Bundesgerichtshof, Urteil vom 08.06.2016, Az. 2 StR 539/15

2. Strafsenat | REWIS RS 2016, 10370

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Gegenstand

Revision im Strafverfahren: Anforderungen an die Verfahrensrüge der Nichtaussetzung der Hauptverhandlung wegen der Strafverfolgungsgefahr eines Zeugen; Beweiswürdigung von Angaben eines Zeugen vom Hörensagen


Tenor

Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des [X.] vom 26. August 2015 wird als unbegründet verworfen.

Die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.

Von Rechts wegen

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten vom Vorwurf des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen freigesprochen. Hiergegen richtet sich die auf eine Verfahrensrüge und die Sachbeschwerde gestützte Revision der Staatsanwaltschaft. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

I.

2

Nach der zur Hauptverhandlung zugelassenen Anklageschrift soll der Angeklagte Mitte 2012 an die gesondert verfolgten Eheleute [X.]und [X.]jeweils zum Preis von 2.100 Euro pro Kilogramm 30 kg Cannabis geliefert haben, weitere 45 kg Anfang des Jahres 2013.

3

Das [X.] hat solche [X.] festgestellt. Es konnte sich aber nicht von der Beteiligung des Angeklagten hieran überzeugen.

4

Der Angeklagte hatte die Tatbegehung bei seiner polizeilichen Vernehmung bestritten und angegeben, er sei mit dem Zeugen [X.]befreundet gewesen, habe sich aber mit dessen Ehefrau, der Zeugin [X.], nicht verstanden; diese habe ihn – möglicherweise deshalb – zu Unrecht belastet.

5

Zwar habe die Zeugin [X.]im Vorverfahren und in dem gegen sie selbst geführten Verfahren den Angeklagten als Drogenlieferanten bezeichnet. Sie habe auch dessen Mobiltelefonnummer auswendig nennen können und geschildert, dass der Angeklagte bei den [X.] einen gelben Lkw benutzt habe. Weiter habe sie sich dadurch kooperativ gezeigt, dass sie den Ermittlungsbeamten das Versteck des [X.] der Eheleute gezeigt und nach der Haftverschonung den Beamten 150.000 Euro Bargeld sowie Edelmetall im Wert von 153.763,53 Euro aus dem Erlös von Drogenverkäufen übergeben habe.

6

Auch habe der Angeklagte im Zeitraum vom 1. Januar 2010 bis zum 31. Mai 2013 eine Vielzahl von [X.] mit einer Gesamtsumme von 88.450 Euro auf ein Bankkonto vorgenommen, über das er und seine Ehefrau verfügten und von dem Ratenzahlungen zur Finanzierung des gemeinsamen Wohnhauses überwiesen worden seien. Schließlich seien bei ihm im Rahmen einer Wohnungsdurchsuchung Schusswaffen, Waffenteile und Schwarzpulver gefunden worden.

7

Jedoch seien bei der Durchsuchung keine Spuren von [X.] des Angeklagten festgestellt worden. Die Zeugin [X.]habe mit ihren Aussagen eine Vergünstigung nach § 31 Satz 1 Nr. 1 BtMG erstrebt und später erlangt. Sie habe den [X.] zuerst als gering bezeichnet, dann aber den Ermittlungsbehörden das Geld und die Edelmetalle ausgeliefert. Auch habe sie ihre eigenen Tatbeiträge heruntergespiegelt. Zur Bezahlung des Lieferanten habe sie keine Angaben gemacht. Durch ihre Aussagen bei der polizeilichen Vernehmung, die nach Mitternacht begonnen und mehrere Stunden gedauert hätten, und die anschließenden Angaben beim Ermittlungsrichter habe sie zunächst die Verschonung von der Untersuchungshaft erstrebt und erreicht. In der Hauptverhandlung gegen den Angeklagten habe sie dagegen von ihrem Auskunftsverweigerungsrecht Gebrauch gemacht. Ihr Ehemann, der Zeuge [X.], habe "zu keinem Zeitpunkt Angaben zu seinem Drogenlieferanten gemacht". Die [X.] auf dem Konto des Angeklagten und seiner Ehefrau seien mehrheitlich vor dem Tatzeitraum erfolgt und zwar in [X.], die nicht einer Größenordnung des zu erwartenden Gewinns aus den verfahrensgegenständlichen [X.] entsprochen hätten. Nähere Feststellungen zur Geldquelle seien nicht möglich gewesen. Der Angeklagte habe zwar einen Lkw besessen, der aber nicht auffindbar gewesen sei. Die zwischenzeitlich durch Geldstrafe abgeurteilten Waffendelikte seien ohne Aussagekraft für die Frage, ob der Angeklagte auch die angeklagten [X.] begangen habe. Letztlich seien nur die durch Vernehmung von [X.] in die Hauptverhandlung eingeführten Angaben der Zeugin [X.]als [X.] gegen den Angeklagten verfügbar. Das reiche auch in der Gesamtschau der Verdachtsmomente nicht zu einer sicheren Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten aus, zumal dieser – wenngleich ohne Verschulden der Justiz – keine Möglichkeit gehabt habe, die Zeugin konfrontativ zu befragen oder befragen zu lassen.

II.

8

Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen dieses Urteil ist zulässig. In der Revisionsbegründung hat sie ausschließlich eine im Sinne von § 344 Abs. 2 Satz 2 [X.] unzulässige Verfahrensrüge erhoben (dazu unten [X.]). Mit der Einlegung des Rechtsmittels hat sie aber auch erklärt, sie rüge die Verletzung materiellen Rechts. Dies ist zwar anschließend weder aufgegriffen noch im Sinne von Nr. 156 Abs. 2 [X.] erläutert worden. Jedoch verlangt die Strafprozessordnung keine Begründung der Sachrüge. Die Verletzung der Richtlinien für das Straf- und Bußgeldverfahren führt nicht zur Unzulässigkeit des Rechtsmittels.

III.

9

Die Revision ist unbegründet.

1. Die Verfahrensrüge, mit der die Staatsanwaltschaft beanstandet, dass das [X.] entgegen ihrem Hilfsantrag die Hauptverhandlung nicht ausgesetzt hat, bis die Strafverfahren gegen die gesondert verfolgten Zeugen [X.]und [X.]rechtskräftig abgeschlossen waren, genügt nicht den Anforderungen gemäß § 344 Abs. 2 Satz 2 [X.].

a) Dabei handelt es sich nicht allein um eine Aufklärungsrüge, sondern um die Rüge einer fehlerhaften Ablehnung des Antrags der Staatsanwaltschaft auf Aussetzung der Hauptverhandlung, um eine Änderung der Prozesslage abzuwarten, in der weitere Beweiserhebungen möglich wären. Beanstandet wird ein Ermessensfehler durch Nichtberücksichtigung eines behaupteten Grundes für eine Aussetzung der Hauptverhandlung. Bei der Beurteilung des [X.] ist neben der Aufklärungspflicht des Gerichts unter anderem auch das Interesse des Angeklagten an einem beschleunigten Abschluss des Verfahrens gemäß Art. 6 Abs. 1 Satz 1 [X.] zu berücksichtigen (vgl. [X.]/[X.], [X.], 26. Aufl., § 288 Rn. 10; [X.] in [X.]/[X.], [X.], 2013, § 228 Rn. 16; [X.]/[X.], [X.], 5. Aufl., § 228 Rn. 8). Zur Prüfung dieser Rüge reicht das Vorbringen der Beschwerdeführerin nicht aus.

b) Sie hat den im [X.] erreichten Stand der gegen die Zeugen [X.]und [X.]geführten Verfahren nicht näher erläutert. Daher kann die Dringlichkeit ihres [X.] im Verhältnis zu dem Interesse des Angeklagten an einer beschleunigten Durchführung der Hauptverhandlung nicht abschließend bewertet werden.

aa) Gemäß § 55 Abs. 1 [X.] ist ein Zeuge berechtigt, die Auskunft auf Fragen zu verweigern, wenn er bei [X.] Aussage auch Angaben machen müsste, die geeignet wären, einen Tatverdacht gegen ihn oder einen seiner Angehörigen im Sinne des § 52 Abs. 1 [X.] zu begründen oder zu verstärken. Es genügt, wenn er über Fragen eine Auskunft geben müsste, die den Verdacht als Teilstück in einem mosaikartig zusammengesetzten Beweisgebäude mittelbar begründen. Eine Verfolgungsgefahr besteht zwar im Allgemeinen nicht mehr, wenn ein rechtskräftiges Urteil gegen den Zeugen in derselben Sache vorliegt (vgl. [X.], Beschluss vom 26. November 1984 – 2 BvR 1409/84, [X.], 277). Das gilt aber nicht, wenn zwischen der abgeurteilten Tat und weiteren Straftaten, deretwegen der Zeuge noch verfolgt werden kann, ein so enger Zusammenhang besteht, dass die Beantwortung von Fragen zu der abgeurteilten Tat die Gefahr der Verfolgung wegen anderer Taten mit sich bringt (vgl. [X.], Beschluss vom 6. Februar 2002 – 2 BvR 1249/01, [X.], 1411, 1412; [X.], Urteil vom 19. Dezember 2006 – 1 [X.], [X.]R [X.] § 55 Abs. 1 Verfolgung 9; SSW/[X.], [X.], 2. Aufl., § 55 Rn. 8; [X.]/[X.]/[X.], [X.], 26. Aufl., § 55 Rn. 11; [X.], [X.], 4. Aufl., § 55 Rn. 27, 40; [X.] in [X.]/[X.], [X.], 58. Aufl., § 55 Rn. 8; [X.], [X.], 7. Aufl., § 55 Rn. 5). Stets kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an.

bb) Nach diesem Maßstab ist das Rügevorbringen der Beschwerdeführerin nicht ausreichend (§ 344 Abs. 2 Satz 2 [X.]).

Einerseits war die Strafverfolgung der Zeugen [X.]und [X.]wegen des Vorwurfs der Beteiligung an den verfahrensgegenständlichen Taten im [X.] möglicherweise noch nicht rechtskräftig abgeschlossen; Teilrechtskraft genügt nicht (vgl. SSW/[X.], [X.], § 55 Rn. 11; [X.]/[X.]/[X.], [X.], § 55 Rn. 17). Andererseits stehen nach dem [X.] auch Vorwürfe weiterer Betäubungsmitteldelikte in einem abgetrennten Verfahren im Raum. Insoweit ist der Verfahrensstand zurzeit des Urteils des [X.]s von der Beschwerdeführerin in der Revisionsbegründung nicht mitgeteilt worden. Die für sich genommen nachvollziehbare Annahme des [X.]s, der Wegfall des Auskunftsverweigerungsrechts für die Zeugen sei nicht absehbar und dem Angeklagten eine Aussetzung der Hauptverhandlung nicht zuzumuten, kann daher anhand des Vorbringens der Beschwerdeführerin nicht abschließend auf einen Ermessensfehlgebrauch überprüft werden.

2. Die Sachrüge der Staatsanwaltschaft ist unbegründet.

a) Das Urteil des [X.]s leidet nicht an einem Darstellungsmangel.

Die Mitteilung der tatrichterlichen Beweiswürdigung in den Urteilsgründen kann ihrer Natur nach nicht derart erschöpfend sein, dass alle denkbaren Gesichtspunkte dort ausdrücklich abgehandelt werden. Dies ist von Rechts wegen auch nicht zu verlangen. Aus einzelnen Lücken kann daher nicht ohne weiteres abgeleitet werden, der Tatrichter habe wesentliche Wertungsgesichtspunkte nicht bedacht. [X.] ist eine Beweiswürdigung dann, wenn sie wesentliche Feststellungen nicht erörtert. Bei der Prüfung, ob eine solche Lücke vorliegt, ist es nicht Sache des [X.], aufgrund der Sachrüge der Staatsanwaltschaft Mutmaßungen darüber anzustellen, ob weitere Beweise zur Aufklärung der Tatvorwürfe zur Verfügung gestanden hätten, aber nicht erhoben, oder zwar erhoben, aber nicht im Urteil gewürdigt wurden (vgl. [X.], Urteil vom 28. Oktober 2010 – 3 StR 317/10, NStZ-RR 2011, 88 f.; Urteil vom 5. Dezember 2013 – 4 StR 371/13; Urteil vom 5. November 2015 – 4 [X.], [X.], 54, 55).

Den Urteilsgründen ist zu entnehmen, dass der Angeklagte im Vorverfahren angegeben hatte, er habe mit den Betäubungsmittellieferungen nichts zu tun. Die Urteilsgründe ergeben außerdem, dass in der Hauptverhandlung kein weiterer [X.] gegen den Angeklagten außer den früheren Aussagen der Zeugin [X.]   zur Verfügung gestanden hat. Daraus ergibt sich, dass der Angeklagte in der Hauptverhandlung möglicherweise geschwiegen oder jedenfalls keine ihn selbst belastenden Angaben gemacht hat. Eine nähere Erläuterung seines [X.] war danach entbehrlich.

Das [X.] hat auch den wesentlichen Inhalt der früheren Angaben der Zeugin [X.]erörtert. Weitere Erläuterungen dazu waren nicht erforderlich. Dies gilt auch angesichts der Mitteilung, dass sich die Zeugen [X.]und [X.], welche ihre Taten im [X.] eingeräumt haben, dem jeweils anderen einen größeren Tatbeitrag zugewiesen haben. Das [X.] hat schließlich mitgeteilt, der Zeuge [X.]habe "zu keinem Zeitpunkt Angaben bezüglich seines Lieferanten gemacht." Danach war eine weitergehende Mitteilung seiner Aussagen im Urteil gegen den Angeklagten, bei dem es um die Frage seiner Beteiligung an den festgestellten Taten der Zeugen ging, nicht angezeigt.

b) Die Würdigung der Beweise durch das [X.] ist ebenfalls nicht rechtsfehlerhaft. Spricht der Tatrichter einen Angeklagten frei, weil er Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag, ist dies vom Revisionsgericht in der Regel hinzunehmen. Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Seine Schlussfolgerungen müssen nur möglich sein; das Revisionsgericht hat die tatrichterliche Überzeugungsbildung sogar dann hinzunehmen, wenn eine abweichende Würdigung der Beweise näherliegend gewesen wäre. Nach diesem Maßstab kann der Senat das angefochtene Urteil nicht beanstanden.

aa) Das [X.] ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Angaben der Zeugin [X.], die durch Zeugnis vom [X.] in die Hauptverhandlung eingeführt wurden, eine besonders vorsichtige Beweiswürdigung erfordern.

Ein Zeuge vom [X.] ist zwar ein zulässiges Beweismittel, dessen Heranziehung und Bewertung nach den § 244 Abs. 2, § 261 [X.] zu beurteilen ist. Jedoch stellen die begrenzte Zuverlässigkeit dieses Zeugnisses und die Beschränkung der Nachprüfungsmöglichkeiten besondere Anforderungen an die Würdigung. Dies gilt nicht nur in Fällen, in denen die vom Gericht unmittelbar vernommenen Zeugen über Angaben einer anonymen Gewährsperson berichten (dazu [X.], Beschluss vom 26. Mai 1981 – 2 BvR 215/81, [X.]E 57, 250, 292; [X.], Urteil vom 1. August 1962 – 3 StR 28/62, [X.]St 17, 382, 383 f.; Urteil vom 16. April 1985 – 5 [X.], [X.]St 33, 178, 181). Dies muss erst recht gelten, wenn ein unmittelbarer Tatzeuge mit seinen Angaben, die einen anderen belasten, zugleich Vorteile im Sinne von § 31 Satz 1 Nr. 1 BtMG oder § 46b StGB, einschließlich der Verschonung von Untersuchungshaft, erstrebt (vgl. [X.], Beschluss vom 7. Juli 2004 – 5 [X.], [X.], 578, 579). Dann besteht eine erhöhte Gefahr dafür, dass dieser Belastungszeuge den Angeklagten insgesamt zu Unrecht oder jedenfalls zu stark belastet haben könnte, ohne dass dies durch ergänzende Befragung in der Hauptverhandlung überprüft werden kann.

Allein durch sorgfältige Analyse des [X.] und Überprüfung der [X.] kann in einer solchen Konstellation eine möglicherweise zu Unrecht erfolgende oder zu weit gehende Belastung eines anderen nicht ausreichend ausgeschlossen werden. Die allgemeinen Glaubwürdigkeitskriterien erweisen sich in derartigen Fällen, etwa im Hinblick auf die Möglichkeit des "Kronzeugen", nur die Person eines weiteren Beteiligten im Rahmen der Schilderung eines im Übrigen selbst erlebten Geschehens falsch zu bezeichnen, um dadurch seine eigene größere Tatbeteiligung oder die Beteiligung eines [X.] zu vertuschen, als unzureichend. Der Aufklärungsgehilfe kann in dieser Situation ein schlüssiges Gesamtbild auch dann erzeugen, wenn er nur einen Personentausch vornimmt (vgl. [X.], Beschluss vom 13. September 2011 – 5 StR 308/11).

Besteht in der Hauptverhandlung in einer solchen Situation auch keine Möglichkeit für das Gericht und die Verteidigung, durch Befragung des Tatzeugen, der erhebliche Eigeninteressen verfolgt, die Glaubhaftigkeit der Fremdbelastung zu überprüfen, ist die Verurteilung nur gerechtfertigt, wenn die belastenden Angaben durch weitere aussagekräftige Indizien unterstützt werden (vgl. [X.], [X.]. Dogmatische Probleme und Rechtspraxis des § 46b StGB, 2014, [X.] ff.; [X.] in Festschrift für [X.], 2008, S. 599, 602 f.; zu einer solchen Beweiswürdigungslösung beim Zeugnis vom [X.] über Aussagen eines anonymen Gewährsmanns [X.] aaO, [X.]E 57, 250, 292; [X.] aaO, [X.]St 17, 382, 386; bei Verletzung des Konfrontationsrechts [X.], Urteil vom 25. Juli 2000 – 1 StR 169/00, [X.]St 46, 93, 106). Insoweit geht die Beweiswürdigung des [X.]s von einem rechtlich zutreffenden Ansatz aus.

bb) Ob [X.] vorliegen, die genügende Aussagekraft besitzen, um das genannte [X.] auszugleichen, hat das Tatgericht in eigener Verantwortung zu prüfen. Auch insoweit ist gegen die Entscheidung des [X.]s rechtlich nichts zu erinnern.

(1) [X.] hat nicht übersehen, dass der Angeklagte nachweislich andere Straftaten, nämlich Waffendelikte, begangen hat. Diese besitzen nach Ansicht des Tatgerichts aber keine genügende Aussagekraft dafür, dass er zugleich die verfahrensgegenständlichen Betäubungsmitteldelikte begangen hat. Diese Überlegung lässt keinen Rechtsfehler erkennen.

(2) Im Ergebnis dasselbe gilt für die Bewertung der [X.] auf dem Konto des Angeklagten und seiner Ehefrau.

Das [X.] hat in [X.] Weise darauf hingewiesen, dass die Geldeinzahlungen auf dem Konto des Angeklagten und seiner Ehefrau weder nach dem Zeitpunkt ihrer Vornahme noch nach der Höhe des jeweils eingezahlten Betrages darauf hindeuten, dass es sich um Erlöse aus den verfahrensgegenständlichen Betäubungsmitteldelikten handeln könnte. Allein die Tatsache, dass auf dem Konto des Angeklagten und seiner Ehefrau ohne erkennbaren Zusammenhang mit den verfahrensgegenständlichen Taten zahlreiche Geldeinzahlungen aus unbekannter Quelle vorgenommen wurden, ist für den Nachweis der konkreten Betäubungsmitteldelikte ungeeignet.

Anders könne es liegen, wenn feststünde, dass es sich um den Erlös aus – anderen – [X.] gehandelt hat. Dafür fehlt aber jeder Anhaltspunkt. Sollen vergleichbare Straftaten als Indiz für verfahrensgegenständliche Taten gewertet werden, müssen jene anderen Taten feststehen (vgl. Senat, Beschluss vom 21. April 2016 – 2 [X.]). Hier ist diese Ausgangstatsache für den von der Beschwerdeführerin erstrebten Beweisschluss ungewiss. Die bloße Möglichkeit der Herkunft der Gelder aus Betäubungsmitteldelikten liefert noch kein tragfähiges Indiz.

(3) Die Tatsache, dass der Angeklagte einen Lkw besessen hatte und die Zeugin [X.]davon berichtet hat, dass er die [X.] mit einem Lkw durchgeführt habe, ist von geringer Aussagekraft. Dies gilt insbesondere, weil der Lkw nicht aufgefunden werden konnte. Wäre eine Falschbelastung der Person des Angeklagten durch die Zeugin [X.]erfolgt, der zum Bekanntenkreis des Ehemanns und der Zeugin gehörte, so hätte zudem unschwer sein Fahrzeug als Tatmittel der Lieferfahrt genannt werden können.

(4) Das [X.] hat nicht übersehen, dass die Zeugin [X.]bei ihrer polizeilichen Vernehmung die Mobiltelefonnummer des Angeklagten auswendig nennen konnte. Dazu hat es darauf hingewiesen, dass die Zeugin angegeben habe, sie könne sich Zahlen gut merken. Ihrer Kenntnis von der Telefonnummer des Angeklagten als [X.] hat das [X.] die Tatsache entgegengehalten, dass der Angeklagte in einer Zeugenrolle diese Telefonnummer der Polizei zuvor als "Erreichbarkeit" mitgeteilt hatte. Danach wäre es jedenfalls ungewöhnlich erschienen, wenn zur Verabredung umfangreicher [X.] ein polizeibekannter Telefonanschluss benutzt worden wäre.

(5) [X.] hat ferner die Tatsache rechtsfehlerfrei gewürdigt, dass bei der Durchsuchung beim Angeklagten nach der Festnahme der Zeugen [X.]und [X.]zwar Waffen, Waffenteile und Schwarzpulver gefunden wurden, deren Besitz strafbar war, während andererseits keine Hinweise auf einen Drogenhandel zu finden waren. Hatte der Angeklagte die verbotenen Gegenstände nicht vor der Durchsuchung beseitigt, lag auch eine gezielte Beseitigung von Spuren eventueller Drogengeschäfte fern.

Die Schlussfolgerung des [X.]s, der [X.] spreche "sogar dagegen, dass der Angeklagte aufgrund der Verhaftung der Zeugen [X.]und [X.]gewarnt war und daher mit einer Durchsuchung rechnete", ist rechtlich unbedenklich.

(6) Das [X.] hat schließlich nicht versäumt, die Umstände "auch in ihrer Zusammenschau" zu würdigen. Wenn es darin zwar "Verdachtsmomente" gesehen hat, die "für eine Verurteilung des Angeklagten jedoch nicht ausreichen", ist dies vom Senat hinzunehmen.

Fischer                        Appl                        [X.]

                  Ott                         Zeng

Meta

2 StR 539/15

08.06.2016

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Urteil

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Köln, 26. August 2015, Az: 108 KLs 4/15

§ 55 Abs 1 StPO, § 228 StPO, § 244 Abs 2 StPO, § 261 StPO, § 344 Abs 2 S 2 StPO, Art 6 Abs 1 S 1 MRK

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 08.06.2016, Az. 2 StR 539/15 (REWIS RS 2016, 10370)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 10370

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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