Bundesgerichtshof, Beschluss vom 21.06.2019, Az. KRB 10/18

Kartellsenat | REWIS RS 2019, 6195

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Gegenstand

Kartellbußgeldsache: Lückenhafte Beweiswürdigung im Bußgeldurteil


Tenor

Auf die Rechtsbeschwerden der Betroffenen zu 1 bis 4 und der Nebenbetroffenen zu 1 bis 4 wird das Urteil des 4. Kartellsenats des [X.] vom 26. Januar 2017 - auch soweit es den Betroffenen zu 5    , den Betroffenen zu 6     sowie den Nebenbetroffenen zu 5     betrifft - mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an einen anderen Kartellsenat des [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

Das [X.] hat die Betroffenen zu 1 bis 4 eines vorsätzlichen Verstoßes gegen das Verbot des § 1 GWB schuldig gesprochen und gegen sie Geldbußen zwischen 5.000 Euro und 30.000 Euro festgesetzt. Gegen die Nebenbetroffenen zu 1 bis 4, als deren Leitungspersonen die Betroffenen zu 1 bis 4 tätig waren, hat das [X.] Geldbußen zwischen 500.000 Euro und 8,5 Millionen Euro verhängt. Mit ihren Rechtsmitteln rügen diese Betroffenen und Nebenbetroffenen die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Die Rechtsbeschwerden haben jeweils mit der Sachrüge Erfolg.

I.

2

Nach den Feststellungen des [X.]s waren die Nebenbetroffenen zu 1 bis 4, allesamt Süßwarenhersteller, in den Jahren 2003 bis 2008 in einen kartellrechtswidrigen Informationsaustausch auf dem [X.] und auf dem Bonbonmarkt in [X.] eingebunden. Der Informationsaustausch fand in gemeinsamen Sitzungen des Vorstands und des [X.]es der Konditionenvereinigung der D.                (im Folgenden: Konditionenvereinigung) drei- bis viermal im Jahr statt. Der Betroffene zu 6 führte die Geschäfte der Konditionenvereinigung, der Betroffene zu 5 gehörte ihrem Vorstand an, in den er als Hauptgeschäftsführer des B.                             (Nebenbetroffenen zu 5) gewählt wurde.

3

Für den Produktabsatz der Süßwarenhersteller bilden große Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels die wichtigsten Akteure der [X.]. Um deren Marktmacht zu begegnen, wurde die Konditionenvereinigung gegründet. Sie war ein 1970 in das Kartellregister eingetragenes Kartell von Süßwarenherstellern, dessen Mitglieder sich verpflichteten, gemeinsam aufgestellte Konditionen etwa zu Zahlungsfristen im Saisongeschäft allen Geschäften mit ihren Abnehmern zugrunde zu legen. Die voranschreitende Konzentration der Nachfragemacht im Lebensmitteleinzelhandel führte dazu, dass der wirtschaftliche Erfolg der meisten Süßwarenhersteller von ihrem Absatz an die wenigen als Vollsortimenter tätigen großen Handelskunden wie insbesondere die E.  -, die [X.] -, die S.   - und die [X.] abhing. Die Hersteller sahen sich daher in einer unterlegenen Verhandlungsposition. Im Tatzeitraum stiegen zudem die Einkaufspreise von Rohstoffen, aus denen Süßwaren produziert werden.

4

Spätestens in der Sitzung des [X.]es am 5. Juni 2003 wurde zwischen den damaligen [X.] stillschweigend die Grundübereinkunft getroffen, über den Gegenstand des genehmigten Kartells hinaus den bereits zuvor erfolgten Austausch vertraulicher Geschäftsinformationen als "stehende Praxis" einzurichten. An dieser Sitzung nahmen Leitungspersonen der Süßgebäck herstellenden Nebenbetroffenen zu 1 und 3 sowie der Betroffene zu 4 als "Key Account Manager" der Nebenbetroffenen zu 4 teil. [X.] sollten sich die Unternehmensvertreter gegenseitig über den Stand ihrer Konditionsverhandlungen mit bedeutenden Handelspartnern des Vollsortimenterbereichs aus dem Lebensmitteleinzelhandel informieren. Hiervon umfasst waren der Stand der alljährlich für das neue Geschäftsjahr stattfindenden Verhandlungen ([X.]) und hierbei verlangte besondere Konditionen sowie unterjährig erhobene Sonderforderungen dieser Handelskunden. Die gegenseitige Unterrichtung beinhaltete die Reaktion eines betroffenen Herstellers auf gestellte Forderungen, mögliche verhandelbare Gegenleistungen oder seitens des Handelskunden drohende Sanktionen. Die Grundübereinkunft erstreckte sich zudem auf den Informationsaustausch über geplante Preiserhöhungen und die Reaktionen der großen Handelsunternehmen auf dieses Ansinnen.

5

In der Folgezeit setzten die Leitungspersonen der beteiligten Süßwarenhersteller die [X.] um, indem sie sich in den vom Betroffenen zu 6 vorbereiteten Sitzungen des [X.]es über die genannten Themen gegenseitig informierten. In acht bzw. 13 Fällen waren die Betroffenen zu 5 und 6 hierbei zugegen. Zu den Sonderforderungen des Handels verhielten sich die [X.] vereinbarungsgemäß der Größenordnung nach (z.B. "unter 2 %"). Bei beabsichtigten Preiserhöhungen teilten sie sich im Tatzeitraum verschiedentlich mit, in welchen prozentualen Spannen über das gesamte Sortiment hinweg zu welchem grob bezeichneten Zeitpunkt (etwa "erste Hälfte des Jahres") Preissteigerungen beabsichtigt waren.

6

Der Betroffene zu 1 setzte die [X.] anstelle seines Vorgängers spätestens ab Februar 2007 für die Nebenbetroffene zu 1 um, der Betroffene zu 3 ab November 2007 für die Nebenbetroffene zu 3. Die - wie auch andere im [X.] präsente Hersteller - auf dem Produktmarkt für Bonbons tätige Nebenbetroffene zu 2 war erstmals im September 2006 in dem Gremium vertreten. Für sie schloss sich der Betroffene zu 2 ab der nächsten Sitzung im November 2006 der Grundübereinkunft an. Zumindest bis zu den Durchsuchungsmaßnahmen des [X.] am 7. Februar 2008 setzten die Leitungspersonen der Kartellmitglieder die festgestellte [X.] weiter um, in der das [X.] mit Blick auf ihre objektiv wie subjektiv auf die Dämpfung des [X.] gerichtete Ausgestaltung eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung gesehen hat.

7

Das [X.] ist von jeweils einer Tat der (Neben-) Betroffenen kraft einer durch die Grundabsprache begründeten Bewertungseinheit ausgegangen. Als Rechtsfolge hat es gegen die Nebenbetroffenen zu 1 bis 4 reine Ahndungsgeldbußen verhängt, die es dem erweiterten [X.] des § 81 Abs. 4 GWB 2007 (konzernweiter Umsatz in dem der Behördenentscheidung vorausgehenden Geschäftsjahr als Obergrenze) entnommen hat. Bei den Betroffenen zu 1 bis 4 hat das [X.] die Geldbußen aus dem Regelbußgeldrahmen zugemessen. Ferner hat es jeweils eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung von 20 Monaten festgestellt.

II.

8

1. Ein Prozesshindernis besteht nicht. Die Bußgeldbescheide bilden eine tragfähige Verfahrensgrundlage. Sie werden der ihnen - nicht anders als einer strafrechtlichen Anklage - zukommenden Umgrenzungsfunktion gerecht, indem sie hinreichend konkret die verfahrensgegenständliche Tat im prozessualen Sinn (§ 264 [X.]) beschreiben.

9

2. Das angefochtene Urteil hält rechtlicher Nachprüfung auf die Sachrügen der Beschwerdeführer nicht stand. Die Feststellungen beruhen nicht auf einer tragfähigen Beweiswürdigung. Auf die Verfahrensrügen der Beschwerdeführer kommt es daher nicht an.

a) Zunächst liegt ein durchgreifender Rechtsfehler zu Lasten der Nebenbetroffenen zu 1 bis 4 vor. Die Beweiswürdigung ist lückenhaft, weil jegliche Angaben dazu fehlen, wie sich die Nebenbetroffenen zu 1 bis 4 in der Hauptverhandlung eingelassen haben.

aa) In einem Strafurteil ist die Einlassung des Angeklagten wiederzugeben und unter Berücksichtigung der erhobenen Beweise zu würdigen (st. Rspr.; vgl. [X.], Beschluss vom 27. September 2017 - 4 StR 142/17, [X.], 113; Beschluss vom 30. Dezember 2014 - 2 StR 403/14, [X.], 299, 300; Beschluss vom 10. Dezember 2014 - 3 StR 489/14, [X.], 473). Die Einlassung bestimmt Umfang und Inhalt der Darlegung im Urteil (vgl. [X.], [X.], 473; [X.]/[X.]/[X.], 8. Aufl., § 267 [X.] Rn. 14). Ohne die Wiedergabe der Einlassung kann das Revisionsgericht nicht überprüfen, ob der Tatrichter die Bedeutung der Angaben des Angeklagten zutreffend erkannt und bewertet hat und damit den Feststellungen eine erschöpfende Würdigung des Sachverhalts zugrunde liegt (vgl. [X.], [X.], 299, 300; [X.], [X.] 2003, 313). Es bedarf somit einer geschlossenen und zusammenhängenden Wiedergabe wenigstens der wesentlichen Grundzüge der Einlassung des Angeklagten, um die Beweiswürdigung des Tatrichters auf sachlich-rechtliche Fehler hin überprüfen zu können (vgl. [X.], [X.], 299, 300). Allenfalls in rechtlich und tatsächlich einfach gelagerten Fällen kann das Gericht auf die Wiedergabe der Einlassung und die Auseinandersetzung mit den Angaben des Angeklagten verzichten, ohne gegen die materiell-rechtliche Begründungspflicht zu verstoßen (vgl. [X.], Beschluss vom 7. Mai 1998 - 4 StR 88/98, [X.], 45). Im Ordnungswidrigkeitenrecht gelten keine anderen Grundsätze (vgl. [X.], Beschluss vom 28. April 2017 - 1 RBs 35/17, juris Rn. 13; [X.]/[X.], 5. Aufl., § 71 Rn. 107 mwN).

bb) In den Urteilsgründen fehlt es an einer Wiedergabe und demzufolge auch jeglicher Auseinandersetzung mit den Einlassungen der Nebenbetroffenen zu 1 bis 4. Dass sich die Nebenbetroffenen zu 1 bis 4 in der Hauptverhandlung zur Sache eingelassen haben (vgl. § 88 Abs. 3, § 87 Abs. 2 Satz 1 OWiG), ist den Urteilsgründen als der für die Sachrüge maßgeblichen Prüfungsgrundlage zu entnehmen. Denn dem [X.] zufolge beruhen die getroffenen Feststellungen auch auf den Einlassungen dieser Nebenbetroffenen, "soweit ihnen gefolgt werden konnte" ([X.]). Der Inhalt dieser Einlassungen ist dem Urteil indes nicht zu entnehmen. Soweit der [X.] in diesem Zusammenhang auf zwei Stellen in den Urteilsgründen verweist und daraus ableitet, das angefochtene Urteil setze sich in hinreichender Weise mit den Angaben der Nebenbetroffenen auseinander, überzeugt dies nicht. Zum einen führt das [X.] nur aus, die Einlassungen verhielten sich nicht zu geäußerten Bedenken gegen den Informationsaustausch ([X.] f.), ohne den positiven Inhalt der Angaben darzustellen. Zum anderen geht es auf einen "Einwand" der Verteidigung der Nebenbetroffenen zu 1 und einen hierzu gestellten [X.] - also gerade nicht auf die Einlassungen - ein ([X.] 181 f.).

Die Wiedergabe der Einlassungen der Nebenbetroffenen zu 1 bis 4 war auch nicht ausnahmsweise entbehrlich. Bei der vorliegenden Kartellbußgeldsache handelt es sich - wie bereits die Urteilsgründe belegen - nicht um einen rechtlich und tatsächlich einfach gelagerten Fall. Mangels Wiedergabe der Einlassungen der Nebenbetroffenen zu 1 bis 4 ist der Senat daher nicht in der Lage zu prüfen, ob sich das [X.] unter Berücksichtigung der erhobenen Beweise eine tragfähige Grundlage für seine Überzeugungsbildung verschafft und das materielle Recht richtig angewendet hat.

b) Die Sachrügen der Betroffenen zu 1 bis 4, die sich - wie dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe zu entnehmen ist - selbst nicht zur Sache eingelassen haben (vgl. [X.], 201 f.), sind ebenfalls erfolgreich. Durch die unterbliebene Würdigung der Einlassungen der Nebenbetroffenen zu 1 bis 4 ist die Beweiswürdigung auch zu Lasten dieser Beschwerdeführer lückenhaft.

aa) Das Tatgericht hat gemäß § 261 [X.] die Beweise erschöpfend zu würdigen (vgl. [X.], Beschluss vom 7. Juni 1979 - 4 StR 441/78, [X.]St 29, 18, 20; Urteil vom 10. August 2011 - 1 [X.], [X.], 110, 111). Ein mit der Sachbeschwerde angreifbarer Mangel kann daher auch darin liegen, dass vorhandene Beweismittel - sofern sich dies aus dem Urteil ergibt - ersichtlich nicht ausgeschöpft worden sind (vgl. [X.]/[X.], 8. Aufl., § 337 [X.] Rn. 30). Dem Urteil muss bedenkenfrei entnommen werden können, dass das Tatgericht bei seiner Prüfung keinen wesentlichen Gesichtspunkt außer Acht gelassen hat, der geeignet sein könnte, das Beweisergebnis zu beeinflussen (vgl. [X.], Urteil vom 12. Februar 2015 - 4 [X.], [X.], 148; Urteil vom 17. Dezember 1980 - 2 StR 622/80, [X.] 1981, 114). Daran fehlt es hier.

Die Einlassungen anderer Betroffener und [X.] in der Hauptverhandlung sind Beweismittel im weiteren Sinn (vgl. [X.] in [X.], [X.]., § 261 Rn. 62), denen gegenüber den beschwerdeführenden Betroffenen die Wirkungen einer Zeugenaussage zukommen (vgl. [X.], Beschluss vom 27. September 2017 - 4 StR 142/17, [X.], 114). Solche Angaben müssen - im Prozessverhältnis zu den Beschwerdeführern, von denen sie nicht stammen - zwar im Urteil nicht stets wiedergegeben werden (vgl. [X.], Beschluss vom 4. September 1997 - 1 StR 487/97, [X.], 51; LR/Stuckenberg, [X.], 26. Aufl., § 267 Rn. 63; jeweils zu Zeugen). Sie müssen in den schriftlichen Urteilsgründen aber jedenfalls gewürdigt werden, wenn die Angaben für die Entscheidung Wesentliches beinhalten (vgl. [X.], [X.], 51; [X.]/[X.]/[X.], 8. Auflage, § 267 [X.] Rn. 13).

bb) Dem angefochtenen Urteil ist - wie bereits ausgeführt - zu entnehmen, dass sich die Nebenbetroffenen zu 1 bis 4 teilweise bestreitend zum Tatvorwurf eingelassen haben. Die Nebenbetroffenen zu 1 bis 4 trafen nach den Feststellungen die kartellrechtswidrige Grundabsprache, weshalb ihre zur Sache erfolgten Einlassungen insgesamt von wesentlicher Bedeutung für die Überzeugungsbildung des [X.]s waren. Die wesentliche Bedeutung der Einlassungen auch für die Betroffenen zu 1 bis 4 ergibt sich bereits daraus, dass die [X.] gegen die Nebenbetroffenen zu 1 bis 4 nach § 30 Abs. 1 OWiG ohne Hinzutreten weiterer Voraussetzungen für die von ihren Leitungspersonen, also den Betroffenen zu 1 bis 4, begangene Kartellordnungswidrigkeit festgesetzt werden. Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass die Einlassungen der Nebenbetroffenen zu 1 bis 4 zur Sache die den Betroffenen zu 1 bis 4 jeweils vorgeworfene Tat zum Gegenstand haben. Hinzu kommt, dass hier allen Nebenbetroffenen und Betroffenen zur Last gelegt wird, sie hätten sich durch einen nach § 1 GWB verbotenen Informationsaustausch in den Sitzungen des [X.]es der Konditionenvereinigung an derselben Kartellordnungswidrigkeit beteiligt (§ 14 OWiG).

Das [X.] durfte sich daher nicht damit begnügen, für die entscheidende Frage des Vorliegens kartellrechtswidrigen Verhaltens (maßgeblich) nur die belastenden Aussagen von Zeugen heranzuziehen, ohne auf den Inhalt der Einlassungen der Nebenbetroffenen zu 1 bis 4 einzugehen und diese zu würdigen. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass das Tatgericht seine Überzeugung von den Umständen, die den [X.] begründen - namentlich von der Grundabsprache zum Informationsaustausch, dem Inhalt der zwischen den Unternehmensvertretern ausgetauschten Informationen sowie deren Mehrwert für die Kartellanten, obwohl es sich teilweise um allgemein zugängliche Daten handelte -, entscheidend auf die Angaben von Zeugen gestützt hat, die wie die Betroffenen zu 1 bis 4 an den Sitzungen des [X.]es teilgenommen haben. Insoweit waren mögliche Abweichungen der Zeugenaussagen von den Einlassungen der Nebenbetroffenen zu 1 bis 4, für die die Betroffenen zu 1 bis 4 gehandelt haben, zwingend in den Blick zu nehmen.

Hierfür bestand auch deshalb Veranlassung, weil sich das [X.] - was für sich betrachtet schon rechtlich bedenklich sein könnte (vgl. [X.], Beschluss vom 22. Februar 2012 - 1 [X.], [X.], 353, 355; MüKo[X.]/[X.], 1. Aufl., § 261 Rn. 241 f. mwN) - mit der Aussagemotivation der Zeugen, die wegen der Teilnahme an den Sitzungen des [X.]es selbst tatbeteiligt waren, nicht befasst hat. Insoweit war die Möglichkeit einer Falschbelastung der Betroffenen durch die tatbeteiligten Zeugen in Bedacht zu nehmen. Deren Aussagen könnten dadurch motiviert gewesen sein, die Einstellung des eigenen Verfahrens zu erreichen, seine Wiederaufnahme zu vermeiden oder selbst eine geringere Geldbuße auferlegt zu bekommen (vgl. zu im vorliegenden Verfahren erfolgten Einstellungen und abgegebenen "Settlement"-Erklärungen [X.] 93 ff., 285).

Ferner ist bei der Würdigung der Beweise zu bedenken, dass den Bekundungen eines Zeugen grundsätzlich nicht schon durch seine Verfahrensrolle höheres Gewicht zukommt als anders lautenden Angaben der Nebenbetroffenen. Maßgeblich ist vielmehr der inhaltliche Wert einer Aussage (vgl. [X.], Urteil vom 21. Januar 2004 - 1 StR 379/03, [X.], 635, 636). Hierfür sind die vom [X.] angeführten Übereinstimmungen der Zeugenaussagen schon wegen der möglichen identischen Aussagemotivation nicht allein entscheidend. Die Würdigung der Einlassungen der Nebenbetroffenen zu 1 bis 4 war daher ungeachtet der Zeugenaussagen auch bezogen auf die Betroffenen zu 1 bis 4 nicht entbehrlich.

Im Ergebnis ist somit zu besorgen, dass das [X.] zum Nachteil der Betroffenen zu 1 bis 4 wesentliche Beweisergebnisse übergangen hat.

c) Der Rechtsfehler führt zur Aufhebung des Urteils mitsamt den Feststellungen (§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, § 353 Abs. 2 [X.]).

d) Die [X.] ist gemäß § 357 Satz 1 [X.] (vgl. zu dessen Anwendbarkeit im Rechtsbeschwerdeverfahren [X.], Beschluss vom 8. Mai 1990 - [X.], wistra 1991, 30; LR/[X.], [X.], 26. Aufl., § 357 Rn. 1; [X.]/[X.] in [X.], OWiG, 17. Aufl., § 79 Rn. 36) auf die Betroffenen zu 5 und 6 sowie den Nebenbetroffenen zu 5 zu erstrecken, die kein Rechtsmittel eingelegt haben. Sie sind von der Gesetzesverletzung ebenso betroffen. Aufgrund der unterbliebenen Würdigung der Einlassungen der Nebenbetroffenen zu 1 bis 4 fehlt den Feststellungen des [X.]s auch insoweit eine tragende Beweisgrundlage (vgl. zu diesem Erstreckungsgrund [X.], Beschluss vom 15. April 2013 - 3 StR 35/13, [X.], 53, 54 mwN; Beschluss vom 22. August 2013 - 1 [X.], [X.] 2014, 24).

III.

Zu einer vom [X.] beantragten teilweisen Verfahrensbeschränkung (§ 154a Abs. 2 [X.]) bei dem Betroffenen zu 4 und bei den Nebenbetroffenen zu 1 und 4, weil das [X.] - was Gegenstand von Verfahrensrügen ist - entgegen § 265 [X.] nicht auf die Ausweitung des in den Bußgeldbescheiden genannten Tatzeitraums hingewiesen hat, besteht aufgrund der [X.] keine Veranlassung.

[X.]     

        

Meier-Beck     

        

Raum   

        

Sunder     

        

Hohoff     

        

Meta

KRB 10/18

21.06.2019

Bundesgerichtshof Kartellsenat

Beschluss

Sachgebiet: False

vorgehend OLG Düsseldorf, 26. Januar 2017, Az: V-4 Kart 6/15 OWi

§ 30 Abs 1 OWiG, § 46 Abs 1 OWiG, § 87 Abs 2 S 1 OWiG, § 88 Abs 3 OWiG, § 261 StPO, § 1 GWB, § 81 Abs 4 GWB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 21.06.2019, Az. KRB 10/18 (REWIS RS 2019, 6195)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 6195

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