Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.01.2010, Az. IX ZR 93/09

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2010, 10415

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.]/09 Verkündet am: 14. Januar 2010 [X.] als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja[X.] §§ 87, 89 Die Vorschriften der Insolvenzordnung stehen der Befriedigung einzelner Insolvenz-gläubiger aus dem insolvenzfreien Vermögen des Schuldners während des [X.] grundsätzlich nicht entgegen. [X.], Urteil vom 14. Januar 2010 - [X.]/09 - [X.] [X.] - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 14. Januar 2010 durch [X.] Ganter, [X.] Dr. Gehrlein, [X.], [X.] und Grupp für Recht erkannt: Die Revision gegen das Urteil der 10. Zivilkammer des Landge-richts [X.] vom 27. April 2009 wird auf Kosten der Klägerin zu-rückgewiesen. Von Rechts wegen Tatbestand: Die Klägerin ist Verwalterin in dem am 22. Oktober 2003 eröffneten [X.] über das Vermögen des [X.](im Folgenden: Schuldner). Der beklagte [X.] meldete mit Schreiben vom 2. Februar 2004 eine Forderung in Höhe von 548,20 • zur Insolvenztabelle an. Die Forde-rung resultierte im Wesentlichen aus rückständigen Gebühren im [X.] mit der Zulassung von Kraftfahrzeugen. Als der Schuldner ein neues Fahrzeug anmelden wollte, machte der Beklagte die Zulassung gemäß §§ 1, 3 des [X.] von Gebühren- und Aus-lagenrückständen bei der Zulassung von Fahrzeugen ([X.]/Kfz-Zulassung - [X.]) vom 19. September 2006 von der Zahlung der Rückstände abhängig. Der Schuldner zahlte daraufhin den ge-schuldeten Betrag aus seinem insolvenzfreien Vermögen. 1 - 3 - Die Klägerin verlangt vom Beklagten die Rückzahlung des Betrags aus eigenem Recht, hilfsweise aufgrund einer mit dem Schuldner vereinbarten Ab-tretung. Amts- und [X.] haben die Klage abgewiesen. Mit der vom [X.] zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. 2 Entscheidungsgründe: Die Revision hat keinen Erfolg. Die Vorinstanzen haben richtig entschie-den. 3 [X.] Das Berufungsgericht hat ausgeführt, ein Anspruch auf Rückzahlung fol-ge nicht aus dem Bereicherungsrecht, weil die Leistung nicht ohne Rechtsgrund gemäß § 812 Abs. 1 BGB erfolgt sei. Die Verfügung des Schuldners habe nicht die Insolvenzmasse betroffen. Deshalb sei sie nicht nach § 81 Abs. 1 [X.] un-wirksam. Mit seinem freien Vermögen könne der Schuldner nach eigenem [X.] verfahren. Zahlungen aus diesem Vermögen verkürzten nicht die Masse und verstießen deshalb nicht gegen § 87 [X.] und den Grundsatz der Gläubi-gergleichbehandlung. Ein Rückzahlungsanspruch folge auch nicht aus § 826 BGB. Das Verhalten des Beklagten habe den §§ 1, 3 [X.] entsprochen und sei rechtlich nicht zu missbilligen. Mit der Zahlung sei dem Schuldner keine Verletzung seiner Obliegenheit nach § 295 Abs. 1 Nr. 4 [X.] zugemutet [X.], weil Leistungen aus dem pfändungsfreien Vermögen dem Gläubiger kei-nen Sondervorteil im Sinne dieser Bestimmung verschafften. 4 - 4 - I[X.] Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung stand. 5 1. Ansprüche der Klägerin aus eigenem Recht als Insolvenzverwalterin bestehen nicht, weil die Zahlung an den Beklagten mit Mitteln erfolgte, die nicht zur Insolvenzmasse im Sinne der §§ 35, 36 [X.] gehörten und deshalb nicht der Verfügungsbefugnis der Klägerin nach § 80 [X.] unterlagen. 6 2. Die Klägerin hat auch durch die mit dem Schuldner vereinbarte Abtre-tung keinen Anspruch gegen den Beklagten auf Rückzahlung erworben, denn dem Schuldner stand ein solcher Anspruch nicht zu. 7 a) Die Voraussetzungen für einen Anspruch des Schuldners aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB liegen nicht vor. Der Beklagte hat die Zahlung des Schuldners nicht ohne rechtlichen Grund erlangt. Der die Vermögensverschie-bung an den Beklagten materiell rechtfertigende Grund liegt in dessen [X.] auf Zahlung der Gebühren, den auch die Klägerin nicht in Abrede stellt. Zu den Rechtsnormen, die bestimmen, ob dem [X.] das Erlangte dau-erhaft zustehen soll, gehören im Streitfall allerdings auch die Normen und die darin enthaltenen Wertungen des Insolvenzrechts ([X.]/[X.], 5. Aufl. § 812 Rn. 345; [X.] WM 2002, 974, 975; vgl. auch [X.] 71, 309, 312). Diese rechtfertigen jedoch entgegen der Ansicht der Revision keine andere Beurteilung. 8 aa) Gemäß § 87 [X.] können Insolvenzgläubiger ihre Forderungen nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nur noch nach den Vorschriften des [X.] verfolgen. Sie haben ihre Forderungen zur Insolvenztabelle an-9 - 5 - zumelden, Zwangsvollstreckungen sind weder in die Insolvenzmasse noch in das sonstige Vermögen des Schuldners zulässig (§ 89 Abs. 1 [X.]). Damit soll erreicht werden, dass die Insolvenzgläubiger gleichmäßige Befriedigung erlan-gen (MünchKomm-[X.]/[X.], 2. Aufl. § 87 Rn. 2; HK-[X.]/[X.], 5. Aufl. § 87 Rn. 1). Der Grundsatz der Gleichbehandlung der Insolvenzgläubiger gilt während der Dauer des Insolvenzverfahrens jedoch nur in Bezug auf die [X.]. Sie soll der Gesamtheit der Insolvenzgläubiger zur Befriedigung zur Verfügung stehen und muss vor unberechtigten Zugriffen einzelner Gläubi-ger geschützt werden. Für das freie, nicht zur Insolvenzmasse gehörende Ver-mögen des Schuldners gilt der Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung im Insolvenzverfahren hingegen nicht. Das schon in § 14 KO enthaltene Verbot, während der Dauer des Insolvenzverfahrens in dieses Vermögen zu vollstre-cken, dient nicht der Gleichbehandlung der Gläubiger, sondern soll dem Schuldner die Möglichkeit geben, schon während des Konkurses eine neue wirtschaftliche Existenz zu begründen ([X.]/[X.], [X.]. § 14 Rn. 2; [X.]/[X.], KO 17. Aufl. § 14 [X.]. 1a). Da der Neuerwerb des Schuldners nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens anders als unter der Geltung der Kon-kursordnung zur Insolvenzmasse gehört, hat dieser Gesichtspunkt allerdings heute nur noch eine geringe Bedeutung (vgl. die Regierungsbegründung zu § 100 [X.]-E = § 89 [X.], BT-Drucks. 12/2443 [X.]). Freiwillige Zahlungen des Schuldners mit Mitteln, die nicht zur Insolvenzmasse gehören (dies sind insbesondere unpfändbare Gegenstände, § 36 [X.]), sind daher durch die §§ 87, 89 [X.] nicht untersagt. Dies entspricht auch der im Schrifttum herr-schenden Auffassung ([X.]/[X.], [X.] § 89 Rn. 59; MünchKomm-[X.]/[X.], aaO § 89 Rn. 32; [X.]/[X.], aaO). Eine Rückzahlung kann allenfalls im Wege der Einzelgläubigeranfechtung erwirkt werden ([X.]/ [X.], aaO; vgl. dazu [X.], [X.] 10. Aufl. § 1 Rn. 57 und § 16 Rn. 4). Auch wenn der Gläubiger - wie hier auf der Grundlage der §§ 1, 3 [X.] - weite-- 6 - re Leistungen an den Schuldner davon abhängig macht, dass der Schuldner zuvor seine Rückstände begleicht, handelt es sich weder um eine Anspruchs-verfolgung im Sinne von § 87 [X.] noch um eine Zwangsvollstreckung im Sinne von § 89 [X.] (anders für den Fall einer Zwangsabmeldung nach § 14 KraftStG FK-[X.]/[X.], 5. Aufl. § 89 Rn. 9). Geht der Schuldner auf das Verlangen des Gläubigers ein und erbringt er eine Zahlung aus seinem insolvenzfreien Vermö-gen, verletzt er nicht den Grundsatz der Gleichbehandlung in seinem von der Insolvenzordnung gezogenen Rahmen. [X.]) Die Ansicht der Revision, die Rechtsordnung missbillige die Vermö-gensverschiebung an den Beklagten, lässt sich auch nicht darauf stützen, dass die Zahlung dem Schuldner unzumutbar gewesen sei, weil er dadurch seine Obliegenheit nach § 295 Abs. 1 Nr. 4 [X.] verletzt habe. Nach dieser Vorschrift darf der Schuldner aus Gründen der Gläubigergleichbehandlung während der Laufzeit der Abtretungserklärung nach § 287 Abs. 2 Satz 1 [X.] Zahlungen zur Befriedigung der Insolvenzgläubiger nur an den Treuhänder leisten und keinem Insolvenzgläubiger einen Sondervorteil verschaffen. Diese Obliegenheit besteht jedoch erst in der Wohlverhaltensphase nach Aufhebung des Insolvenzverfah-rens und Ankündigung der Restschuldbefreiung ([X.], [X.]. v. 18. Dezember 2008 - [X.] ZB 249/07, [X.], 361 m.w.N.). Für die während des [X.] erfolgte Zahlung des Schuldners gilt sie nicht. Es kann deshalb da-hinstehen, ob § 295 Abs. 1 Nr. 4 [X.] Zahlungen des Schuldners aus seinem unpfändbaren und deshalb nicht von der Abtretungserklärung erfassten Vermö-gen überhaupt verbietet (verneinend [X.] Z[X.] 2005, 1001, 1002; MünchKomm-[X.]/Ehricke, 2. Aufl. § 295 Rn. 97 und § 294 Rn. 32; FK-[X.]/[X.], 5. Aufl. § 295 Rn. 58; [X.], [X.] 2006, 454, 460; [X.], Z[X.] 2006, 1132) und ob eine etwaige Obliegenheitsverletzung jedenfalls deshalb außer Betracht zu bleiben hat, weil sie unter den gegebenen Umständen die 10 - 7 - Befriedigung der Gläubiger nicht beeinträchtigen und deshalb nicht zu einer Versagung der Restschuldbefreiung führen könnte (§ 296 Abs. 1 Satz 1 [X.]). b) Die Revision nimmt hin, dass das Berufungsgericht einen Anspruch auf Rückzahlung aus § 826 BGB verneint hat. Rechtsfehler sind insoweit nicht zu erkennen. Die Durchsetzung berechtigter Forderungen kann nur dann gegen die guten Sitten verstoßen, wenn sich der Gläubiger unlauterer Mittel bedient ([X.], Urt. v. 7. März 1985 - [X.], [X.], 866, 868; v. 19. Oktober 1987 - [X.], NJW 1988, 700, 703). Welche Voraussetzungen dafür unter insolvenzrechtlichen Gesichtspunkten erfüllt sein müssen, braucht hier nicht abschließend entschieden zu werden. In Betracht können etwa Fälle kommen, in denen ein Gläubiger mit Monopolstellung Leistungen, welche der Schuldner dringend benötigt, von der Begleichung rückständiger Verbindlichkeiten in ei-nem Umfang abhängig macht, die dem insolventen Schuldner unter [X.] seines berechtigten Interesses am Erhalt seines pfändungs- und damit insolvenzfreien Vermögens nicht zuzumuten ist. Ein solcher Fall liegt hier nicht annähernd vor. Der Beklagte hat ausschließlich die gesetzlichen Bestimmungen der §§ 1, 3 [X.] angewandt. Danach war ihm die Zulassung eines neuen Fahrzeugs für den Schuldner ohne Ermessensspielraum verwehrt, solange die-ser noch Gebühren oder Auslagen aus vorausgegangenen Zulassungs- und damit zusammenhängenden Verwaltungsvorgängen schuldete. Für den Schuldner entstand dadurch zwar eine gewisse Zwangslage. Es ist aber weder festgestellt, dass der Schuldner auf die Zulassung eines Fahrzeugs zwingend angewiesen war, noch war die Bezahlung der Rückstände aus dem insolvenz-freien Vermögen unzumutbar. 11 c) Beurteilt man die Rechtsbeziehung zwischen dem Schuldner und dem Beklagten als öffentlich-rechtliche, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Für 12 - 8 - einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch gilt uneingeschränkt, was zu einem Bereicherungsanspruch nach § 812 BGB ausgeführt wurde. Ein [X.] besteht nicht, weil seitens des Beklagten keine Amtspflicht verletzt wurde. [X.]Gehrlein [X.] Fischer Grupp Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 29.12.2008 - 94 C 169/08 - [X.], Entscheidung vom 27.04.2009 - 10 S 27/09 -

Meta

IX ZR 93/09

14.01.2010

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.01.2010, Az. IX ZR 93/09 (REWIS RS 2010, 10415)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 10415

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