignis auf eine spezielle Schadensanlage des verletzten[X.] traf, ob also dessen psychische Reaktion wegen ihres groben [X.] zum Anlaß nicht mehr verständlich [X.]) Der gerichtlich bestellte Sachverständige hat sich zu der Frage, obdie psychische Erkrankung des [X.] noch in Zusammenhang mit der am21. Juli 1993 erlittenen - hier unterstellten - Mißhandlung steht, nicht klar [X.]. Einerseits soll nach seinem Gutachten die bei dem Kläger festgestelltegravierende Fixierung und Chronifizierung der seelischen Symptomatik nichtmehr als Reaktion auf dieses Ereignis angesprochen werden können. Sie sollvielmehr in Beziehung stehen zu dem auf das Ereignis folgenden [X.] Zusammenhang mit schweren Differenzen und Auseinandersetzungen mitden Vorgesetzten. Andererseits heißt es am Schluß des Gutachtens, die ein-getretene Berufsunfähigkeit sei nicht monokausal zu erklären. Eine komplexe- 11 -Ereigniskonstellation (Persönlichkeit, Unfall, Rechtsstreit) habe zu der [X.] des [X.] geführt. Das Berufungsgericht wird diesen mögli-chen Widerspruch durch Anhörung des Sachverständigen zu klären haben.[X.][X.] [X.] ist durch Urlaub ver- hindert, seine Unterschrift bei- zufügen.[X.][X.]Galke

Meta

III ZR 120/99

13.04.2000

Bundesgerichtshof III. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 13.04.2000, Az. III ZR 120/99 (REWIS RS 2000, 2507)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2000, 2507

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