Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 02.11.2015, Az. 20 F 9/14

Fachsenat für Entscheidungen nach § 99 Abs 2 VwGO | REWIS RS 2015, 2995

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Gegenstand

Vollständiges Zurückhalten bei Teilschwärzungen


Gründe

I

1

Der Kläger begehrt in dem diesem Zwischenverfahren zugrundeliegenden Hauptsacheverfahren die [X.]eststellung, dass seine Beobachtung durch den [X.] seit dem 10. Juli 2000 und die während dieses Zeitraums erfolgte Erhebung und Speicherung von Daten zu seiner Person rechtswidrig gewesen seien.

2

Auf Aufforderung des [X.]erichts der Hauptsache ([X.]) legte der [X.] die Aktenvorgänge vor, die er bereits in den vom Kläger bei dem [X.] geführten Klageverfahren auf Auskunft über die zu seiner Person gespeicherten Daten ([X.]/11) und auf Löschung dieser Daten (1 A 246/11) vorgelegt hatte (Beiakten A und B).

3

Durch Beschluss vom 20. Juni 2014 forderte das [X.]ericht der Hauptsache den [X.]n auf, sämtliche Aktenbestandteile vorzulegen, die personenbezogene Daten des [X.] enthalten, insbesondere diejenigen [X.], die [X.]egenstand des [X.] bei dem [X.] des [X.] zum Aktenzeichen [X.] und nachgehend bei dem [X.] des [X.] zum Aktenzeichen [X.] 20 [X.] 5.12 gewesen waren. Zur Begründung führte das Verwaltungsgericht aus, ohne Kenntnis des Inhalts dieser [X.] sei es ihm nicht möglich, die Rechtmäßigkeit der Erhebung und Speicherung der personenbezogenen Daten des [X.] zu beurteilen.

4

Daraufhin legte der [X.] weitere, teilweise geschwärzte [X.] vor ([X.]) und verweigerte im Übrigen mit [X.] vom 24. Juni 2014 die Vorlage der vollständigen Vorgänge. Er verwies darauf, diese Aktenbestandteile müssten zum Schutz der [X.]unktionsfähigkeit des Verfassungsschutzes, zum Schutz der Informationsquellen und zum Schutz der Persönlichkeitsrechte und sonstiger Belange Dritter geheim gehalten werden. Mit Schriftsatz vom 25. Juni 2014 teilte der [X.] mit, dass von der [X.] auch in Dateien gespeicherte Daten des [X.] erfasst seien.

5

Auf Antrag des [X.] legte das Verwaltungsgericht durch Beschluss vom 26. Juni 2014 dem [X.] des [X.] das Verfahren zur Entscheidung darüber vor, ob die Verweigerung der Vorlage sämtlicher Akten und Dateien, die personenbezogene Daten des [X.] enthalten, rechtmäßig sei. Die angeforderten Vorgänge seien entscheidungserheblich. Die Kenntnis ihres Inhalts sei erforderlich für die Prüfung, ob die Voraussetzungen für die Sammlung und Speicherung personenbezogener Daten nach § 8 Abs. 1 NVerfSch[X.] vorlägen.

6

Der [X.] des [X.] hat durch den angefochtenen Beschluss festgestellt, dass die Verweigerung der Vorlage im Einzelnen bezeichneter Unterlagen rechtswidrig sei. Im Übrigen sei die Weigerung des [X.]n rechtmäßig, da insoweit die mit der [X.] geltend gemachten [X.]eheimhaltungsgründe vorlägen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des [X.].

II

7

Die Beschwerde ist nur zu einem geringen Teil begründet. Über den angefochtenen Beschluss hinaus ist die [X.] des [X.]n vom 24. Juni 2014 rechtswidrig, soweit sie die im Tenor aufgeführten Blätter betrifft. Die weitergehende Beschwerde ist unbegründet. Insoweit hat der [X.] des [X.] zutreffend entschieden, dass die Weigerung des [X.]n, die angeforderten Unterlagen vollständig und ungeschwärzt vorzulegen, rechtmäßig ist.

8

1. Die für eine Sachentscheidung des [X.]s erforderliche förmliche Verlautbarung der Entscheidungserheblichkeit der zurückgehaltenen Akten und [X.] durch das [X.]ericht der Hauptsache liegt vor. Das Verwaltungsgericht hat mit seinen Beschlüssen vom 20. Juni und 26. Juni 2014 ausreichend dargelegt, dass und warum es die angeforderten Unterlagen für die Entscheidung des Rechtsstreits für erheblich hält. Hieran ist der [X.] gebunden (stRspr, vgl. [X.], Beschluss vom 11. August 2011 - 20 [X.] - juris Rn. 5 m.w.N.). Die Voraussetzungen, unter denen die Bindungswirkung ausnahmsweise entfällt (vgl. z.B. [X.], Beschluss vom 3. Juli 2012 - 20 [X.] 12.11 - juris Rn. 9 m.w.N.), liegen nicht vor. Die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts zur Entscheidungserheblichkeit der angeforderten Akten ist nicht offensichtlich fehlerhaft.

9

2. Nach § 99 Abs. 1 Satz 1 Vw[X.]O sind Behörden zur Vorlage von Urkunden oder Akten und zu Auskünften an das [X.]ericht verpflichtet. Wenn das Bekanntwerden des Inhalts dieser Urkunden, Akten oder Auskünfte dem Wohl des [X.] oder eines [X.] [X.] Nachteile bereiten würde oder wenn die Vorgänge nach einem [X.]esetz oder ihrem Wesen nach geheim gehalten werden müssen, kann die zuständige oberste Aufsichtsbehörde die Vorlage von Urkunden oder Akten oder die Erteilung von Auskünften verweigern (§ 99 Abs. 1 Satz 2 Vw[X.]O).

Ein Nachteil für das Wohl eines [X.] im Sinne dieser Bestimmung ist unter anderem dann gegeben, wenn und soweit die Bekanntgabe des Akteninhalts die künftige Erfüllung der Aufgaben der Sicherheitsbehörden einschließlich deren Zusammenarbeit mit anderen Behörden erschweren würde. Die künftige Erfüllung der Aufgaben der Sicherheitsbehörden kann erschwert werden, wenn sich aus einer vollständigen Offenlegung von Unterlagen vor allem im Rahmen einer umfangreichen Zusammenschau Rückschlüsse auf die gegenwärtige Organisation der Sicherheitsbehörden, die Art und Weise ihrer Informationsbeschaffung, aktuelle Ermittlungsmethoden oder die praktizierten Methoden ihrer Zusammenarbeit mit anderen Stellen ableiten lässt (stRspr, vgl. [X.], Beschluss vom 21. Januar 2014 - 20 [X.] 1.13 - juris Rn. 18 f. m.w.N.).

Personenbezogene Daten sind grundsätzlich ihrem Wesen nach geheimhaltungsbedürftig im Sinne von § 99 Abs. 1 Satz 2 Alt. 3 Vw[X.]O. Bei solchen Daten besteht ein privates Interesse an der [X.]eheimhaltung, das grundgesetzlich geschützt ist. [X.]eschützt sind nicht nur personenbezogene Daten, die ohne weiteres zur Identifikation der Person führen, sondern auch Äußerungen und Angaben zur Sache können geheimhaltungsbedürftig sein, wenn die Mitteilungen Rückschlüsse auf die Person erlauben und in Abwägung mit den Interessen des [X.] ein berechtigtes Interesse an einer [X.]eheimhaltung besteht. Im [X.]all des Informantenschutzes tritt neben das grundrechtlich abgesicherte Interesse des Betroffenen, seine persönlichen Daten geheim zu halten, das öffentliche Interesse, die Wahrnehmung der öffentlichen Aufgaben sicherzustellen. Sind Behörden zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben auf Angaben Dritter angewiesen, dürfen sie zum Schutz des Informanten dessen Identität geheim halten (stRspr, vgl. [X.], Beschlüsse vom 18. [X.]ebruar 2014 - 20 [X.] 10.13 - juris Rn. 5 m.w.N. und vom 17. Januar 2012 - 20 [X.] 4.11 - juris Rn. 13 f.).

3. Hiernach ist die Weigerung des [X.]n, Blatt 13 und Blatt 26 bis 29 der [X.] (Auskunftsersuchen) vorzulegen, rechtswidrig. [X.]ür diese [X.] ist nicht ersichtlich, dass die in der [X.] insoweit in Anspruch genommenen Weigerungsgründe ihre Vorlage vollständig ausschließen (a)). Im Übrigen ist die [X.], soweit sie [X.]egenstand des Beschwerdeverfahrens ist, rechtlich nicht zu beanstanden (b)).

a) Die Unterlage Blatt 13 der [X.] betrifft die Bearbeitung des [X.] des [X.] durch den [X.]n. Der [X.] hat die Vorlage der Aktenseite unter Verweis auf den Schutz der [X.]unktionsfähigkeit des Verfassungsschutzes abgelehnt. [X.]ründe, die Offenlegung dieser Unterlage in [X.]änze zu verweigern, sind jedoch nicht ersichtlich. Die Angabe, dass der Kläger ein Auskunftsersuchen gemäß § 13 NVerfSch[X.] gestellt hat, ist ebenso wenig geheimhaltungsbedürftig wie die Nennung seines Namens und seiner Anschrift. Auch ist nicht erkennbar, warum der Umstand, dass eine andere Stelle im Hause des [X.]n um fachliche Stellungnahme gebeten worden ist, schon für sich genommen geheim zu halten ist. Der [X.] hätte deshalb prüfen müssen, ob berechtigten nachrichtendienstlichen Belangen durch eine Teilschwärzung der Unterlage Rechnung getragen werden kann.

Vergleichbares gilt für die Aktenseiten Blatt 26 bis 29 der [X.], deren Vorlage der [X.] unter Hinweis auf den Schutz von Informationsquellen verweigert hat. Bei der Unterlage handelt es sich um einen Vermerk, in dem bezogen auf das Auskunftsersuchen des [X.] Erwägungen zu der Ermessensentscheidung nach § 13 Abs. 2 NVerfSch[X.] dargelegt werden. Soweit in diesem Vermerk auf die Tatsache des [X.] hingewiesen und rechtliche Vorgaben des § 13 NVerfSch[X.] referiert werden, ist nicht ersichtlich, dass diese Inhalte aus [X.]ründen des Quellenschutzes geheimhaltungsbedürftig sind. Auch finden sich in dem Vermerk Angaben, die dem Kläger aus der teilgeschwärzt offen gelegten Unterlage Blatt 14 bis 16 der [X.] (= Anlage [X.] der [X.]) bereits bekannt sind. Danach erschließt sich nicht, weshalb die Aktenseiten Blatt 26 bis 29 vollständig zurückgehalten werden müssten und berechtigten [X.]eheimhaltungsinteressen nicht durch eine Teilschwärzung genügt werden könnte.

b) Im Übrigen ist die Verweigerung der Aktenvorlage aus den in dem angefochtenen Beschluss dargelegten [X.]ründen rechtmäßig.

aa) Die Durchsicht der dem beschließenden [X.] vorgelegten Beiakten E, [X.] und [X.] (einschließlich der vom [X.]n mit Schreiben vom 12. Oktober 2015 zur Beiakte [X.] nachgereichten Aktenseiten Blatt 176 bis 178) bestätigt die Einschätzung des [X.]s des [X.], dass die mit der [X.] geltend gemachten [X.]eheimhaltungsgründe tatsächlich vorliegen.

Der [X.] hat unter Berufung auf den [X.]eheimhaltungsgrund der [X.]unktionsfähigkeit der Verfassungsschutzbehörde nur die Vorlage solcher [X.] ganz oder teilweise verweigert, bei denen nachrichtendienstliche Belange der Offenlegung entgegenstehen. Es handelt sich bei den zurückgehaltenen Dokumenten und Dokumententeilen durchweg um Vorgangsblätter, Aktenzeichen, [X.] und Arbeitstitel, Verfügungen und namentliche Hinweise auf Bearbeiter, Aktenvermerke, Arbeitshinweise, Randbemerkungen und Querverweise, Hervorhebungen und Unterstreichungen oder vergleichbare Informationen, die zum Schutz der nachrichtendienstlichen Arbeitsweise und Aufklärungsarbeit die Weigerung der vollständigen und ungeschwärzten Aktenvorlage rechtfertigen. Das gilt auch für das in der [X.] offenbar versehentlich nicht ausdrücklich erwähnte Blatt 358a der Beiakte [X.], das sich ohne weiteres dem für die vorgehefteten Blätter 357 und 358 in Anspruch genommenen [X.] zuordnen lässt.

Soweit hinsichtlich des geltend gemachten Informantenschutzes im Einzelfall zweifelhaft sein mag, ob dieser [X.]eheimhaltungsgrund eine Offenlegung der betreffenden Unterlagen vollständig ausschließt (z.B. Blatt 22 und 23 der [X.]; Blatt 125 und Blatt 221 der Beiakte [X.]), darf der [X.] die Vorlage dieser [X.] jedenfalls deshalb vollständig verweigern, weil daneben der [X.]eheimhaltungsgrund des Schutzes der [X.]unktionsfähigkeit des Verfassungsschutzes eingreift (vgl. [X.], Beschluss vom 21. Januar 2014 - 20 [X.] 1.13 - juris Rn. 26). Im Übrigen hat die Überprüfung der Akten durch den [X.] ergeben, dass der [X.] unter Verweis auf den Schutz von Informationsquellen nur solche Unterlagen ganz oder teilweise zurückgehalten hat, aus denen sich entweder unmittelbar die Person eines Informanten entnehmen lässt oder die Rückschlüsse auf eine bestimmte Person zulassen.

Unschädlich ist, dass der für Blatt 5 und 6 der [X.] geltend gemachte [X.]eheimhaltungsgrund des Schutzes der Persönlichkeitsrechte von Behördenmitarbeitern und Dritten es allein nicht rechtfertigen dürfte, die Vorlage der Unterlage vollständig zu verweigern. Neben diesen [X.] tritt erkennbar der Schutz der [X.]unktionsfähigkeit des Verfassungsschutzes, so dass sich die beiden Aktenseiten insgesamt als geheimhaltungsbedürftig erweisen.

Die Durchsicht der Unterlagen bestätigt auch im Übrigen, dass weitere Teilschwärzungen - über die dem Verwaltungsgericht bereits vorgelegten [X.] hinaus - nicht in Betracht kommen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass ein vollständiges Zurückhalten von Aktenseiten auch gerechtfertigt ist, wenn Teilschwärzungen zu einem letztlich inhaltsleeren und nichtssagenden Restbestand führen würden (vgl. [X.], Beschlüsse vom 28. November 2013 - 20 [X.] 11.12 - juris Rn. 18 und vom 5. April 2013 - 20 [X.] 7.12 - juris Rn. 10). Danach sind weitere Teilschwärzungen nicht geboten. [X.]ür jede der vollständig zurückgehaltenen Aktenseiten liegen - teils mehrere - [X.]eheimhaltungsgründe vor, die die Verweigerung ihrer Vorlage insgesamt rechtfertigen.

bb) Soweit die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Vorlageverweigerung erfüllt sind, ist auch die nach § 99 Abs. 1 Satz 2 Vw[X.]O erforderliche Ermessensausübung nicht zu beanstanden. Der [X.] des [X.] hat zutreffend ausgeführt, dass der [X.] in der [X.] vom 24. Juni 2014 eine auf den laufenden Rechtsstreit bezogene und auf einer Abwägung der widerstreitenden Interessen der Beteiligten im Prozess beruhende Ermessensentscheidung getroffen hat, die den rechtlichen Anforderungen (vgl. dazu z.B. [X.], Beschluss vom 8. März 2010 - 20 [X.] 11.09 - [X.] 310 § 99 Vw[X.]O Nr. 56 Rn. 12 m.w.N.) genügt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 3 Vw[X.]O.

Meta

20 F 9/14

02.11.2015

Bundesverwaltungsgericht Fachsenat für Entscheidungen nach § 99 Abs 2 VwGO

Beschluss

Sachgebiet: F

vorgehend OVG Lüneburg, 20. November 2014, Az: 14 PS 2/14, Beschluss

§ 99 VwGO, § 8 VerfSchG ND, § 13 VerfSchG ND

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 02.11.2015, Az. 20 F 9/14 (REWIS RS 2015, 2995)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 2995

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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