Bundessozialgericht, Urteil vom 31.05.2016, Az. B 1 AS 1/16 KL

1. Senat | REWIS RS 2016, 10770

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Grundsicherung für Arbeitsuchende - Anspruch eines Bundeslandes auf Beteiligung des Bundes an den Leistungen für Unterkunft und Heizung - Einrede der Verjährung


Leitsatz

1. Der Anspruch eines Bundeslandes auf Bundesbeteiligung an den Leistungen der Unterkunft und Heizung unterliegt der vierjährigen sozialrechtlichen Verjährung.

2. Der Bund und die Länder können sich grundsätzlich ohne Verstoß gegen die Pflicht zu bundesfreundlichem Verhalten auf Verjährung berufen.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Der Streitwert wird auf 524 862,23 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über eine ergänzende [X.]esbeteiligung an den Leistungen für Unterkunft und Heizung nach dem [X.] (KdU).

2

Die klagende Freie Hansestadt [X.] erhält von der beklagten [X.] nach einem gesetzlich festgelegten [X.]atz (§ 46 Abs 5 ff [X.]) eine Beteiligung an den im Gebiet ihres [X.]eslandes aufgewandten [X.] Der Berechnung liegen Aufstellungen der [X.]tadtgemeinde [X.] ([X.]) über ihre erbrachten Leistungen zugrunde. [X.]ie war mit der [X.] ([X.]) zunächst gemeinsam Trägerin der Bremer Arbeitsgemeinschaft für Integration und [X.]oziales ([X.]GI[X.]; § 44b [X.] aF). Die Funktion der [X.]GI[X.] ging zum 1.1.2011 auf das Jobcenter [X.] über (gemeinsame Einrichtung von [X.] und [X.], § 44b [X.] nF). Die [X.]GI[X.] erbrachte Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende einheitlich für [X.] und [X.] (§ 6 Abs 1 [X.] 1 [X.]; bzgl [X.]: Leistungen nach § 6 Abs 1 [X.] 1 Nr 2 [X.]). Die [X.]GI[X.] bewirkte die Auszahlungen über [X.]oftware der [X.]. Um die [X.] hierbei nicht mit kommunalen Leistungen zu belasten, verpflichtete sich die [X.], diesbezügliche Beträge jeweils binnen zweier Werktage nach Anforderung der [X.] zu zahlen. Die [X.] erhielt Zugriff auf das EDV-[X.]ystem der [X.], um zu ihren Lasten und Gunsten getätigte Buchungen abzurufen. Die [X.] prüfte die sachliche Richtigkeit der Anforderungen wegen der kurzen Zahlungsfrist von zwei Werktagen und der Zahl von werktäglich hunderten bis über tausend Buchungen nicht, bevor sie die Zahlungen anwies. [X.]ie erhielt für eine nachträgliche Prüfung - entsprechend der Praxis gegenüber kommunalen Trägern - von der [X.]GI[X.] und später vom Jobcenter vierteljährlich Aufstellungen über die Ausgaben und Einnahmen bzgl der Leistungen, die den kommunalen Trägern obliegen. Die Prüfungen ließen wiederholt Fehlbuchungen erkennen. [X.]ie lasteten zT nichtkommunale Leistungen der [X.] an und erweckten zT den Eindruck geringerer Aufwendungen für [X.] Deshalb forderte die Klägerin geringere Beträge der [X.]esbeteiligung. [X.]ie sah in den Fehlbuchungen zunächst zu vernachlässigende Einzelfälle. Die Beklagte berichtete über Fehler und ihre Beseitigung ([X.]). Die Klägerin berief sich gegenüber dem Jobcenter [X.] wegen Hinweisen auf erhebliche Fehlbuchungen in [X.] und [X.] auf [X.] rückwirkend ab 2005, deren Umfang ihre Innenrevision überprüfe (4.12.2013). Der [X.] beglich lediglich die aufgrund einer [X.]tichprobe bezifferten Ansprüche wegen Fehlbuchungen ab Januar 2010. Die Beklagte machte ua geltend, die übrigen Forderungen betreffend die [X.] von 2005 bis 2009 seien verjährt (5.2.2015).

3

Die Klägerin fordert mit ihrer am 15.1.2016 erhobenen Klage ergänzende Zahlung der [X.]esbeteiligung an den KdU für die [X.] von 2005 bis Ende 2009. Der Anspruch sei nicht verjährt, da sie erst seit Ende 2013 Kenntnis von den strukturellen Buchungsfehlern der [X.]GI[X.] habe. Die Beklagte habe sich in einem Parallelfall gegenüber der Freien und Hansestadt [X.] nicht auf Verjährung berufen.

4

Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin 524 862,23 Euro nebst Zinsen hierauf in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 15. Januar 2016 zu zahlen.

5

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

6

Die Beklagte trägt vor, sie habe sich auch gegenüber der Freien und Hansestadt [X.] auf Verjährung berufen.

Entscheidungsgründe

7

Die Klage ist zulässig (dazu 1.), aber nicht begründet. Soweit die klagende Freie Hansestadt [X.] noch einen ergänzenden Zahlungsanspruch gegen die beklagte [X.] hat, ist er wegen Verjährung nicht durchsetzbar (dazu 2.). Die Klägerin hat auch keinen Haftungsanspruch wegen grober Pflichtverletzung der Beklagten (dazu 3.). Ein Zinsanspruch ist mangels eines durchsetzbaren Hauptanspruchs nicht gegeben.

8

1. Die Klage ist zulässig. Das [X.] entscheidet ua im ersten und letzten Rechtszug über Streitigkeiten nicht verfassungsrechtlicher Art zwischen dem [X.] und den Ländern in Angelegenheiten des § 51 [X.] (§ 39 Abs 2 S 1 [X.]). Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Die Klägerin streitet als [X.]esland gegen den [X.] (vgl dazu [X.]E 105, 100 = [X.] 4-1100 Art 104a [X.], Rd[X.]1; [X.]E 114, 55 = [X.] 4-4200 § 6b [X.], Rd[X.] 23 ff) mit der allgemeinen Leistungsklage (vgl § 54 Abs 5 [X.]) um Zahlung. Der Anspruch ist öffentlich-rechtlicher, nicht verfassungsrechtlicher Art (dazu a). Er betrifft eine Angelegenheit nach § 51 Abs 1 [X.] (dazu b) und ist grundlegender Art (dazu c).

9

a) Maßgeblich für das Vorliegen einer verfassungsrechtlichen Streitigkeit ist, ob der geltend gemachte [X.] in einem Rechtsverhältnis wurzelt, das entscheidend vom Verfassungsrecht geprägt wird und nicht durch Normen des einfachen Rechts (vgl [X.] Urteil vom 10.3.2015 - B 1 [X.]/[X.] - Juris Rd[X.]1, für [X.]E und [X.] 4-4200 § 46 [X.] vorgesehen; [X.] 109, 1, 6; BVerwGE 116, 234, 237 = [X.] 310, § 40 VwGO [X.]; BVerwGE 128, 99 Rd[X.]5 = [X.] 11 Art 104a GG [X.] 20). Der Gegenstand des vorliegenden Klageverfahrens betrifft nicht die grundsätzliche Zuordnung verfassungsrechtlicher Finanzlasten und das verfassungsrechtliche Grundverhältnis zwischen [X.] und Ländern, sondern stellt sich als eine lediglich im einfachen Recht wurzelnde Streitigkeit nicht verfassungsrechtlicher Art dar. Es geht im [X.] um einen Zahlungsanspruch aus § 46 Abs 5 und Abs 8 [X.].

b) Die Streitigkeit betrifft Angelegenheiten der Grundsicherung für Arbeitssuchende iS von § 51 Abs 1 [X.]. Hierfür sind die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit zuständig. Das streitige Begehren findet nämlich seine Grundlage im [X.] (vgl entsprechend [X.]E 105, 100 = [X.] 4-1100 Art 104a [X.], Rd[X.] 20; [X.] Urteil vom 10.3.2015 - B 1 [X.]/[X.] - Juris Rd[X.]2, für [X.]E und [X.] 4-4200 § 46 [X.] vorgesehen; [X.] in [X.]/[X.], [X.], Stand 1.12.2015, § 51 Rd[X.]6a).

c) Betroffen ist auch eine Streitigkeit grundlegender Art, die sich nach ihrem Gegenstand einem Vergleich mit den landläufigen Verwaltungsstreitigkeiten entzieht (vgl zum Erfordernis [X.]E 105, 100 = [X.] 4-1100 Art 104a [X.], Rd[X.] 21; [X.] Urteil vom 10.3.2015 - B 1 [X.]/[X.] - Juris Rd[X.]3, für [X.]E und [X.] 4-4200 § 46 [X.] vorgesehen; [X.] in [X.]/[X.], [X.], Stand 1.12.2015, § 39 Rd[X.]a). Die Eigenart der [X.]-Länder-Beziehungen prägt den Gegenstand des Verfahrens. Hierbei geht es ua um die für diese Beziehungen grundlegende Frage nach den maßgeblichen verjährungsrechtlichen Regelungen.

2. Die Klägerin hat keinen durchsetzbaren Anspruch auf Zahlung von 524 862,23 Euro gegen die Beklagte aus § 46 Abs 5 und Abs 8 [X.]. Der erkennende Senat lässt die Frage offen, ob der geltend gemachte ergänzende Zahlungsanspruch besteht (dazu a). Die Beklagte ist nämlich wegen Verjährung des Anspruchs berechtigt, die Leistung zu verweigern (dazu b). Die dagegen erhobenen Einwendungen der Klägerin greifen nicht durch (dazu c).

a) Als Rechtsgrundlage des Zahlungsanspruchs der Klägerin kommt das Recht auf [X.]esbeteiligung aus § 46 Abs 5 und Abs 8 [X.] in Betracht (zuletzt geändert durch Art 5 [X.] Gesetz zur Förderung von Investitionen finanzschwacher Kommunen und zur Entlastung von Ländern und Kommunen bei der Aufnahme und Unterbringung von Asylbewerbern vom 24.6.2015, [X.] 974 mWv 30.6.2015, ursprünglich eingefügt durch Art 1 Kommunales Optionsgesetz vom 30.7.2004, [X.] 2014 mWv 1.1.2005). Danach beteiligt sich der [X.] zweckgebunden an den Leistungen für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs 1 [X.]. Die Klägerin ist als [X.]esland aus dieser Regelung berechtigt, obwohl diese eine quotale Beteiligung des [X.]es an den Kosten der kommunalen Träger (§ 6 Abs 1 S 1 [X.] 2 [X.]) für Unterkunft und Heizung normiert ([X.] in Eicher, [X.], 3. Aufl 2013, § 46 Rd[X.] 20). Die Norm des § 46 Abs 5 und Abs 8 [X.] findet ihre finanzverfassungsrechtliche Grundlage nämlich in Art 104a [X.] GG (vgl [X.] Urteil vom 10.3.2015 - B 1 [X.]/[X.] - Juris Rd[X.] 22, für [X.]E und [X.] 4-4200 § 46 [X.] vorgesehen; Knapp in jurisPK-[X.], Stand [X.], § 46 Rd[X.] 70; Voelzke in [X.]/[X.], [X.], Stand Dezember 2015, § 46 Rd[X.] 22). Danach können [X.]esgesetze, die Geldleistungen gewähren und von den Ländern ausgeführt werden, bestimmen, dass die Geldleistungen ganz oder zum Teil vom [X.] getragen werden. Die Finanzverfassung des Grundgesetzes ermöglicht keine unmittelbaren Finanzbeziehungen zwischen dem [X.] und den Kommunen. Die [X.]esbeteiligung wird an die Länder gezahlt, die für die Verteilung der Mittel an die Kommunen zuständig sind (vgl § 46 Abs 8 S 1 [X.]; Knapp in jurisPK-[X.], Stand 4.1.2016 § 46 Rd[X.] 70, 84 ff; [X.] in [X.], [X.], Stand April 2016, § 46 Rd[X.] 56).

b) Wenn der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch besteht, kann die Beklagte die Leistung verweigern. Sie beruft sich zutreffend darauf, dass der Anspruch verjährt ist. Der Zahlungsanspruch aus § 46 Abs 5 [X.] unterliegt einer vierjährigen Verjährungsfrist (dazu [X.]). Die Verjährungsfrist war bei Klageerhebung abgelaufen (dazu bb).

[X.]) Das [X.] regelt weder in § 46 [X.] noch an anderer Stelle ausdrücklich die Verjährung des Zahlungsanspruchs aus der [X.]esbeteiligung. Hierfür gelten die allgemeinen Grundsätze. Das [X.] geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass die in § 45 [X.] I bestimmte Verjährungsfrist von vier Jahren Ausdruck eines allgemeinen Prinzips ist, das der Harmonisierung der Vorschriften über die Verjährung öffentlich-rechtlicher Ansprüche dient (vgl [X.] Urteil vom [X.] KR 26/14 R - Juris Rd[X.]4, für [X.]E und [X.] 4-5560 § 17c [X.]). Die Regelung ist aus praktischen und haushaltsrechtlichen Gründen geboten, um früher zu beobachtende jahrzehntelange Auseinandersetzungen einer beschleunigten gerichtlichen Klärung zuzuführen (stRspr, vgl zB [X.]E 42, 135, 138 = [X.] 3100 § 10 [X.] <10. [X.]-Senat>; [X.]E 69, 158 = [X.] 3-1300 § 113 [X.] S 5 <6. [X.]-Senat>; [X.] [X.] 4-2500 § 69 [X.] Rd[X.]7 <3. [X.]-Senat>; [X.] [X.] 4-2500 § 69 [X.]0 Rd[X.]2 ff, <1. [X.]-Senat>, alle mwN). Dieses allgemeine Rechtsprinzip gilt umfassend in den sozialrechtlich geprägten Rechtsbeziehungen (vgl zB [X.] einer [X.] gegen eine [X.], [X.] [X.] 2200 § 368e [X.]0; Zahlungsanspruch eines Krankenhauses gegen einen Träger der gesetzlichen Unfallversicherung, [X.] Urteil vom 28.6.1988 - 2 RU 40/87 - Juris; Erstattungsanspruch zwischen öffentlich-rechtlichen Körperschaften im Bereich des Kassenarztrechts, [X.]E 69, 158, 160 ff = [X.] 3-1300 § 113 [X.]; kassenzahnärztlicher Honorarkürzungsbescheid, [X.]E 72, 271, 272 ff = [X.] 3-2500 § 106 [X.]9; kassenärztlicher Honoraranspruch, [X.]E 76, 117, 118 ff = [X.] 3-1200 § 45 [X.] 5; entsprechende Anwendung auf sozialrechtliche [X.], [X.]E 97, 84 = [X.] 4-2500 § 106 [X.]5, Rd[X.]5; gegenseitige Rechte und Pflichten im Verhältnis zwischen Leistungserbringern und Krankenkassen - [X.] - [X.]E 98, 142 = [X.] 4-2500 § 276 [X.], Rd[X.] 25; Erstattungsanspruch einer [X.] gegen ein Krankenhaus, [X.]E 112, 141 = [X.] 4-2500 § 275 [X.] 8, Rd[X.]9; Anspruch auf Aufwendungsersatz der [X.] gesetzlichen Auftrags tätigen [X.] gegen den Sozialhilfeträger, [X.] [X.] 4-2500 § 264 [X.] Rd[X.]5).

Die Grundsätze gelten trotz zwischenzeitlicher Modifizierung des [X.] im BGB unverändert fort (vgl [X.] [X.] 4-2500 § 69 [X.]0 Rd[X.]5 mwN). Der Gesetzgeber hat die zitierte ständige Rechtsprechung des [X.] nicht zum Anlass genommen, die gesetzlichen Regelungen des [X.] zu ändern. Er wollte eine Änderung der verjährungsrechtlichen Rechtslage im Sozialrecht gerade nicht herbeiführen (vgl auch [X.]E 115, 40 = [X.] 4-2500 § 302 [X.], Rd[X.]4; entsprechend generell für das öffentliche Recht, BVerwGE 132, 324 Rd[X.]1 f). Die Entscheidung, ob das neue Regelungssystem der bürgerlich-rechtlichen Verjährung auf spezialgesetzlich geregelte Materien übertragen werden kann und welche Sonderregelungen ggf getroffen werden müssten, sollte weiteren Gesetzgebungsvorhaben vorbehalten bleiben (vgl Gegenäußerung der [X.]esregierung zum Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts, BT-Drucks 14/6857 [X.] zu [X.]). Bei Erlass des Gesetzes zur Anpassung von Verjährungsvorschriften an das [X.] ([X.] 3214) entschied sich der Gesetzgeber bewusst gegen eine entsprechende Anpassung des öffentlichen Rechts. Denn im öffentlichen Recht gelten grundsätzlich eigenständige Verjährungsregelungen. Nach der Gesetzesbegründung kann auf die zivilrechtlichen Verjährungsbestimmungen nur hilfsweise entsprechend zurückgegriffen werden (vgl Gesetzentwurf der [X.]esregierung eines Gesetzes zur Anpassung von Verjährungsvorschriften an das [X.], BT-Drucks 15/3653 S 10).

Der Anspruch der [X.]esländer auf Zahlung der [X.]esbeteiligung an den Kosten der Unterkunft und Heizung ist im gebotenen Sinne sozialrechtlich geprägt. Der Gesetzgeber hat die Rechtsgrundlage 46 Abs 5 und 8 [X.]) dem [X.] zugeordnet. Der [X.] beteiligt sich aufgrund dieser Regelung - wie dargelegt - an der Finanzierung der genannten Sozialleistungen.

bb) Die Verjährungsfrist war zum [X.]punkt der Klageerhebung (vgl § 204 Abs 1 [X.] BGB) am [X.] bereits abgelaufen. Die allgemeine sozialrechtliche Verjährungsfrist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Anspruch entstanden ist (entsprechend § 45 Abs 1 [X.] I, vgl zB [X.]E 69, 158, 163 = [X.] 3-1300 § 113 [X.]; [X.] [X.] 4-7610 § 204 [X.] 2 Rd[X.]2; [X.]E 117, 82 = [X.] 4-2500 § 109 [X.]0, Rd[X.]3). Auch insoweit kommt aus den dargelegten Gründen ein Rückgriff auf die Vorschriften des durch das [X.] vom 26.11.2001 ([X.] 3138) novellierten bürgerlich-rechtlichen [X.] nicht in Betracht.

Der Anspruch auf [X.]esbeteiligung an den KdU entsteht mit Aufwendung der Kosten. Der Abruf der Erstattungen ist zur Monatsmitte und zum Monatsende zulässig (§ 46 Abs 8 S 2 [X.]). Die Verjährungsfrist für Ansprüche der Klägerin auf [X.]esbeteiligung an den Aufwendungen in der [X.] vom 1.1.2005 bis 31.12.2009 endete dementsprechend grundsätzlich spätestens mit Ablauf des 31.12.2013. Anderes ergibt sich auch nicht nach den Grundsätzen der Hemmung, der Ablaufhemmung oder des Neubeginns der Verjährung. Hierfür gelten die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs sinngemäß (vgl [X.] [X.] 4-7610 § 204 [X.] 2 Rd[X.]3 zur entsprechenden Anwendung von § 45 Abs 2 [X.] I idF durch Art 5 [X.] Buchst a Gesetz zur Einführung einer kapitalgedeckten [X.] Zusatzversicherung und zur Änderung anderer Gesetze vom 21.6.2002, [X.] 2167).

Für einen Neubeginn der Verjährung (vgl § 212 BGB) liegt nichts vor. Die Voraussetzungen keiner der sinngemäß geltenden Regelungen für die Hemmung sind erfüllt, ihre analoge Anwendung ist ausgeschlossen. Insbesondere hemmte das Schreiben der Klägerin an das Jobcenter [X.] ([X.]) den Ablauf der Verjährung nicht. Es löste zwischen Gläubiger und Schuldner, also Klägerin und Beklagter keine Verhandlungen über den Anspruch oder die den Anspruch begründenden Umstände aus, die die Verjährung hemmten (vgl § 203 S 1 BGB). Verhandlungen schweben zwar schon dann, wenn eine der [X.]en Erklärungen abgibt, die der jeweils anderen [X.] die Annahme gestatten, der Erklärende lasse sich auf Erörterungen über die Berechtigung des von ihr - der anderen [X.] - geltend gemachten Anspruches oder dessen Umfang ein ([X.] [X.] 4-7610 § 204 [X.] 2 Rd[X.]6 mwN). Die Beklagte gab aber der Klägerin bis zum Ablauf des Jahres 2013 keinen Anlass dafür, anzunehmen, sie lasse sich verjährungshemmend auf Erörterungen über die Berechtigung des Anspruches oder dessen Umfang ein.

Es liegt auch keine Hemmung der Verjährung nach Maßgabe einer der Fälle des § 204 BGB vor. Keiner der Hemmungstatbestände der Vorschrift ist auf das vorgerichtliche Schreiben vom [X.] übertragbar. Handlungen, welche das Vorliegen eines Anspruchs nur prüfen und damit seine (mögliche) Geltendmachung vorbereiten, hemmen den Ablauf der Verjährungsfrist nicht (vgl [X.] [X.] 4-7610 § 204 [X.] 2 Rd[X.]4; [X.] Urteil vom 25.9.2015 - [X.] - Juris Rd[X.]0; [X.] Urteil vom 24.5.2012 - IX ZR 168/11 - Juris Rd[X.]6). Gleiches muss erst Recht für die (bloße) Ankündigung einer Prüfung gelten. Die Klägerin machte lediglich vorsorglich Ansprüche geltend, deren Vorliegen sie noch nicht geprüft hatte, sondern erst überprüfen wollte. Auch eine analoge Anwendung des § 204 BGB kommt nicht in Betracht. Eine planwidrige Regelungslücke ist nicht ersichtlich (vgl zB [X.] [X.] 4-7610 § 204 [X.] 2 Rd[X.] 22).

c) Die Beklagte beruft sich nicht treuwidrig auf Verjährung. Ihre Erhebung der [X.] ist weder rechtsmissbräuchlich (dazu [X.]) noch widerspricht sie im Übrigen dem Grundsatz der [X.]estreue (dazu bb).

[X.]) Die Geltendmachung der [X.] findet generell ihre Grenze im Grundsatz von [X.] und Glauben (§ 242 BGB) und hierbei im Rechtsinstitut der unzulässigen Rechtsausübung wegen Rechtsmissbrauchs (stRspr, vgl zB [X.] [X.] 4-7610 § 204 [X.] 2 Rd[X.]1). Die Beklagte wäre nach [X.] und Glauben gehindert, sich auf Verjährung zu berufen, wenn sie die Klägerin durch Irreführung von einer rechtzeitigen verjährungshemmenden oder - unterbrechenden Geltendmachung ihrer Ansprüche abgehalten hätte (vgl entsprechend zum Abhalten von Obliegenheiten zB [X.]E 99, 180 = [X.] 4-2500 § 13 [X.]5, Rd[X.] 27 f; [X.] [X.] 4-2500 § 18 [X.] 7 Rd[X.]9; E. [X.] in [X.], Handbuch der Krankenversicherung [X.], Stand Januar 2016, § 13 [X.] V Rd[X.] 254). Die in diese Richtung zielende Behauptung der Klägerin, die Beklagte habe einen zum Minderabruf der [X.]esbeteiligung führenden Softwarefehler erkannt, aber die Klägerin nicht hierüber informiert, findet in den Akten keine Stütze. Die Beklagte legte vielmehr auch gegenüber der Klägerin die Probleme mit dem [X.] und ihre Bemühungen offen, aktiv von sich aus eingetretene Fehler zu beseitigen (Schreiben vom [X.]). Sie gab der Klägerin damit zugleich Gelegenheit zu einer umfassenden Prüfung, die jene aber nicht nutzte. Die Klägerin kann sich insoweit nicht mit Erfolg auf Rechtsmissbrauch berufen, da sie es versäumte, zeitnah ihren eigenen [X.]en nachzukommen. Ausdrücklich sieht das Gesetz zwar erst ab 1.4.2011 vor, dass die Länder die Prüfung zu gewährleisten haben, dass die Ausgaben der kommunalen Träger begründet und belegt sind und den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit entsprechen (vgl § 46 Abs 8 S 5 [X.] idF der Bekanntmachung vom 13.5.2011, [X.] 850). Die [X.] traf die Klägerin nach allgemeinen Grundsätzen aber auch schon zuvor.

bb) Die Pflicht zu bundesfreundlichem Verhalten ist eine Ausprägung des [X.]esst[X.]tsprinzips (Art 20 Abs 1 GG; vgl zB [X.] 12, 205, 255; 13, 54, 75; 81, 310, 337 mwN). Die Pflicht verlangt, dass sowohl der [X.] als auch die Länder bei der Wahrnehmung ihrer Kompetenzen die gebotene und ihnen zumutbare Rücksicht auf das Gesamtinteresse des [X.]esst[X.]tes und auf die Belange der Länder nehmen (stRspr, vgl zB [X.] 32, 199, 218; 43, 291, 348; 81, 310, 337; 104, 249, 269 f; 139, 321 Rd[X.]01 mwN). Der [X.] oder ein Land verstoßen gegen diese Pflicht allerdings nicht schon dadurch, dass sie von einer ihnen durch das Grundgesetz eingeräumten Kompetenz oder gesetzlich eingeräumten Rechten Gebrauch machen; vielmehr muss deren Inanspruchnahme missbräuchlich sein oder gegen prozedurale Anforderungen verstoßen, die aus diesem Grundsatz herzuleiten sind (vgl [X.] 106, 1, 27). Grundsätzlich dürfen sich der [X.] und die Länder dementsprechend nach dem für sie geltenden Grundsatz der sparsamen Haushaltsführung (§ 7 Abs 1 [X.]eshaushaltsordnung) auf Verjährung berufen.

Es bedarf keiner Vertiefung, inwieweit hiernach eine willkürliche Benachteiligung eines [X.]eslandes gegenüber anderen [X.]esländern bei Ausübung des Leistungsverweigerungsrechts die Pflicht zu bundesfreundlichem Verhalten verletzt. In diesem Sinne sieht sich die Klägerin gegenüber der [X.] benachteiligt. Die Beklagte berief sich indes nach dem Akteninhalt auch gegenüber der [X.] auf Verjährung.

3. Die Klägerin hat gegen die Beklagte auch keinen Haftungsanspruch wegen grober Pflichtverletzung (vgl Art 104a Abs 5 S 1 Halbs 2 GG). Nach dem Wortlaut dieser Norm haften [X.] und Länder im Verhältnis zueinander für eine ordnungsmäßige Verwaltung. Ungeachtet der Fragen, inwieweit solche Haftungsansprüche zugleich mit dem speziell ausgestalteten Anspruch auf [X.]esbeteiligung (§ 46 Abs 5 ff [X.]) bestehen können (zum grundsätzlichen Anwendungsbereich der Haftungsregelung für das Auseinanderfallen von Verwaltungs- und Finanzierungszuständigkeit vgl [X.]E 105, 100 = [X.] 4-1100 Art 104a [X.], Rd[X.] 26 ff mwN) und welche Verjährungsregeln hierfür gelten, sind auch bei unterstellter Anwendbarkeit jedenfalls dessen Voraussetzungen nicht erfüllt. Außerhalb der Fälle der gemeinschaftsrechtlichen Anlastung, in denen nur ein "einfaches", objektiv rechtswidriges Verhalten erforderlich ist (vgl [X.] 116, 271, 318 mwN), bedarf es bei Anwendung rein nationalen Rechts darüber hinaus zumindest einer schwerwiegenden grob fahrlässig oder vorsätzlich begangenen Pflichtverletzung der in Anspruch genommenen Gebietskörperschaft (vgl [X.]E 105, 100 = [X.] 4-1100 Art 104a [X.], Rd[X.] 25 mwN; [X.] [X.] 4-4200 § 6b [X.] 2 Rd[X.]4 mwN; [X.], 45, 57 ff = [X.] 11 Art 104a GG [X.]1; BVerwG [X.] 11 Art 104a GG [X.]3 und 14; BVerwGE 128, 99 Rd[X.] 21 = [X.] 11 Art 104a GG [X.] 20; "vorsätzliche Pflichtverletzungen" für notwendig erachtend: BVerwGE 104, 29, 32 ff = [X.] 11 Art 104a GG [X.]6). Daran fehlt es. Wie dargelegt hielt die Beklagte die Klägerin nicht treuwidrig von der Realisierung von Ansprüchen ab.

4. [X.] beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Teils 3 [X.] iVm § 154 Abs 1 VwGO. Die Entscheidung über den Streitwert folgt aus § 197a Abs 1 S 1 Teils 1 [X.] iVm § 63 Abs 2 S 1, § 52 Abs 1 und [X.] sowie § 47 Abs 1 S 1 GKG.

Meta

B 1 AS 1/16 KL

31.05.2016

Bundessozialgericht 1. Senat

Urteil

Sachgebiet: AS

§ 39 Abs 2 S 1 SGG, § 51 Abs 1 Nr 4a SGG, § 46 Abs 5 SGB 2, § 46 Abs 8 S 1 SGB 2, § 46 Abs 8 S 2 SGB 2, § 46 Abs 8 S 5 SGB 2, § 6 Abs 1 S 1 Nr 2 SGB 2, § 45 Abs 1 SGB 1, § 242 BGB, Art 20 Abs 1 GG, Art 104a Abs 3 S 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 31.05.2016, Az. B 1 AS 1/16 KL (REWIS RS 2016, 10770)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 10770

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V ZR 246/14

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