Bundesgerichtshof, Urteil vom 03.07.2019, Az. IV ZR 195/18

4. Zivilsenat | REWIS RS 2019, 5827

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Gegenstand

Versicherungsfall in der Rechtsschutzversicherung: Zeitliche Einordnung und Begrenzung des Versicherungsschutzes bei nach dem Vorbringen des Versicherungsnehmers ungerechtfertigter Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen durch den Käufer


Tenor

Auf die Rechtsmittel des Klägers werden das Urteil der 3. Zivilkammer des [X.] vom 17. Juli 2018 aufgehoben und das Urteil des [X.] vom 24. Oktober 2017 geändert.

Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von der Verbindlichkeit aus der Kostennote der Rechtsanwälte [X.]     und B.       vom 13. Juni 2017 in Höhe von 1.425,38 € freizustellen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger, der bei der Beklagten seit dem 1. Juni 2015 eine Rechtsschutzversicherung hält, der [X.] der Beklagten (A.     [X.]/2012, im Folgenden: [X.] 2012) zugrunde liegen, verlangt die Freistellung von einer anwaltlichen Kostenforderung.

2

In den Versicherungsbedingungen heißt es unter anderem:

"§ 4 Voraussetzungen für den Anspruch auf Rechtsschutz

(1) Anspruch auf Rechtsschutz besteht nach Eintritt des Rechtsschutzfalles

a) im Schadenersatz-Rechtsschutz ...

b) im Rechtsschutz für Familien-, Lebenspartnerschafts- und Erbrecht ...

c) in Betreuungsverfahren ...

d) in allen anderen Fällen von dem Zeitpunkt an, in dem der Versicherungsnehmer oder ein anderer einen Verstoß gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften begangen hat oder begangen haben soll.

Die Voraussetzungen nach a) bis d) müssen nach Beginn des Versicherungsschutzes ... und vor dessen Beendigung eingetreten sein.

...

(2) ... Sind für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen mehrere Rechtsschutzfälle ursächlich, ist der erste entscheidend. ...

(3) Es besteht kein Rechtsschutz, wenn

a) eine Willenserklärung oder Rechtshandlung, die vor Beginn des Versicherungsschutzes vorgenommen wurde, den Verstoß nach Abs. 1 d) ausgelöst hat. ..."

3

Mit Kaufvertrag vom 18. Juni 2014 hatte der Kläger sein gebrauchtes Kraftfahrzeug [X.] verkauft und der Käuferin, einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, schriftlich zugesichert, Unfallschäden an einer Achse und einer Stoßstange seien behoben. Mit Anwaltsschreiben vom 9. Oktober 2015 machte die Käuferin Gewährleistungsrechte geltend und warf dem Kläger vor, die Schäden seien in Wahrheit nicht behoben. Um sich hiergegen zu verteidigen, beauftragte der Kläger eine Rechtsanwaltskanzlei. Auf deren Deckungsanfrage vom 11. November 2015 erklärte sich die Beklagte für leistungsfrei, weil der Versicherungsfall vor Beginn der Rechtschutzversicherung eingetreten sei. Nachfolgend ließ die Käuferin ein selbständiges Beweisverfahren durchführen. Mit Schreiben vom 13. Juni 2017 stellten die vom Kläger beauftragten Rechtsanwälte für ihre Tätigkeit 1.425,38 € in Rechnung. Von dieser Forderung möchte der Kläger aufgrund der Rechtsschutzversicherung freigestellt werden. Er meint, der Versicherungsfall sei in versicherter Zeit eingetreten, den dafür maßgeblichen Verstoß bilde erst das unberechtigte Gewährleistungsverlangen der Käuferin.

4

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen, das [X.] hat die Berufung des [X.] zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt er sein Freistellungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe

5

Das Rechtsmittel hat Erfolg.

6

I. Das Berufungsgericht hat einen Deckungsanspruch des [X.] verneint, weil der Versicherungsfall bereits vor Beginn der Rechtsschutzversicherung eingetreten sei. Der gemäß § 4 (1) Satz 1 Buchst. d [X.] 2012 maßgebliche Verstoß, den der Kläger begangen haben solle, liege schon in der Übergabe des Fahrzeugs mit einem trotz entsprechender Zusage nicht beseitigten Unfallschaden im Juni 2014. Es sei mit dem Wortlaut des § 4 (1) Satz 1 Buchst. d [X.] 2012 unvereinbar, den maßgeblichen Verstoß allein dem Vorbringen des [X.] und seinem gegen die Käuferin erhobenen Vorwurf der ungerechtfertigten Geltendmachung von Gewährleistungsrechten zu entnehmen. Denn da die Klausel ausdrücklich auch auf Verstöße des Versicherungsnehmers abstelle, verlöre die Anknüpfung bei dieser Auslegung ihren Anwendungsbereich. Die Auslegung hätte ferner zur Folge, dass sich der Versicherungsnehmer um seinen Versicherungsschutz brächte, wenn er im laufenden [X.] seinem Gegner weitere Rechtsverstöße aus [X.] vorhielte. Der Kläger verkenne auch Funktion und Zweck des § 4 (1) Satz 1 Buchst. d [X.] 2012, Zweckabschlüsse zu verhindern. Aus der Entscheidung des [X.] vom 25. Februar 2015 ([X.], [X.], 193), die zu einem Aktivprozess des dortigen Versicherungsnehmers ergangen sei, ergebe sich nichts anderes. Im [X.] des Versicherungsnehmers bestehe von vornherein kein Schutz vor der ungerechtfertigten Geltendmachung von Ansprüchen aus unversicherter [X.] durch den Gegner des Versicherungsnehmers.

7

II. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Der Kläger hat aus dem bei der [X.] gehaltenen Rechtsschutzversicherungsvertrag Anspruch auf Freistellung von der Forderung seiner Rechtsanwälte in Höhe von 1.425,38 €, wegen deren Vertretung des [X.] in der rechtlichen Auseinandersetzung mit der Käuferin seines Gebrauchtfahrzeugs.

8

Der Versicherungsfall ist entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts in versicherter [X.] eingetreten. Maßgeblicher Verstoß im Sinne von § 4 (1) Satz 1 Buchst. d [X.] 2012 ist hier allein das nach dem Vorbringen des [X.] ungerechtfertigte [X.] von Gewährleistungsansprüchen durch die Käuferin seit dem 9. Oktober 2015. Auf den [X.]punkt des [X.] und der Übergabe des Fahrzeugs kommt es deshalb nicht an, weil der Kläger seine Verteidigung nicht auf einen eigenen Rechtsverstoß stützt.

9

1. Ob der Rechtsschutzfall in versicherter [X.] eingetreten ist, ist hier nach § 4 (1) Satz 1 Buchst. d [X.] 2012 zu bestimmen.

a) Allgemeine Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher, um Verständnis bemühter Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs versteht. Dabei kommt es auf die [X.] eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit - auch - auf seine Interessen an. In erster Linie ist vom Wortlaut der jeweiligen Klausel auszugehen. Der mit dem Bedingungswerk verfolgte Zweck und der Sinnzusammenhang der Klauseln sind zusätzlich zu berücksichtigen, soweit sie für den Versicherungsnehmer erkennbar sind (vgl. nur [X.]surteil vom 6. Juli 2016 - [X.], [X.], 51 Rn. 17 m.w.[X.]; st. Rspr.).

b) Unter Zugrundelegung dieses [X.] hat der [X.] in jüngerer [X.] an seiner früheren Rechtsprechung (vgl. [X.]surteil vom 14. März 1984 - [X.], [X.], 530 unter I 3 [juris Rn. 14 ff.]; zustimmend: [X.], 99, 100 [juris Rn. 25 f.]) zur Auslegung des § 14 (3) [X.], der insoweit eine dem § 4 (1) Satz 1 Buchst. d [X.] 2012 im Wesentlichen gleichlautende Regelung enthält, in Fällen, in denen der Versicherungsnehmer Ansprüche gegen einen anderen erhob (so genannte [X.]), aber auch in einem Fall, in dem sich der Versicherungsnehmer im Streit um [X.] unter anderem gegen eine Aufrechnung seiner Anspruchsgegnerin mit Schadensersatzansprüche aus unerlaubter Handlung wehrte, nicht mehr festgehalten (vgl. dazu [X.]surteil vom 25. Februar 2015 - [X.], [X.], 193 Rn. 14, 15 m.w.[X.]; vgl. dazu [X.], r+s 2014, 328, 334).

Er hat in mehreren Entscheidungen geklärt, wie der Rechtsschutzfall zu bestimmen ist und darauf gestützt die zeitliche Einordnung und Begrenzung des versprochenen Versicherungsschutzes erfolgt (vgl. dazu die [X.]surteile vom 25. Februar 2015 - [X.], [X.], 193 Rn. 12 ff., 14 ff.; vom 30. April 2014 - [X.], [X.], 73, 77 Rn. 15 ff.; [X.]; [X.]; [X.], jeweils unter [X.] a [juris Rn. 15 ff.]; vom 24. April 2013 - [X.], [X.], 283 Rn. 12 ff.; vom 19. November 2008 - [X.], [X.], 346 Rn. 20 ff.; [X.]sbeschluss vom 17. Oktober 2007 - [X.], [X.], 113 Rn. 3; [X.]surteile vom 28. September 2005 - [X.], [X.], 1684 unter [X.] a [juris Rn. 19 ff.]; vom 19. März 2003 - [X.], [X.], 638 unter 1 a [juris Rn. 8 f.]; vgl. auch [X.], [X.], 1, 4; 2014, 328, 334).

Danach entnimmt der durchschnittliche Versicherungsnehmer zum einen dem Leistungsversprechen des Rechtsschutzversicherers, dass dieser es übernimmt, die Wahrnehmung seiner rechtlichen Interessen zu unterstützen. Zum anderen erkennt der durchschnittliche Versicherungsnehmer, dass mit der Anknüpfung des § 14 (3) [X.] (hier des § 4 (1) Satz 1 Buchst. d [X.] 2012) an die erste adäquate Ursache des [X.] die Gefahr einer uferlosen Rückverlagerung des für die zeitliche Bestimmung des Versicherungsfalles maßgeblichen Geschehens in sich birgt, welche in der Mehrzahl der Fälle seinen berechtigten Interessen widerspricht (vgl. dazu [X.]surteil vom 5. November 2014 - [X.], [X.], 16 Rn. 19 m.w.[X.]). Deshalb kommt es für die Festlegung des Versicherungsfalles allein auf die Tatsachen an, mit denen der Versicherungsnehmer sein Rechtschutzbegehren begründet (vgl. [X.]surteil vom 19. November 2008 - [X.], [X.], 346 Rn. 20 ff.; [X.]sbeschluss vom 17. Oktober 2007 - [X.], [X.], 113 Rn. 3; [X.]surteile vom 28. September 2005 - [X.], [X.], 1684 unter [X.] a [juris Rn. 20]; vom 19. März 2003 - [X.], [X.], 638 unter 1 a [juris Rn. 8 f.]; vgl. auch [X.], [X.], 1, 4).

Dabei wird der Versicherungsnehmer bei der Verfolgung eigener vertraglicher Ansprüche einen den Rechtsschutzfall im Sinne von § 4 (1) Satz 1 Buchst. d [X.] 2012 auslösenden Verstoß allein in dem vermeintlichen Fehlverhalten sehen, das er seinem Gegner zur Last legt und auf das er seinen Anspruch stützt. Der [X.] hat dazu angenommen, aus der Sicht des durchschnittlichen Versicherungsnehmers ließen sich seine Ansprüche auf eigenes Fehlverhalten nicht stützen ([X.]surteil vom 25. Februar 2015 - [X.], [X.], 193 Rn. 15). Anderenfalls hätte es der Anspruchsgegner des Versicherungsnehmers in der Hand, durch die Wahl seiner Verteidigung dem Versicherungsnehmer den Deckungsanspruch aus der Rechtsschutzversicherung zu entziehen (vgl. [X.]surteil vom 25. Februar 2015 aaO Rn. 16). Nach allem hat es der [X.] in Fällen des Rechtsschutzes für [X.] des Versicherungsnehmers als für die Bestimmung des Versicherungsfalles unerheblich angesehen, was der Anspruchsgegner des Versicherungsnehmers gegen dessen Begehren einwendet ([X.] aaO). Stattdessen richte sich die Festlegung des "verstoßabhängigen" [X.] im Sinne von § 14 (3) Satz 1 [X.] (hier § 4 (1) Satz 1 Buchst. d [X.] 2012) allein nach den vom Versicherungsnehmer behaupteten Pflichtverletzungen, wobei dieses Vorbringen (erstens) einen objektiven Tatsachenkern enthalten müsse, mit dem der Versicherungsnehmer (zweitens) den Vorwurf eines Rechtsverstoßes verbinde, der den Keim für die rechtliche Auseinandersetzung enthalte und auf den der Versicherungsnehmer (drittens) seine Interessenverfolgung stütze, wobei es nicht auf die Schlüssigkeit, Substantiiertheit oder die Entscheidungserheblichkeit dieser Behauptungen ankomme ([X.]surteil vom 19. November 2008 - [X.], [X.], 346 Leitsatz b und Rn. 20 ff., so genannte Drei-Säulen-Theorie).

c) Ob und wie sich diese [X.]srechtsprechung auf Fälle übertragen lässt, in denen sich der Versicherungsnehmer im Ausgangsstreit gegen Ansprüche verteidigt, die sein Anspruchsgegner gegen ihn erhebt ([X.]e), ist - soweit diese [X.]srechtsprechung nicht ohnehin insgesamt abgelehnt wird (vgl. dazu [X.], 1106, 1107 f.; Urteil vom 20. April 2018 - 7 Ob 36/18x, [X.]; [X.]/[X.], 2. Aufl. Rechtsschutzversicherung Rn. 298, 299; [X.] in Handbuch Versicherungsrecht 7. Aufl. § 13 Rn. 413) - in Rechtsprechung und Literatur umstritten (offen gelassen von [X.] Düsseldorf [X.], 514 Rn. 19).

aa) Nach einer Auffassung sollen die vom [X.] entwickelten Grundsätze auf den [X.] des Versicherungsnehmers - spiegelbildlich - in der Weise übertragen werden, dass für die Festlegung des Versicherungsfalles nach § 14 (3) [X.] oder § 4 (1) Satz 1 Buchst d) [X.] 2012 allein auf die Verstöße gegen Rechtsvorschriften und Rechtspflichten abzustellen ist, die der Anspruchsgegner dem Versicherungsnehmer anlastet ([X.]/[X.]/Armbrüster, [X.]. § 4 [X.] 2010 Rn. 55 a; Armbrüster, [X.], 3660; Cornelius-Winkler, [X.], 1476, 1480 f.). Das stützt sich vor allem auf den Bedingungswortlaut und insbesondere die auch vom Berufungsgericht hervorgehobene Überlegung, dass anderenfalls die dort getroffene Regelung, nach der auch ein Verstoß des Versicherungsnehmers gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften als für die Bestimmung des Versicherungsfalles maßgeblich angesprochen werde, leerliefe.

Nach dieser Auffassung wäre der Versicherungsfall hier mit der - dem Kläger von seiner Gegnerin vorgeworfenen - Übergabe des nicht reparierten Fahrzeugs im Juni 2014, mithin in nicht versicherter [X.], eingetreten.

bb) Eine vermittelnde Auffassung ([X.]/[X.], [X.], 225, 227; [X.], NJW 2018, 581, 584 f.; [X.], 1041, 1044 ff.) möchte abweichend von den im Aktivprozess des Versicherungsnehmers nach der [X.]srechtsprechung geltenden Maßstäben im [X.] im Grundsatz Verstöße beider Seiten für die Bestimmung des Versicherungsfalles heranziehen. Dafür spreche neben dem Wortlaut des § 14 (3) [X.] (bzw. des § 4 (1) Buchst. d [X.] 2012), dass in [X.]en der Gegner des Versicherungsnehmers das Streitverfahren in Gang setze und dieser Streit deshalb primär durch den Vorwurf der Gegenseite geprägt werde. Mitunter erlaube auch nur der Vortrag des Anspruchsgegners die Einordnung des Ausgangsverfahrens unter eine in der Rechtsschutzversicherung versicherte Leistungsart ([X.], NJW 2018, 581, 584).

Auch diese Meinung führte im Streitfall zur Annahme eines Versicherungsfalles in nicht versicherter [X.], weil danach auch die dem Kläger von seiner Anspruchsgegnerin angelastete Übergabe des entgegen einer Zusage nicht reparierten Fahrzeugs noch vor Beginn der Rechtsschutzversicherung einen ersten für den Ausgangsstreit adäquat kausalen Pflichtenverstoß im Sinne von § 4 (1) Buchst. d [X.] 2012 darstellte, auf den nach § 4 (2) [X.] 2012 abzustellen wäre.

cc) Die dritte Auffassung tritt dafür ein, die neuere [X.]srechtsprechung unmittelbar auch auf den [X.] des Versicherungsnehmers zu übertragen, so dass auch dort für die Bestimmung des Versicherungsfalles allein das Vorbringen des Versicherungsnehmers und der Verstoß entscheidend sei, den der Versicherungsnehmer seinem Gegner anlaste ([X.], 652 [juris Rn. 18 ff.] mit zust. [X.]. [X.]; [X.], [X.] vom 24. Juli 2018 - 3 S 20/18, juris Rn. 20 ff.; [X.], [X.], 574, 578; [X.], [X.], 193, 200). Danach wäre im Streitfall der Versicherungsfall erst mit der - aus Sicht des Versicherungsnehmers unberechtigten - Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen durch seine Anspruchsgegnerin nach Beginn der Rechtsschutzversicherung eingetreten und die Beklagte mithin zur Rechtsschutzdeckung verpflichtet.

d) Die zuletzt genannte Auffassung trifft zu. Für die zeitliche Festlegung des [X.] gemäß § 4 (1) Satz 1 Buchst. d [X.] 2012 ist auf denjenigen Verstoß abzustellen, den der Versicherungsnehmer seinem Gegner anlastet (ebenso [X.], [X.], 574, 578; siehe auch [X.], [X.], 693, 694; Gellwitzki, [X.], 48, 52). Auf die prozessuale Parteirolle oder eine anderweitig begründete Unterscheidung zwischen Rechtsverfolgung und Rechtsverteidigung kommt es insoweit nicht an.

aa) Wenngleich nach dem Bedingungswortlaut der Versicherungsfall unter anderem dann eintritt, wenn der Versicherungsnehmer selbst einen Verstoß gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften begangen hat oder begangen haben soll, erkennt er auch im Falle eines [X.]es, dass eine wortlautkonforme Anwendung des § 4 (1) Satz 1 Buchst. d [X.] 2012 die Gefahr einer uferlosen Rückverlagerung des für die zeitliche Bestimmung des Rechtsschutzversicherungsfalles maßgeblichen Geschehens in sich birgt (vgl. [X.]surteil vom 5. November 2014 - [X.], [X.], 16 Rn. 19).

Da bei der Auslegung Allgemeiner Versicherungsbedingungen auch die Interessen des Versicherungsnehmers in den Blick zu nehmen sind, ist seiner Erwartung Rechnung zu tragen, dass der Rechtsschutzversicherer es übernehme, die Wahrnehmung seiner rechtlichen Interessen zu unterstützen. Deshalb kann es auch dann, wenn der Versicherungsnehmer im Ausgangsstreit von seinem Anspruchsgegner in Anspruch genommen wird, für die Festlegung des Versicherungsfalles allein auf die Tatsachen ankommen, mit denen der Versicherungsnehmer sein Rechtsschutzbegehren begründet (vgl. [X.]surteil vom 5. November 2014 - [X.], [X.], 16 f. m.w.[X.]). Auch insoweit darf es der Anspruchsgegner nach der Erwartung des Versicherungsnehmers nicht in der Hand haben, dem Versicherungsnehmer mittels seiner Behauptungen den Deckungsanspruch aus der Rechtsschutzversicherung zu entziehen (vgl. [X.]surteil vom 25. Februar 2015 - [X.], [X.], 193 Rn. 16). Denn der Versicherungsnehmer wird dem Leistungsversprechen des Rechtsschutzversicherers, die für die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen des Versicherungsnehmers erforderlichen Leistungen zu erbringen, eine Solidaritätszusicherung entnehmen, dass der Versicherer ihn gegen Vorwürfe des Gegners unterstütze (vgl. [X.], [X.], 489, 492). Deshalb erwartet er, dass der Rechtsschutzversicherer von seiner, des Versicherungsnehmers, Darstellung und Bewertung des Geschehens ausgeht und nicht vom Vorbringen seines Anspruchsgegners, zumal die Bestimmung des Versicherungsfalles nicht der Ort ist, den Wahrheitsgehalt einander widersprechender Darstellungen der Parteien des Ausgangsrechtsstreits oder den Widerstreit unterschiedlicher Rechtsauffassungen zu klären.

Demzufolge wird er den in § 4 (1) Satz 1 Buchst. d [X.] 2012 erwähnten eigenen Verstoß allenfalls als Umschreibung der - von ihm selbst für zulässig, vom Gegner jedoch als pflichtwidrig erachteten - Weigerung verstehen, den gegen ihn erhobenen Anspruch zu erfüllen. Dass es aber ungeachtet der ihm vom Versicherer zugesagten Unterstützung für den Eintritt des Versicherungsfalles auf Verstöße ankommen soll, die der Gegner des [X.] ihm zur Begründung seines - aus Sicht des Versicherungsnehmers unberechtigten - Begehrens vorwirft, wird der Versicherungsnehmer mit Blick auf sein Rechtsschutzinteresse dem [X.] nicht entnehmen und jedenfalls bei einem privatrechtlichen Streit nicht in Erwägung ziehen, dass ein eigenes, ihm von seinem Gegner nach seiner Auffassung zu Unrecht vorgeworfenes Fehlverhalten den ersten maßgeblichen Verstoß im Sinne dieser Bedingung darstellen kann.

Die als so genannte Drei-Säulen-Theorie bezeichneten Grundsätze aus dem [X.]surteil vom 19. November 2008 ([X.], [X.], 346 Rn. 20 ff.) lassen sich mithin auf den Passivrechtstreit des Versicherungsnehmers übertragen. Denn was die Rechtsverstöße anbelangt, die der Versicherungsnehmer seinem Gegner anlastet, unterscheidet sich seine Interessenlage im [X.] nicht von derjenigen in [X.] (vgl. dazu schon [X.] in Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des [X.] - Hrsg. - [X.] 2014 S. 35, 59).

bb) Der Versicherungsnehmer wird sein Klauselverständnis auch nicht an dem Interesse des Rechtsschutzversicherers ausrichten, mittels der Rechtsschutzfallklauseln etwaige Manipulationsmöglichkeiten, insbesondere so genannte Zweckabschlüsse, zu unterbinden (abw. [X.], 1106, 1107 f.). § 4 (1) Satz 1 Buchst. d [X.] 2012 stellt schon nicht darauf ab, ob sich die Verwirklichung eines Risikos für den Versicherungsnehmer im [X.]punkt des Vertragsschlusses bereits abgezeichnet hat. Ob die Klausel vor allem so genannten [X.], d.h. der Möglichkeit begegnen soll, Versicherungsschutz für bereits bei Abschluss der Rechtsschutzversicherung eingetretene Lebenssachverhalte zu erlangen, die schon eine adäquate Ursache für eine spätere rechtliche Auseinandersetzung gesetzt haben (vgl. [X.]surteil vom 4. Juli 2018 - [X.], [X.], 425 Rn. 49), ist zweifelhaft. Denn je nach den zeitlichen Umständen des Einzelfalles kann sie zu einem für den Versicherungsnehmer günstigen oder nachteiligen Ergebnis führen. Eine zeitliche Vorverlegung des Versicherungsfalles kann - je nach versicherter [X.] - vielfach eine den Interessen des Versicherers zuwiderlaufende Ausweitung seiner Nachhaftung zur Folge haben. Zudem hat der [X.] bereits darauf hingewiesen, dass von einem Zweckabschluss nur dort die Rede sein kann, wo der Abschluss des [X.] vom Versicherungsnehmer gezielt darauf gerichtet ist, Versicherungsschutz für rechtliche Auseinandersetzungen zu erlangen, deren Ursache bereits in [X.] gesetzt wurde. Das setzt jedoch eine Kenntnis des Versicherungsnehmers von der Streitursache voraus (vgl. [X.]surteil vom 4. Juli 2018 - [X.], [X.], 425 Rn. 49), auf die der Wortlaut des § 4 (1) Satz 1 Buchst. d [X.] 2012 gerade nicht abstellt.

2. Ist damit im Streitfall derjenige Verstoß maßgeblich, den der Kläger der Käuferin seines Fahrzeugs anlastet, hat das Berufungsgericht zu Unrecht einen Anspruch des [X.] auf Versicherungsschutz verneint, denn der maßgebliche Verstoß, die nach Auffassung des [X.] unberechtigte Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen, hat sich hier erst in versicherter [X.] ereignet.

[X.]     

        

Prof. Dr. Karczewski     

        

Lehmann

        

Dr. Brockmöller     

        

Dr. Bußmann     

        

Meta

IV ZR 195/18

03.07.2019

Bundesgerichtshof 4. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend LG Aachen, 17. Juli 2018, Az: 3 S 137/17

§ 1 Abs 1 S 1 Buchst d ARB 2012

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 03.07.2019, Az. IV ZR 195/18 (REWIS RS 2019, 5827)

Papier­fundstellen: NJW 2019, 3299 REWIS RS 2019, 5827

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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