Bundesgerichtshof, Beschluss vom 18.10.2017, Az. I ZB 6/16

1. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 3732

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Gegenstand

Rechtsbeschwerdeverfahren: Gebührenstreitwert bei markenrechtlichem Widerspruch


Tenor

Der Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde wird auf 50.000 € festgesetzt.

Gründe

1

I. Der Senat hat mit Beschluss vom 11. Mai 2017 die Rechtsbeschwerde auf Kosten des Wi[X.]prechenden zurückgewiesen. Die Markeninhaberin hat mit [X.] vom 29. August 2017 die Streitwertfestsetzung beantragt und erklärt, sie halte einen Streitwert von 250.000 € für angemessen. Der Wi[X.]prechende hat sich zur Höhe des Streitwerts nicht geäußert.

2

II. Auf den Antrag der Markeninhaberin ist der Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde gemäß § 33 Abs. 1 [X.] festzusetzen.

3

1. Der für die Rechtsanwaltsgebühren im vorliegenden Rechtsbeschwerdeverfahren maßgebliche Gegenstandswert bestimmt sich nach der Vorschrift des § 23 Abs. 2 Satz 1 [X.], die auf § 23 Abs. 3 Satz 2 [X.] verweist.

4

a) Nach § 23 Abs. 2 Satz 1 [X.] ist in Beschwerdeverfahren, in denen Gerichtsgebühren unabhängig vom Ausgang des Verfahrens nicht erhoben werden oder sich nicht nach dem Wert richten, der Wert unter Berücksichtigung des Interesses des Beschwerdeführers nach § 23 Abs. 3 Satz 2 [X.] zu bestimmen. Die Vorschrift des § 23 Abs. 2 Satz 1 [X.] bezieht sich ihrem Wortlaut nach allein auf Beschwerdeverfahren. Sie ist jedoch entsprechend auf Rechtsbeschwerdeverfahren als besondere Beschwerdeverfahren anzuwenden, soweit dort Gerichtsgebühren nicht erhoben werden oder sich - wie im Streitfall - nicht nach dem Wert richten ([X.], Beschluss vom 30. Juli 2012 - [X.], NJW-RR 2012, 1257; [X.], Beschluss vom 30. Juli 2015 - [X.]/13, juris Rn. 6; Beschluss vom 24. November 2016 - [X.], [X.], 127 Rn. 2). Nach § 23 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 1 [X.] ist der Gegenstandswert nach billigem Ermessen zu bestimmen.

5

b) Im Schrifttum wird demgegenüber die Ansicht vertreten, maßgebliche Vorschrift für die Bemessung des [X.] des [X.] nach den §§ 83 bis 90 [X.] sei gemäß § 23 Abs. 1 Satz 2 [X.] die Vorschrift des § 51 Abs. 1 [X.] ([X.]/[X.]/[X.], Gewerblicher Rechtsschutz Urheberrecht Medienrecht, 3. Aufl., § 90 [X.] Rn. 12; [X.] in Ströbele/[X.], [X.], 11. Aufl., § 90 Rn. 20; [X.]., [X.] 2016, 229, 231). Nach § 23 Abs. 1 Satz 2 [X.] sind in Verfahren, in denen Kosten nach dem Gerichtskostengesetz oder dem Gesetz über Gerichtskosten in Familiensachen erhoben werden, die Wertvorschriften des jeweiligen Kostengesetzes entsprechend anzuwenden, wenn für das Verfahren keine Gerichtsgebühr oder eine Festgebühr bestimmt ist. Nach § 51 Abs. 1 [X.] ist der Wert ebenfalls nach billigem Ermessen zu bestimmen.

6

c) Der vorstehend dargestellten Auffassung kann nicht zugestimmt werden. Die Frage, wie der Streitwert für die Rechtsanwaltsgebühren in Rechtsbeschwerdeverfahren festzusetzen ist, wenn die Gerichtsgebühren sich nicht nach dem Wert richten, wird im Rechtsanwaltsvergütungsgesetz nicht ausdrücklich geregelt. Systematische Gründe sprechen dafür, die Vorschrift des § 23 Abs. 2 Satz 1 [X.] entsprechend anzuwenden.

7

Die Vorschrift des § 23 Abs. 2 Satz 1 [X.] enthält eine Sonderregelung für besondere Beschwerdeverfahren, bei denen sich die Gerichtsgebühren nicht nach dem Wert richten. Dies trifft auf Rechtsbeschwerdeverfahren nach den §§ 83 bis 90 [X.] zu, bei denen die Gerichtsgebühren unabhängig vom Wert erhoben werden.

8

Für eine analoge Anwendung des § 23 Abs. 2 Satz 1 [X.] auf das markenrechtliche Rechtsbeschwerdeverfahren spricht des Weiteren der Umstand, dass das [X.] den Gegenstandswert für die Beschwerdeverfahren nach den §§ 62 bis 82 [X.] ebenfalls nach § 23 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit Abs. 3 Satz 2 [X.] festsetzt. In diesen Verfahren scheidet eine Anwendung des § 23 Abs. 1 Satz 2 [X.] aus, weil im patentgerichtlichen Verfahren die Gerichtsgebühren nicht nach dem Gerichtskostengesetz erhoben werden, sondern gemäß § 82 Abs. 1 Satz 3 [X.] nach dem Patentkostengesetz (vgl. [X.], Beschluss vom 27. April 2016 - 26 W [pat] 77/13, juris Rn. 10; Beschluss vom 7. Dezember 2016 - 28 W [pat] 17/15, juris Rn. 22). Es erleichtert den Beteiligten, die Kostenbelastung zu kalkulieren, wenn die Streitwertfestsetzung in beiden Instanzen des markenrechtlichen Rechtsmittelverfahrens nach denselben Vorschriften und damit nach einheitlichen Kriterien erfolgt. Die Gegenansicht, die im Rechtsbeschwerdeverfahren eine Streitwertfestsetzung nach § 23 Abs. 1 Satz 2 [X.] für zutreffend hält, hat zur Folge, dass vor dem [X.] und dem [X.] im selben Instanzenzug unterschiedliche Wertvorschriften zur Anwendung gelangen. In der Praxis hat dies teilweise zu divergierenden Streitwertfestsetzungen beim [X.] einerseits und beim [X.] andererseits geführt (vgl. [X.], [X.], 229). Ein derartiges Auseinanderfallen der Wertfestsetzungen in verschiedenen Instanzen wi[X.]pricht dem System der Wertvorschriften in den §§ 39 ff. [X.] für die übrigen Rechtsmittelverfahren. Das Gerichtskostengesetz differenziert bei den Wertvorschriften nicht zwischen Ausgangs-, Berufungs- oder Revisionsinstanz, maßgebend für den Wert ist vielmehr der das Verfahren einleitende Antrag (§ 40 [X.]). In Rechtsmittelverfahren werden in den höheren Instanzen zwar höhere Gerichtsgebühren erhoben, es fallen auch höhere anwaltliche Gebühren an. Dies wird jedoch nicht durch im Instanzenzug steigende Streitwerte, sondern durch steigende Gebührensätze bewirkt ([X.], [X.], 1174, 1176; vgl. hierzu [X.], [X.] 2016, 229, 231).

9

2. Nach § 23 Abs. 3 Satz 2 [X.] ist der Gegenstandswert, soweit er nicht feststeht, nach billigem Ermessen zu bestimmen (§ 23 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 1 [X.]); in Ermangelung genügender tatsächlicher Anhaltspunkte für eine Schätzung und bei nichtvermögensrechtlichen Gegenständen ist der Gegenstandswert mit 5.000 €, nach Lage des Falles niedriger oder höher, jedoch nicht über 500.000 € anzunehmen (§ 23 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 2 [X.]).

a) Maßgeblich für die Festsetzung des [X.] des [X.] im Markenlöschungsstreit ist das wirtschaftliche Interesse des Markeninhabers an der Aufrechterhaltung seiner Marke (vgl. [X.], Beschluss vom 16. März 2006 - [X.], juris Rn. 2; Beschluss vom 30. Juli 2015 - [X.]/13, juris Rn. 7). Nach der Rechtsprechung des Senats entspricht die Festsetzung des [X.]s für das Rechtsbeschwerdeverfahren in einem Markenlöschungsstreit auf 50.000 € im Regelfall billigem Ermessen ([X.], Beschluss vom 16. März 2006 - [X.], juris Rn. 2; [X.]/[X.]/[X.] aaO § 90 [X.] Rn. 13). Im Einzelfall kann der Wert angesichts des Interesses des Markeninhabers an der Aufrechterhaltung seiner umfänglich benutzten Marke auch deutlich darüber liegen ([X.], Beschluss vom 30. Juli 2015 - [X.]/13, juris Rn. 7 mwN).

b) Diese Grundsätze gelten auch im vorliegenden Wi[X.]pruchsverfahren. Deshalb ist der Streitwert nach billigem Ermessen auf 50.000 € festzusetzen. Soweit die Markeninhaberin sich pauschal auf jährliche sechsstellige Umsätze beruft, die sie mit der angegriffenen Marke seit dem [X.] erzielt habe, hat sie diese Umsätze nicht belegt. Es besteht deshalb keine Veranlassung, von einem vom Regelfall abweichenden Sachverhalt auszugehen und einen Gegenstandswert von 250.000 € festzusetzen.

c) Dagegen kann im Streitfall bei der Festsetzung des [X.] nicht von dem in § 23 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 2 [X.] genannten Regelwert von 5.000 € oder einer Vervielfachung dieses Wertes ausgegangen werden (aA [X.], [X.], 229; [X.] [X.] 2016, 229, 233). Auf diese Werte muss nur zurückgegriffen werden, wenn eine Festsetzung nach billigem Ermessen nicht möglich ist. Davon kann im Streitfall nicht ausgegangen werden.

Auf § 23 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 2 [X.] kann auch nicht aus anderen Gründen zurückgegriffen werden. Als Begründung für eine Heranziehung des [X.] von 5.000 € oder einer Vervielfachung dieses Werts für die Bemessung der [X.] in markenrechtlichen Rechtsmittelverfahren wird angeführt, die Wi[X.]pruchs- und Wi[X.]pruchsbeschwerdeverfahren dienten dem gesetzgeberischen Zweck, den Beteiligten ein schnelles und im Wesentlichen an der [X.] orientiertes und deshalb im Vergleich zum Verletzungsprozess einfacheres und auch deutlich kostengünstigeres Verfahren zur Klärung markenrechtlicher Kollisionen zur Verfügung zu stellen, das regelmäßig vor der Benutzungsaufnahme einer jüngeren Marke durchgeführt werde ([X.], [X.], 229). Es ist jedoch nicht erkennbar, dass der Gesetzgeber dieses Ziel nicht allein durch die sehr niedrigen Gebühren für die Erinnerung vor dem Patentamt, die Beschwerde vor dem [X.] und die Rechtsbeschwerde beim [X.], sondern auch im Bereich der Anwaltsgebühren durch § 23 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 2 [X.] durchsetzen wollte. Das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz und das [X.] enthalten keine besonderen Wertvorschriften, die eine derartige gebührenrechtliche Privilegierung der am markenrechtlichen Rechtsmittelverfahren Beteiligten vorsehen.

Büscher          

      

Schaffert          

      

Löffler

      

Schwonke          

      

Marx          

      

Meta

I ZB 6/16

18.10.2017

Bundesgerichtshof 1. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend BGH, 11. Mai 2017, Az: I ZB 6/16, Beschluss

§ 23 Abs 2 S 1 RVG, § 23 Abs 3 S 2 RVG, § 33 Abs 1 RVG, § 83 MarkenG, §§ 83ff MarkenG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 18.10.2017, Az. I ZB 6/16 (REWIS RS 2017, 3732)

Papier­fundstellen: MDR 2018, 759 REWIS RS 2017, 3732


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. 30 W (pat) 42/13

Bundespatentgericht, 30 W (pat) 42/13, 24.12.2015.


Az. I ZB 6/16

Bundesgerichtshof, I ZB 6/16, 18.10.2017.

Bundesgerichtshof, I ZB 6/16, 11.05.2017.


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