Bundespatentgericht, Beschluss vom 13.06.2012, Az. 29 W (pat) 76/11

29. Senat | REWIS RS 2012, 5649

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "SACHSEN! (Wort-Bild-Marke)" – Zeichen kann durch markenmäßige Anbringung als betrieblicher Herkunftshinweis dienen - Unterscheidungskraft


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2008 001 484.9

hat der 29. Senat ([X.]) des [X.] auf die mündliche Verhandlung vom 13. Juni 2012 durch die Vorsitzende Richterin [X.], die Richterin [X.] und die Richterin am Landgericht Uhlmann

beschlossen:

Die Beschlüsse des [X.] vom 20. Februar 2009 und 20. April 2009 werden aufgehoben.

Der Gegenstandswert wird auf 10.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Das [X.] (grün, weiß)

Abbildung

2

wurde am 10. Januar 2008 zur Eintragung in das Markenregister für Waren und Dienstleistungen der Klassen 16, 35 und 41 angemeldet, wobei das Waren- und Dienstleistungsverzeichnis im Beschwerdeverfahren auf die folgenden Dienstleistungen beschränkt wurde:

3

Klasse 35:Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung; Büroarbeiten; Textverarbeitung (Schreibdienste); Vervielfältigung von Dokumenten;

4

Klasse 41:Erziehung; Ausbildung;

5

Durch Beschluss vom 20. Februar 2009 und Erinnerungsbeschluss vom 20. April 2011 hat das [X.] die Eintragung zurückgewiesen.

6

Der Eintragung stehe das Schutzhindernis des [X.] im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] entgegen. Der Wortbestandteil der Marke "[X.]" sei eine geographische Angabe, die grundsätzlich freihaltebedürftig sei. Das angefügte Ausrufezeichen sei ein übliches Gestaltungsmittel, das sich nicht dazu eigne, das Schutzhindernis des Freihaltebedürfnisses zu überwinden. Gleiches gelte für die farbliche und die graphische Gestaltung des Zeichens, die den Inhalt des [X.] nicht entfremdeten, sondern hervorhöben. Die behauptete Monopolstellung der Anmelderin sei bei der Beurteilung der Freihaltebedürftigkeit nicht zu berücksichtigen. Zudem sei der Wortbestandteil des Zeichens für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen beschreibend, sodass auch das Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] der Eintragung entgegen stehe.

7

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie beantragt,

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die Beschlüsse vom 20. Februar 2009 und 20. April 2011 aufzuheben.

9

Dem angemeldeten Zeichen stünden keine Eintragungshindernisse entgegen. Zwar sei das Wort "[X.]" grundsätzlich eine geographische Angabe, die zur Herkunftsbezeichnung dienen könne, im Hinblick auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen sei dies jedoch gänzlich fern liegend. Eine ideelle Verbindung zwischen den beanspruchten Waren und Dienstleistungen und der Ortsangabe im Sinne einer besonderen Wertschätzung des Verbrauchers sei nicht ersichtlich. Jedenfalls führe aber die graphische und farbliche Ausgestaltung des Zeichens zu dem erforderlichen Minimum an Unterscheidungskraft. Die Farbkombination grün/weiß gebe zwar die in der [X.]flagge enthaltenen [X.]farben wieder, diese seien aber für den Verkehr von untergeordneter Bedeutung, da dieser in erhöhtem Maß an das [X.] Staatswappen gewöhnt sei, das durch die Farben schwarz und gelb dominiert werde. Zudem sei der Farbanteil des "[X.]-Grüns" in der angemeldeten [X.] wesentlich höher als in der [X.]flagge. Es gebe praktisch bedeutsame Möglichkeiten, das angemeldete Zeichen so anzubringen, dass es als Marke wahrgenommen werde.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet.

Die Beschwerdeführerin hat nach Einschränkung des [X.] in der mündlichen Verhandlung einen Anspruch auf Eintragung des angemeldeten [X.]s als Marke gemäß §§ 33 Abs. 2, 41 [X.] für die nunmehr noch beanspruchten Dienstleistungen "Geschäftsführung", "Unternehmensverwaltung", "Büroarbeiten", "Textverarbeitung (Schreibdienste)", "Vervielfältigung von Dokumenten", "Erziehung" und "Ausbildung". Der angemeldeten Wort-/Bildmarke kommt für diese Waren Unterscheidungskraft zu.

Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese Waren und Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet ([X.] GRUR 2008, 608, 611 Rn. 66 – [X.]; [X.], 825, 826 Rn. 133 – [X.]; 935 Rn. 8 – [X.]; [X.], 850, 854 Rn. 18 – [X.]). Denn die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten ([X.] [X.], 233, 235 Rn. 45 – Standbeutel; 229, 230 Rn. 27 – [X.]). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden ([X.] a. a. O. [X.]). Orts- oder Regionalnamen sind als geographische Herkunftsangaben jedenfalls dann beschreibend und nicht unterscheidungskräftig, wenn sie als Hinweis auf die örtliche Herkunft der beanspruchten Waren und Dienstleistungen verstanden werden können. Dies ist bei dem angemeldeten Zeichen und den noch beanspruchten Dienstleistungen nicht der Fall, wenn das Zeichen markenmäßig etwa im Briefkopf im Geschäftsverkehr bei Erbringung der noch beanspruchten Dienstleistungen verwendet wird.

Der Wortbestandteil des angemeldeten Zeichens besteht aus dem Substantiv "[X.]", dem ein Ausrufezeichen angefügt ist. "[X.]" bezeichnet eine Region im Osten [X.], die gleichzeitig das Bundesland Freistaat [X.] ist. Nach dem Ende der [X.] steht das Bundesland inzwischen auf einem Spitzenplatz der ostdeutschen Wirtschaft und verfügt sowohl über eine Vielzahl von landschaftlichen und kulturellen Sehenswürdigkeiten als auch über mehrere florierende Wirtschaftszentren. Neben traditioneller Handwerkskunst (Holzschnitzereinen, Porzellan, Glas) und Tourismus liegen die wirtschaftlichen Schwerpunkte des [X.] in der metallverarbeitenden Industrie, Maschinenbau, der optischen Industrie, aber auch Mikro- und Biotechnologie.

Zwar kann der Wortbestandteil des Zeichens für die noch beanspruchten Dienstleistungen eine geografische Herkunftsangabe darstellen und auch das Ausrufezeichen hinter der Angabe [X.] ist nicht geeignet, dem Wortbestandteil Unterscheidungskraft zu verleihen. Denn es dient dazu, den Inhalt des vorangehenden Wortes werbemäßig hervorzuheben. Auch die grafische Ausgestaltung des angemeldeten Zeichens vermittelt ihm nur in sehr geringem Maß Unterscheidungskraft.

Gleichwohl ist das Zeichen nach seinem Gesamteindruck schützbar. Es kann nämlich für die beanspruchten Dienstleistungen durch eine markenmäßige Anbringung als betrieblicher Herkunftshinweis dienen. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass bei Dienstleistungsmarken eine Benutzung in Form einer körperlichen Verbindung zwischen Zeichen und Produkt nicht in Betracht kommt. Solche Marken werden für die beanspruchten Dienstleistungen vielmehr regelmäßig durch Anbringung auf Geschäftsbriefen und -papieren, [X.], Preislisten, Rechnungen, Ankündigungen und [X.] als betrieblicher Herkunftshinweis eingesetzt. Wird das Zeichen an diesen Stellen, etwa auf Briefpapier am oberen oder unteren Rand oder auf [X.] am unteren Rand der Rückseite angebracht, wird das angesprochene Publikum das Zeichen bei den noch beanspruchten Dienstleistungen nicht als Hinweis auf ihre geographische Herkunft sondern als betrieblichen Herkunftshinweis erkennen (GRUR 2010, 825, 826 Rn. 133 – Marlene-Dietrich-Bildnis).

Denn die verbliebenen Dienstleistungen sind unabhängig vom Ort ihrer Entwicklung oder Erbringung, die geographische Herkunft stellt daher kein Kriterium für ihre Inanspruchnahme dar und wird deshalb üblicherweise auch nicht werblich herausgestellt.

Da weitere Schutzhindernisse nicht ersichtlich sind, war der angegriffene Beschluss aufzuheben.

Der Gegenstandswert war auf Antrag der Beschwerdeführerin gemäß §§ 33, 23 Abs. 3 S. 2 RVG i. V. m. § 51 GKG festzusetzen. Für das Anmeldeverfahren ist ein Wert von Gegenstandswert von 10.000 € angemessen.

Meta

29 W (pat) 76/11

13.06.2012

Bundespatentgericht 29. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 13.06.2012, Az. 29 W (pat) 76/11 (REWIS RS 2012, 5649)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 5649

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Referenzen
Wird zitiert von

27 W (pat) 74/11

26 W (pat) 11/18

26 W (pat) 559/18

29 W (pat) 34/12

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