30. Senat | REWIS RS 2015, 10718
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Markenbeschwerdeverfahren – "CIRKALM (IR-Marke)/BIKALM" – zur rechtserhaltenden Benutzung – Warenähnlichkeit – zur Kennzeichnungskraft – keine Verwechslungsgefahr
In der Beschwerdesache
…
betreffend die international registrierte Marke [X.] 892 570
hat der 30. Senat (Marken- und Design-Beschwerdesenat) des [X.] auf die mündliche Verhandlung vom 21. Mai 2015 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.] Prof. Dr. Hacker, des [X.] [X.] und der Richterin Uhlmann
beschlossen:
Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.
I.
Die am 18. Mai 2006 unter der Nummer 892 570 international registrierte Wortmarke
[X.][X.][X.]ALM
beansprucht Schutz für das Gebiet der [X.] für die Waren der
“[X.]lasse 5: Produits pharmaceutiques à savoir crèmes hémorroïdales”.
Die internationale Registrierung dieser Marke ist am 28. September 2006 veröffentlicht worden.
Hiergegen hat die Firma A… Pharma AG am 18. Dezember 2006 Widerspruch erhoben aus ihrer am 17. Oktober 1963 für die Waren der
„[X.]lasse 5: Arzneimittel, chemische Erzeugnisse für Heilzwecke und Gesundheitspflege“
eingetragenen Wortmarke 778 700
[X.]
Die Widerspruchsmarke ist am 5. März 2008 auf die Beschwerdeführerin umgeschrieben worden, die in das Widerspruchsverfahren eingetreten ist.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat die Benutzung der Widerspruchsmarke zunächst mit Ausnahme von Schlafmitteln, sodann mit Schriftsatz vom 23. September 2011 vollumfänglich bestritten.
Die Widersprechende hat daraufhin eine eidesstattliche Versicherung des Dr. H…, [X.] [X.] der [X.]- … GmbH vom 2. März 2012 (Anlage W1 zu [X.]. 104 VA) über jährliche Umsätze für 2008 bis 2011 in Höhe von … Mio. € bis … Mio. € mit einem Schlafmittel, sowie eine weitere eidesstattliche Versicherung des Herrn Dr. H… vom 9. Mai 2012 über Umsätze mit einem Schlafmittel in den Jahren 2004 bis 2006 zusammen mit weiteren Benutzungsunterlagen vorgelegt.
Mit Beschlüssen vom 2. März 2011 und 13. August 2013, von denen letzterer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, hat die Markenstelle für [X.]lasse 5 – internationale Markenregistrierung - den Widerspruch zurückgewiesen.
Zur Begründung ist im Erinnerungsbeschluss ausgeführt, die Widersprechende habe auf die zulässig erhobene Nichtbenutzungseinrede die Benutzung der Marke für ein verschreibungspflichtiges Schlafmittel für die maßgeblichen Benutzungszeiträume von 2001 bis September 2006 und für die Jahre 2008 bis 2013 glaubhaft gemacht. Die für den ersten Zeitraum, in dem die Widersprechende noch nicht Inhaberin der Widerspruchsmarke gewesen sei, vorgelegten Unterlagen Dritter genügten zur Glaubhaftmachung der Verwendung. Die Verwendung mit einem Bildbestandteil sei eine unschädliche werbeübliche Abwandlung. Nach der erweiternden Minimallösung sei damit von einer Benutzung für die Waren der Hauptgruppe 49 „Hypnotika/Sedativa“ der „Roten Liste“ auszugehen. Diese seien den Waren der jüngeren Marke ähnlich im unteren Bereich. Den deshalb und wegen der durchschnittlichen [X.]ennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke zur Vermeidung von Verwechslungen erforderlichen relativ deutlichen Abstand halte die angegriffene Marke ein. Die Unterschiede in den Wortanfängen seien nicht geringfügig, sondern deutlich hörbar. Der Anfangsbuchstabe der angegriffenen Marke sei ein klangstarker Zisch- und Dauerlaut, „B“ in „[X.]“ dagegen ein weicher klangschwacher Augenblickslaut. Zudem fehle in der Widerspruchsmarke das „R“, ebenfalls ein Dauerlaut, am Ende der ersten Silbe der jüngeren Marke. Wieso dieses wegen seiner Position vor dem „[X.]“ nicht zur Geltung kommen solle, sei nicht nachvollziehbar. Beide Marken würden auf der ohnehin stärker beachteten ersten Silbe betont. Hinzu komme, dass die gemeinsame zweite Silbe „[X.]ALM“ bei Sedativa und Hypnotika eher kennzeichnungsschwach und nicht selten ein Markenbestandteil sei. Zwar liege keine Schwächung durch [X.] vor, da die Benutzung der aufgeführten [X.] nicht unstreitig und nicht glaubhaft gemacht sei, die entsprechenden Eintragungen könnten aber als Indiz für einen von Haus aus bestehenden Qualitätsmangel der Widerspruchsmarke dienen.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden vom 11. September 2013. Sie trägt unter Vorlage einer weiteren eidesstattlichen Versicherung vom 19. Mai 2015 über Umsätze mit dem verschreibungspflichtigen Schlafmittel „Bikalm“ für die Jahre 2012 bis 2014 in Höhe von je rund … Mio. € so- wie weiterer Benutzungsnachweise vor, zwischen den Waren der Widerspruchsmarke „Hypnotika/Sedativa“ und den von der Inhaberin der jüngeren Marke beanspruchten Waren „Pharmazeutische Erzeugnisse, nämlich [X.]“ bestehe durchschnittliche Ähnlichkeit. Die [X.]ennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sei normal, „[X.]“ sei ein reines Fantasiewort. Die [X.] seien entgegen der Auffassung der Markenstelle hochgradig ähnlich. [X.]langlich stimmten sie in fünf von sieben Buchstaben überein, die noch dazu in der gleichen Reihenfolge platziert seien, außerdem in der [X.], der Vokalfolge „I-A“ und dem klangstarken Mittelkonsonanten „[X.]“. Die Unterschiede in zwei Buchstaben genügten nicht, um die Verwechslungsgefahr auszuschließen. Der Buchstabe „[X.]“, der wie „ts“ oder [X.] ausgesprochen werde, werde ebenso kurz gesprochen wie der Anfangsbuchstabe „B“ der Widerspruchsmarke. Das zusätzliche „R“ der jüngeren Marke werde unmittelbar vor einem [X.]onsonanten nicht betont, sondern unterliege einer sehr schwachen Aussprache. [X.] würden vom Verkehr ohnehin regelmäßig nicht wahrgenommen. Auch liege die Betonung der Zeichen nicht auf der ersten Silbe, da die zweite Silbe „[X.]ALM“ wesentlich länger als die erste Silbe sei und zudem mit dem klangstarken „[X.]“ beginne. Auch sei „-[X.]ALM“ nicht kennzeichnungsschwach. Die Silbe verschmelze im Widerspruchszeichen mit dem Wortanfang „[X.]“ zu einem einheitlichen Fantasiebegriff; deshalb habe der Verkehr keinen Anlass, das Zeichen zu zergliedern. Selbst wenn man in „[X.]ALM“ eine Anlehnung an das [X.] Wort „calm“ sehe, sei dieses nicht mit Hypnotika oder Sedativa gleichzusetzen. Auch sei das Widerspruchszeichen nicht kennzeichnungsschwach wegen ähnlicher [X.] mit dem Bestandteil „[X.]ALM“. Zudem stellten die angegriffenen Beschlüsse unzulässig auf den Vergleich einzelner Markenbestandteile ab, maßgebend sei jedoch der Gesamteindruck. Auch schriftbildlich bestehe Ähnlichkeit, diese werde durch unterschiedliche Sinngehalte der Marken nicht geschmälert, weil es sich bei beiden Zeichen um reine Fantasiebegriffe handele. Die geringfügigen Unterschiede könnten selbst bei gesteigerter Aufmerksamkeit des Verkehrs die Gefahr von Verwechslungen nicht ausschließen, wobei zu beachten sei, dass Verwechslungen im Gesundheitsbereich verheerende Folgen haben könnten und deshalb eine Markenähnlichkeit auf diesem Gebiet besonders zu vermeiden sei.
Die Beschwerdeführerin stellt sinngemäß den Antrag,
die Beschlüsse der Markenstelle für [X.]lasse 5 - [X.] - des [X.] vom 2. März 2011 und 13. August 2013 aufzuheben und der international registrierten Marke [X.] 892 570 aufgrund des Widerspruchs aus der Marke 778 700 den Schutz für das Gebiet der [X.] zu verweigern.
Die Beschwerdegegnerin stellt sinngemäß den Antrag,
die Beschwerde der Widersprechenden zurückzuweisen.
Sie trägt vor, zwischen den [X.] „[X.]“ der jüngeren Marke und den für die Widerspruchsmarke geschützten „Schlafmitteln“ bestehe nur eine geringe Ähnlichkeit, wenn nicht sogar ausgeprägte [X.]. Die Waren der Widerspruchsmarke seien gemäß § 43 Abs. 1 Satz 3 [X.] auf Schlafmittel zu reduzieren. Sie seien von „[X.]“ sowohl im Indikationsgebiet als auch in der Herstellungstechnik völlig verschieden. Hinzu komme, dass die Schlafmittel der Widerspruchsmarke rezeptpflichtig, also nicht frei verkäuflich über die Ladentheke seien, sodass sich auch die Vertriebswege gravierend unterschieden. Die [X.]ennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sei durchschnittlich. Sie sei für Schlafmittel ein sprechendes Zeichen, da der Bestandteil „calm/kalm“ in einer Vielzahl von Marken für entsprechende Waren enthalten sei. Zudem komme insbesondere durch den auf der Umverpackung benutzten Bildbestandteil in Form eines [X.] die Vorstellung von Ruhe auf. Die [X.] unterschieden sich maßgeblich. Die Bestandteile der Widerspruchsmarke „[X.]“ und „[X.]ALM“ würden sofort erfasst. Da das Schlafmittel der Beschwerdeführerin verschreibungspflichtig sei, komme es nach der Rechtsprechung des [X.] beim [X.] ausschließlich auf das Verständnis der verschreibenden Ärzte, von Apothekern oder sonstigen medizinischen Fachleuten an. Für diese sei das Widerspruchszeichen kein Fantasiewort. Die Unterschiede befänden sich in den grundverschiedenen Anfangssilben und würden von dem in diesem Bereich besonders umsichtigen Verkehr wahrgenommen. Wegen der Verschreibungspflicht des unter der Widerspruchsmarke vertriebenen [X.] bestehe die Gefahr klanglicher Verwechslungen unter realistischen [X.] nicht, da für den Erwerb die Vorlage eines Rezeptes gegenüber einem Apotheker erforderlich sei.
Die Beschwerdegegnerin ist in der mündlichen Verhandlung vom 21. Mai 2015 trotz ordnungsgemäßer Ladung gemäß ihrer Ankündigung vom 20. Mai 2015 nicht erschienen.
Wegen der Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Ob Verwechslungsgefahr vorliegt, ist nach der Rechtsprechung sowohl des [X.] als auch des [X.] unter Beachtung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen (vgl. z. [X.] [X.] 2010, 1098, Nr. 44 – [X.]/HABM; [X.] 2010, 933, Nr. 32 - [X.] [X.]; [X.] 2011, 915, Nr. 45 - [X.]; [X.] 2012, 1040, Nr. 25 - pjur/pure; [X.] 2012, 930, Nr. 22 - [X.]/Barbie B; [X.] 2012, 64, Nr. 9 - Maalox/[X.]; [X.] 2010, 235, Nr. 15 - [X.]/[X.]). Von maßgeblicher Bedeutung sind insoweit die Identität oder Ähnlichkeit der zum Vergleich stehenden Marken sowie der von diesen erfassten Waren oder Dienstleistungen. Darüber hinaus ist die [X.]ennzeichnungskraft der älteren Marke und - davon abhängig - der dieser im Einzelfall zukommende Schutzumfang in die Betrachtung mit einzubeziehen. Dabei impliziert der Begriff der Verwechslungsgefahr eine gewisse Wechselwirkung zwischen den genannten Faktoren (st. Rspr., z. B. [X.] 2013, 833, Nr. 30 - [X.]ulinaria/Villa [X.]ulinaria; [X.] 2012, 1040, Nr. 25 - pjur/pure; [X.] 2012, 930, Nr. 22 - [X.]/Barbie B; [X.] 2012, 64, Nr. 9 - Maalox/[X.]; [X.] 2010, 1103, Nr. 37 - Pralinenform II; [X.] [X.] 2008, 343 Nr. 48 - Il [X.]/HABM).
Nach diesen Grundsätzen ist zwischen den Vergleichsmarken eine markenrechtlich relevante Gefahr von Verwechslungen nicht zu besorgen.
1. Bei der Prüfung der Warenähnlichkeit ist auf Seiten der Widerspruchsmarke nicht auf die [X.] abzustellen, sondern von einer Benutzung für Arzneimittel der Hauptgruppe 49 „Hypnotika/Sedativa“ der „Roten Liste“ auszugehen.
Die Inhaberin der angegriffenen [X.]-Marke hat die Benutzung der Widerspruchsmarke in zulässiger Weise bestritten
Im Rahmen der [X.] (vgl. [X.]/[X.], [X.], 11. Aufl., § 26 [X.]. 254 ff., insbes. [X.]. 260) ist weiter zu berücksichtigen, dass die Widersprechende einerseits nicht auf das ganz spezielle mit der Widerspruchsmarke gekennzeichnete Produkt festzulegen ist, andererseits aber auch nicht der gesamte mit dem eingetragenen Oberbegriff „Arzneimittel“ umfasste weite Warenbereich einzubeziehen ist. Anwendung findet vielmehr die sogenannte „erweiterte Minimallösung“. Danach wird einerseits die Beanspruchung des breiten Oberbegriffs ausgeschlossen, andererseits der Markeninhaber aber auch nicht auf das konkrete Einzelprodukt in seiner speziellen Zusammensetzung, Rezeptpflicht usw. beschränkt. Eine rechtserhaltende Benutzung ist vorliegend deshalb für den Bereich anzuerkennen, welcher der jeweiligen Arzneimittelhauptgruppe in der „Roten Liste“ entspricht (vgl. [X.] 2012, 64, 65 Rn. 10 - Maalox/[X.]; [X.], Beschluss vom 22. Mai 2014, 25 W (pat) 79/12 – [X.]/TO[X.]; 30 W (pat) 19/13 - [X.]/[X.]; [X.]/[X.], a. a. O., § 26 [X.]. 270 m. w. N.); das ist hier die Hauptgruppe 49 „[X.]/Sedativa“ der „Roten Liste“. Bei der Prüfung der Verwechslungsgefahr sind damit gemäß § 43 Abs. 1 Satz 3 [X.] nur diese Waren zu berücksichtigen.
Bei der Beurteilung der [X.] stehen sich mithin die [X.] der jüngeren Marke „Pharmazeutische Produkte, nämlich [X.]“, die zur Hauptgruppe 47 der „Roten Liste“ gehören, und die Widerspruchswaren „Hypnotika/Sedativa“ der Hauptgruppe 49 der „Roten Liste“ gegenüber. In beiden Gruppen besteht keine generelle Verschreibungspflicht.
Eine Ähnlichkeit der beiderseitigen Waren ist anzunehmen, wenn diese in Berücksichtigung aller erheblichen Faktoren, die ihr Verhältnis zueinander kennzeichnen - insbesondere ihrer Beschaffenheit, ihrer regelmäßigen betrieblichen Herkunft, ihrer regelmäßigen Vertriebs- oder [X.], ihrem Verwendungszweck und ihrer Nutzung, ihrer wirtschaftlichen Bedeutung, ihrer Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Produkte oder anderer für die Frage der Verwechslungsgefahr wesentlicher Gründe - so enge Berührungspunkte aufweisen, dass die beteiligten Verkehrskreise der Meinung sein könnten, sie stammten aus denselben oder ggfls. wirtschaftlich verbundenen Unternehmen, sofern sie - was zu unterstellen ist - mit identischen Marken gekennzeichnet sind (vgl. [X.] [X.] 1998, 922, 923 f., Nr. 22 - 29 - [X.]anon; [X.] [X.] 2006, 582 ff., Nr. 85 - [X.]; [X.] 2006, 941 ff., Nr. 13 - TOS[X.]A [X.]; [X.] 2004, 241, 243 - GeDIOS; [X.] 2001, 507, 508 - EVIAN/[X.]; [X.]/[X.], [X.], 11. Aufl., § 9 Rdn. 60 m. w. N.).
Zwischen den genannten [X.] besteht danach mittlere Ähnlichkeit. Sie unterscheiden sich deutlich im Hinblick auf Inhaltsstoffe, das Indikationsgebiet und die Darreichungsform; die Widerspruchswaren werden überwiegend oral eingenommen oder injiziert, während es sich bei den Waren der jüngeren Marke um [X.]remes, also Mittel zu Auftragung im Hautbereich handelt. Auch ergänzen sich die [X.] nicht in der Therapie. Beide Waren dienen aber als Heilmittel, können vom gleichen (Pharma)hersteller stammen und haben den gleichen Vertriebsweg über Apotheken und Drogerien.
2. Die [X.]ennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ist von Haus aus durchschnittlich. „[X.]“ ist ein Fantasiebegriff, dessen Bedeutung sich - wenn überhaupt - erst durch mehrere Gedankenschritte erschließt. Die angesprochenen Verkehrskreise bestehen sowohl aus medizinischem Personal als auch aus der Allgemeinheit der Verbraucher, die Arzneimittel wegen ihres Bezugs zur Gesundheit und ihrer erwünschten und unerwünschten Wirkungen generell mit gesteigerter Aufmerksamkeit begegnen (siehe dazu unten unter Punkt 3. a)).
Wenn auch manches dafür spricht, dass jedenfalls der angesprochene [X.] in dem Bestandteil „[X.]ALM“ ohne Weiteres das [X.] Adjektiv „calm“ mit der [X.] Bedeutung „ruhig, gelassen, friedlich“ und darin einen Hinweis auf die beruhigende Wirkung des Arzneimittels erkennt, kommt der Widerspruchsmarke gleichwohl durchschnittliche [X.]ennzeichnungskraft zu, wovon nunmehr auch die Beteiligten übereinstimmend ausgehen. Denn die mögliche Bedeutung im Sinne von „sei ruhig“ erschließt sich wegen der doppelten Verfremdung sowohl des Wortelements „be“ zu „[X.]“ als auch der Abwandlung des ersten Buchstabens von „calm“ durch den Buchstaben „[X.]“ in „[X.]ALM“ nicht unmittelbar, sondern nur bei einer analysierenden Betrachtung des Zeichens, die der Verkehr erfahrungsgemäß nicht anstellt.
Von einem verminderten Schutzumfang der Widerspruchsmarke wegen ähnlicher [X.] ist nicht auszugehen. Zum Einen besteht die Übereinstimmung mit den von der Beschwerdegegnerin aufgeführten [X.] – wenn überhaupt – nur in einem Bestandteil, zum Anderen ist über die Benutzung dieser [X.] nichts bekannt. Nur tatsächlich benutzte [X.] können zu einer Schwächung der [X.]ennzeichnungskraft einer Marke führen, weil nur auf dem Markt tatsächlich präsente Zeichen den Verkehr dazu veranlassen können, wegen Ähnlichkeiten sorgfältiger auf etwaige Unterschiede zwischen den Marken zu achten und eine Verwechslung zu vermeiden ([X.] in [X.]/[X.], a. a. O., § 9 Rn. 174).
3. Den wegen der durchschnittlichen Warenähnlichkeit und der durchschnittlichen [X.]ennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke erforderlichen deutlichen Abstand von der Widerspruchsmarke „[X.]“, an den keine übertriebenen Anforderungen gestellt werden dürfen, hält die jüngere Marke „[X.][X.][X.]ALM“ noch ein.
a) Auszugehen ist von einem aufmerksamen Publikum, das sich zusammensetzt aus Fachkreisen und Endverbrauchern, denn allem, was mit der Gesundheit zusammenhängt, pflegt der Verkehr eine gesteigerte Aufmerksamkeit beizumessen (vgl. [X.] 1995, 50, 53 - [X.]/[X.]). Dabei ist entgegen der Auffassung der Inhaberin der jüngeren Marke nicht allein auf den medizinischen [X.] bestehend aus Ärzten und Apothekern abzustellen, der den [X.] mit besonderer Fachkenntnis und Aufmerksamkeit begegnet, sondern auch die Wahrnehmung von Personal mit geringeren Fachkenntnissen sowie die Wahrnehmung des Endverbrauchers mit einzubeziehen.
Dies gilt hier schon deshalb, weil auf Seiten der Widerspruchsmarke nicht nur verschreibungspflichtige Schlafmittel, sondern im Rahmen der erweiterten Minimallösung alle Arzneimittel der Hauptgruppe 49 der „Roten Liste“ ohne Beschränkung auf bestimmte Wirkstoffe, Darreichungsformen oder auf eine Rezeptpflicht im [X.] zu berücksichtigen sind ([X.], Beschluss vom 22. Mai 2014, 25 W (pat) 79/12 – [X.]/TO[X.]; 30 W (pat) 19/13 – [X.]/[X.]). Eine Rezeptpflicht ist weder im [X.] verankert, noch ergibt sie sich aus der Hauptgruppe 49 der „Roten Liste“.
Ungeachtet dessen ist nach der Rechtsprechung des [X.] ([X.] [X.] Int. 2007, 718 Rn. 6, 57 – [X.]) der Umstand, dass zwischengeschaltete Personen wie medizinische Fachleute die Wahl des Endverbrauchers beeinflussen oder sogar bestimmen können, als solcher nicht geeignet, jede Verwechslungsgefahr hinsichtlich der Herkunft der in Frage stehenden Produkte beim Endverbraucher auszuschließen. Es ist auch bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln in Rechnung zu stellen, dass der gesamte Vermarktungsprozess letztlich auf den Erwerb durch den Endverbraucher abzielt und dieser Möglichkeiten hat, die zwischengeschalteten Fachleute wie Ärzte und Apotheker dazu zu veranlassen, seine Wünsche und Präferenzen zu berücksichtigen (OLG [X.]öln, WRP 2014, 1085, Nr. 29 – [X.]). Soweit demgegenüber der [X.] in seiner bisherigen (älteren) Rechtsprechung die Auffassung vertreten hat, bei verschreibungspflichtigen Medikamenten sei ausschließlich der die Auswahlentscheidung verantwortende [X.] - Arzt oder Apotheker - maßgeblicher Verkehrskreis ([X.] 1990, 453, 455 – [X.]in; [X.] 1995, 50, 52 – INDORE[X.]TAL/[X.]; [X.] 1999, 587, 590 - [X.]effalone), kann dies hier im Ergebnis dahinstehen, da auch die gesteigerte Aufmerksamkeit des medizinisch nicht geschulten Endverbrauchers gegenüber Heilmitteln im vorliegenden Fall genügt, um eine Verwechslungsgefahr auszuschließen.
b) Bei der Beurteilung der Zeichenähnlichkeit ist grundsätzlich vom jeweiligen Gesamteindruck der einander gegenüberstehenden Zeichen auszugehen (vgl. z. B. [X.] 2013, 833, Nr. 45 - [X.]ulinaria/Villa [X.]ulinaria; [X.] 2012, 1040, Nr. 25 - pjur/pure; [X.] 2012, 930, Nr. 22 - Bogner B/Barbie B; [X.] 2012, 64, Nr. 15 - Maalox/[X.]; [X.] 2010, 729 Nr. 23 - [X.]). Dabei ist von dem allgemeinen Erfahrungssatz auszugehen, dass der Verkehr eine Marke so aufnimmt, wie sie ihm entgegentritt, ohne sie einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterwerfen (vgl. Ströbele/[X.], a. a. O., § 9 Rdn. 237).
Die Frage der Ähnlichkeit sich gegenüberstehender Zeichen ist nach deren Ähnlichkeit in [X.]lang, ([X.] und Sinngehalt zu beurteilen, weil Marken auf die mit ihnen angesprochenen Verkehrskreise in klanglicher, bildlicher und begrifflicher Hinsicht wirken (vgl. [X.] [X.] 2006, 413, Nr. 19 - Z[X.]H/S[X.]; [X.] 2005, 1042, Nr. 28 – [X.] LIFE; [X.] Int. 2004, 843, Nr. 29 - [X.]; [X.] 2010, 235, Nr. 15 - [X.]/[X.]; [X.] 2009, 484, Nr. 32 - [X.]; [X.] 2006, 60, Nr. 17 - [X.]; [X.] 2004, 779, 781 - Zwilling/[X.]). Dabei genügt für die Annahme einer Verwechslungsgefahr regelmäßig bereits die hinreichende Übereinstimmung in einer Richtung (st. Rspr. vgl. z. B. [X.] 2010, 235, Nr. 18 - [X.]/[X.] m. w. N.; vgl. [X.]/[X.], a. a. O., § 9 Rdn. 254 m. w. N.).
aa) [X.] unterscheiden sich die [X.] [X.][X.][X.]ALM und [X.] hinreichend durch die unterschiedlichen Anfangsbuchstaben „[X.]“ bzw. „B“ sowie die geringere Buchstabenzahl der Widerspruchsmarke, die zu einer unterschiedlichen Wortlänge führt. Da der im Wortbeginn identische zweite Buchstabe „I“ wesentlich schmaler ist als die abweichenden [X.]onsonanten, fallen diese schriftbildlich deutlicher ins Auge. Der übereinstimmende Bestandteil „[X.]ALM“ ist zwar im [X.] selbst dann nicht völlig zu vernachlässigen, wenn man ihm einen beschreibenden Anklang beimisst. Denn er bildet mit den jeweiligen ersten Silben einen fantasievollen Gesamtbegriff. Die Übereinstimmungen sind jedoch am Ende der Zeichen positioniert, die weniger stark beachtet werden als die Wortanfänge.
bb) Auch klanglich bestehen noch hinreichende Unterschiede zwischen den Zeichen. Zwar verfügen beide über die gleiche [X.] und die gleiche Vokalfolge. Der Verkehr wird die Zeichen „tsir-kalm“ und „bi-kalm“ aussprechen. Die stimmlose Aussprache des Anfangsbuchstabens „[X.]“ der jüngeren Marke als „[X.]“ liegt für den inländischen Verkehr fern, da der Buchstabe „[X.]“ vor dem Vokal „i“ im [X.] in der Regel stimmhaft als „Z“ oder „S“ ausgesprochen wird (circa, [X.]ity, [X.]inema, [X.], [X.]). Auch der zusätzlich in der ersten Silbe der jüngeren Marke vorhandene Buchstabe „R“ ist - wenn er in der [X.] dem Vokal „i“ nachfolgt - deutlich zu hören. Der Vokal „i“ hat zudem in der jüngeren Marke zwischen den Buchstaben [X.] und R eine dunklere [X.]langfarbe und größere Länge als zwischen den Buchstaben B und [X.] im Widerspruchszeichen, wo er hell und kurz klingt. Diese Unterschiede am stärker beachteten Wortanfang fallen deutlicher ins Gewicht als die Übereinstimmung „-[X.]ALM“ am Wortende. Sie führen dazu, dass eine Verwechslung wegen der gesteigerten Aufmerksamkeit der Verkehrskreise und des bestehenden [X.] auch bei undeutlicher Übermittlung oder Erinnerung ausgeschlossen ist.
cc) Eine begriffliche Verwechslungsgefahr besteht ebenfalls nicht. Begriffliche Verwechslungen sind zu befürchten, wenn sich [X.] oder fremdsprachige Wörter gegenüberstehen, die ihrem Sinn nach vollständig oder doch im Wesentlichen übereinstimmen, also Synonyme darstellen (Ströbele/[X.] a. a. O., § 9 Rn. 285). Daran fehlt es hier schon deshalb, weil die [X.] keine eindeutige Bedeutung haben.
dd) Anhaltspunkte für sonstige Arten der Verwechslungsgefahr bestehen nicht.
Daher war die Beschwerde zurückzuweisen.
4. Hinsichtlich der [X.]osten des Beschwerdeverfahrens verbleibt es bei der gesetzlichen Regelung des § 71 Abs. 1 Satz 2 [X.], da Billigkeitsgründe für die Auferlegung der [X.]osten auf einen Beteiligten weder vorgetragen noch ersichtlich sind.
Meta
21.05.2015
Beschluss
Sachgebiet: W (pat)
Zitiervorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 21.05.2015, Az. 30 W (pat) 37/13 (REWIS RS 2015, 10718)
Papierfundstellen: REWIS RS 2015, 10718
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
25 W (pat) 20/10 (Bundespatentgericht)
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