Bundesgerichtshof, Beschluss vom 19.05.2022, Az. I ZB 73/21

1. Zivilsenat | REWIS RS 2022, 4996

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Gegenstand

Rechtsbeschwerde in Zwangsvollstreckungssachen: Öffentliche Zustellung der Ladung zum Termin der Abgabe der Vermögensauskunft; öffentliche Zustellung der Rechtsbeschwerdeschrift und der Rechtsbeschwerdebegründungsschrift


Tenor

Der Gläubigerin wird aufgegeben, dem Senat binnen sechs Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses eine zustellungsfähige Anschrift des Schuldners mitzuteilen oder - als Voraussetzung für die Bewilligung einer öffentlichen Zustellung der [X.] und der Rechtsbeschwerdebegründungsschrift - zu weiteren erfolglos unternommenen Nachforschungen vorzutragen. Hierzu ist unter Beifügung von Nachweisen darzulegen, dass die Gläubigerin versucht hat, über den Gerichtsvollzieher bei der [X.] und dem [X.] den derzeitigen Aufenthaltsort des Schuldners zu ermitteln, dass sie eine eigene Internetrecherche durchgeführt hat sowie dass sie eine Anschriftenprüfung bei der [X.] und aktuelle Anfragen beim [X.] und Gewerbeamt des letzten bekannten Wohnsitzes des Schuldners veranlasst hat. Ergeben sich aus den genannten Quellen weitere Ermittlungsansätze, ist auch diesen nachzugehen.

Gründe

1

I. Die Gläubigerin betreibt die Zwangsvollstreckung einer durch Vollstreckungsbescheid vom 1. November 2019 titulierten Geldforderung gegen den Schuldner. Mit Schreiben vom 8. Juni 2021 an den Gerichtsvollzieher beantragte sie die Abnahme der Vermögensauskunft unter öffentlicher Zustellung der Ladung zum Termin und die Einholung von [X.], unter anderem bei der [X.]. Sie gab an, der Schuldner sei seit dem 1. August 2019 unbekannt verzogen, und fügte eine Abschrift einer dies bestätigenden Auskunft des [X.]     vom 1. Juni 2021 bei. Der Gerichtsvollzieher lehnte die beantragte öffentliche Zustellung ab und wies darauf hin, dass die Gläubigerin bei ihm die Einholung weitergehender Auskünfte zum Zweck der Anschriftenermittlung beantragen könne.

2

Hiergegen hat die Gläubigerin Erinnerung eingelegt und beantragt, den Gerichtsvollzieher zur öffentlichen Zustellung der Ladung anzuweisen. Zur Begründung hat sie unter anderem vorgebracht, die Einsichtnahme in Register sei nicht erfolgversprechend und eine aktuelle Anfrage an das Gewerbeamt der [X.]     habe kein Ergebnis erbracht. Die Einholung von Auskünften bei Ausländerbehörden komme nicht in Betracht, da der Schuldner Unionsbürger sei. Eine Anfrage beim Träger der gesetzlichen Rentenversicherung sei abwegig, da nicht davon ausgegangen werden könne, dass der Schuldner seine selbstständige Tätigkeit als Inhaber eines Hausmeisterservices aufgegeben habe. Auch die Einholung einer Auskunft beim [X.] verspreche keinen Erfolg, da [X.] erfahrungsgemäß dort nicht aktualisiert würden.

3

Das Amtsgericht hat die Erinnerung zurückgewiesen. Die sofortige Beschwerde der Gläubigerin ist ohne Erfolg geblieben. Mit ihrer vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Gläubigerin ihren Antrag auf öffentliche Zustellung der Ladung weiter. Im Rechtsbeschwerdeverfahren hat sie lediglich diejenige Anschrift des Schuldners mitgeteilt, von der er nach ihren Angaben seit 1. August 2019 unbekannt verzogen ist.

4

II. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, der Aufenthalt des Schuldners sei - jedenfalls derzeit - nicht allgemein unbekannt. Die Gläubigerin habe nicht alle geeigneten und zumutbaren Nachforschungen angestellt, um eine aktuelle Anschrift des Schuldners zu ermitteln. Versuche, die Anschrift des Schuldners über die [X.] und das [X.] zu erforschen, seien nicht mit unverhältnismäßigem Aufwand verbunden oder von vornherein zwecklos. Die Gläubigerin müsse hierfür lediglich den Gerichtsvollzieher mit der Anschriftenermittlung bei diesen Behörden beauftragen. Der Schuldner könne nach Erlass des Vollstreckungsbescheids ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis aufgenommen oder sich arbeitslos gemeldet haben. Es sei entgegen der Annahme der Gläubigerin auch denkbar, dass aktuelle Anschriften beim [X.] hinterlegt seien.

5

Die Erwägungen, aufgrund derer der [X.] entschieden habe, dass zum Nachweis der Voraussetzungen für die öffentliche Zustellung eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses grundsätzlich die Vorlage aktueller Auskünfte des [X.] genüge, seien auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar. Anders als ein Pfändungs- und Überweisungsbeschluss müsse eine Ladung zur Abgabe einer Vermögensauskunft dem Schuldner persönlich zugestellt werden. Dem Schuldner werde dadurch rechtliches Gehör eingeräumt und er werde belehrt. Eine öffentliche Zustellung dieser Ladung sei daher nur unter den gleichen - strengen - Voraussetzungen wie im Erkenntnisverfahren möglich.

6

III. [X.] und die Rechtsbeschwerdebegründungsschrift sind der Gegenpartei nach § 575 Abs. 4 Satz 2 ZPO zuzustellen. Die Gläubigerin hat dem Senat lediglich eine Anschrift des Schuldners mitgeteilt, unter der er ihren Angaben zufolge seit dem 1. August 2019 nicht mehr erreichbar ist. Nach § 185 Nr. 1 ZPO kann die Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung (öffentliche Zustellung) erfolgen, wenn der Aufenthaltsort einer Person unbekannt und eine Zustellung an einen Vertreter oder Zustellungsbevollmächtigten nicht möglich ist. Über die Bewilligung der öffentlichen Zustellung entscheidet nach § 186 Abs. 1 Satz 1 ZPO das Prozessgericht. Die Entscheidung ergeht durch Beschluss und bedarf bei der vorliegenden Amtszustellung keines Antrags des Rechtsbeschwerdeführers (vgl. [X.], Beschluss vom 14. April 1987 - [X.], [X.], 986 [juris Rn. 4]; [X.] in Musielak/[X.], ZPO, 19. Aufl., § 186 Rn. 2 und 4 mwN). Für die öffentliche Zustellung der [X.] und der Rechtsbeschwerdebegründungsschrift gelten keine geringeren Anforderungen als für die öffentliche Zustellung der Ladung zum Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft, über die im Rechtsbeschwerdeverfahren zu entscheiden ist.

7

Das Beschwerdegericht hat die Entscheidung des Gerichtsvollziehers, über die bereits erfolgten Anfragen der Gläubigerin beim [X.] und Gewerbeamt des letzten bekannten Wohnsitzes des Schuldners hinaus weitere Versuche der Anschriftenermittlung bei der [X.] und dem [X.] zu verlangen, zu Recht bestätigt.

8

1. Der Gerichtsvollzieher entscheidet als für die Abnahme der Vermögensauskunft zuständiges Vollstreckungsorgan selbst über die - grundsätzlich zulässige - öffentliche Zustellung der Ladung des Schuldners zum Termin zur Abgabe einer Vermögensauskunft.

9

a) Der Gerichtsvollzieher wirkt auf eine Beitreibung von Geldforderungen hin (§ 802a Abs. 1 ZPO). Er ist auf Grund eines entsprechenden Vollstreckungsauftrags und der Übergabe der vollstreckbaren Ausfertigung befugt, eine Vermögensauskunft des Schuldners einzuholen (§ 802a Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Zur Abnahme der Vermögensauskunft setzt er dem Schuldner für die Begleichung der Forderung eine Frist von zwei Wochen; zugleich bestimmt er für den Fall, dass die Forderung nach Fristablauf nicht vollständig beglichen ist, einen Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft alsbald nach Fristablauf und lädt den Schuldner zu diesem Termin (§ 802f Abs. 1 und 2 ZPO). Mit der [X.] ist der Schuldner über die in der Vermögensauskunft erforderlichen Angaben, über seine Rechte und Pflichten nach § 802f Abs. 1 und 2 ZPO, über die Folgen einer unentschuldigten [X.] oder einer Verletzung seiner Auskunftspflichten sowie über die Möglichkeit der Einholung von Auskünften Dritter und der Eintragung in das Schuldnerverzeichnis bei Abgabe der Vermögensauskunft zu belehren (§ 802f Abs. 3 ZPO). Die Ladung und die Belehrung sind dem Schuldner zuzustellen, auch wenn dieser einen Prozessbevollmächtigten bestellt hat (§ 802f Abs. 4 Satz 1 Halbsatz 1 ZPO).

b) Hierbei handelt es sich um eine vorgeschriebene Zustellung im Rahmen des vom Gläubiger betriebenen [X.], so dass nach § 191 ZPO die Vorschriften über die Zustellung von Amts wegen (§§ 166 bis 190 ZPO) entsprechende Anwendung finden, soweit sich nicht aus den nachfolgenden Vorschriften (§§ 192 bis 195 ZPO) Abweichungen ergeben (vgl. [X.], Beschluss vom 30. November 2017 - [X.], NJW-RR 2018, 503 [juris Rn. 6]). Der Gerichtsvollzieher kann die Zustellung nach Maßgabe der §§ 193 und 194 ZPO entweder selbst ausführen oder die Post mit der Ausführung der Zustellung beauftragen. Für die Ausführung der Zustellung finden die für die Zustellung von Amts wegen geltenden Vorschriften entsprechende Anwendung (vgl. [X.], NJW-RR 2018, 503 [juris Rn. 8]). Darüber hinaus ist der Gerichtsvollzieher nach § 191 ZPO in entsprechender Anwendung von §§ 185, 186 Abs. 1 Satz 1 ZPO befugt, die öffentliche Zustellung der Ladung des Schuldners zum Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft zu bewilligen; hierüber entscheidet er selbst und nicht das Vollstreckungsgericht (vgl. [X.], NJW-RR 2018, 503 [juris Rn. 8 bis 14]).

2. Das Beschwerdegericht hat zu Recht angenommen, dass die Voraussetzungen für eine öffentliche Zustellung der Ladung des Schuldners zum Termin zur Abgabe einer Vermögensauskunft derzeit nicht vorliegen und der Gerichtsvollzieher dementsprechend nicht zu einer öffentlichen Zustellung der Ladung angewiesen werden kann.

a) Für den Nachweis des unbekannten Aufenthaltsorts im Sinne des § 185 Nr. 1 ZPO gelten bei der Zustellung einer Ladung zum Termin zur Abgabe einer Vermögensauskunft dieselben - strengen - Voraussetzungen wie im Erkenntnisverfahren.

aa) Der Aufenthaltsort einer Person ist nur dann unbekannt im Sinne von § 185 Nr. 1 ZPO, wenn nicht nur das Gericht, sondern auch die Allgemeinheit den Aufenthalt des Zustellungsadressaten nicht kennt. Dabei ist es zunächst Sache der [X.], die durch die Zustellung begünstigt wird, alle geeigneten und ihr zumutbaren Nachforschungen anzustellen, um den Aufenthalt des Zustellungsempfängers zu ermitteln und ihre ergebnislosen Bemühungen gegenüber dem Gericht darzulegen. Im Erkenntnisverfahren sind an die Feststellung, dass der Aufenthalt des Zustellungsadressaten unbekannt ist, wegen der besonderen Bedeutung der Zustellung für die Gewährung rechtlichen Gehörs hohe Anforderungen zu stellen. Die begünstigte [X.] kann beispielsweise gehalten sein, durch persönliche Nachfragen beim ehemaligen Arbeitgeber, bei dem letzten Vermieter oder bei Hausgenossen und Verwandten des Zustellungsadressaten dessen Aufenthalt zu ermitteln (vgl. [X.], Urteil vom 4. Juli 2012 - [X.], NJW 2012, 3582 [juris Rn. 16 f.] mwN; Urteil vom 3. Mai 2016 - [X.], [X.], 886 [juris Rn. 41]; Urteil vom 8. Dezember 2016 - [X.], [X.], 1735 [juris Rn. 16] mwN).

bb) Im Fall der Forderungspfändung hat der [X.] entschieden, dass an den Nachweis des unbekannten Aufenthalts des Schuldners wegen dessen wesentlich geringeren Schutzbedürfnisses unter Abwägung mit dem Justizgewährungsanspruch des Gläubigers in der Regel weniger strenge Anforderungen zu stellen sind als für öffentliche Zustellungen an den Beklagten im Erkenntnisverfahren (vgl. [X.], Beschluss vom 14. Februar 2003 - [X.], [X.], 1530 [juris Rn. 7]). Grundsätzlich genügt die Vorlage aktueller Auskünfte des für den letzten bekannten Wohnort des Schuldners zuständigen [X.] (vgl. [X.], [X.], 1530 [juris Rn. 10]). Die Aufforderung des Vollstreckungsgerichts, Nachweise über zusätzliche weitere Ermittlungen vorzulegen, erschwert im Regelfall die Zwangsvollstreckung in unzumutbarer Weise, da diese nur selten erfolgversprechend, für den Gläubiger aber mit einem erheblichen Zeit- und Kostenaufwand verbunden sind. Sie darf daher nur ergehen, wenn sich aus den [X.] ergibt, dass erfolgversprechende Ansätze für die Ermittlung des derzeitigen Aufenthaltsortes des unbekannt verzogenen Schuldners tatsächlich vorliegen (vgl. [X.], [X.], 1530 [juris Rn. 11]).

cc) Für die öffentliche Zustellung der Ladung zum Termin für die Abgabe der Vermögensauskunft, über die im vorliegenden Rechtsbeschwerdeverfahren zu entscheiden ist, gelten dieselben Anforderungen an den Nachweis des unbekannten Aufenthalts des Schuldners wie im Erkenntnisverfahren.

(1) Wie die öffentliche Zustellung einer Klageschrift und einer rechtsmittelfähigen Entscheidung berührt auch die öffentliche Zustellung einer Ladung zum Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft unmittelbar das rechtliche Gehör sowie die [X.] der [X.], an die zugestellt werden soll (zum auf die Wahrung des Gehörsrechts gerichteten Zweck der Zustellung vgl. [X.], NJW 1988, 2361; [X.], Urteil vom 19. Dezember 2001 - [X.], [X.]Z 149, 311 [juris Rn. 18 bis 36]; [X.], [X.], 1530 [juris Rn. 8]; [X.], Urteil vom 31. Oktober 2018 - [X.], GRUR 2019, 322 [juris Rn. 16] = WRP 2019, 213 - Öffentliche Zustellung). Die Ladung ist nach Maßgabe von § 802f Abs. 1 Satz 1, 2 und 4 ZPO regelmäßig mit einer letztmaligen Zahlungsfrist (zu diesem Begriff vgl. MünchKomm.ZPO/Forbriger, 6. Aufl., § 802f Rn. 11) verbunden. Auch unabhängig davon erhält der Schuldner Gelegenheit, bis zum Termin einen Nachweis vollständiger Zahlung zu erbringen und dadurch eine Aufhebung des Termins zu erreichen. Bleibt der Schuldner dem Termin unentschuldigt fern, erlässt das Gericht gegen ihn auf Antrag des Gläubigers einen Haftbefehl zur Erzwingung der Abgabe der Vermögensauskunft, der vor seiner Vollziehung nicht der Zustellung an den Schuldner bedarf (§ 802g Abs. 1 Satz 1 und 3 ZPO). Der Schuldner muss darüber hinaus damit rechnen, dass der Gerichtsvollzieher von Amts wegen seine Eintragung in das Schuldnerverzeichnis anordnet (§ 882c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO). Die Bedeutung der Ladung zum Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft wird darüber hinaus durch die nach § 802f Abs. 3 ZPO vorgeschriebene Belehrung und das Erfordernis einer persönlichen Zustellung an den Schuldner nach § 802f Abs. 4 ZPO unterstrichen.

(2) Soweit der [X.] bei der Zustellung eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses kein dem Erkenntnisverfahren vergleichbares Schutzbedürfnis des Schuldners erkannt hat, beruht dies maßgeblich auf den Besonderheiten des Verfahrens der Forderungspfändung (vgl. [X.], [X.], 1530 [juris Rn. 8]): Der Schuldner wird vor Erlass des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses nicht gehört (§ 834 ZPO) und dessen Zustellung an ihn ist für die Wirksamkeit der Pfändung unwesentlich (§ 829 Abs. 3 ZPO). [X.] der Gerichtsvollzieher die Voraussetzungen für eine öffentliche Zustellung an den Schuldner, führt dies nach § 829 Abs. 2 Satz 2 ZPO dazu, dass diese Zustellung unterbleibt (vgl. [X.] in Musielak/[X.] aaO § 829 Rn. 15; [X.]/[X.], 44. Edition [Stand 1. März 2022], § 829 Rn. 95.1). Dann wird dem Schuldner zwar vorerst kein (nachträgliches) rechtliches Gehör gewährt. Es werden aber auch keine Fristen für eine sofortige Beschwerde in Gang gesetzt, so dass der Schuldner, sobald er vom Erlass des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses erfährt, seine Rechte noch im Zwangsvollstreckungsverfahren geltend machen kann.

Zwar trifft es auch für den Streitfall zu, dass ein Schuldner, gegen den ein Vollstreckungstitel vorliegt, mit einer Zwangsvollstreckung rechnen muss und durch einen Verstoß gegen die Meldevorschriften selbst dazu beiträgt, dass er für den Gläubiger nicht mehr erreichbar ist (vgl. hierzu [X.], [X.], 1530 [juris Rn. 8]). Jedoch erfordern die einschneidenden Folgen, die dem Schuldner bei einem unentschuldigten Fernbleiben vom Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft drohen, eine hohe Gewissheit, dass er tatsächlich unbekannten Aufenthalts ist, zumal die Wahrscheinlichkeit gering ist, dass er von der öffentlichen Zustellung Kenntnis erlangt (vgl. hierzu [X.]Z 149, 311 [juris Rn. 29]). Der mit der Pflicht zur Beibringung von Nachweisen verbundene Eingriff in den Justizgewährungsanspruch des Gläubigers ist in diesem Fall daher gerechtfertigt.

b) Nach diesen Grundsätzen hält die Entscheidung des [X.] der rechtlichen Nachprüfung stand. Welche Ermittlungen geeignet und zumutbar sind, ist eine Frage des Einzelfalls. Mit Blick auf die Umstände des Streitfalls ist es nicht zu beanstanden, dass das Beschwerdegericht - über die bereits erfolgten Anfragen beim [X.] und Gewerbeamt des letzten bekannten Wohnsitzes des Schuldners hinaus - weitere Versuche zur Anschriftenermittlung bei der [X.] und dem [X.] für geeignet und zumutbar gehalten hat.

aa) Der Geeignetheit einer Anfrage bei der [X.] steht nicht entgegen, dass der Schuldner nach den Ausführungen der Gläubigerin unter seiner letzten bekannten Anschrift mit einem Hausmeisterservice selbstständig tätig gewesen ist. Das Beschwerdegericht hat zu Recht darauf hingewiesen, dass die [X.] Kenntnis von seiner aktuellen Anschrift erlangt haben könne, wenn er inzwischen ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis aufgenommen oder sich arbeitslos gemeldet habe. Zudem hat auch die Gläubigerin mit ihrem Antrag auf Einholung einer Drittauskunft nach § 802l Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO über einen derzeitigen Arbeitgeber des Schuldners zum Ausdruck gebracht, dass sie dies nicht für von vornherein ausgeschlossen hält.

Auch eine Anfrage beim [X.] ist angesichts der unter der letzten bekannten Anschrift des Schuldners ausgeübten selbstständigen Tätigkeit mit einem Hausmeisterservice, die typischerweise mit der Nutzung von Kraftfahrzeugen einhergeht, zur Ermittlung seiner aktuellen Anschrift geeignet. Die Gläubigerin hat ihre Auffassung, beim [X.] würden [X.] erfahrungsgemäß nicht aktualisiert, nicht näher begründet. Der Gerichtsvollzieher hat in seiner Stellungnahme im Erinnerungsverfahren ausgeführt, er habe gute Erfahrungen mit der Einholung von Auskünften zur Anschriftenermittlung beim [X.] gemacht.

bb) In beiden Fällen ist der Gläubigerin die Einholung der Auskünfte zumutbar. Der Gerichtsvollzieher und das Beschwerdegericht haben insoweit zutreffend auf die Möglichkeit hingewiesen, diese Auskünfte nach § 755 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und 3 ZPO über den Gerichtsvollzieher bei der [X.] und dem [X.] einzuholen (zur Erforderlichkeit eines hierauf gerichteten Antrags vgl. die Begründung des [X.] eines Gesetzes zur Reform der Sachaufklärung in der Zwangsvollstreckung, BT-Drucks. 16/10069, [X.]; [X.] insoweit [X.]/[X.] aaO § 755 Rn. 6 bis 6.3 mwN). Abgesehen von der Antragstellung entsteht der Gläubigerin hierfür kein weiterer Aufwand.

IV. Danach setzt auch eine Bewilligung der öffentlichen Zustellung der [X.] und der Rechtsbeschwerdebegründungsschrift voraus, dass die Gläubigerin erfolglos versucht hat, über den Gerichtsvollzieher den derzeitigen Aufenthaltsort des Schuldners bei der [X.] und dem [X.] zu ermitteln. Zudem hat sie eine eigene Internetrecherche durchzuführen, eine Anschriftenprüfung bei der [X.] zu veranlassen sowie ihre Anfragen beim [X.] und Gewerbeamt des letzten bekannten Wohnsitzes des Schuldners in D.     zu aktualisieren. Ergeben sich aus den genannten Quellen weitere Ermittlungsansätze, ist auch diesen nachzugehen. Zur Darlegung ihrer Bemühungen und Beibringung von Nachweisen wird ihr eine Frist von sechs Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses gesetzt.

Koch     

      

Schwonke     

      

Pohl   

      

Schmaltz     

      

Odörfer     

      

Meta

I ZB 73/21

19.05.2022

Bundesgerichtshof 1. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend LG Verden, 17. November 2021, Az: 6 T 111/21

§ 185 Nr 1 ZPO, § 575 Abs 4 S 2 ZPO, § 802a ZPO, § 802f ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 19.05.2022, Az. I ZB 73/21 (REWIS RS 2022, 4996)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 4996 MDR 2022, 1265-1266 REWIS RS 2022, 4996

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