Bundesgerichtshof, Urteil vom 15.11.2011, Az. II ZR 272/09

2. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 1448

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Gegenstand

Auflösung einer Publikumsgesellschaft: Feststellung der Auseinandersetzungsbilanz als Grundlage der Verlustausgleichspflicht durch einen mit einfacher Mehrheit gefassten Beschluss


Leitsatz

Verlangt der Gesellschaftsvertrag einer Publikumsgesellschaft bürgerlichen Rechts für die Feststellung der Auseinandersetzungsbilanz als Grundlage der Verlustausgleichspflicht nach Auflösung der Gesellschaft keine qualifizierte Mehrheit, ist ein mit einfacher Mehrheit gefasster Beschluss von einer gesellschaftsvertraglichen Klausel gedeckt, nach der Beschlüsse grundsätzlich mit einfacher Mehrheit zu fassen sind.

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil der Zivilkammer 53 des [X.] vom 13. November 2009 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin, ein geschlossener Immobilienfonds in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, wurde im Jahr 1994 zu dem Zweck gegründet, in [X.]        eine Wohnanlage zu errichten und zu bewirtschaften. Der Beklagte trat der Gesellschaft im November 1994 mit einem Betrag von 10.000 DM (5.113 €) zuzüglich Agio bei. Dies entsprach zunächst einer Beteiligungsquote von 0,0406 %. Aufgrund einer späteren Kapitalerhöhung verringerte sich der Anteil des Beklagten am Gesellschaftskapital zunächst auf 0,0395 % und erhöhte sich durch Kündigungen anderer Gesellschafter in der Folgezeit auf 0,042 %.

2

Der Gesellschaftsvertrag (im Folgenden: GV) der Klägerin enthält unter anderem folgende Bestimmungen:

§ 8

Haftung/[X.]

1. Die Gesellschafter haften gegenüber den Gläubigern der Gesellschaft mit dem Gesellschaftsvermögen als Gesamtschuldner.

2. Mit ihrem sonstigen Vermögen haften sie den Gläubigern der Gesellschaft nur [X.] entsprechend ihrer kapitalmäßigen Beteiligung an der Gesellschaft, in der Höhe jedoch unbegrenzt.

   …

4. Die Gesellschafter sind verpflichtet, Unterdeckungen im Rahmen der Finanzierung des Bauvorhabens (§ 3 Ziff. 2 und 4) sowie der Bewirtschaftung des gesellschaftseigenen Bauvorhabens einschließlich der Kosten der Gesellschaft anteilig zu tragen und auf Anforderung der Geschäftsführung [X.] zu leisten …

5. Die Gesellschaft ist berechtigt, Nachschussleistungen mit Ansprüchen des Gesellschafters auf Auszahlung von Überschüssen … zu verrechnen.

§ 16

Gesellschafterversammlung

- Beschlussgegenstände -

Die Gesellschafterversammlung beschließt über

e) die Änderung des [X.]

g) die Auflösung der Gesellschaft …

h) alle sonstigen Angelegenheiten, die ihr nach diesem Gesellschaftsvertrag zugewiesen sind …

§ 17

Gesellschafterversammlung

- Beschlussfassung, Stimmrechte -

   …

3. Sämtliche Beschlüsse werden mit der einfachen Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst, soweit nicht das Gesetz oder dieser Vertrag ausdrücklich eine andere Mehrheit vorschreibt. Bei Abstimmung über Gegenstände im Sinne von [§] 16 e) und g) ist eine Mehrheit von 3/4 der abgegebenen, mindestens aber von 51 % aller Gesellschafterstimmen erforderlich und ausreichend.

   …

3

Die Klägerin geriet in eine wirtschaftliche Schieflage, weil ihre Einnahmen nicht ausreichten, um die Wohnanlage zu bewirtschaften und den Kapitaldienst gegenüber der finanzierenden Bank zu tragen. Die Gesellschafterversammlung der Klägerin fasste am 28. Februar 2007 im schriftlichen Verfahren mit der nach § 17 Nr. 3 Satz 2, § 16 Buchst. g GV erforderlichen Mehrheit von 3/4 der abgegebenen und mindestens 51 % aller Stimmen den Beschluss, die gesellschaftseigene Immobilie zu einem Kaufpreis von mindestens 13 Millionen € zu veräußern und die Gesellschaft zu liquidieren. Zum Liquidator wurde Rechtsanwalt Dr. P.    bestimmt. Mit notariellem Kaufvertrag vom 15. März 2007 veräußerte die Klägerin das gesellschaftseigene Grundstück. Am 30. Juni 2008 erstellten die Steuerberater und Wirtschaftsprüfer [X.] im Auftrag der Klägerin eine „Vermögensübersicht zum 31. Dezember 2007 gleichzeitig [X.] zum 1. Januar 2008“. Zum Ausgleich des sich aus der Saldierung der Verbindlichkeiten mit den vorhandenen Vermögenswerten ergebenden [X.] von 16.023.093,38 € sind in der Erläuterung wesentlicher Positionen dieser Vermögensübersicht/Liquidations-eröffnungsbilanz unter der Position „Sonstige Vermögensgegenstände“ zum 31. Dezember 2007 Forderungen gegen Gesellschafter in dieser Höhe ausgewiesen und ist deren Zusammensetzung wie folgt dargestellt:

4

           

Forderungen gegen Gesellschafter

20.028.866,73 €

Bewertungsabschlag zu Forderungen              

-4.005.773,35 €

gegen Gesellschafter

16.023.093,38 €

5

Unter der Position „[X.] Verbindlichkeiten“ sind unter „3. Sonstige Verbindlichkeiten“ unter anderem ausgewiesen:

Einzahlungen der Gesellschafter

12.781.813,32 €

Zinsen auf Einzahlungen der Gesellschafter     

396.590,74 €

6

Mit Schreiben vom 3. Juli 2008 übersandte der Liquidator dem Beklagten die Vermögensübersicht/Liquiditätseröffnungsbilanz. Dabei führte er zur Position „Forderungen gegenüber Gesellschaftern“ aus, hier sei dem Grunde nach der Nachschussanspruch gegenüber den Gesellschaftern gemäß § 735 BGB zum Ausgleich der Verbindlichkeiten der Gesellschaft eingestellt. Allerdings habe der sich hiernach rechnerisch ergebende Wert um die voraussichtliche Ausfallquote von Gesellschaftern von 20 % heraufgesetzt werden müssen bzw. sei die „Forderung gegenüber Gesellschaftern“ um die voraussichtliche Ausfallquote von 20 % wertberichtigt worden. Zu den bilanzierten Verbindlichkeiten der Gesellschaft ist in dem Schreiben ausgeführt, sie setzten sich im Wesentlichen aus den noch bestehenden Bankverbindlichkeiten und den seit 2000 geleisteten „[X.]n“ der Gesellschafter in Höhe von 12.781.813,32 € zusammen.

7

Mit weiterem Schreiben vom selben Tag forderte der Liquidator den Beklagten unter Bezugnahme auf die übersandte „Liquidationsbilanz“ auf der Grundlage seiner Beteiligungsquote von 0,042 % und unter Berücksichtigung bereits geleisteter [X.] zur Zahlung eines weiteren Betrages von 3.891,97 € auf.

8

Die Gesellschafterversammlung der Klägerin stimmte im Umlaufverfahren mit Beschluss vom 15. September 2008 mit einfacher Stimmenmehrheit bei einer Beteiligungsquote von rund 61 % der mit Schreiben vom 3. Juli 2008 versandten [X.] als „Schlussbilanz“ zu und wies den Liquidator an, auf der Grundlage des Betrages von 20.028.866,73 € die erforderlichen [X.] einzufordern.

9

Das Amtsgericht hat der nach teilweiser Erfüllung der Forderung auf Zahlung des verbleibenden Betrags von 1.745,32 € gerichteten Klage in Höhe von 1.705,88 € nebst Zinsen stattgegeben. Die Berufung des Beklagten ist ohne Erfolg geblieben. Hiergegen wendet sich der Beklagte mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision.

Entscheidungsgründe

Die Revision hat keinen Erfolg.

I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

Der Klägerin stehe gegen den [X.]n eine weitere Nachschussforderung gemäß § 735 Satz 1 und 2 [X.] in der vom Amtsgericht zugesprochenen Höhe zu. Die [X.] sei aufgelöst. Durch die Veräußerung des Fondsgrundstücks sei die Erreichung des vereinbarten [X.]szwecks unmöglich geworden. Außerdem hätten die [X.]er mit der nach § 16 Buchst. g, § 17 Nr. 3 Satz 2 [X.] erforderlichen Mehrheit die Auflösung der [X.] zum Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrags, somit zum 15. März 2007 beschlossen. § 735 [X.] sei im [X.]svertrag weder ausdrücklich noch konkludent ausgeschlossen worden. Der [X.] könne sich insoweit nicht auf § 8 Nr. 2 [X.] berufen. Diese Bestimmung betreffe nach ihrem Wortlaut nur die Haftung der [X.]er gegenüber den Gläubigern der [X.]. Da § 8 [X.] klar zwischen Außen- und Innenhaftung unterscheide, könne die in § 8 Nr. 2 [X.] geregelte [X.]e Haftungsbegrenzung nicht auf das Innenverhältnis übertragen werden. Der Anspruch sei fällig, weil der Beschluss zur Feststellung der vorläufigen Schlussrechnung mit einfacher Mehrheit habe gefasst werden können. Der Kernbereich der [X.]errechte sei insoweit nicht betroffen. In der Bilanz dürften auch die auf zahlungsunfähige [X.]er entfallenden Beträge berücksichtigt werden. Gegenteiliges ergebe sich nicht aus § 8 Nr. 4 [X.], der [X.] nur nach Maßgabe der Beteiligungsquote vorsehe, ohne dass sich die Zahlungspflicht der solventen [X.]er durch die auf zahlungsunfähige [X.]er entfallenden Beträge anteilig erhöhe. Denn diese Bestimmung gelte nicht für den Fall der Liquidation, für den § 735 [X.] eine Verpflichtung zum Verlustausgleich und eine Ausfallhaftung anordne.

II. Dies hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand.

Der [X.] ist zur Zahlung des geforderten Verlustausgleichs verpflichtet.

1. Ohne Erfolg wendet die Revision ein, einer auf § 735 [X.] gestützten Nachschussforderung stehe schon entgegen, dass der Beschluss vom 28. Februar 2008 nicht zur Auflösung der Klägerin geführt habe, weil die Fondsimmobilie nicht zu dem beschlossenen [X.] verkauft worden sei und ihre Veräußerung an eine neu gegründete [X.] der Klägerin gerichtete Verwertungsmaßnahme nach vorangegangener Auflösung darstelle, sondern auf die Fortsetzung der [X.] auf geänderter Grundlage gerichtet gewesen sei. Die Revision legt damit einen Sachverhalt zugrunde, den die Parteien nicht vorgetragen haben und den das Berufungsgericht nicht festgestellt hat. Nach dem vom Berufungsgericht zugrunde gelegten Klagevortrag wurde die Fondsimmobilie entsprechend den Vorgaben im Beschluss vom 28. Februar 2008 zu einem Kaufpreis von 13,425 Millionen €, nämlich von 8 Millionen € für die Fondsimmobilie und von 5,425 Millionen € für die Übertragung des Anspruchs auf Fördermittel veräußert und die Klägerin mit dem Datum des Abschlusses des Kaufvertrags aufgelöst. Die Revision zeigt nicht auf, dass der [X.] in den Tatsacheninstanzen hiervon Abweichendes vorgetragen und das Berufungsgericht sein Vorbringen [X.] übergangen hat. In der Revisionsinstanz kann neuer Tatsachenvortrag nicht berücksichtigt werden (§ 559 ZPO).

2. Entgegen der Auffassung der Revision hat das Berufungsgericht zu Recht angenommen, dass der [X.]svertrag die gesetzliche Verpflichtung zur Verlustausgleichszahlung gemäß § 735 Satz 1 und 2 [X.] nicht ausschließt.

a) Zu Unrecht beruft sich die Revision für ihre Auffassung, im [X.]svertrag der Klägerin seien die grundsätzlich dispositive (§ 731 Satz 1 [X.]) gesetzliche Verlustausgleichspflicht nach § 735 Satz 1 [X.] und die Ausfallhaftung gemäß § 735 Satz 2 [X.] abbedungen worden, auf § 8 Nr. 2 [X.]. Diese Bestimmung, nach der die [X.]er den Gläubigern der [X.] mit ihrem sonstigen Vermögen nur [X.] entsprechend ihrer kapitalmäßigen Beteiligung an der Klägerin haften, regelt schon nach ihrem unmissverständlichen Wortlaut lediglich die Außenhaftung der [X.]er. Wie das Berufungsgericht weiterhin zutreffend angenommen hat, lässt es auch die Systematik der gesellschaftsvertraglichen Regelungen, die klar zwischen Innenhaftung (§ 8 Nr. 4 und 5) und Außenhaftung (§ 8 Nr. 1 und 2) unterscheiden, nicht zu, § 8 Nr. 2 [X.] die Vereinbarung eines Haftungsausschlusses im Innenverhältnis zu entnehmen. Hinzu kommt, dass diese Bestimmung, aus der die Revision den Ausschluss der Verlustausgleichspflicht herleiten will, die Haftung der [X.]er für [X.] gegenüber den Gläubigern nicht ausschließt, sondern lediglich beschränkt.

b) Abgesehen davon, dass Wortlaut und Systematik der gesellschaftsvertraglichen Regelungen dem von der Revision befürworteten Verständnis des § 8 Nr. 2 [X.] als Ausschluss der Verlustausgleichspflicht entgegen stehen, lässt sich regelmäßig aus einer [X.]en Beschränkung der [X.] im Außenverhältnis für die Verlustausgleichshaftung im Innenverhältnis nichts herleiten. Wie die Revision selbst in anderem Zusammenhang zutreffend ausführt, handelt es sich bei der [X.] um unterschiedliche Haftungsebenen, die in ihren Voraussetzungen und Folgen nicht vergleichbar sind. Dementsprechend kann sich ein [X.]er im Innenverhältnis gegenüber der [X.] nicht auf eine [X.]e Beschränkung seiner persönlichen Haftung im Außenverhältnis berufen ([X.], Beschluss vom 9. März 2009 - [X.], [X.], 1008 Rn. 9 für den Anspruch auf Ausgleich des negativen Auseinandersetzungsguthabens). Gegenteiliges ist nur dann anzunehmen, wenn die Haftung im Innen- und Außenverhältnis aufgrund einer - eindeutigen - Vereinbarung ausnahmsweise deckungsgleich ist. § 8 Nr. 2 [X.] lässt sich eine solche Vereinbarung nicht entnehmen.

c) Zu Unrecht meint die Revision, die mit der Vereinbarung einer (nur) [X.]en Haftung im Außenverhältnis beabsichtigte Haftungsbeschränkung gehe im Falle einer Anwendung des § 735 [X.] ins Leere, insbesondere sei die Ausfallhaftung nach § 735 Satz 2 [X.] mit einer solchen Regelung unvereinbar. Eine ausschließlich im Haftungsverhältnis zu den Gläubigern der [X.] vereinbarte [X.]e Haftungsbeschränkung schützt den [X.]er auch in diesem Verhältnis nicht ohne weiteres davor, das Risiko einer etwaigen Zahlungsunfähigkeit seiner Mitgesellschafter tragen zu müssen. Diese Gefahr wird vielmehr durch die Vereinbarung einer [X.]en Haftungsbeschränkung nur dann zuverlässig vermieden, wenn mit dem [X.]sgläubiger vereinbart ist, dass Leistungen aus dem [X.]svermögen die auf die ursprüngliche Verbindlichkeit bezogenen Haftungsbeträge der [X.]er verringern (vgl. hierzu [X.], Urteil vom 8. Februar 2011 - [X.], [X.], 909).

d) Die Annahme, aus einer im [X.]svertrag enthaltenen Regelung über eine [X.]e Beschränkung der persönlichen Haftung der [X.]er im Außenverhältnis folge, dass auch die Verlustausgleichshaftung der [X.]er gegenüber der [X.] ausgeschlossen sei, lässt sich auch nicht mit der Überlegung rechtfertigen, dass die [X.]er andernfalls der Gefahr einer doppelten Inanspruchnahme durch die [X.] und die [X.]sgläubiger ausgesetzt wären. Es ist im gesetzlichen Haftungssystem der Personengesellschaften angelegt (§§ 730 ff. [X.], §§ 128 ff. HGB), dass die [X.]er auch während der Liquidation der [X.] im Außenverhältnis von den [X.]sgläubigern und im Innenverhältnis von der [X.] in Anspruch genommen werden können. Erbringt ein [X.]er während der Liquidation der [X.] im Außenverhältnis Zahlungen an [X.]sgläubiger, führt dies zu einem gegen die [X.] - und subsidiär gegen die einzelnen Mitgesellschafter - gerichteten Anspruch auf Aufwendungsersatz nach § 110 HGB, den der [X.]er grundsätzlich bei der Schlussabrechnung der wechselseitigen Ansprüche zwischen der [X.] und den [X.]ern geltend machen (vgl. [X.]Z 37, 299, 304 f.; MünchKomm[X.]/[X.]/[X.], 5. Aufl., § 730 Rn. 52; Soergel/[X.]/[X.], [X.], 13. Aufl., § 733 Rn. 7 m.w.N.) und daher, sofern er in der Schlussabrechnung noch nicht berücksichtigt ist, auch seiner Inanspruchnahme auf Nachschusszahlung nach § 735 [X.] entgegenhalten kann, mit der Begründung, seine Verlustausgleichspflicht in Höhe des auf der Grundlage der Schlussrechnung errechneten Betrages stehe nicht (mehr) fest ([X.], Urteil vom 11. Oktober 2011 - [X.], [X.], 2299 Rn. 42).

3. Entgegen der Auffassung der Revision konnte der Beschluss der [X.]erversammlung der Klägerin vom 15. September 2008, dass die mit Schreiben vom 3. Juli 2008 versandte [X.] als „Schlussbilanz“ in dem Sinne festgestellt wird, dass der Liquidator angewiesen wird, auf der Grundlage des sich aus dieser Bilanz ergebenden Betrages von 20.028.866,73 € die zur Berichtigung der Verbindlichkeiten der [X.] erforderlichen [X.] von den [X.]ern einzufordern, mit einfacher Mehrheit gefasst werden.

a) Beschlüsse in einer [X.] bürgerlichen Rechts sind einstimmig zu fassen (vgl. § 709 Abs. 1 [X.]). Es steht den [X.]ern jedoch grundsätzlich frei, im [X.]svertrag das nach dem Gesetz geltende Einstimmigkeitserfordernis durch das Mehrheitsprinzip zu ersetzen (vgl. § 709 Abs. 2 [X.]). Der [X.]svertrag der Klägerin enthält für die Beschlussfassung über die Feststellung einer [X.], die zur Ermittlung des zur Berichtigung der gemeinschaftlichen Schulden im Sinne von § 733 Abs. 1, § 735 [X.] von den [X.]ern benötigten Betrags aufgestellt worden ist (im Folgenden nur: [X.]), eine solche Regelung.

§ 17 Nr. 3 Satz 1 [X.] bestimmt, dass sämtliche Beschlüsse der [X.]erversammlung mit einfacher Mehrheit gefasst werden, soweit nicht das Gesetz oder der [X.]svertrag ausdrücklich eine abweichende Mehrheit vorschreiben. Danach genügt für die Beschlussfassung über die Feststellung der [X.] die einfache Mehrheit, da weder das Gesetz noch der [X.]svertrag für diesen Beschlussgegenstand ausdrücklich eine andere Mehrheit vorschreiben.

Zwar wird im [X.]svertrag der Klägerin nicht ausdrücklich ausgesprochen, dass für die Beschlussfassung über die [X.] die einfache Mehrheit genügt. Für die formelle Legitimation einer auf die [X.] gestützten Mehrheitsentscheidung ist es aber ausreichend, dass sich - wie hier (vgl. dazu näher Urteil vom 15. November 2011 - [X.] Rn. 17 ff.) - durch Auslegung des [X.]svertrages eindeutig ergibt, dass der betreffende Beschlussgegenstand einer Mehrheitsentscheidung unterworfen sein soll; einer Aufzählung der von der [X.] erfassten Beschlussgegenstände im Einzelnen bedarf es hierfür grundsätzlich nicht, und zwar auch dann nicht, wenn es sich um ein früher sogenanntes „Grundlagengeschäft“ handelt ([X.], Urteil vom 15. Januar 2007 - [X.], [X.]Z 170, 283 Rn. 6, 9 - [X.]; Urteil vom 24. November 2008 - [X.], [X.]Z 179, 13 Rn. 15 - [X.]).

b) Ist die Entscheidung der Mehrheit der [X.]er von einer [X.] im [X.]svertrag gedeckt, ist allerdings auf einer zweiten Stufe zu prüfen, ob sie sich als treupflichtwidrige Ausübung der Mehrheitsmacht gegenüber der Minderheit mit der Folge darstellt, dass sie inhaltlich unwirksam ist ([X.], Urteil vom 15. Januar 2007 - [X.], [X.]Z 170, 283 Rn. 10 - [X.]; Urteil vom 24. November 2008 - [X.], [X.]Z 179, 13 Rn. 17 - [X.]). Dies trifft für den Beschluss über die Feststellung der [X.] jedoch nicht zu (vgl. [X.], Urteil vom 15. November 2011 - [X.] Rn. 24 ff.).

Die Berechnung der zur Erfüllung der [X.] nach § 733 [X.] erforderlichen [X.] der [X.]er auf der Grundlage der Prognose, dass von 20 % der [X.]ern ein Nachschuss nicht zu erlangen sein werde, führt unter den festgestellten Umständen nicht zur Treuwidrigkeit des Beschlusses vom 15. September 2008.

aa) Nach § 735 Satz 2 [X.] haften die übrigen [X.]er subsidiär, wenn der auf einen Mitgesellschafter nach § 735 Satz 1 [X.] entfallende Verlustausgleichsbetrag nicht erlangt werden kann. Der Verlustausgleichsbetrag kann von einem [X.]er nicht erlangt werden, wenn er zahlungsunfähig oder die Forderung gegen ihn aus sonstigen Gründen nicht durchsetzbar ist (vgl. MünchKomm[X.]/[X.], 5. Aufl., § 426 Rn. 36). Solche Feststellungen hat das Berufungsgericht nicht getroffen.

bb) Eine hinreichende Darlegung, dass der Verlustausgleich von einem Mitgesellschafter nicht erlangt werden kann, ist zwar erforderlich, wenn im Zuge der Schlussabrechnung zwischen der [X.] und den [X.]ern der Umfang der Nachschusspflicht der einzelnen [X.]er unter Berücksichtigung der subsidiären Ausfallhaftung nach § 735 Satz 2 [X.] endgültig festgestellt werden soll. Dies trifft hier aber nicht zu. Bei dem Beschluss der [X.]erversammlung vom 15. September 2008 geht es noch nicht um die (auf den Zeitpunkt der Vollbeendigung der [X.] bezogene) endgültige Abrechnung zwischen der [X.] und den [X.]ern. Soweit in der mit dem Beschluss vom 15. September 2008 mehrheitlich gebilligten Liquidationsbilanz bei der Ermittlung des zur Berichtigung der [X.] benötigten Betrages berücksichtigt worden ist, dass von etwa 20 % der [X.]er voraussichtlich keine Zahlung zu erlangen sein wird, ist damit die Höhe des auf die einzelnen [X.]er nach § 735 Satz 1 und 2 [X.] entfallenden Verlustausgleichs trotz der Bezeichnung als „Schlussbilanz“ ersichtlich nur vorläufig festgestellt worden. Diese Verfahrensweise unterliegt bei einer Publikumsgesellschaft weder unter dem Blickwinkel der gesellschafterlichen Treuepflicht noch im Hinblick auf die Regelung des § 735 [X.] rechtlichen Bedenken.

Die in diesem Stadium der Abwicklung der [X.] erstellte [X.] dient dazu, durch eine Gegenüberstellung des [X.] mit den Verbindlichkeiten der [X.] einschließlich der [X.]ereinlagen festzustellen, ob und in welcher Höhe ein Überschuss verteilt werden kann oder von den [X.]ern [X.] benötigt werden, um die Verbindlichkeiten begleichen und die Einlagen zurückerstatten zu können. Dabei ist das Aktivvermögen zu bewerten. Bestehen bei Aufstellung der Bilanz ernsthafte Zweifel an der Werthaltigkeit von Forderungen der [X.], ist diesem Umstand in der Bilanz in angemessener Weise Rechnung zu tragen. Auch bei den Ansprüchen gegen die [X.]er auf Zahlung von Verlustausgleich, die in eine zu dem genannten Zweck erstellte Bilanz eingestellt werden, handelt es sich um Forderungen der [X.] (MünchKomm[X.]/[X.]/[X.], 5. Aufl., § 735 Rn. 5; Soergel/[X.]/[X.], [X.], 13. Aufl., § 735 Rn. 6; [X.], [X.] 153, 296; [X.]/[X.], HGB, 5. Aufl., § 149 Rn. 31; MünchKommHGB/[X.], 3. Aufl., § 149 Rn. 27, 29 für die Personenhandelsgesellschaft), die das - zur Begleichung der Verbindlichkeiten und Rückerstattung der Einlagen - unzureichende Aktivvermögen ergänzen. Bestehen schon bei der Aufstellung dieser [X.] greifbare Anhaltspunkte dafür, dass der ermittelte Fehlbetrag durch die Anforderung von [X.]n in gleicher Höhe nicht aufgebracht werden kann, weil zu erwarten ist, dass [X.]er teilweise nicht in der Lage sein werden, die auf sie entfallenden [X.] zu leisten, kann die [X.]erversammlung mit der nach dem [X.]svertrag erforderlichen Mehrheit beschließen, dass diesem Umstand bereits bei der Festlegung der Höhe der von den [X.]ern anzufordernden Nachschusszahlungen Rechnung getragen wird und den Liquidator zur Einforderung der entsprechenden Beträge anweisen. Die Revision zeigt nicht auf, dass die dem Beschluss vom 15. September 2008 zugrunde gelegte Ausfallquote von voraussichtlich 20 % auf unzutreffenden Grundlagen beruht oder unrealistisch ist oder der [X.], der sich gegen die Mehrheitsentscheidung wendet und dem deshalb insoweit die Darlegungs- und Beweislast obliegt ([X.], Urteil vom 15. Januar 2007 - [X.], [X.]Z 170, 283 Rn. 10 - [X.]; Urteil vom 24. November 2008 - [X.], [X.]Z 179, 13 Rn. 17 - [X.]), entsprechenden Tatsachenvortrag gehalten hat.

Es ist nicht ersichtlich, dass unter diesen Umständen durch die von der Mehrheit gebilligte Berücksichtigung des zu erwartenden Ausfalls eines Teils der [X.]er in der [X.] berechtigte Interessen der Minderheit, die ihr nicht zugestimmt hat, treuwidrig beeinträchtigt werden. Die gewählte Verfahrensweise führt dazu, dass die Liquidation der [X.] rascher abgeschlossen werden kann und die Verbindlichkeiten der [X.] durch frühzeitigen Ausgleich der voraussichtlich uneinbringlichen Nachschusszahlungen schneller getilgt werden können, so dass weitere finanzielle Belastungen der [X.] durch anfallende Zinsen vermieden werden und zudem das Risiko einer unmittelbaren Inanspruchnahme der [X.]er durch die Gläubiger der [X.] verringert wird. Diese gerade für die Abwicklung von [X.] bedeutsamen Vorteile kommen allen [X.]ern gleichermaßen zu [X.]. Die [X.]er haften nach § 735 Satz 2 [X.] ohnehin entsprechend ihrer Beteiligung an der [X.] für den Ausfall anderer [X.]er. Sollte sich herausstellen, dass zunächst zu hohe Beiträge eingefordert worden sind, weil sich die Ausfälle geringer als erwartet darstellen, ist dies (spätestens) im Rahmen der endgültigen Schlussabrechnung zwischen der [X.] und den [X.]ern zu berücksichtigen. Der Umstand, dass Beiträge möglicherweise entgegen der Prognose nicht in voller Höhe zur Begleichung der [X.] und Rückerstattung der Einlagen benötigt werden, führt wegen der den [X.]ern insoweit zustehenden Ansprüche auf Rückerstattung zuviel geleisteter [X.] zu keinem schwerwiegenden Eingriff in die Rechte der Minderheit, der die Berücksichtigung des zu erwartenden Zahlungsausfalls in der Liquidationsbilanz als treuwidrig erscheinen lassen könnte.

Bergmann                                                Strohn                                            Reichart

                               Drescher                                                Born

Meta

II ZR 272/09

15.11.2011

Bundesgerichtshof 2. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend LG Berlin, 13. November 2009, Az: 53 S 84/09

§ 705 BGB, § 735 BGB, § 110 HGB, § 128 HGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 15.11.2011, Az. II ZR 272/09 (REWIS RS 2011, 1448)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 1448

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