Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.05.2013, Az. VI ZB 7/13

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 5911

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VI ZB
7/13

vom

14. Mai
2013

in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
ja
[X.]R:
ja
ZPO § 130a
Die im [X.] eingesetzte qualifizierte [X.] genügt den An-forderungen des §
130a ZPO.
[X.], Beschluss
vom 14. Mai 2013 -
VI [X.] -
LG [X.]

[X.]

-
2
-

Der VI.
Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am
14. Mai 2013
durch den [X.] [X.], die
Richter Zoll
und Wellner sowie
die Richterinnen
Diederichsen und von Pentz
beschlossen:
Der
Beklagten wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Rechtsbeschwerde-
und der Rechtsbe-schwerdebegründungsfrist gewährt.
Auf die Rechtsbeschwerde der Beklagten wird der Beschluss der 2. Zivilkammer des [X.] vom 28. August 2012 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zu-rückverwiesen.

Gründe:
I.
Der Kläger nimmt die Beklagte auf Unterlassung einer ehrenrührigen Be-hauptung sowie auf Ersatz materiellen und immateriellen Schadens in [X.]. Mit Urteil vom 2. Mai 2012 hat das Amtsgericht die Beklagte zur [X.]
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3
-

lr-teilt. Gegen das ihr am 3. Mai 2012 zugestellte Urteil hat die Beklagte
form-
und fristgerecht Berufung eingelegt. Die Frist zur Begründung der Berufung ist am 3.
August 2012 abgelaufen. An diesem Tag ist die Berufungsbegründung nebst Anlagen in elektronischer Form in dem dafür vorgesehenen elektronischen Ge-richts-
und [X.] (EGVP) des Berufungsgerichts eingegangen. Dabei war die gesamte elektronische Nachricht, mit der
die genannten Dateien an das Berufungsgericht übermittelt worden waren, mit einer qualifizierten elekt-ronischen Signatur nach dem Signaturgesetz versehen. Die in der Nachricht enthaltenen einzelnen Dateien waren dagegen nicht gesondert signiert. Auf Hinweis des Gerichts vom 6. August 2012, wonach die Berufungsbegründung den Anforderungen des §
130a ZPO nicht genüge, da sie in unsignierter Form eingereicht worden sei, hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 8. August 2012 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt.
Das [X.] hat mit Beschluss vom 28. August 2012 den [X.] der Beklagten zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass zur Wahrung der Former-fordernisse des §
130a Abs.
1 Satz 2 ZPO jede einzelne übersandte Datei ge-sondert mit einer qualifizierten elektronischen Signatur zu versehen sei. Das Anbringen einer bloßen Umschlagsignatur genüge nicht. Ein Rechtsirrtum über die erforderlichen Formerfordernisse vermöge eine Wiedereinsetzung nicht zu rechtfertigen.

II.
Der Beklagten ist auf ihren Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Fristen zur Einlegung und Begründung der 2
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Rechtsbeschwerde zu bewilligen. Die Beklagte war aufgrund ihrer zur [X.] führenden Mittellosigkeit ohne Verschulden daran gehindert, die Rechtsbeschwerde innerhalb der Notfrist des §
575 Abs.
1 ZPO einzulegen und innerhalb der Frist des §
575 Abs.
2 ZPO zu begründen; sie hat die Wiedereinsetzung auch
fristgerecht nach Behebung des Hindernisses [X.] und die versäumten Prozesshandlungen nachgeholt (§
234 Abs.
1 Satz 1, Abs.
2, §
236 Abs.
2 Satz 2 ZPO).

III.
Die
Rechtsbeschwerde der Beklagten hat Erfolg und führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
1.
Die nach §
574 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1, §
522 Abs.
1 Satz 4 ZPO statthaf-te Rechtsbeschwerde ist zulässig, weil eine Entscheidung des [X.] zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist (§
574 Abs.
2 Nr.
2 ZPO). Die angefochtene Entscheidung verletzt das [X.] der Klägerin auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art.
2 Abs.
1 GG i.V.m.
dem Rechtsst[X.]tsprinzip). Dieses verbietet es den [X.], den Parteien den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung einge-räumten Instanz in unzumutbarer, aus [X.] nicht mehr zu rechtferti-genden Weise zu erschweren (vgl. Senatsbeschluss vom 5. Juni 2012 -
VI
ZB 16/12, NJW 2012, 2522 Rn.
6;
[X.], Beschluss vom 25. September 2012
-
VIII
ZB 22/12, [X.], 237
Rn.
7; [X.], NJW-RR 2002, 1004). Das Be-rufungsgericht hat die Anforderungen an die nach §
520 Abs.
5, §
130a Abs.
1 Satz 2 ZPO erforderliche qualifizierte elektronische Signatur in einer mit den von der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen nicht 4
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-
5
-

mehr zu vereinbarenden Weise überspannt und dadurch der Beklagten den Zugang zur Rechtsmittelinstanz unzulässig verwehrt.
2. Die Rechtsbeschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Das Berufungs-gericht durfte die Berufung der Beklagten nicht mit der Begründung als unzu-lässig verwerfen, die Berufungsbegründung genüge nicht den Anforderungen des §
130a Abs.
1 Satz 2 ZPO.
a) Das Berufungsgericht ist allerdings zu Recht davon ausgegangen, dass es sich bei der qualifizierten elektronischen Signatur im Sinne des §
130a Abs.
1 Satz 2 ZPO um eine zwingende Wirksamkeitsvoraussetzung bei [X.] Schriftsätzen handelt (vgl. Senatsbeschluss vom 21. Dezember 2010 -
VI
ZB 28/10, [X.], 38 Rn.
6; [X.], Beschluss vom 14. Januar 2010 -
VII
ZB 112/08, [X.]Z 184, 75 Rn.
15).
b) Das Berufungsgericht hat aber rechtfehlerhaft die qualifizierte Signatur der gesamten elektronischen Nachricht, mit der die Berufungsbegründung an das elektronische Gerichts-
und [X.] des Berufungsgerichts übermittelt worden ist ([X.]), als unzureichend angesehen und eine Signatur jeder einzelnen Datei verlangt.
[X.]) §
130a ZPO wurde durch das Gesetz zur Anpassung der [X.] an den modernen Rechts-geschäftsverkehr vom 13. Juli 2001 ([X.] I S. 1542) eingeführt. Er ermöglicht es, die in Abs.
1 Satz 1 der Vorschrift genannten Dokumente als elektronisches Dokument einzureichen. Nach Abs.
1 Satz 2 der Norm soll die verantwortende Person das Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur nach dem Signaturgesetz versehen. Die qualifizierte elektronische Signatur tritt an die Stelle der eigenhändigen Unterschrift im Sinne des §
130 Nr.
6 ZPO. Neben den sonstigen Funktionen der Unterschrift (vgl. [X.], Beschluss vom 2. April 6
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8
9
-
6
-

2008 -
XII
ZB 120/06, NJW-RR 2008, 1020 Rn.
7) soll sie auch gewährleisten, dass das elektronische Dokument nicht spurenlos manipuliert werden kann (Perpetuierungs-
oder Integritätsfunktion, vgl. BT-Drucks. 14/4987 S.
24; [X.], Beschlüsse vom 4. Dezember 2008 -
IX
ZB 41/08, NJW-RR 2009, 357
Rn.
9; vom 14. Januar 2010 -
VII
ZB 112/08, [X.]Z 184, 75 Rn.
12, 21).
bb) Die im [X.] -
wie auch im Streitfall
-
eingesetzte qualifi-zierte
[X.] genügt den Anforderungen des §
130a ZPO (vgl. [X.], Urteil vom 18. Oktober 2006 -
XI
R 22/06, [X.]E 215, 47, 52 f.
zu dem §
130a ZPO entsprechenden §
77a Abs.
1 Satz 2 FGO a.F.; BVerwGE 138, 102 Rn.
15 zu §
55a VwGO; [X.] in [X.], 3.
Aufl. 2011, Kapitel 6 Rn.
81 f.; [X.] in [X.], Handbuch des [X.], 4.
Aufl., B
Rn.
859; [X.]/[X.], NJW 2010, 2097, 2098 f.; [X.], [X.] 5/2006 [X.]. 2; [X.], NJW 2005, 1009, 1010; derselbe, [X.] 2/2007 [X.].
5; Musielak/[X.], ZPO, 9.
Aufl. §
130a Rn.
3; [X.]/[X.], NJW 2007, 2897, 2899; [X.]/[X.], ZPO, 29.
Aufl., §
130a Rn.
4; Prüt-ting in Prütting/Gehrlein, ZPO, §
130a Rn.
5; Gennen, [X.], 661, 664; kri-tisch: [X.], [X.], 1548, 1549; verneinend: von [X.] in [X.] ZPO (Stand 30. Oktober 2012) §
130a Rn.
8). Denn mit ihr werden Sinn und Zweck der qualifizierten Signatur -
die Sicherstellung von Authentizität und Integrität des Dokuments
-
erreicht. Die qualifizierte [X.] ist dadurch [X.], dass sie nicht nur die jeweils übersandte Einzeldatei, sondern die gesamte elektronische Nachricht umfasst, mit der die Datei an das Gericht übermittelt wird (vgl. [X.], [X.], 1548; [X.]/[X.], NJW 2010, 2097, 2098 f.; [X.], [X.] 2/2007 [X.]. 5; Gennen, [X.], 661, 664). Ebenso wie die Einzelsignatur stellt sie sicher, dass die Nachricht auf dem Weg vom Sender zum Empfänger nicht manipuliert worden ist. Sie ermöglicht die Feststellung, ob der Inhalt der übersandten Dateien verändert wurde. Darüber hinaus bietet die qualifizierte [X.] eine der Einzelsignatur ver-10
-
7
-

gleichbare Gewähr für die Urheberschaft und den Willen des Verfassers, die übersandten Dokumente in den Rechtsverkehr zu bringen (vgl. [X.], [X.]O; [X.]/[X.], [X.]O S.
2099; [X.], [X.] 5/2006 [X.].
2; [X.]/[X.], ZPO, 9.
Aufl. §
130a Rn.
3; [X.]/[X.], NJW 2007, 2897, 2899; [X.], [X.]O).
Nur ein solches Verständnis des Begriffs der qualifiziert elektronischen Signatur trägt dem Anspruch der Prozessbeteiligten auf Gewährung wirkungs-vollen Rechtsschutzes, der es u.a. verbietet,
an die Beachtung formeller Vor-aussetzungen für die Geltendmachung eines Rechtsschutzbegehrens über-spannte Anforderungen zu stellen, ausreichend Rechnung (vgl. [X.], [X.] vom 7. Mai 2009 -
VII
ZB 85/08, [X.], 2311
Rn.
12; vom 10. Mai 2005 -
XI
ZR 128/04, NJW 2005, 2086, 2088
mwN; [X.] NJW 2002, 3534).
Galke
Zoll
Wellner

Diederichsen
von Pentz

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 02.05.2012 -
4 C 506/11 -

LG [X.], Entscheidung vom 28.08.2012 -
2 S 11/12 -

11

Meta

VI ZB 7/13

14.05.2013

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.05.2013, Az. VI ZB 7/13 (REWIS RS 2013, 5911)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 5911

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VI ZB 7/13

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