Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 31.05.2016, Az. 9 AZB 3/16

9. Senat | REWIS RS 2016, 10796

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Gegenstand

Rechtsstreitigkeiten über Ansprüche auf Leistung einer festgestellten oder festgesetzten Vergütung für eine Arbeitnehmererfindung - Rechtsweg


Tenor

1. Die Rechtsbeschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des [X.] vom 10. Dezember 2015 - 10 Ta 337/15 - wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.

3. Der Streitwert wird auf 9.097,14 Euro festgesetzt.

Gründe

1

I. Der Kläger begehrt von der [X.] für das [X.] weitere Erfindervergütung iHv. 27.291,41 Euro.

2

Der Kläger war ab dem 1. Oktober 1994 bei der [X.] beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete infolge eines Betriebsübergangs zum 13. Januar 2013. Der Kläger war [X.]iterfinder einiger patentierter Erfindungen, weshalb ihm die Beklagte zunächst jährlich Erfindervergütung nach der durch das ArbnErfG vorgesehenen [X.] zahlte. Unter dem Datum des 19. Januar 2007 vereinbarten die Parteien eine abweichende Berechnungsmethode zur Bestimmung der Höhe der Erfindervergütung. Der Kläger hat eine beglaubigte Übersetzung der in [X.] gefassten Vereinbarung zur Akte gereicht. Danach haben die Parteien auszugsweise Folgendes vertraglich geregelt:

        

1.    

Präambel

        

…       

        

1.3     

Derzeit wird die gemäß dem Gesetz über [X.] (‚ArbnErfG‘) an den [X.] zu zahlende Vergütung auf Basis einer sogenannten ‚Lizenzanalogie‘ errechnet. Diese Berechnungsmethode hat zwei wesentliche Nachteile. Erstens ist es schwierig für den [X.], die Berechnung nachzuvollziehen und das Ergebnis zu kontrollieren. Zweitens ist es äußerst zeitaufwendig und teuer für beide Parteien, die Vergütung zu berechnen, zu prüfen und zu kontrollieren.

        

1.4     

Vor diesem Hintergrund beabsichtigen die Parteien, eine neue Berechnungsmethode zu vereinbaren, die auf den Einnahmen aus der Nutzung der Erfindung beruht. Aus den nachfolgenden Gründen sollte mit dieser neuen [X.]ethode eine angemessene Erfindervergütung errechnet werden, welche vorteilhafter für den [X.] ist. Erstens stellen die Jahreseinnahmen aus der Nutzung der Erfindung eine verlässliche Grundlage für die Berechnung der Vergütung dar, mit welcher insbesondere ein potenzieller künftiger wirtschaftlicher Erfolg der Nutzung der Erfindung berücksichtigt werden kann. Zweitens berücksichtigt die Berechnungsmethode auch angemessen den Beitrag des [X.]S an der Erfindung, und zwar sowohl hinsichtlich des Beitrags von [X.]iterfindern als auch des Beitrags von [X.].

                 

Vor diesem Hintergrund vereinbaren die Parteien die nachfolgende neue Berechnungsmethode für die Erfindervergütung des [X.]S, welche ab dem [X.] gültig ist.

        

2.    

Neue Berechnungsmethode

        

2.1     

Die Gesamteinnahmen von [X.] im therapeutischen Bereich für das [X.] zuzüglich der Einnahmen in Verbindung mit der Erfindung aus dem nicht therapeutischen Bereich (sofern diese einen Betrag von [X.] 1.000.000 übersteigen) beläuft sich gemäß dem Jahresbericht von [X.] auf [X.] 29.139.000. Gemäß den Vergütungszahlungen für die Jahre 2002, 2003 und 2004 beträgt die durchschnittlich gezahlte Vergütung 0,031 % der Jahreseinnahmen, was den Erfinderanteil an der Erfindung widerspiegelt.

        

2.2     

Berechnungsformel für das [X.] und die Folgejahre:

                 

Vergütung 2005 = 0,031 % der Jahreseinnahmen

                 

Vergütungszahlung für 2005: [X.] 9.033,09. …

        

3.    

Zahlungsmethode

                 

Innerhalb eines [X.]onats nach der Veröffentlichung des Jahresberichts von [X.] hat [X.] dem [X.] die Berechnung seiner jährlichen Erfindervergütung zukommen zu lassen und diese zu bezahlen.

                 

…“    

3

In den Folgejahren wurde die Erfindervergütung nach dieser Formel berechnet. [X.]it Schreiben vom 1. April 2014 teilte die Beklagte dem Kläger mit, unter Anwendung der Vereinbarung vom 19. Januar 2007 betrage sein Vergütungsanspruch 13.221,32 Euro. Der Kläger ließ durch seine jetzigen Prozessbevollmächtigten der [X.] mitteilen, dass ihm nach seiner Auffassung ein höherer Vergütungsanspruch zustehe. [X.]it Schreiben ihrer jetzigen Prozessbevollmächtigten vom 31. Oktober 2014 teilte die Beklagte dem Kläger ua. Folgendes mit:

        

Vor diesem Hintergrund setzt unsere [X.]andantin die Erfindervergütung für Herrn Dr. K in Bezug auf die nachfolgend definierte Erfindung für das [X.] unter Anwendung des ‚Agreement on Inventor's Remuneration‘ vom 19. Januar 2007 nachfolgend wie folgt verbindlich fest (§ 12 [X.]):

        

…       

        

3.    

Erfindervergütung 2013

        

Vergütungspflichtige ‚annual revenues‘:

[X.] 42.649.428

                 

[X.] 13.626.659

        

Zwischensumme:

[X.] 56.276.087

        

Erfinderfaktor gem. Nr. 2 des

        
        

Agreements:

0,031 %

        

Erfindervergütung 2013

[X.] 17.445,59

        

Abzgl. bereits geleistete Erfinder-

        
        

vergütung 2013

[X.] 13.221,32

        

Ausschüttungsbetrag

[X.]   4.224,27“

4

Der Kläger ist der Auffassung, dass er Anspruch auf zusätzliche Vergütung iHv. 27.291,41 Euro für das [X.] habe.

5

Er hat den Antrag angekündigt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn für das [X.] Erfindervergütung iHv. 27.291,41 Euro [X.] Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

6

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, dass einige Umsätze nicht in voller Höhe anzusetzen seien. Insbesondere Einnahmen, die aufgrund anderer Umstände erzielt wurden, seien nicht zu berücksichtigen. Bei den Positionen [X.] 103 und [X.] 202 seien dem Kläger nur 15 % zurechenbar. [X.] man dieses sowie Abzüge, dann stünden dem Kläger lediglich 17.445,59 Euro zu, die bereits ausgezahlt worden seien. Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, dass die Gerichte für Arbeitssachen vorliegend nicht zuständig seien. Bei der Klärung der Frage, ob und welche Umsätze der Erfindung zuordenbar seien, bedürfe es einer Würdigung des patentrechtlichen Zusammenhangs und spezifischer Fachkenntnisse im Patentwesen.

7

Das Arbeitsgericht hat entschieden, dass der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen eröffnet ist. Das [X.] hat die sofortige Beschwerde der [X.], der das Arbeitsgericht nicht abgeholfen hatte, zurückgewiesen. [X.]it ihrer vom [X.] zugelassenen Rechtsbeschwerde begehrt die Beklagte weiterhin die Verweisung des Verfahrens an das Landgericht [X.]ünchen I.

8

II. Die zulässige Rechtsbeschwerde der [X.] ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen zu Recht für zulässig erklärt. Nach der abdrängenden Sonderzuweisung des § 39 Abs. 1 ArbnErfG sind zwar grundsätzlich die für Patentstreitsachen zuständigen Gerichte ausschließlich für alle Rechtsstreitigkeiten über Erfindungen eines Arbeitnehmers zuständig. Dennoch war der Rechtsstreit nicht an das nach § 143 Abs. 2 [X.] iVm. § 38 GZVJu für Patentstreitsachen im Oberlandesgerichtsbezirk [X.]ünchen zuständige Landgericht [X.]ünchen I zu verweisen. Denn gemäß § 39 Abs. 2 ArbnErfG sind Rechtsstreitigkeiten von der Regelung des § 39 Abs. 1 ArbnErfG ausgenommen, die ausschließlich Ansprüche auf Leistung einer festgestellten oder festgesetzten Vergütung für eine Erfindung zum Gegenstand haben. Für solche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern sind nach § 2 Abs. 2 Buchst. a ArbGG die Gerichte für Arbeitssachen zuständig. Diese Zuständigkeit bleibt auch nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses bestehen ([X.] 9. Juli 1997 - 9 [X.] - zu II 2 b der Gründe; [X.] NZA-RR 2014, 281, 287). Eine solche Streitigkeit liegt hier vor.

9

1. Wann eine Vergütung iSd. § 39 Abs. 2 ArbnErfG festgestellt oder festgesetzt ist, richtet sich nach § 12 ArbnErfG (vgl. G[X.]P/Schlewing 8. Aufl. § 2 Rn. 113; [X.]/[X.]/Walker ArbGG 4. Aufl. § 2 Rn. 188). Nach dieser Vorschrift soll die Art und Höhe der Vergütung in angemessener Frist nach Inanspruchnahme der Diensterfindung durch Vereinbarung zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer festgestellt werden. Kommt eine Vereinbarung über die Vergütung in angemessener Frist nach Inanspruchnahme der Diensterfindung nicht zustande, so hat der Arbeitgeber nach § 12 Abs. 3 Satz 1 ArbnErfG die Vergütung durch eine begründete Erklärung in Textform an den Arbeitnehmer festzusetzen und entsprechend der Festsetzung zu zahlen.

2. Das [X.] ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen eröffnet ist, weil die Parteien eine Vereinbarung über Art und Höhe der Vergütung iSd. § 12 Abs. 1 ArbnErfG getroffen und diese auch jahrelang vollzogen haben.

a) Eine Feststellungsvereinbarung muss die für beide Parteien verbindliche Konkretisierung des Vergütungsanspruchs enthalten ([X.]/[X.]. Bd. 1 § 12 ArbnErfG Rn. 3). Erforderlich ist eine Einigung über alle zur Bestimmung der Vergütung relevanten Berechnungsfaktoren ([X.]/[X.] ArbnErfG 5. Aufl. § 12 Rn. 17). Die Vereinbarung einer Pauschalabfindung durch einen konkreten Geldbetrag ist möglich (vgl. [X.] 17. April 1973 - [X.]/69 - zu II 1 der Gründe, [X.]Z 61, 153), aber nicht erforderlich. Die Vereinbarung der Parteien vom 19. Januar 2007 erfüllt diese Voraussetzungen.

b) Entgegen der Auffassung der [X.] ist § 39 Abs. 2 ArbnErfG nicht nach seinem Sinn und Zweck dahin gehend einschränkend auszulegen, dass der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen nicht eröffnet ist, wenn im Rahmen der Anwendung und Auslegung der Vereinbarung iSd. § 12 Abs. 1 ArbnErfG patentrechtliche Fragestellungen zu beachten sind. Dies würde es erforderlich machen, bereits im Rahmen der Entscheidung über den Rechtsweg verbindlich zu entscheiden, auf welche Kriterien es für die Auslegung der Vereinbarung ankommt. Hierfür ist die Bestimmung des Rechtswegs nicht das geeignete Verfahren. Der Gesetzgeber hat mit der Formulierung „Ansprüche auf Leistung einer festgestellten oder festgesetzten Vergütung“ an das formale Vorliegen einer Vereinbarung iSd. § 12 Abs. 1 ArbnErfG oder einer Festsetzung nach § 12 Abs. 3 ArbnErfG angeknüpft. Ist als Vergütung nicht ein bestimmter Geldbetrag, sondern ein Prozentsatz aus einer bestimmten Bezugsgröße festgesetzt, so hindert ein Streit über den Umfang der Bezugsgröße die Anwendung des § 39 Abs. 2 ArbnErfG nicht ([X.] in Reimer/Schade/[X.] ArbnErfG 8. Aufl. § 39 Rn. 7; vgl. auch [X.] in [X.]/[X.] ArbnErfG § 39 Rn. 23; aA wohl [X.]/[X.]/Walker § 2 Rn. 188). Das gilt auch dann, wenn es einer ergänzenden Auslegung der Vereinbarung und damit der Feststellung und Bewertung des mutmaßlichen Parteiwillens und der Interessenlage bedarf (enger [X.]/[X.] § 39 Rn. 18). Soweit dies zur Folge hat, dass die Gerichte für Arbeitssachen auch patentrechtliche Fragen beantworten müssen, ist dies hinzunehmen, obgleich der Regelung des § 39 Abs. 2 ArbnErfG der Gedanke zugrunde liegt, dass bei bloßen Zahlungsklagen keine schwierigen patentrechtlichen oder technischen Fragen mehr zu klären sind (vgl. [X.]. II/1648 S. 50; [X.] in [X.]/[X.] § 39 Rn. 21). [X.]. ist von den Arbeitsgerichten auf Sachverständige zurückzugreifen (§ 144 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

Zu Recht hat das [X.] auch angenommen, dass niemand [X.] entzogen werden darf (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, § 16 Satz 2 GVG) und eine Partei deshalb nicht im Rechtsstreit auf Leistung einer festgestellten oder festgesetzten Vergütung für eine Erfindung durch das Aufwerfen einer Auslegungsfrage anstelle der Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen die Zuständigkeit der für Patentstreitsachen zuständigen Gerichte begründen können darf.

III. [X.] beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Streitwertfestsetzung auf § 63 Abs. 2 GKG.

        

    Brühler    

        

    [X.]    

        

    Klose     

        

        

        

        

        

        

                 

Meta

9 AZB 3/16

31.05.2016

Bundesarbeitsgericht 9. Senat

Beschluss

Sachgebiet: AZB

vorgehend ArbG München, 7. August 2015, Az: 27 Ca 6552/15, Beschluss

§ 39 Abs 2 ArbnErfG, § 12 Abs 1 ArbnErfG, § 2 Abs 2 Buchst a ArbGG, § 39 Abs 1 ArbnErfG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 31.05.2016, Az. 9 AZB 3/16 (REWIS RS 2016, 10796)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 10796


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. 9 AZB 3/16

Bundesarbeitsgericht, 9 AZB 3/16, 31.05.2016.


Az. 27 Ca 6552/15

ArbG München, 27 Ca 6552/15, 07.08.2015.


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