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BUNDESGE[X.]ICHTSHOF
BESCHLUSS
IX [X.]/13
vom
18. Dezember 2014
in dem [X.]echtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.][X.]:
ja
ZPO § 41 Nr. 6, § 42 Abs. 2
Die Mitwirkung der im Vorprozess mit der Sache befassten [X.] bei dem Erlass der Entscheidung im späteren Anwaltshaftungsprozess stellt weder einen gesetzli-chen Ausschlussgrund noch einen Ablehnungsgrund wegen Besorgnis der Befan-genheit dar.
[X.], Beschluss vom 18. Dezember 2014 -
IX [X.]/13 -
OLG Hamm
[X.]
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2
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Der IX.
Zivilsenat des [X.] hat durch
den Vorsitzenden [X.] Prof.
Dr. Kayser,
den [X.] [X.], die [X.]in [X.], die [X.] Dr.
Fischer
und
Dr. [X.]
am 18. Dezember 2014
beschlossen:
Die [X.]echtsbeschwerde gegen den Beschluss des 32.
Zivilsenats des [X.] vom 21.
August 2013 wird auf Kosten des [X.] zurückgewiesen.
Der Wert des [X.]echtsbeschwerdeverfahrens wird auf 80.000
festgesetzt.
Gründe:
I.
Die Parteien streiten um Schadensersatz wegen Verletzung anwaltlicher Berufspflichten. Die beklagten [X.]echtsanwälte vertraten den Kläger vor dem [X.] in einem [X.] (nachfolgend: Vorprozess). Nach Abweisung der Klage legten sie auftragsgemäß Berufung ein, die sie nicht rechtzeitig begründeten. Der Kläger ist der Auffassung, sein [X.]echtsmittel wäre begründet gewesen. Er nimmt die Beklagten deshalb auf Schadensersatz in Höhe des im Vorprozess verlangten Schmerzensgeldes von 50.000
Feststellung der Ersatzpflicht für sämtliche weiteren materiellen und immateriel-len Schäden in Anspruch, die er durch die im Vorprozess streitgegenständliche 1
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ärztliche Fehlbehandlung erlitten habe und künftig noch erleiden werde. Nach der Geschäftsverteilung des [X.] ist für die Entscheidung des [X.] die Kammer zuständig, die bereits mit dem Vorprozess befasst war. Mit Schriftsatz vom 11.
März 2013 hat der Kläger, soweit noch von Interesse, den [X.] und ein weiteres Mitglied der Kammer wegen Besorgnis der Befangenheit mit der Begründung abgelehnt, dass der Fall demjenigen des gesetzlichen Ausschlusses des mit der Sache vorbefassten [X.]s nach §
41
Nr. 6 ZPO entspreche. In ihren dienstlichen Äußerungen haben die [X.] er-klärt, über die Klage unvoreingenommen urteilen zu können.
Das Ablehnungsgesuch ist vor dem [X.] erfolglos geblieben. Das [X.] hat die hiergegen gerichtete Beschwerde des [X.] zu-rückgewiesen und die [X.]echtsbeschwerde zugelassen. Mit dieser verfolgt der Kläger sein Ablehnungsbegehren weiter.
II.
Die gemäß §
574 Abs.
1 Satz
1 Nr.
2 ZPO statthafte und auch im Übri-gen zulässige [X.]echtsbeschwerde ist unbegründet.
1. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, die abgelehnten [X.] seien weder kraft Gesetzes noch wegen Besorgnis der Befangenheit von der Aus-übung ihres [X.]amtes ausgeschlossen. Die Voraussetzungen des § 41 Nr. 6 ZPO seien nicht erfüllt, die Vorschrift führe nur dann zum gesetzlichen Aus-schluss vom [X.]amt, wenn ein [X.]
in einem
früheren [X.]echtszug des gleichen Verfahrens an der angefochtenen Entscheidung mitgewirkt habe. Dies sei vorliegend nicht der Fall. Der [X.] bezwecke nicht die Überprü-2
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fung der im Ausgangsverfahren ergangenen erstinstanzlichen Entscheidung, deren [X.]ichtigkeit nur inzidenter im [X.]ahmen des geltend gemachten Schadens zu beurteilen
sei. Einer ausdehnenden Auslegung sei die Vorschrift nicht zu-gänglich. Dem
stehe das verfassungsrechtlich garantierte [X.]echt der Beteiligten auf den gesetzlichen [X.] entgegen.
Die Tätigkeit der abgelehnten [X.] im Ausgangsverfahren
rechtfertige auch nicht die
Besorgnis der Befangenheit nach § 42 Abs. 2 ZPO. Allein die Mitwirkung der [X.] an dem klageabweisenden Urteil des [X.] begründe diese Besorgnis nicht.
Die Zivilprozessordnung lasse [X.] Konstellationen -
etwa die Entscheidung über den Einspruch nach Erlass eines Versäumnisurteils oder über den Widerspruch gegen eine im [X.] ergangene einstweilige
Verfügung
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zu, in denen ein [X.] im weite-ren Verlauf des Verfahrens eigene Entscheidungen zu überprüfen und gegebe-nenfalls abzuändern habe, ohne dass er deshalb aus der Sicht einer verständi-gen Partei als befangen anzusehen sei. Dies gelte auch für atypische Konstella-tionen prozessrechtlicher [X.], in denen beispielsweise der [X.] an das [X.] wechsele, bei dem er ein unter seiner Mitwirkung im [X.]echtsmittelverfahren aufgehobenes und zurückverwiesenes [X.]echtsmittelverfahren fortzuführen habe, oder die Befassung als Zivilrichter mit einer Sache, die er zuvor bereits als Strafrichter zu beurteilen gehabt habe.
2. Die [X.]echtsbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Die abgelehn-ten [X.] sind wegen ihrer Mitwirkung im
vorausgegangenen Arzthaftungs-prozess weder ausgeschlossen (§ 41 Nr. 6 ZPO) noch befangen (§ 42 Abs. 2 ZPO).
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a) Nach § 41 Nr. 6 ZPO ist ein [X.] von der Ausübung des [X.]am-tes kraft Gesetzes in Sachen ausgeschlossen, in denen er in einem früheren [X.]echtszug oder im schiedsrichterlichen Verfahren bei dem Erlass der angefoch-tenen Entscheidung mitgewirkt hat. Seine Mitwirkung an einer anderen Ent-scheidung als der angefochtenen reicht hingegen nicht aus ([X.], Urteil vom 5.
Juli 1960 -
VI
Z[X.] 109/59, NJW 1960, 1762 f; vom 5. Dezember 1980
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V
Z[X.] 16/80, NJW 1981, 1273 f; Beschluss vom 24. Juli 2012 -
II
Z[X.] 280/11, NJW-[X.][X.] 2012, 1341
[X.]n. 2; [X.], NJW 1975, 1241; NJW 1980, 2722; [X.], 271 [X.]n. 23). Im Streitfall haben die abgelehnten [X.], die im Anwaltshaftungs-prozess in erster Instanz tätig werden sollen, nur in einem Vorprozess mitge-wirkt, dessen für den Kläger negativer Ausgang den Anlass für die [X.] gegeben hat. Dieser Fall wird von dem klaren Wort-laut der Vorschrift nicht erfasst.
Eine entsprechende Anwendung des §
41 Nr.
6 ZPO auf den hier gege-benen Fall der [X.] scheidet ebenfalls aus. Entgegen der Auffassung der [X.]echtsbeschwerde fehlt es schon an der Vergleichbarkeit der Sachverhalte. Es geht im Anwaltshaftungsprozess nicht um eine auch nur mittelbare [X.] der im Vorprozess ergangenen Entscheidung. Die Frage, ob dem Mandan-ten durch eine schuldhafte Pflichtverletzung des [X.]echtsanwalts ein Schaden entstanden ist, der vom Ausgang eines anderen [X.]echtsstreits abhängt, ist [X.] zu beurteilen, wie jenes Verfahren richtigerweise zu entscheiden gewesen wäre ([X.], Urteil vom 13.
Juni 1996 -
IX
Z[X.] 233/95, [X.]Z 133, 110, 111; vom 17.
September 2009 -
IX
Z[X.] 74/08, [X.], 2138 [X.]n. 20). Welche rechtliche Beurteilung das mit dem Vorprozess befasste Gericht seiner Entscheidung zu-grunde gelegt hatte, ist hingegen ohne Belang ([X.], Urteil vom 15.
November 2007 -
IX
Z[X.] 44/04, [X.]Z 174, 205, 209 [X.]n.
9). Die Stellung des Gerichts im 7
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[X.] entspricht daher eher der eines Instanzgerichts, das nach Aufhebung und Zurückverweisung der Sache durch das [X.]echtsmittelgericht erneut über die Sache zu befinden hat. Wie sich aus § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO ergibt, entscheidet nach Zurückverweisung der Sache ein anderer Spruchkör-per nur, wenn das [X.]echtsmittelgericht eine diesbezügliche besondere Anord-nung trifft. Fehlt eine solche, ist bei den Mitgliedern des vorbefassten [X.], die an dem aufgehobenen Urteil mitgewirkt haben, kein Fall der [X.] oder entsprechenden Anwendung des § 41 Nr. 6 ZPO gegeben (vgl. [X.], NJW 1975, 1241 mwN; [X.]/[X.], 4. Aufl., § 41 [X.]n.
24
f; Musielak/[X.], ZPO, 11. Aufl., § 41 [X.]n. 13; [X.]/Vollkommer, ZPO, 30. Aufl., § 41 [X.]n. 24). Dieses Beispiel zeigt, dass nach der Vorstellung des Gesetzgebers die Unvoreingenommenheit des [X.]s grundsätzlich nicht schon dadurch gefährdet ist, dass
er sich schon früher zu demselben Sachver-halt ein Urteil gebildet hat. In den [X.]egelungen zum Nachverfahren nach einer Entscheidung im [X.] (vgl. Hk-ZPO/[X.], 5. Aufl., § 41 [X.]n.
17
f; [X.]/[X.], aaO; Musielak/[X.], aaO; [X.]/
Vollkommer, aaO; jeweils mwN)
kommt dies ebenfalls zum Ausdruck.
Im Übrigen führt §
41 ZPO die [X.] abschließend auf. Schon wegen der verfassungsmäßigen Forderung, den gesetzlichen [X.] im Voraus möglichst eindeutig zu bestimmen (Art.
101 Abs.
1 Satz 2 GG), ist die Vorschrift einer erweiternden Auslegung im Sinne der [X.]echtsbeschwerde nicht zugänglich (vgl.
[X.], Urteil
vom
5.
Dezember 1980, aaO; vom
4. Dezember 1989 -
[X.]iZ([X.]) 5/89, NJW 1991, 425; Beschluss vom 20.
Oktober 2003 -
II
Z[X.] 31/02, [X.], 163; vom 24. Juli 2012, aaO [X.]n. 3; [X.] 30, 149, 155; [X.] 30, 165, 168 f; [X.], NJW 2001, 3533).
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b) Die bloße Mitwirkung an der im Vorprozess ergangenen Entscheidung stellt im nachfolgenden [X.] auch keinen Ablehnungsgrund nach §
42 Abs. 2 ZPO dar. Begründete bereits die Mitwirkung im Vorprozess die [X.] der Befangenheit, führte dies auf dem Umweg über §
42 ZPO im [X.] zu einer unzulässigen Erweiterung des Anwendungsbereichs des § 41 ZPO, die -
wie ausgeführt
-
aus verfassungsrechtlichen Gründen ausgeschlos-sen ist.
aa) Nach §
42 Abs. 2 ZPO kann ein [X.] wegen Besorgnis
der Befan-genheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, [X.] gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Unerheblich ist, ob der [X.] sich befangen fühlt oder tatsächlich befangen ist. Entscheidend ist vielmehr, ob aus der Sicht einer objektiv und vernünftig urteilenden Partei die Besorgnis be-steht, der zur Entscheidung berufene [X.] stehe der Sache nicht unvorein-genommen und unparteiisch gegenüber (vgl. [X.], Beschluss vom 30.
Januar 1986 -
X
Z[X.] 70/84, NJW-[X.][X.] 1986, 738;
vom 14.
März 2003 -
IXa
ZB 27/03,
WM 2003, 946;
st. [X.]spr.; s. ferner [X.] NJW 1993, 2230 mwN; Prütting/
[X.]/[X.], ZPO, 6.
Aufl., §
42 [X.]n.
5; [X.]/[X.], aaO § 42 [X.]n. 4; [X.]/Vollkommer, aaO § 42 [X.]n. 9). Der nach §
44 Abs. 2 Satz
1 ZPO glaubhaft zu machende Ablehnungsgrund kann, wenn wie hier [X.] der Ausschlusstatbestände des § 41 ZPO vorliegt, nur in konkreten, auf den Einzelfall bezogenen Tatsachen liegen.
[X.]) Daran fehlt es hier. Allein der Umstand, dass es einem [X.] bei einer Zweitbefassung mit einem Sachverhalt zugemutet wird, sich von dessen früherer rechtlichen Beurteilung zu lösen und den Fall neu zu durchdenken, reicht hierfür nicht aus (a.[X.], NJW-[X.][X.] 1999, 289, 290; [X.] in 10
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Festschrift [X.], 1973, S. 1063, 1073
f). Aus objektiver Sicht ist es dem in typischer oder atypischer Weise vorbefassten [X.] grundsätzlich zuzutrauen, dass er auch den neuen Fall ausschließlich nach sachlichen Kriterien löst (vgl. [X.]/[X.], aaO §
42 [X.]n. 15
f). Besondere Umstände des Einzelfalls, aus denen sich ergeben könnte, dass die hier abgelehnten [X.] aus der Sicht einer verständigen Partei gehindert sein könnten, den sich aus dem von ihnen seiner Zeit entschiedenen [X.] ergebenden Anwaltshaftungsfall objektiv und
angemessen
zu beurteilen, hat der Kläger nicht dargetan und nicht glaubhaft gemacht.
Kayser
[X.]
[X.]
Fischer
[X.]
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 13.06.2013 -
111 O 11/13 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 21.08.2013 -
32 [X.] -
Meta
18.12.2014
Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat
Sachgebiet: ZB
Zitiervorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.12.2014, Az. IX ZB 65/13 (REWIS RS 2014, 98)
Papierfundstellen: REWIS RS 2014, 98
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
IX ZB 65/13 (Bundesgerichtshof)
Richterablehnung im Anwaltshaftungsprozess wegen Mitwirkung des Richters im Vorprozess
4 W 3/09 (Oberlandesgericht Köln)
V ZB 193/05 (Bundesgerichtshof)
16 W 53/17 (Oberlandesgericht Köln)