Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24.01.2013, Az. 2 AZR 140/12

2. Senat | REWIS RS 2013, 8647

ARBEITSRECHT BUNDESARBEITSGERICHT (BAG) BETRIEBSRAT INDIVIDUAL-ARBEITSRECHT KÜNDIGUNG LEIHARBEITNEHMER

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Gegenstand

Kleinbetriebsklausel - Berücksichtigung von Leiharbeitnehmern


Leitsatz

Bei der Bestimmung der Betriebsgröße iSv. § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG sind im Betrieb beschäftigte Leiharbeitnehmer zu berücksichtigen, wenn ihr Einsatz auf einem "in der Regel" vorhandenen Personalbedarf beruht.

Tenor

1. Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des [X.] vom 27. Juli 2011 - 4 Sa 713/10 - im [X.] und insoweit aufgehoben, wie es die Berufung des [X.] zurückgewiesen hat.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das [X.] zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung und damit im Zusammenhang stehende Zahlungsansprüche.

2

Der Kläger war bei der [X.] seit Juli 2007 als Hilfskraft beschäftigt. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 24. November 2009 zum 31. Dezember 2009.

3

Hiergegen hat der Kläger rechtzeitig die vorliegende Klage erhoben. Für den Fall des Unterliegens mit dem Kündigungsschutzantrag hat er die Zahlung von Urlaubsabgeltung, für den Fall des Obsiegens ua. die Zahlung von [X.] für die Zeit von Januar bis Mai 2010 geltend gemacht. Er hat die Auffassung vertreten, im Betrieb der [X.] finde das [X.] Anwendung. Die Beklagte beschäftige dort mehr als zehn Arbeitnehmer. Das ergebe sich aus ihrem eigenen Lohnjournal. Es seien auch die bei ihr tätigen Leiharbeitnehmer zu berücksichtigen. Diese würden wie eigene Arbeitnehmer im Betrieb eingesetzt. Die Kündigung sei zudem gemäß § 612a, § 242, § 134 BGB rechtsunwirksam. Da das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst worden sei, schulde ihm die Beklagte Annahmeverzugslohn.

4

Der Kläger hat - soweit noch von Interesse - beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der [X.] vom 24. November 2009 nicht aufgelöst wurde;

hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Feststellungsantrag,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.107,48 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Januar 2010 zu zahlen;

hilfsweise für den Fall des Obsiegens mit dem Feststellungsantrag,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn näher bestimmte Beträge nebst Zinsen für den Zeitraum von Januar bis Mai 2010 zu zahlen.

5

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat vorgetragen, bei ihr seien - einschließlich des [X.] - nur zehn Arbeitnehmer beschäftigt gewesen. Ihre Geschäftsführerin und die sich in Rente befindliche Firmengründerin seien keine weisungsgebundenen Arbeitnehmer. Der vom Kläger genannte [X.] sei nicht bei ihr beschäftigt, sondern bei der Firma seiner Ehefrau, die als Subunternehmerin für sie Transportleistungen erbringe. Die weiteren vom Kläger angeführten Namen könne sie nur teilweise bestimmten Personen zuordnen. Bei diesen handele es sich um Leiharbeitnehmer. Diese wiederum seien bei der Berechnung der Betriebsgröße nach § 23 Abs. 1 Satz 3 [X.] nicht mitzuzählen. Die Kündigung sei auch nicht aus sonstigen Gründen rechtsunwirksam, insbesondere nicht wegen Verstoßes gegen das [X.]. Kündigungsgrund sei die „schlampige“ Arbeitsweise des [X.] gewesen. Er sei mit Schreiben vom 13. November 2009 einschlägig abgemahnt worden.

6

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des [X.] hat das [X.] die Beklagte zur Zahlung der beanspruchten Urlaubsabgeltung verurteilt. Im Übrigen hat es die Berufung zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Hauptbegehren und seinen von dessen Erfolg abhängigen Hilfsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

7

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, soweit die [X.]erufung des [X.] zurückgewiesen wurde, und zur Zurückverweisung der [X.]che an das [X.]. Mit der bisherigen [X.]egründung durfte das [X.] den betrieblichen Geltungsbereich des [X.]es nicht verneinen ([X.]). Ob das [X.] tatsächlich Anwendung findet und ob auch dann die Kündigung das Arbeitsverhältnis aufgelöst hat, steht noch nicht fest (I[X.]).

8

[X.] Das [X.] hat zu Unrecht angenommen, die im [X.]etrieb eingesetzten Leiharbeitnehmer seien bei der [X.]estimmung der [X.]etriebsgröße nach § 23 Abs. 1 [X.]tz 3 [X.] schon deshalb nicht zu berücksichtigen, weil sie nicht in einem Arbeitsverhältnis zur [X.]eklagten stünden.

9

1. Gemäß § 23 Abs. 1 [X.]tz 3 [X.] gilt das [X.] für nach dem 31. Dezember 2003 eingestellte Arbeitnehmer nicht in [X.]etrieben, in denen in der Regel zehn oder weniger Arbeitnehmer beschäftigt werden. [X.] man allein die in einem Arbeitsverhältnis zur [X.]eklagten stehenden Arbeitnehmer, fände es im Streitfall keine Anwendung. Die [X.]eklagte beschäftigte nicht mehr als zehn „eigene“ Arbeitnehmer.

2. Ob bei der [X.]estimmung der [X.]etriebsgröße nach § 23 Abs. 1 [X.]tz 3 [X.] auch die im [X.]etrieb tätigen Leiharbeitnehmer zu berücksichtigen sind, hat das [X.] bislang nicht entschieden. Im Schrifttum und in der [X.] ist die Auffassung vorherrschend, Leiharbeitnehmer seien im Entleiherbetrieb bei der [X.]estimmung der Anzahl der [X.]eschäftigten nicht zu berücksichtigen. Zur [X.]egründung wird darauf abgestellt, dass Leiharbeitnehmer nicht in einem Arbeitsverhältnis zum [X.]etriebsinhaber stünden ([X.]/[X.] 10. Aufl. § 23 [X.] Rn. 41; [X.]/[X.] 9. Aufl. § 23 [X.] Rn. 41; [X.]/[X.] 13. Aufl. § 23 [X.] Rn. 19; [X.]/[X.] 4. Aufl. § 23 Rn. 23; [X.]. § 23 [X.] Rn. 31; [X.] 30. Januar 2001 - 3 [X.] 2125/00 - zu I 2 der Gründe; aA: [X.]/[X.] 2. Aufl. 2010 § 23 [X.] Rn. 29; kritisch auch [X.]/[X.] 4. Aufl. § 23 [X.] Rn. 14).

3. Richtig ist, zur [X.]erechnung des Schwellenwerts nach § 23 Abs. 1 [X.]tz 3 [X.] sämtliche für den [X.]etriebsinhaber weisungsgebunden tätigen und in den [X.]etrieb eingegliederten Arbeitnehmer mitzuzählen, soweit mit diesen ein regelmäßiger [X.]eschäftigungsbedarf abgedeckt wird. Dabei kann es sich auch um im [X.]etrieb eingesetzte Leiharbeitnehmer handeln, soweit ihr Einsatz der den [X.]etrieb im Allgemeinen kennzeichnenden [X.]eschäftigungslage entspricht. Dies ergibt die Auslegung der [X.]estimmung.

a) Der Wortlaut von § 23 Abs. 1 [X.]tz 3 [X.] gibt keinen eindeutigen Aufschluss darüber, ob ausschließlich in einem Arbeitsverhältnis zum [X.]etriebsinhaber stehende Arbeitnehmer oder auch Leiharbeitnehmer mitzuzählen sind.

Das Gesetz spricht von „Arbeitnehmern“, die „im [X.]etrieb beschäftigt werden“. Dies lässt sowohl ein Verständnis zu, wonach es sich um „eigene“ Arbeitnehmer des [X.]etriebsinhabers handeln muss, als auch ein solches, demzufolge sämtliche Arbeitnehmer zählen, die in den [X.]etrieb eingegliedert und dort in [X.] vom [X.]etriebsinhaber tätig sind, unabhängig davon, ob sie zum [X.]etriebsinhaber selbst in einem Arbeitsverhältnis stehen. Wäre das zuletzt genannte Verständnis zutreffend, wären „in der Regel beschäftigte“ Leiharbeitnehmer mitzuzählen. Auch diese sind Arbeitnehmer, sind in den [X.]etrieb des Entleihers eingegliedert und dort diesem gegenüber weisungsgebunden tätig ([X.] 18. Oktober 2011 - 1 [X.] - Rn. 19, [X.] 1972 § 111 Nr. 70 = EzA [X.] 2001 § 111 Nr. 8; 28. Juni 2000 - 7 [X.] - zu III 2 der Gründe, [X.] 2001, 98; 30. Januar 1991 - 7 [X.] - zu III 1 der Gründe, [X.]E 67, 124; [X.]/Koch ArbR-Hdb. 14. Aufl. § 120 Rn. 5). Dementsprechend ist die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Stammarbeitnehmers als sog. Austauschkündigung unwirksam, wenn sein Arbeitsplatz anschließend mit einem Leiharbeitnehmer besetzt werden soll (vgl. [X.] 26. September 1996 - 2 [X.] - zu II 2 d der Gründe, [X.]E 84, 209). [X.]eschäftigt der Arbeitgeber Leiharbeitnehmer, um mit ihnen ein nicht schwankendes, ständig vorhandenes (Sockel-)Arbeitsvolumen abzudecken, kann außerdem von freien Arbeitsplätzen iSv. § 1 Abs. 2 [X.]tz 2 [X.] auszugehen sein, auf denen sonst zur Kündigung anstehende Stammarbeitnehmer beschäftigt werden können ([X.] 15. Dezember 2011 - 2 [X.] - Rn. 30, AP [X.] 1969 § 1 Namensliste Nr. 21 = EzA [X.] § 1 Soziale Auswahl Nr. 84).

b) Die Gesetzessystematik und der [X.] geben ebenso wenig Aufschluss über das zutreffende Verständnis. Zwar regelt § 1 [X.] den allgemeinen Kündigungsschutz im Verhältnis des Arbeitnehmers zu seinem Arbeitgeber. Das [X.] betrifft damit nach seinem persönlichen Geltungsbereich allein die Rechtsbeziehungen zwischen den Parteien eines Arbeitsverhältnisses. Für seinen betrieblichen Anwendungsbereich knüpft § 23 Abs. 1 [X.]tz 3 [X.] jedoch an die Größe des [X.]etriebs gemessen an der Zahl der dort beschäftigten Arbeitnehmer an. Es ist unter systematischen Gesichtspunkten nicht zwingend, dass auch damit nur „eigene“ Arbeitnehmer des Arbeitgebers und [X.]etriebsinhabers gemeint sein können. Ein bestimmter vom Gesetzgeber innerhalb eines Gesetzeswerks verwandter [X.]egriff kann im jeweiligen [X.] vielmehr eine unterschiedliche [X.]edeutung haben (vgl. nur [X.] 18. Oktober 2011 - 1 [X.] - Rn. 19, [X.] 1972 § 111 Nr. 70 = EzA [X.] 2001 § 111 Nr. 8). Die [X.]etriebsgröße, dh. die Anzahl der in einem [X.]etrieb beschäftigten Arbeitnehmer muss sich deshalb nicht zwingend danach richten, wie viele Arbeitnehmer zum [X.]etriebsinhaber selbst in einem Arbeitsverhältnis stehen und ihm gegenüber ggf. Kündigungsschutz beanspruchen können. Dies zeigt sich etwa daran, dass im Gemeinschaftsbetrieb auch die Arbeitnehmer des jeweils anderen Mitinhabers, obwohl sie nur zu diesem in einem Arbeitsverhältnis stehen, die Größe des [X.]etriebs iSv. § 23 Abs. 1 [X.]tz 3 [X.] mitbestimmen.

c) Aus der Entstehungsgeschichte der Norm lässt sich ein bestimmter Regelungswille des Gesetzgebers nicht ableiten. Soweit aus den Materialien ersichtlich, ist in den Gesetzgebungsverfahren weder zur aktuellen [X.]estimmung des § 23 Abs. 1 [X.]tz 3 [X.] noch zu den Vorläuferregelungen erörtert worden, ob Leiharbeitnehmer im Entleiherbetrieb bei der [X.]estimmung der [X.]etriebsgröße zu berücksichtigen sein können. Umgekehrt lässt sich aus dem Umstand, dass dazu keine ausdrückliche Regelung getroffen ist, nicht schließen, ihre [X.]erücksichtigung solle ausgeschlossen sein.

aa) Eine höchstrichterliche Rechtsprechung, die der Gesetzgeber in seinen Willen aufgenommen haben könnte, gab es zu dieser Frage nicht. Zwar hat das [X.] zu § 2 Abs. 1 des Gesetzes über die Fristen zur Kündigung von Angestellten vom 9. Juli 1926 angenommen, als „im [X.]etrieb beschäftigte Angestellte“ im dortigen Sinne seien nur diejenigen Angestellten mitzuzählen, die in einem Arbeitsverhältnis zum Arbeitgeber stünden ([X.] 16. Februar 1983 - 7 [X.] - zu II der Gründe, [X.]E 41, 374). Das Gesetz stelle nicht auf die Funktion ab, sondern auf den Status eines Angestellten, der ein Arbeitsverhältnis mit dem Arbeitgeber voraussetze ([X.] 16. Februar 1983 - 7 [X.] - aaO). Dies lässt sich aber nicht auf § 23 Abs. 1 [X.]tz 3 [X.] übertragen. Die [X.]estimmungen betreffen verschiedene Regelungsbereiche. Der Statusbegriff des Angestellten spielt im [X.] keine Rolle. Im Übrigen ist das Gesetz über die Fristen zur Kündigung von Angestellten 1983 außer [X.] getreten, so dass es bei den letzten Novellierungen von § 23 Abs. 1 [X.] im Jahr 2003 schon lange nicht mehr galt.

[X.]) Außerdem haben sich die Rahmenbedingungen für den Einsatz von Leiharbeitnehmern infolge der zunächst sukzessiven Verlängerung und schließlich Abschaffung der Höchstdauer einer Überlassung verändert (vgl. zur Rechtsentwicklung: Thüsing/[X.] 3. Aufl. § 1 Rn. 9 ff.; [X.] [X.] 3. Aufl. Einleitung [X.] Rn. 15 ff.). Arbeitgeber mit zehn oder weniger eigenen Arbeitnehmern können mittlerweile einen ggf. weit höheren regelmäßigen [X.]eschäftigungsbedarf durch den Einsatz von Leiharbeitnehmern abdecken. Dabei kommt es nicht darauf an, welche [X.]edeutung der mit Wirkung vom 1. Dezember 2011 in § 1 Abs. 1 [X.]tz 2 [X.] aufgenommenen Formulierung zukommt, die Überlassung von Arbeitnehmern an Entleiher erfolge „vorübergehend“. Selbst wenn danach nur ein jeweils vorübergehender Einsatz der einzelnen Leiharbeitnehmer als Personen zulässig wäre, könnte durch ihren ständigen Austausch auch ein regelmäßiger [X.]eschäftigungsbedarf abgedeckt werden.

cc) Der Umstand, dass der Gesetzgeber des Jahres 2001 in § 7 [X.]tz 2 [X.] die Wahlberechtigung von Leiharbeitnehmern zur Wahl eines [X.]etriebsrats im Entleiherbetrieb ausdrücklich geregelt hat, rechtfertigt keinen Umkehrschluss dahin, Leiharbeitnehmer seien, da es im [X.] an einer vergleichbaren Regelung fehle, für die [X.]estimmung der [X.]etriebsgröße nach § 23 Abs. 1 [X.]tz 3 [X.] nicht zu berücksichtigen. Dass der Gesetzgeber Regelungsbedarf im [X.]etriebsverfassungsrecht gesehen hat, besagt nichts darüber, aus welchen Gründen er im [X.] eine Regelung unterlassen hat.

[X.]) Aus § 14 Abs. 1 [X.] lässt sich für die Auslegung von § 23 Abs. 1 [X.]tz 3 [X.] nichts ableiten. Nach dieser [X.]estimmung bleiben Leiharbeitnehmer zwar betriebsverfassungsrechtlich während der [X.] ihrer Arbeitsleistung bei einem Entleiher Angehörige des entsendenden [X.]etriebs des Verleihers. Gleichwohl ordnet § 14 Abs. 3 [X.]tz 1 [X.] das Mitbestimmungsrecht des im Entleiherbetrieb gebildeten [X.]etriebsrats beim Einsatz von Leiharbeitnehmern nach § 99 Abs. 1 [X.] an (vgl. dazu [X.] 23. Januar 2008 - 1 A[X.]R 74/06 - Rn. 22, [X.]E 125, 306). Für einen Willen des Gesetzgebers, Leiharbeitnehmer seien bei der [X.]estimmung der [X.]etriebsgröße des Entleiherbetriebs nach § 23 Abs. 1 [X.]tz 3 [X.] nicht mitzuzählen, lässt sich dem nichts entnehmen.

d) Die zutreffende Lesart von § 23 Abs. 1 [X.]tz 3 [X.] folgt aus dem Regelungszweck. Sinn und Zweck der Herausnahme von Kleinbetrieben aus dem allgemeinen Kündigungsschutz nach § 23 Abs. 1 [X.]tz 3 [X.] gebieten unter [X.]erücksichtigung von Art. 3 Abs. 1 GG ein Verständnis, wonach Leiharbeitnehmer im Entleiherbetrieb bei der [X.]estimmung der [X.]etriebsgröße insoweit mitzuzählen sind, wie ihr Einsatz einem „in der Regel“ vorhandenen [X.]eschäftigungsbedarf entspricht. Es kommt dabei nicht entscheidend darauf an, für welche [X.]dauer der jeweils einzelne Leiharbeitnehmer im [X.]etrieb eingesetzt ist. Auch dann, wenn auf einem Arbeitsplatz ständig wechselnde Leiharbeitnehmer eingesetzt werden, ist dieser, soweit er die regelmäßige [X.]elegschaftsstärke kennzeichnet, zu berücksichtigen.

aa) § 23 Abs. 1 [X.]tz 3 [X.] benachteiligt die Arbeitnehmer in Kleinbetrieben im Vergleich zu Arbeitnehmern in größeren [X.]etrieben. Zwar sind sie nicht schutzlos Kündigungen ausgeliefert, die auf willkürlichen oder auf sachfremden Motiven beruhen. Wo die [X.]estimmungen des [X.]es nicht greifen, werden die Arbeitnehmer durch die zivilrechtlichen Generalklauseln vor einer sitten- oder treuwidrigen Ausübung des Kündigungsrechts des Arbeitgebers geschützt. Soweit unter mehreren Arbeitnehmern eine Auswahl zu treffen ist, gebietet der verfassungsrechtliche Schutz des Arbeitsplatzes in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip ein gewisses Maß an [X.] Rücksichtnahme. Gleichwohl darf der durch die Generalklauseln vermittelte Schutz nicht dazu führen, dass dem Kleinunternehmen praktisch die im [X.] vorgegebenen Maßstäbe der [X.] auferlegt werden (vgl. zu § 23 Abs. 1 [X.]tz 2 [X.] idF v. 26. April 1985 [X.]VerfG 27. Januar 1998 - 1 [X.]vL 15/87 - zu [X.] II 2 und [X.] I 3 b cc der Gründe, [X.]VerfGE 97, 169).

[X.]) Die [X.]enachteiligung von Arbeitnehmern in Kleinbetrieben bedarf wegen Art. 3 Abs. 1 GG der verfassungsrechtlichen Legitimation. Diese liegt darin, dass in Kleinbetrieben häufig eine enge persönliche Zusammenarbeit stattfindet, dass Kleinbetriebe regelmäßig eine geringere Finanzausstattung aufweisen, die sie häufig außerstande setzt, Abfindungen bei Auflösung des Arbeitsverhältnisses zu zahlen oder weniger leistungsfähiges, weniger benötigtes oder auch nur weniger [X.] Personal mitzutragen, und dass der Verwaltungsaufwand, den ein Kündigungsschutzprozess mit sich bringt, den Kleinbetrieb stärker als ein größeres Unternehmen belastet ([X.]VerfG 27. Januar 1998 - 1 [X.]vL 15/87 - zu [X.] I 3 b [X.] und [X.] II 4 b aa der Gründe, [X.]VerfGE 97, 169; [X.] 28. Oktober 2010 - 2 [X.] - Rn. 21, AP [X.] 1969 § 23 Nr. 48 = EzA [X.] § 23 Nr. 37; 19. April 1990 - 2 [X.] - zu II 2 a [X.] der Gründe, [X.]E 64, 315). [X.]. ist durch eine verfassungskonforme Auslegung des [X.]etriebsbegriffs sicherzustellen, dass nicht auch solchen Arbeitnehmern der allgemeine Kündigungsschutz entzogen wird, deren [X.]eschäftigungsbetrieb bei objektiver [X.]etrachtung gerade nicht die typischen Merkmale eines Kleinbetriebs im dargelegten Sinne aufweist ([X.]VerfG 27. Januar 1998 - 1 [X.]vL 15/87 - zu [X.] II 4 b [X.] der Gründe, aaO; vgl. [X.] 28. Oktober 2010 - 2 [X.] - Rn. 21, Rn. 25, aaO).

cc) Danach ist es schon aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten, bei der für die [X.]estimmung der [X.]etriebsgröße zu berücksichtigenden Zahl von im [X.]etrieb beschäftigten Arbeitnehmern nicht danach zu differenzieren, ob diese in einem Arbeitsverhältnis zum [X.]etriebsinhaber stehen oder nicht. Der Gesetzgeber hat die Grenze für einen Kleinbetrieb bei der [X.]eschäftigung von zehn Arbeitnehmern im [X.]etrieb gezogen. Diese Festlegung stellt eine Generalisierung dar, die grundsätzlich von der dem Gesetzgeber zukommenden [X.] gedeckt ist (vgl. [X.]VerfG 27. Januar 1998 - 1 [X.]vL 15/87 - zu [X.] II 4 b aa der Gründe, [X.]VerfGE 97, 169). Rechtfertigt es danach die [X.]eschäftigung von mehr als zehn Arbeitnehmern nicht mehr, den [X.]etrieb aus dem Anwendungsbereich des [X.]es herauszunehmen, gilt dies sowohl für den Fall, dass mehr als zehn eigene Arbeitnehmer beschäftigt werden, als auch für den Fall, dass der weitere regelmäßige [X.]eschäftigungsbedarf durch Leiharbeitnehmer abgedeckt wird. Der Grad der persönlichen Zusammenarbeit, die Finanzausstattung des [X.]etriebs und dessen [X.]elastbarkeit durch erhöhten Verwaltungsaufwand hängen nicht davon ab, ob der Arbeitgeber regelmäßigen [X.]eschäftigungsbedarf durch eigene Arbeitnehmer oder durch Leiharbeitnehmer abdeckt. Es macht für die [X.]estimmung der finanziellen Leistungsfähigkeit und [X.]elastbarkeit des Entleihers keinen Unterschied, ob die Arbeitsplätze mit eigenen Arbeitnehmern oder mit Leiharbeitnehmern besetzt sind. Leiharbeitnehmer besetzen diese wie eigene Arbeitnehmer und unterliegen dem Weisungsrecht des Entleihers (zu § 111 [X.] vgl. [X.] 18. Oktober 2011 - 1 [X.] - Rn. 19, [X.] 1972 § 111 Nr. 70 = EzA [X.] 2001 § 111 Nr. 8). Durch den Einsatz von Leiharbeitnehmern entstehen vergleichbare Personalkosten. Der Entleiher hat zwar den Leiharbeitnehmern kein Arbeitsentgelt, er hat jedoch dem Verleihunternehmen das vereinbarte Entgelt für deren Überlassung zu entrichten. Auch die Erwägung, jenseits der Grenze von zehn Arbeitnehmern sei typischerweise nicht mehr von einer für Kleinbetriebe kennzeichnenden engeren persönlichen Zusammenarbeit auszugehen, gilt unabhängig davon, ob die [X.]eschäftigten eigene Arbeitnehmer oder Leiharbeitnehmer sind.

[X.]) Da § 23 Abs. 1 [X.]tz 3 [X.] auf die „in der Regel“ im [X.]etrieb beschäftigten Arbeitnehmer abstellt, kommt es für die [X.]etriebsgröße nicht auf die zufällige tatsächliche Anzahl der [X.]eschäftigten [im [X.]punkt des [X.]] an. Maßgebend ist die [X.]eschäftigungslage, die im Allgemeinen für den [X.]etrieb kennzeichnend ist ([X.] 24. Februar 2005 - 2 [X.] - zu [X.] I 1 der Gründe, AP [X.] 1969 § 23 Nr. 34 = EzA [X.] § 23 Nr. 28). Zur Feststellung der regelmäßigen [X.]eschäftigtenzahl bedarf es deshalb eines Rückblicks auf die bisherige personelle Stärke des [X.]etriebs und einer Einschätzung seiner zukünftigen Entwicklung; [X.]en außergewöhnlich hohen oder niedrigen Geschäftsanfalls sind dabei nicht zu berücksichtigen ( [X.] 24. Februar 2005 - 2 [X.] - aaO; 2 2. Januar 2004 - 2 [X.] - zu II 1 a der Gründe, [X.]E 109, 215). Dies gilt auch mit [X.]lick auf Leiharbeitnehmer. Werden diese zur Vertretung von Stammarbeitnehmern beschäftigt, zählen sie grundsätzlich nicht mit. Sie zählen - ebenso wenig wie vorübergehend beschäftigte eigene Arbeitnehmer - auch dann nicht mit, wenn sie nur zur [X.]ewältigung von Auftragsspitzen eingesetzt werden, die den allgemeinen Geschäftsbetrieb nicht kennzeichnen. Dagegen sind sie mitzuzählen, soweit ihre [X.]eschäftigung dem „Regelzustand“ des [X.]etriebs entspricht, soweit also bestimmte Arbeitsplätze im fraglichen Referenzzeitraum stets mit Arbeitnehmern besetzt waren bzw. sein werden, sei es mit eigenen Arbeitnehmern des [X.]etriebsinhabers, sei es, etwa nach deren Ausscheiden oder „immer schon“ mit (wechselnden) Leiharbeitnehmern.

I[X.] [X.]ei Anwendung dieser Grundsätze ist nicht ausgeschlossen, dass die Kündigung der [X.]eklagten vom 24. November 2009 der [X.] Rechtfertigung nach dem [X.] bedarf. Die [X.]eklagte beschäftigte im [X.]punkt der Kündigung zehn eigene Arbeitnehmer und außerdem zumindest eine Leiharbeitnehmerin. Feststellungen dazu, ob deren Einsatz auf einem regelmäßigen [X.]eschäftigungsbedarf beruhte, hat das [X.] - nach seiner Rechtsauffassung konsequent - nicht getroffen.

II[X.] Die [X.]che war nach § 563 Abs. 1, Abs. 3 ZPO an das [X.] zurückzuverweisen. Der [X.] kann nicht etwa deshalb abschließend selbst entscheiden, weil feststünde, dass die Kündigung unabhängig von der Anwendbarkeit des [X.]es rechtsunwirksam ist. Das [X.] hat angenommen, der Kläger habe keine Umstände dargelegt, die die Unwirksamkeit der Kündigung nach § 242 [X.]G[X.] oder nach § 612a [X.]G[X.] iVm. § 134 [X.]G[X.] begründen könnten. Hiergegen hat der Kläger keine Verfahrensrügen erhoben.

IV. [X.]ei der neuen Verhandlung wird das [X.] den Parteien Gelegenheit zu geben haben, ergänzend zur Anwendbarkeit des [X.]es vorzutragen. Die Darlegungs- und [X.]eweislast für die betrieblichen Geltungsvoraussetzungen nach § 23 Abs. 1 [X.] trägt grundsätzlich der Arbeitnehmer ([X.] 23. Oktober 2008 - 2 [X.] - Rn. 29, AP [X.] 1969 § 23 Nr. 43 = EzA [X.] § 23 Nr. 33; 26. Juni 2008 - 2 [X.] - Rn. 17 und 20, [X.]E 127, 102). [X.] Schwierigkeiten, die sich mangels eigener Kenntnismöglichkeiten ergeben, ist durch die Grundsätze der abgestuften Darlegungs- und [X.]eweislast Rechnung zu tragen ([X.] 23. Oktober 2008 - 2 [X.] - Rn. 30, aaO; 26. Juni 2008 - 2 [X.] - Rn. 26, aaO).

Sollte das [X.] zu dem Ergebnis kommen, dass der betriebliche Geltungsbereich des [X.]es eröffnet ist, wird es weiter zu prüfen haben, ob die Kündigung vom 24. November 2009 gem. § 1 Abs. 1 und Abs. 2 [X.] sozial gerechtfertigt ist.

V. Von der Zurückverweisung umfasst sind die für den Fall des Obsiegens mit dem Kündigungsschutzantrag gestellten Anträge auf Zahlung von [X.] für die [X.] von Januar bis Mai 2010. Der Anspruch hängt von der Wirksamkeit der Kündigung vom 24. November 2009 ab. Sollte das [X.] zu dem Ergebnis kommen, die Kündigung vom 24. November 2009 habe das Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst, und dem Kündigungsschutzantrag stattgeben, hat es seine Verurteilung der [X.]eklagten zur Zahlung von Urlaubsabgeltung aufzuheben und für gegenstandslos zu erklären (vgl. [X.]GH 14. Dezember 1988 - [X.] - zu IV der Gründe, [X.]GHZ 106, 219). Anderenfalls verbleibt es bei deren Rechtskraft.

        

    Kreft    

        

    Rinck    

        

    Rachor    

        

        

        

    Niebler    

        

    [X.]    

                 

Meta

2 AZR 140/12

24.01.2013

Bundesarbeitsgericht 2. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Nürnberg, 24. August 2010, Az: 14 Ca 9688/09, Urteil

§ 23 Abs 1 S 3 KSchG, Art 3 Abs 1 GG, § 1 AÜG, § 14 Abs 1 AÜG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24.01.2013, Az. 2 AZR 140/12 (REWIS RS 2013, 8647)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 8647

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