Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.05.2018, Az. XII ZB 521/17

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2018, 9395

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[X.]:[X.]:BGH:2018:090518BXII[X.]521.17.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII [X.] 521/17

vom

9. Mai
2018

in der Betreuungssache

Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
BGB § 1897 Abs. 4
Zu den Anforderungen und zur Bindungswirkung eines Betreuervorschlags des Betroffenen (im [X.] an Senatsbeschlüsse vom 14. März 2018 -
XII [X.] 589/17 -
juris und vom 19. Juli 2017 -
XII [X.] 57/17 -
FamRZ 2017, 1612).

BGH, Beschluss vom 9. Mai 2018 -
XII [X.] 521/17 -
LG [X.]

[X.]

-
2
-
Der XII.
Zivilsenat des [X.] hat am
9.
Mai
2018 durch den
Vorsitzenden
Richter Dose und [X.] Dr. [X.], [X.], Dr.
Nedden-Boeger und Guhling
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss der 9. Zivilkammer des [X.] vom 30. August 2017 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Land-gericht zurückverwiesen.

Gründe:
I.
Das Amtsgericht hat für den Betroffenen, der 2016 einen Hirninfarkt erlitt mit der Folge eines deliranten Syndroms mit Herabsetzung seiner kognitiven Fähigkeiten, eine Betreuung eingerichtet.
Für den Aufgabenkreis [X.], Aufenthaltsbestimmung, Entscheidung über Unterbringung und [X.] Maßnahmen, Postverkehr (mit Ausnahme der Privatpost), Rechts-, Antrags-
und Behördenangelegenheiten, Vertretung gegenüber der Einrichtung und Fernmeldeangelegenheiten
ist die Beteiligte zu 1, die (frühere)
Lebensgefährtin des Betroffenen, zur Betreuerin bestellt worden. Für die [X.]
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3
-
mögenssorge einschließlich der Verwaltung von Immobilien ist die Beteiligte zu 2, eine Rechtsanwältin, zur [X.] bestellt worden.
Das [X.] hat die von der Beteiligten zu 1 im Namen des [X.] eingelegte Beschwerde zurückgewiesen. Dagegen richtet sich dessen Rechtsbeschwerde.

II.
Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.
1. Nach Auffassung des [X.]s ist die Beteiligte zu 1 entgegen dem vom Betroffenen in der erst-
und zweitinstanzlichen Anhörung geäußerten Wunsch nicht auch hinsichtlich der Vermögenssorge als Betreuerin zu bestel-len, weil der darauf gerichtete Wunsch des Betroffenen nicht auf einer eigen-ständigen und
dauerhaften Willensbildung beruhe. Dieser sei vor dem Amtsge-richt stark verwirrt gewesen und habe Namen verwechselt. Auch in der vor dem [X.] durchgeführten Anhörung habe er den Eindruck hinterlassen, dass er zu keinem Zeitpunkt örtlich, zeitlich und situativ orientiert gewesen sei. Es sei ihm schon nicht möglich gewesen, die in der Anhörung anwesende Beteiligte zu 1 namentlich zu benennen, und er habe sie offenbar auch mit einer anderen Person verwechselt. Da nach den Ausführungen der beauftragten [X.] seine Fähigkeit zur freien Willensbildung aufgehoben sei, lasse sich eine tragfähige Willensäußerung des Betroffenen nicht feststellen.
Die Betreuung sei darüber hinaus hinsichtlich der Vermögenssorge [X.] derzeit für einen ehrenamtlichen Betreuer ungeeignet. Der Betroffene verfüge über erhebliches Vermögen, welches zu großen Teilen aus Grundei-gentum bestehe und nach einer Schätzung der Beteiligten zu 2
über
vier Millio-2
3
4
5
-
4
-
nen Euro
wert sei. Die Unterlagen des Betroffenen seien unsortiert, eine Ver-waltung der vermieteten Wohnungen und Häuser habe nicht stattgefunden, hin-sichtlich einer Immobilie seien die Eigentumsverhältnisse unklar. Der Betroffene habe über mehrere Jahre keine Steuererklärungen abgegeben. Zwar habe die Beteiligte zu 1 erklärt, dass sie sich die Regelung der Angelegenheiten grund-sätzlich zutraue. Gleichwohl sei die Übertragung der Vermögenssorge auf die Beteiligte zu 2 geboten. Es bedürfe daher keiner weiteren Erörterung mehr, ob der vom Amtsgericht angenommene Interessenkonflikt der persönlichen [X.] der Beteiligten zu 1 als Betreuerin entgegenstehe.

2. Das hält hinsichtlich der Betreuerauswahl einer rechtlichen
Nachprü-fung nicht stand.
a) Gemäß § 1897 Abs. 4 Satz 1 BGB ist die Person zum Betreuer zu be-stellen, die der Betroffene wünscht. Ein solcher Vorschlag erfordert weder Ge-schäftsfähigkeit noch natürliche Einsichtsfähigkeit. Vielmehr genügt, dass der Betroffene seinen Willen oder Wunsch kundtut, eine bestimmte Person solle sein Betreuer werden. Auch die Motivation des Betroffenen ist für die Frage, ob ein betreuungsrechtlich beachtlicher Vorschlag vorliegt, ohne Bedeutung (Se-natsbeschlüsse vom 14. März 2018 -
XII [X.] 589/17 -
juris Rn. 13 und vom 19.
Juli 2017 -
XII [X.] 57/17 -
FamRZ 2017, 1612 Rn. 17 mwN).

Die Vorschrift des § 1897 Abs. 4 Satz 1 BGB räumt dem Tatrichter bei der Auswahl des Betreuers kein Ermessen ein. Der Wille des Betroffenen kann nur dann unberücksichtigt bleiben, wenn die Bestellung der vorgeschlagenen Person seinem Wohl zuwiderläuft.
Dies setzt voraus, dass sich aufgrund einer umfassenden Abwägung aller relevanten Umstände Gründe von erheblichem Gewicht ergeben, die gegen die Bestellung der vorgeschlagenen Person spre-chen. Es muss die konkrete Gefahr bestehen, dass der Vorgeschlagene die 6
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5
-
Betreuung des Betroffenen nicht zu dessen Wohl führen kann oder will. Soweit es um die Eignung der vorgeschlagenen Person geht, müssen die
vom Gericht zu treffenden Feststellungen einen das Wohl des Betroffenen gefährdenden Eignungsmangel bezogen auf den von der Betreuung umfassten Aufgabenkreis ergeben (vgl. Senatsbeschlüsse vom 14. März 2018 -
XII [X.] 589/17 -
juris Rn.
14 und vom 18. Oktober 2017 -
XII [X.]/17 -
FamRZ 2018, 55 Rn. 11 mwN).
b) Nach diesen Grundsätzen durfte der vom Betroffenen mehrfach geäu-ßerte Wunsch nach den bislang getroffenen Feststellungen nicht unberücksich-tigt bleiben. Dass der Betroffene örtlich, zeitlich und situativ nicht orientiert und stark verwirrt ist, schließt die Berücksichtigungsfähigkeit seines Betreuerwun-sches noch nicht aus. Da die natürliche Einsichtsfähigkeit des Betroffenen für einen Betreuervorschlag im Sinne des § 1897 Abs. 4 BGB nicht erforderlich ist, steht auch nicht entgegen, dass dieser nicht zur Bildung eines freien Willens im Sinne von § 1896 Abs. 1a BGB in der Lage ist. Etwaigen Missbräuchen und Gefahren wird vielmehr hinreichend durch die begrenzte, letztlich auf das Wohl des Betroffenen abstellende Bindungswirkung seines Vorschlags begegnet (vgl. Senatsbeschlüsse vom 19. Juli 2017 -
XII [X.] 57/17 -
FamRZ 2017, 1612 Rn. 17 und vom 14. Januar 2015 -
XII [X.] 352/14 -
FamRZ 2015, 648 Rn. 19).
Das [X.] durfte daher vom Vorschlag
des Betroffenen, dem es im Übrigen -
wie die Rechtsbeschwerde zutreffend
geltend macht
-
für den größten Teil der Aufgaben sogar gefolgt ist, nur bei einem das
Wohl des Betroffenen im Hinblick auf die Vermögenssorge gefährdenden Eignungsmangel der Beteilig-ten zu 1
abweichen. Dass ein Berufsbetreuer zur Wahrnehmung der
Vermö-genssorge im Allgemeinen besser geeignet sein mag, reicht für eine Außeracht-lassung des Betreuervorschlags schon deshalb nicht aus, weil die Eignung des vorgeschlagenen Betreuers nicht schon dadurch
entfällt, dass er nicht in der 9
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Lage ist, sämtliche Aufgaben persönlich wahrzunehmen. Vielmehr darf und wird er sich im Einzelfall
auch Hilfspersonen wie eines Hausverwalters, [X.] oder Steuerberaters bedienen. Das [X.] hat somit die Frage der Eignung der Beteiligten zu 1
insbesondere
aufgrund des sich hier möglicher-weise ergebenden Interessenkonflikts zu Unrecht offengelassen.
3. Die angefochtene Entscheidung ist daher aufzuheben.
Da weitere tat-richterliche Feststellungen, auch im Rahmen einer erneuten Anhörung,
erfor-derlich sind, ist die Sache an das [X.] zurückzuverweisen.
Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeu-tung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Recht-sprechung beizutragen (§ 74 Abs. 7 FamFG).
Dose
[X.]
Günter

Nedden-Boeger
Guhling

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 15.12.2016 -
41 [X.]/16 -

LG [X.], Entscheidung vom 30.08.2017 -
9 [X.] -

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Meta

XII ZB 521/17

09.05.2018

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.05.2018, Az. XII ZB 521/17 (REWIS RS 2018, 9395)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 9395

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XII ZB 521/17

XII ZB 589/17

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XII ZB 222/17

XII ZB 352/14

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