Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 15.07.2019, Az. 2 B 8/19

2. Senat | REWIS RS 2019, 5485

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Gegenstand

Disziplinare Ahndung des Besitzes kinderpornografischer Bilddateien bei einem Lehrer (Schulleiter)


Gründe

1

1. Der 1951 geborene [X.] stand als Oberstudiendirektor im Dienst des klagenden [X.] und wurde zuletzt als Schulleiter verwendet. Im Frühjahr 2006 wurde bei ihm eine Lungenkrebserkrankung diagnostiziert. Mit Ablauf des Jahres 2009 versetzte ihn der Kläger wegen Dienstunfähigkeit vorzeitig in den Ruhestand.

2

Nachdem bei einer Hausdurchsuchung im Dezember 2007 pornografische [X.]ilddateien auf dem Personalcomputer des [X.]n gefunden worden waren, verurteilte ihn das Amtsgericht im Dezember 2008 wegen des [X.]esitzes kinderpornografischer [X.]ilder zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen. Nach den tatsächlichen Feststellungen des Strafurteils hatte der [X.] neben einer Vielzahl strafrechtlich nicht relevanter [X.]ilddateien acht [X.]ilddateien mit kinderpornografischem Inhalt besessen, die im [X.]raum von Januar 2006 bis Dezember 2007 abgespeichert worden waren. Im sachgleichen Disziplinarverfahren erkannte das Verwaltungsgericht dem [X.]n das Ruhegehalt ab, die hiergegen gerichtete [X.]erufung blieb erfolglos.

3

Das [X.]erufungsgericht hat im ersten [X.]erufungsurteil offengelassen, ob einem Strafurteil indizielle Wirkung für die Schwere des außerdienstlich begangenen Dienstvergehens zukommen könne. Jedenfalls sei angesichts des Inhalts der [X.]ilddateien und der nicht unerheblichen Anzahl von acht [X.]ilddateien hier ausnahmsweise trotz einer von den Strafgerichten nur ausgesprochenen Geldstrafe im unteren [X.]ereich von einer besonders schweren Verfehlung auszugehen. Auch die Frage, ob es durch das [X.] zu einer vermehrten Serotoninausschüttung gekommen sei, hat das [X.]erufungsgericht dahinstehen lassen. Auch ohne sachverständige [X.]egutachtung stehe zur sicheren Überzeugung des Gerichtes fest, dass eine derartige Störung nicht das [X.] der schweren anderen seelischen Abartigkeit im Sinne der §§ 20, 21 StG[X.] erfüllen könne.

4

Auf die hiergegen gerichtete [X.]eschwerde des [X.]n hat der Senat ([X.], [X.]eschluss vom 28. Februar 2017 - 2 [X.] 85.16 - [X.] LDisziplinarG [X.]) das erste [X.]erufungsurteil aufgehoben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht mit der [X.]egründung zurückverwiesen, das [X.]erufungsurteil könne auf den vom [X.]n geltend gemachten Verstößen gegen die Aufklärungspflicht beruhen. Das Oberverwaltungsgericht hätte das Vorbringen des [X.]n zum Vorliegen einer krankhaften Störung nicht unter Hinweis auf einen Wikipedia-Eintrag und die auch ohne sachverständige [X.]egutachtung sichere Überzeugung des Senats abtun dürfen. Mit der Aussage, selbst wenn man eine Auswirkung der erhöhten Serotoninproduktion auf die Sexualfunktion annehme, könne dies nicht erklären, warum diese Auswirkungen ausgerechnet zum Herunterladen und Abspeichern kinderpornografischer [X.]ilder hätte führen sollen, maße sich das Oberverwaltungsgericht Kenntnisse zu medizinischen Kausalzusammenhängen an, deren Grundlage und Fundierung jedenfalls nicht offen gelegt seien. Schließlich verkenne die Argumentation des [X.]erufungsurteils auch, dass das Vorliegen einer krankhaften [X.]eeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit auch unterhalb der Schwelle einer seelischen Abartigkeit im Sinne der §§ 20, 21 StG[X.] für die Gesamtwürdigung von [X.]edeutung sein könne. Dies gelte vorliegend umso mehr, als die Verhängung der disziplinaren [X.] für ein außerdienstlich begangenes und von den Strafgerichten mit einer Geldstrafe im unteren [X.]ereich geahndetes Dienstvergehen nur ausnahmsweise und bei Vorliegen disziplinarrechtlich bedeutsamer Umstände in [X.]etracht komme. Solche Umstände dürften sich vorliegend jedenfalls nicht aus den Umständen der Tatbegehung ergeben. Nach Anzahl, Art und Inhalt der abgeurteilten [X.]ilddateien, dem Alter der betroffenen Kinder und der Form des abgebildeten Missbrauchs lägen die vom [X.]n begangenen Taten im deutlich unteren [X.]ereich der möglichen [X.]egehungsformen einer Straftat nach § 184b Abs. 4 StG[X.] a.F. und hätten daher für sich genommen noch nicht den für die Verhängung der disziplinarrechtlichen [X.] erforderlichen Schweregehalt. Dementsprechend sei der mögliche Strafrahmen durch die Strafgerichte auch nicht ausgeschöpft und nur auf eine Geldstrafe in Höhe von 50 Tagessätzen erkannt worden.

5

Nach der Zurückverweisung hat das Oberverwaltungsgericht [X.]eweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens zu einer möglichen Ausschüttung des Hormons Serotonin durch den beim [X.]n festgestellten Tumor und zur Wirkungsweise dieses Hormons. Mit Urteil vom 28. November 2018 hat das Oberverwaltungsgericht die [X.]erufung des [X.]n erneut zurückgewiesen. Es hat zur [X.]egründung insbesondere ausgeführt: Der [X.] habe durch den [X.]esitz von acht kinderpornografischen [X.]ilddateien auf der Festplatte seines [X.]omputers ein schwerwiegendes einheitliches Dienstvergehen begangen, dem unabhängig davon, dass gegen ihn lediglich eine Geldstrafe verhängt worden sei, grundsätzlich die disziplinarische Ahndung mit der [X.] gebühre. Diese Maßnahme sei hier auch mit Rücksicht darauf angezeigt, dass der [X.], als er das Dienstvergehen begangen habe, seit August 1998 eine leitende, mit [X.] einhergehende Tätigkeit innegehabt habe, und dass er ab Juli 1999 als Oberstudiendirektor ein statusrechtliches Amt bekleidet habe, dem eine herausgehobene Stellung innerhalb der [X.]eamtenschaft zukomme.

6

2. Die [X.]eschwerde hat keinen Verfahrensmangel dargelegt, auf dem die angegriffene Entscheidung des [X.] beruhen kann (§ 67 [X.], § 133 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

7

a) Dies gilt zunächst für die Rüge, das [X.]erufungsgericht habe seine Aufklärungspflicht dadurch verletzt, dass es kein weiteres Sachverständigengutachten eingeholt habe, obwohl es weiteren Aufklärungsbedarf zur psychischen Gesundheit des [X.]n gegeben habe.

8

aa) Im gerichtlichen Disziplinarverfahren haben die [X.]e nach § 57 Abs. 1 Satz 1 [X.] und § 86 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 65 Abs. 1 [X.] grundsätzlich selbst und von Amts wegen diejenigen Tatsachen zu ermitteln und festzustellen, die für den Nachweis des Dienstvergehens und die [X.]emessung der Disziplinarmaßnahme von [X.]edeutung sind ([X.], Urteil vom 28. Februar 2013 - 2 [X.] 3.12 - [X.]E 146, 98 Rn. 20). Entsprechend § 86 Abs. 1 VwGO folgt daraus die Verpflichtung, diejenigen Maßnahmen der Sachaufklärung zu ergreifen, die sich nach Lage der Dinge aufdrängen. Dies gilt gemäß § 57 Abs. 1 Satz 1 und § 65 Abs. 1 Satz 1 [X.] (entspricht § 58 Abs. 1 und § 65 Abs. 1 Satz 1 [X.]) auch für die [X.]erufungsinstanz (vgl. [X.], [X.]eschluss vom 14. Juni 2005 - 2 [X.] 108.04 - [X.] 235.1 § 58 [X.] Nr. 1 S. 2).

9

Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] erfordert die Rüge einer Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht aus § 86 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO die substanziierte Darlegung, welche Tatsachen auf der Grundlage der materiell-rechtlichen Auffassung des [X.]erufungsgerichts aufklärungsbedürftig waren, welche für erforderlich oder geeignet gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in [X.]etracht kamen, welche tatsächlichen Feststellungen dabei voraussichtlich getroffen worden wären und inwiefern diese unter Zugrundelegung der materiell-rechtlichen Auffassung des [X.]s zu einer für den [X.]eschwerdeführer günstigeren Entscheidung hätten führen können. Die Aufklärungsrüge stellt zudem kein Mittel dar, um Versäumnisse eines Verfahrensbeteiligten in der Tatsacheninstanz zu kompensieren, vor allem wenn er es unterlassen hat, einen [X.]eweisantrag zu stellen. Deshalb muss entweder dargelegt werden, dass bereits im Verfahren vor dem [X.], insbesondere in der mündlichen Verhandlung, auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, hingewirkt worden ist oder aufgrund welcher Anhaltspunkte sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken hätten aufdrängen müssen ([X.], Urteil vom 22. Januar 1969 - 6 [X.] 52.65 - [X.]E 31, 212 <217 f.>; [X.]eschlüsse vom 19. August 1997 - 7 [X.] 261.97 - [X.] 310 § 133 VwGO Nr. 26 S. 14 und vom 19. Februar 2018 - 2 [X.] - [X.] LDisziplinarG Nr. 56 Rn. 6).

Die Verwaltungsgerichte treffen bei der [X.]estimmung der Disziplinarmaßnahme eine eigene [X.]emessungsentscheidung gemäß § 13 [X.]. Welche Disziplinarmaßnahme im Einzelfall erforderlich ist, richtet sich gemäß § 13 Abs. 2 [X.] nach der Schwere des Dienstvergehens unter angemessener [X.]erücksichtigung der Persönlichkeit des [X.]eamten und des Umfangs der durch das Dienstvergehen herbeigeführten Vertrauensbeeinträchtigung. Das [X.] "Persönlichkeitsbild des [X.]eamten" gemäß § 13 Abs. 2 Satz 2 [X.] erfasst dessen persönliche Verhältnisse und sein sonstiges dienstliches Verhalten vor, bei und nach der Tatbegehung. Es erfordert eine Prüfung, ob das festgestellte Dienstvergehen mit dem bisher gezeigten Persönlichkeitsbild des [X.]eamten übereinstimmt oder etwa als persönlichkeitsfremdes Verhalten in einer Notlage oder einer psychischen Ausnahmesituation davon abweicht ([X.], Urteile vom 20. Oktober 2005 - 2 [X.] 12.04 - [X.]E 124, 252 <259 f.> und vom 3. Mai 2007 - 2 [X.] 9.06 - [X.] 235.1 § 13 [X.] Nr. 3 Rn. 14). In diesem Zusammenhang haben die Verwaltungsgerichte auch der Frage einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit im Sinne der §§ 20 und 21 StG[X.] nachzugehen, wenn der Sachverhalt hinreichenden Anlass bietet. Lässt sich nach erschöpfender Sachaufklärung ein Sachverhalt nicht ohne vernünftigen Zweifel ausschließen, dessen rechtliche Würdigung eine erheblich verminderte Schuldfähigkeit des [X.]eamten ergibt, so ist dieser Gesichtspunkt nach dem Grundsatz "in dubio pro reo" in die Gesamtwürdigung einzustellen. Dies trägt auch der disziplinarrechtlichen Geltung des Schuldprinzips und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung ([X.], Urteile vom 3. Mai 2007 - 2 [X.] 9.06 - [X.] 235.1 § 13 [X.] Nr. 3 Rn. 30 und vom 29. Mai 2008 - 2 [X.] 59.07 - [X.] 235.1 § 70 [X.] Nr. 3 Rn. 27; [X.]eschluss vom 19. Februar 2018 - 2 [X.] - [X.] LDisziplinarG Nr. 56 Rn. 7).

Erheblich verminderte Schuldfähigkeit gemäß §§ 20 und 21 StG[X.] setzt voraus, dass die Fähigkeit, das Unrecht einer Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, wegen einer Störung im Sinne von § 20 StG[X.] bei Tatbegehung erheblich eingeschränkt war. Für die Steuerungsfähigkeit kommt es darauf an, ob das Hemmungsvermögen so stark herabgesetzt war, dass der [X.]etroffene den [X.] erheblich weniger Widerstand als gewöhnlich entgegenzusetzen vermochte (vgl. [X.], Urteile vom 27. November 1959 - 4 StR 394/59 - [X.]St 14, 30 <32> und vom 21. November 1969 - 3 StR 249/68 - [X.]St 23, 176 <190>; stRspr). Die daran anknüpfende Frage, ob die Verminderung der Steuerungsfähigkeit aufgrund einer krankhaften seelischen Störung "erheblich" war, ist eine Rechtsfrage, die die Verwaltungsgerichte ohne [X.]indung an die Einschätzung Sachverständiger in eigener Verantwortung zu beantworten haben. Hierzu bedarf es einer Gesamtschau der Persönlichkeitsstruktur des [X.]etroffenen, seines Erscheinungsbildes vor, während und nach der Tat und der [X.]erücksichtigung der Tatumstände, insbesondere der Vorgehensweise. Die [X.] liegt umso höher, je schwerer das in Rede stehende Delikt wiegt (vgl. [X.], Urteile vom 21. Januar 2004 - 1 [X.], 437 und vom 22. Oktober 2004 - 1 [X.], 329 <330>). Für die Annahme einer erheblichen Minderung der Schuldfähigkeit sind schwerwiegende Gesichtspunkte heranzuziehen wie etwa [X.], [X.], Triebstörungen, leichtere Formen des Schwachsinns, altersbedingte Persönlichkeitsveränderungen, Affektzustände sowie Folgeerscheinungen einer Abhängigkeit von Alkohol, Drogen oder Medikamenten (vgl. [X.]/Kühl, StG[X.], 29. Auflage 2018, § 21 Rn. 2 m.w.N.). Dementsprechend hängt im Disziplinarrecht die [X.]eurteilung der Erheblichkeit im Sinne von § 21 StG[X.] von der [X.]edeutung und Einsehbarkeit der verletzten Dienstpflichten ab. Aufgrund dessen wird sie bei [X.] nur in Ausnahmefällen erreicht werden (vgl. [X.], Urteile vom 3. Mai 2007 - 2 [X.] 9.06 - [X.] 235.1 § 13 [X.] Nr. 3 Rn. 34 und vom 29. Mai 2008 - 2 [X.] 59.07 - juris Rn. 30; [X.]eschluss vom 19. Februar 2018 - 2 [X.] - [X.] LDisziplinarG Nr. 56 Rn. 8).

Hinsichtlich eines zusätzlich einzuholenden Sachverständigengutachtens ist den [X.]en nach § 98 VwGO i.V.m. §§ 404 und 412 ZPO Ermessen eröffnet. Die unterlassene Einholung eines zusätzlichen Gutachtens ist nur dann verfahrensfehlerhaft, wenn das vorliegende Gutachten seinen Zweck nicht zu erfüllen vermag, dem Gericht die zur Feststellung des entscheidungserheblichen Sachverhalts erforderliche Sachkunde zu vermitteln und ihm dadurch die [X.]ildung der für die Entscheidung notwendigen Überzeugung zu ermöglichen. Liegt dem Gericht bereits eine sachverständige Äußerung zu einem [X.]eweisthema vor, muss es ein weiteres Gutachten nur einholen, wenn die vorhandene Stellungnahme von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, inhaltliche Widersprüche oder fachliche Mängel aufweist oder Anlass zu Zweifeln an der Sachkunde oder Unparteilichkeit des Gutachters besteht ([X.], Urteil vom 6. Februar 1985 - 8 [X.] 15.84 - [X.]E 71, 38 <45>; [X.]eschlüsse vom 29. Mai 2009 - 2 [X.] - [X.] 235.1 § 58 [X.] Nr. 5 Rn. 7 und vom 26. September 2014 - 2 [X.] 14.14 - [X.] 235.1 § 57 [X.] Nr. 5 Rn. 18 f. m.w.N.). Die Verpflichtung zur Einholung eines weiteren Gutachtens folgt nicht schon daraus, dass ein [X.]eteiligter das vorliegende Gutachten als Erkenntnisquelle für unzureichend hält ([X.], Urteile vom 15. Oktober 1985 - 9 [X.] 3.85 - [X.] 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 38 S. 122, vom 6. Oktober 1987 - 9 [X.] 12.87 - [X.] 310 § 98 VwGO Nr. 31 S. 2 und vom 22. Oktober 2015 - 7 [X.] 15.13 - NVwZ 2016, 308 Rn. 47; [X.]eschlüsse vom 27. März 2013 - 10 [X.] 34.12 - [X.] 310 § 98 VwGO Nr. 109 Rn. 4, vom 21. Juli 2016 - 2 [X.] 40.16 - [X.] LDisziplinarG Nr. 46 Rn. 15, vom 29. August 2017 - 2 [X.] 76.16 - [X.] 235.1 § 57 [X.] Nr. 9 Rn. 17 und vom 16. Mai 2018 - 2 [X.] 12.18 - [X.] 239.1 § 36 [X.]eamtVG Nr. 3 Rn. 9).

bb) Im vorliegenden Fall hat das [X.]erufungsgericht eine erheblich verminderte Schuldfähigkeit des [X.]n verneint, weil auch nach erfolgter [X.]eweisaufnahme keine Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass der [X.] im Tatzeitraum an einer krankhaften seelischen Störung oder einer schweren seelischen Abartigkeit im Sinne des § 20 StG[X.] gelitten habe. Hierfür gäben die Diagnosen des ihn behandelnden Internisten und Psychotherapeuten aus den Jahren 2009 und 2010 nichts her. Auch ein eventuell erhöhter Serotoninspiegel aufgrund einer möglichen Produktion dieses [X.]otenstoffs durch das beim [X.]n festgestellte [X.] rechtfertigten keine Zweifel an seiner uneingeschränkten Schuldfähigkeit. Denn nach dem im [X.]erufungsverfahren eingeholten Gutachten habe der [X.] jedenfalls nach der Entfernung des [X.] nicht mehr unter dem Einfluss einer tumorbedingten Serotoninausschüttung gelitten. In dieser [X.] habe er drei der inkriminierten acht Dateien heruntergeladen und alle acht [X.]ilddateien gespeichert. Da sich aufgrund der Ausführungen des Sachverständigen keine Anhaltspunkte für eine erhöhte Serotoninausschüttung im gesamten Tatzeitraum ergeben hätten, habe für das [X.]erufungsgericht keine Veranlassung zu einer weiteren Aufklärung des Sachverhalts bestanden.

Die [X.]eschwerde zeigt nicht auf, dass das [X.]erufungsgericht durch die [X.] eines weiteren Sachverständigengutachtens seine Aufklärungspflicht verletzt hat.

Der anwaltlich vertretene [X.] hat in der mündlichen Verhandlung vor dem [X.]erufungsgericht ausweislich der Sitzungsniederschrift keinen [X.]eweisantrag auf Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens gestellt. Ein solcher [X.]eweisantrag war auch nicht deshalb entbehrlich, weil der [X.]nbevollmächtigte zuvor schriftsätzlich - ohne nähere Substanziierung - in einem Satz darauf hingewiesen hatte, dass "das vorgelegte Gutachten ausdrücklich die [X.]eweisfragen in den Antworten nicht gänzlich ab(deckt), zu deren [X.]ewältigung eine ergänzende [X.]egutachtung notwendig erscheint". Das folgt zumindest daraus, dass das [X.]erufungsgericht in Reaktion auf den anwaltlichen Schriftsatz den [X.]eteiligten vor der mündlichen Verhandlung den Hinweis erteilt hatte, dass und warum es die Einholung eines weiteren Gutachtens nicht für erforderlich hielt.

Dem [X.]erufungsgericht musste sich auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung die Notwendigkeit der Einholung eines weiteren Gutachtens auch nicht aufdrängen. Etwas anderes folgt nicht daraus, dass der Gutachter nicht alle der dem Gutachtensauftrag zugrunde liegenden [X.]eweisfragen beantworten konnte. Dies gilt nicht nur für den nach der Vernichtung des Paraffinblocks objektiv unmöglich gewordenen Nachweis der exakten Kategorisierung des Tumors, sondern auch für die Fragen, für deren [X.]eantwortung der Gutachter die Hinzuziehung eines Sachverständigen mit neurophysiologischen/psychiatrischen Schwerpunkt für erforderlich gehalten hat. Der Gutachter hat selbst die [X.]eantwortung dieser Fragen für möglicherweise entbehrlich gehalten. Vor allem aber kam es auf der Grundlage der Rechtsauffassung des [X.]erufungsgerichts nicht auf die in einem weiteren Gutachten möglicherweise zu gewinnenden Erkenntnisse an: Das [X.]erufungsgericht hat auf der Grundlage der Erkenntnis des Gutachtens, dass nach der Tumorentfernung kein erhöhter Serotoninspiegel beim [X.]n vorlag, aus dem Umstand, dass der [X.] gleichwohl in diesem [X.]raum einen Teil der festgestellten Pflichtverletzungen begangen hat, geschlossen, dass auch ein etwa erhöhter Serotoninspiegel in der [X.] vor der Tumorentfernung die gleichartigen Pflichtverletzungen in diesem [X.]raum nicht erklären und die Annahme verminderter Schuldfähigkeit nicht rechtfertigen könne. Auf der Grundlage dieser Rechtsauffassung bedurfte es der von der [X.]eschwerde vermissten Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens nicht.

b) Auch die Rüge, das [X.]erufungsgericht sei unter Verstoß gegen die [X.]indungswirkung nach § 144 Abs. 6 VwGO von der rechtlichen [X.]eurteilung des [X.] in dem im ersten [X.]eschwerdeverfahren des [X.]n ergangenen [X.]eschluss vom 28. Februar 2017 - 2 [X.] 85.16 - abgewichen, greift nicht durch.

aa) Nach § 144 Abs. 6 VwGO hat das Gericht, an das die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen ist, seiner Entscheidung die rechtliche [X.]eurteilung des [X.] zugrunde zu legen. Diese [X.]indungswirkung umfasst die für die Aufhebungsentscheidung kausal ausschlaggebenden Gründe. Dies schließt die den unmittelbaren [X.] vorausgehenden Erwägungen jedenfalls insoweit ein, als diese die notwendige (logische) Voraussetzung für die unmittelbaren Aufhebungsgründe waren ([X.], Urteile vom 30. Mai 1973 - 8 [X.] 159.72 - [X.]E 42, 243 <247> und vom 28. November 2012 - 8 [X.] 21.11 - [X.]E 145, 122 Rn. 22; [X.]eschlüsse vom 21. August 1997 - 8 [X.] 151.97 - [X.] 310 § 144 VwGO Nr. 65 S. 8 und vom 4. Juli 2013 - 2 [X.] 76.12 - [X.] 310 § 144 VwGO Nr. 80 Rn. 9). Erfasst sind damit die Ausführungen des [X.], aus denen sich die Verletzung von revisiblem Recht ergibt (vgl. [X.], [X.]eschlüsse vom 19. Februar 1973 - 3 [X.] 25.72 - [X.] 310 § 144 VwGO Nr. 21 S. 9, vom 21. März 1986 - 3 [X.][X.] 30.84 - [X.] 310 § 144 VwGO Nr. 46 S. 10 und vom 29. April 2019 - 2 [X.] 25.18 - juris Rn. 9).

Die in § 144 Abs. 6 VwGO bestimmte [X.]indung des [X.]erufungsgerichts verwehrt diesem lediglich eine Abweichung von der der Aufhebung und Zurückverweisung unmittelbar zugrundeliegenden rechtlichen [X.]eurteilung des [X.] und somit die Wiederholung der vom Revisionsgericht gerügten Fehler; sie bezieht sich hingegen nicht auf darüber hinausgehende, weiterführende Hinweise des [X.] für die anderweitige Verhandlung und Entscheidung ([X.], [X.]eschlüsse vom 20. Dezember 1990 - 2 [X.] 114.90 - juris Rn. 10 m.w.N. und vom 29. April 2019 - 2 [X.] 25.18 - juris Rn. 12).

Die [X.]indungswirkung des § 144 Abs. 6 VwGO gilt auch für zurückverweisende [X.]eschlüsse nach § 133 Abs. 6 VwGO ([X.], [X.]eschlüsse vom 11. Juli 2000 - 8 [X.] 154.00 - [X.] 310 § 144 VwGO Nr. 68 S. 2 und vom 4. Juli 2013 - 2 [X.] 76.12 - [X.] 310 § 144 VwGO Nr. 80 Rn. 10). [X.]ei der [X.]estimmung der Reichweite der [X.]indungswirkung des [X.]eschlusses nach § 133 Abs. 6 VwGO ist aber dessen beschränkter Gegenstand zu berücksichtigen. Aus § 133 Abs. 3 VwGO ergibt sich, dass das [X.]eschwerdegericht, sofern die [X.]eschwerde auf Verfahrensmängel gestützt wird, nur prüfen kann, ob die geltend gemachten Verfahrensfehler vorliegen. [X.] ein [X.]eteiligter mit der Rüge der unzureichenden Sachaufklärung im Verfahren der [X.]eschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision die Aufhebung des [X.]erufungsurteils und die Zurückverweisung des Rechtsstreits nach § 133 Abs. 6 VwGO, so ist die [X.]indungswirkung nach § 144 Abs. 6 VwGO auf die [X.]eurteilung der gerügten Sachaufklärung und anderer nicht durchgreifender [X.] durch das [X.]undesverwaltungsgericht beschränkt; diesem ist es aufgrund des [X.] nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO verwehrt, sich mit Gesichtspunkten zu befassen, die der [X.]eschwerdeführer nicht gerügt hat ([X.], [X.]eschlüsse vom 4. Juli 2013 - 2 [X.] 76.12 - [X.] 310 § 144 VwGO Nr. 80 Rn. 10 ff. m.w.N. und vom 29. April 2019 - 2 [X.] 25.18 - juris Rn. 14).

bb) Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung entfaltet die Einordnung der festgestellten Pflichtverletzungen des [X.]n als im deutlich unteren [X.]ereich der möglichen [X.]egehungsformen einer Straftat nach § 184b Abs. 4 StG[X.] a.F., die vom [X.]undesverwaltungsgericht in dem im ersten [X.]eschwerdeverfahren des [X.]n ergangenen [X.]eschluss vorgenommen worden ist, keine [X.]indungswirkung nach § 144 Abs. 6 VwGO für das nachfolgende Verfahren. Die betreffende Passage zur Maßnahmebemessung am Ende des [X.]eschlusses war nicht tragend für die wegen Verletzung der Sachaufklärungspflicht erfolgte Aufhebung des ersten [X.]erufungsurteils. Sie enthielt vielmehr lediglich einen Hinweis für das weitere Verfahren.

Lediglich angemerkt sei, dass nach der Rechtsprechung des [X.] bei Lehrern der außerdienstliche [X.]esitz kinderpornografischen Materials besonders schwer wiegt, weil hier stets ein enger dienstlicher [X.]ezug gegeben ist. Ein derartiges Verhalten gibt begründeten Anlass zu Zweifeln an der Eignung für den Lehrerberuf. Ein Lehrer, der sich nach § 184b Abs. 4 StG[X.] strafbar gemacht hat, bietet keine Gewähr, dass er die ihm dienstlich obliegenden Erziehungsaufgaben mit der erforderlichen Autorität erfüllen kann. Daraus hat das [X.]undesverwaltungsgericht den Schluss gezogen, dass der Orientierungsrahmen für den außerdienstlichen [X.]esitz kinderpornografischen Materials bei Lehrern bis zur Entfernung aus dem [X.]eamtenverhältnis reicht. Demnach kommt die Entfernung aus dem [X.]eamtenverhältnis in [X.]etracht, wenn das strafbare Verhalten aufgrund der Tatumstände des jeweiligen Einzelfalls, insbesondere der Anzahl und des Inhalts des Materials, als besonders verwerflich einzustufen ist und dem [X.]eamten keine entlastenden Umstände von erheblichem Gewicht zugutekommen ([X.], [X.]eschluss vom 25. Mai 2012 - 2 [X.] 133.11 - NVwZ-RR 2012, 607 Rn. 11 m.w.N.). Anzahl und Inhalt des Materials können eine besondere Verwerflichkeit begründen, die die [X.] rechtfertigen kann ([X.], [X.]eschluss vom 16. März 2017 - 2 [X.] 42.16 - [X.] 235.1 § 13 [X.] Nr. 40 Rn. 13). Dies bedeutet aber nicht, dass mit [X.]lick auf jeden dieser beiden Aspekte (Anzahl und Inhalt) jeweils eine besondere Verwerflichkeit erforderlich ist und nur bei kumulativer Erfüllung beider Aspekte eine die disziplinarrechtliche [X.] rechtfertigende besondere Verwerflichkeit des strafbaren Verhaltens vorliegt. Vielmehr ist eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen, die beide Aspekte - die gleichsam in einem Verhältnis kommunizierender Röhren zueinander stehen - in den [X.]lick zu nehmen und zu würdigen hat. Eine die disziplinare [X.] rechtfertigende besondere Verwerflichkeit kann daher auch dann vorliegen, wenn bei nicht sehr großer Anzahl ein besonders schwerwiegender Inhalt oder bei nicht sehr schwerwiegendem Inhalt eine große Anzahl kinder- und jugendpornografischer Schriften, [X.]ild- und Videodateien in Rede steht. Die Frage, ab welcher Anzahl oder ab welchem Inhalt eine besondere Verwerflichkeit anzunehmen ist, kann nicht allgemein beantwortet werden; es kommt stets auf eine Gesamtbetrachtung von Anzahl und Inhalt im konkreten Einzelfall an ([X.], [X.]eschluss vom 17. Juni 2019 - 2 [X.] 82.18 - Rn. 21).

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 74 Abs. 1 [X.], § 154 Abs. 2 VwGO. Einer Festsetzung des Streitwerts bedarf es nicht, weil für das [X.]eschwerdeverfahren Festgebühren nach dem Gebührenverzeichnis der Anlage zu § 75 [X.] erhoben werden.

Meta

2 B 8/19

15.07.2019

Bundesverwaltungsgericht 2. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 28. November 2018, Az: 3d A 754/12.O, Urteil

§ 13 Abs 2 DG NW, § 184b Abs 4 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 15.07.2019, Az. 2 B 8/19 (REWIS RS 2019, 5485)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 5485

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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